Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.01.2012, AZ: 5 U 51/11
Ähnlich wie zuvor schon das Kammergericht in Berlin hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg entschieden, dass Hotelbewertungen in Internetportalen rechtlich weitgehend unbedenklich sind, weil eine Prangerwirkung grundsätzlich nicht festgestellt werden kann.
Bewertungen können in der Tat für die Tourismusbranche zu einem Dilemma führen. Auf der einen Seite haben - durchaus manipulierbare - positive Bewertungen einen nicht zu unterschätzenden Werbeeffekt. Auf der anderen Seite können negative Bewertungen ein Hotel auch "nach unten ziehen". Auch sie sind letztlich "manipulierbar". Der Portalbetreiber kann den Wahrheitsgehalt von Bewertungen kaum verifizieren oder falsifizieren. Diese Bewertungen können aufgrund subjektiver Einfärbungen bis hin zur Boshaftigkeit falsch sein. Auch angesichts der in Internetforen oftmals seit Jahren feststellbaren "Trollkultur" verlassen solche Bewertungen oftmals den Boden der Sachlichkeit und der Tatsachen recht schnell.
Das Anliegen der Hotelbetreiber solchem Tun Einhalt gebieten zu wollen, ist nachvollziehbar und legitim. Zwar muss sich jeder Gewerbetreibende öffentliche Kritik gefallen lassen, doch findet dies seine Grenze bei überwiegendem Meinungsgehalt im Verbot der "Schmähkritik". Die Behauptung unwahrer Tatsachen muss ohnehin niemand ohne weiteres hinnehmen, wobei die Judikatur in diesem Bereich sich als Caselaw "reinsten Wassers" darstellt.
Der Senat stellt aber völlig zutreffend darauf ab, dass sich aus rechtlichen Gesichtspunkten ein allgemeines Bewertungsverbot nicht herleiten lässt, zumal ein solches Verbot auch in mittelbarer Drittwirkung mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit kollidiert. Die geäußerte Kritik kann durchaus zutreffend sein. Hingegen besteht bei rechtswidrigen Bewertungen im einzelnen durchaus ein Löschungsanspruch. Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an solchen Informationen wird klar herausgestellt. Der Senat äußert sich auch zum Recht auf Anonymität im Internet und bejaht es unter dem Aspekt der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, was deutlich zu begrüßen ist.
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Das Hanseatische Oberlandesgericht hat heute die Berufung einer Hotel- und
Hostelbetreiberin zurückgewiesen, mit der diese erreichen wollte, dass
ihr Hotel / Hostel nicht mehr in dem von der Beklagten betriebenen Internetportal bewertet werden darf.
Die Klägerin betreibt in Berlin unter einem Dach ein Hotel und ein Hostel.
Die
Beklagte vermittelt in ihrem Reiseportal im Internet Reisen und
Hotelübernachtungen. Zugleich bietet sie Internetnutzern die
Möglichkeit, in dem Bewertungsbereich des Portals Kommentare über Hotels
und Reisen abzugeben und die Kommentare anderer Nutzer anzusehen. Auch
über das Haus der Klägerin befanden sich Bewertungen im Portal der
Beklagten. Hier berichteten Nutzer von zahlreichen Mängeln ihrer
Unterkunft.
Die Klägerin ist der
Auffassung, ihr stehe gegen die Beklagte hinsichtlich der Bewertung
ihres Hauses ein Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagte habe mit dem
Portal einen virtuellen „Pranger“ geschaffen, an dem jedermann –
unabhängig davon, ob er Gast im Hotel gewesen sei - völlig anonym und
risikolos veröffentlichen könne, was er wolle, und zwar ohne dass eine
ausreichende Inhaltskontrolle stattfinde.
Nachdem
die Klage der Klägerin bereits vor dem Landgericht Hamburg abgewiesen
worden war (Az. 312 O 429/09), hatte nun auch die Berufung gegen das
landgerichtliche Urteil keinen Erfolg.
Der zuständige 5. Zivilsenat des
Hanseatischen Oberlandesgerichts hat entschieden, die Abwägung der
Interessen der Klägerin gegen jene der Beklagten, der Nutzer des
Bewertungsportals sowie der an Hotelbewertungsportalen interessierten
Öffentlichkeit ergebe, dass der Klägerin der geltend gemachte umfassende
Unterlassungsanspruch nicht zustehe.
Die Klägerin sei unzutreffenden und
für ihren Hotelbetrieb abträglichen Bewertungen nicht schutzlos
ausgeliefert, da sie deren Löschung verlangen und dies ggf. auch
gerichtlich durchsetzen könne.
Das von der Klägerin begehrte allgemeine
Bewertungsverbot führe jedoch dazu, dass das von der Rechtsordnung
anerkannte Betreiben einer Hotelbewertungsplattform unmöglich gemacht
werden könnte. Das liege nicht im Interesse der Allgemeinheit, die ein
schutzwürdiges Interesse an Information auch durch derartige
Bewertungsportale besitze.
An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändere
sich nichts dadurch, dass die Beklagte eine im Wesentlichen anonyme
Bewertung zulasse. Denn auch anonym abgegebene Meinungsäußerungen
stünden unter dem Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit.
Das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens lautet 5 U 51/11. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Quelle: Pressestelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts
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