Bundesgerichtshof zu Schutzmaßnahmen für Videospiele
Unter welchen Voraussetzungen technische Maßnahmen nach § 95 a UrhG zum Schutz von urheberrechtlich geschützten Videospielen selbst Urheberrechtsschutz genießen können, war lange umstritten.
Der Bundesgerichtshofs hat nunmehr entschieden, unter welchen Voraussetzungen technische Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Videospiele ihrerseits Schutz genießen können. Der Markt ist sehr umkämpft und dies drückt sich auch in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten aus. Die ursprüngliche Beklagte war im Zeitpunkt der Entscheidung bereits insolvent, allerdings waren die Geschäftsführer im Rahmen der urheberrechtlichen Repräsentantenhaftung auch persönlich in Anspruch genommen worden.
Es geht um Videospiele für Konsole und nicht etwa um Browser-Games:
"Die Klägerin produziert und vertreibt Videospiele und Videospiel-Konsolen, darunter die Konsole "Nintendo DS" und zahlreiche dafür passende Spiele. Sie ist Inhaberin der urheberrechtlichen Schutzrechte an den Computerprogrammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken, die Bestandteil der Videospiele sind. Die Videospiele werden ausschließlich auf besonderen, nur für die Nintendo-DS-Konsole passenden Speicherkarten angeboten, die in den Kartenschacht der Konsole eingesteckt werden.
Die frühere Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 waren und über deren Vermögen im Laufe des Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet und der jetzige Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist, bot im Internet Adapter für die Nintendo-DS-Konsole an und zwar ohne Lizenz der Klägerin.
Diese Adapter sind den originalen Speicherkarten in Form und Größe genau nachgebildet, damit sie in den Kartenschacht der Konsole passen. Sie verfügen über einen Einschub für eine Micro-SD-Karte oder über einen eingebauten Speicherbaustein ("Flash-Speicher"). Nutzer der Konsole können mit Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Raubkopien der Spiele auf der Konsole verwenden. Dazu laden sie solche Kopien der Spiele aus dem Internet herunter und übertragen diese sodann entweder auf eine Micro-SD-Karte, die anschließend in den Adapter eingesteckt wird, oder unmittelbar auf den eingebauten Speicherbaustein des Adapters.
Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Adapter einen Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG. Diese Bestimmung regelt den Schutz wirksamer technischer Maßnahmen, die ihrerseits dem Schutz urheberrechtlich geschützter Werke dienen.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil weitgehend aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen".
Die Entscheidung des BGH:
Die Entscheidung des BGH hat grundsätzliche Bedeutung für die Beurteilung auch zukünftiger Sachverhalte in diesem Bereich. Wie der BGH eingehend ausführt, ist nach § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG (unter anderem) der Verkauf von Vorrichtungen verboten, die hauptsächlich hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen. Diese Vorschrift schützt auch technische Maßnahmen zum Schutz für Videospiele, die damit selbst urheberrechtlichen Schutz genießen, wobei die Anforderungen an das Schutzniveau von Interesse sind.
Der BGH geht auch davon aus, dass es sich bei der konkreten Ausgestaltung der von der Klägerin hergestellten Karten und Konsolen um solche Schutzmaßnahme handelt, weil die Karten und Konsolen in ihren Abmessungen so aufeinander abgestimmt sind, dass ausschließlich Nintendo-DS-Karten in die Nintendo-DS-Konsolen passen. Dadurch wird verhindert, dass Raubkopien von Videospielen der Klägerin auf den Konsolen abgespielt und damit unbefugt vervielfältigt werden können. Letztlich ist eine solche Schutzmaßnahme gegen Raubkopien vom Vertriebsinteresse der Klägerin her auch nachvollziehbar.
Die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Adapterkarten sind auch hauptsächlich zur Umgehung dieser Schutzvorrichtung hergestellt worden. Die Möglichkeit des Abspielens von Raubkopien bildet den maßgeblichen wirtschaftlichen Anreiz zum Kauf der Adapter. Dahinter treten die legalen Einsatzmöglichkeiten der Adapter eindeutig in den Hintergrund. Sie sind aber nicht völlig zu verneinen, was der BGH auch ausdrücklich feststellt. In anders gelagerten Fallen kann daher der Entscheidungsansatz auch differenziert vorgenommen werden. Nach der Entscheidung des BGH ist auch dieser Fall hinsichtlich seines Ausganges noch offen.
Die bisher vorgenommene Beweiserhebung reicht dem BGH nicht aus, um zu dem Verdikt zu gelangen, dass die Beklagten rechtswidrig nach § 97 UrhG gehandelt haben. Das Berufungsgericht hat nach der Auffassung des BGH nicht geprüft, ob der Einsatz der technischen Schutzmaßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und legale Nutzungsmöglichkeiten nicht in übermäßiger Weise beschränkt werden. Genau dies ist hier der zentrale Punkt, da diese technischen Schutzmaßnahmen ihrerseits zu Beschränkungen für die Nutzer führen, was eine Interessen- und Güterabwägung erforderlich macht.
Nach der überzeugenden Auffassung des BGH reichen die seitens des Berufungsgerichts bislang getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, dass der jetzige Beklagte zu 1 als Insolvenzverwalter und die Beklagten zu 2 und 3 als Geschäftsführer wegen des rechtswidrigen Vertriebs der Adapterkarten durch die frühere Beklagte zu 1 auf Unterlassung haften. Auch der von der Klägerin erhobene Schadensersatzanspruch konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bejaht werden.
Völlig konsequent hat der BGH daher die Sache daher insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die erforderlichen Feststellungen in einer neuen Beweisaufnahme nachzuholen hat, ggf. durch Sachverständigengutachten.
BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 124/11 - Videospielkonsolen II
LG München I -Urteil vom 14. Oktober 2009 - 21 O 22196/08
MMR 2010, 341
OLG München - Urteil vom 9. Juni 2011 - 6 U 5037/09
Karlsruhe, 27. November 2014
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Mitteilung der Pressestelle Nr. 175/2014 vom 27.11.2014