Freitag, 28. November 2014

Anforderungen an Schutzmaßnahmen für Videospiele nach § 95 a UrhG

Bundesgerichtshof zu Schutzmaßnahmen für Videospiele 

Unter welchen Voraussetzungen technische Maßnahmen nach § 95 a UrhG zum Schutz von urheberrechtlich geschützten Videospielen selbst Urheberrechtsschutz genießen können, war lange umstritten. 

Der Bundesgerichtshofs hat nunmehr entschieden, unter welchen Voraussetzungen technische Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Videospiele ihrerseits Schutz genießen können. Der Markt ist sehr umkämpft und dies drückt sich auch in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten aus. Die ursprüngliche Beklagte war im Zeitpunkt der Entscheidung bereits insolvent, allerdings waren die Geschäftsführer im Rahmen der urheberrechtlichen Repräsentantenhaftung auch persönlich in Anspruch genommen worden. 

Es geht um Videospiele für Konsole und nicht etwa um Browser-Games: 

"Die Klägerin produziert und vertreibt Videospiele und Videospiel-Konsolen, darunter die Konsole "Nintendo DS" und zahlreiche dafür passende Spiele. Sie ist Inhaberin der urheberrechtlichen Schutzrechte an den Computerprogrammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken, die Bestandteil der Videospiele sind. Die Videospiele werden ausschließlich auf besonderen, nur für die Nintendo-DS-Konsole passenden Speicherkarten angeboten, die in den Kartenschacht der Konsole eingesteckt werden. 

Die frühere Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 waren und über deren Vermögen im Laufe des Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet und der jetzige Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist, bot im Internet Adapter für die Nintendo-DS-Konsole an und zwar ohne Lizenz der Klägerin. 

Diese Adapter sind den originalen Speicherkarten in Form und Größe genau nachgebildet, damit sie in den Kartenschacht der Konsole passen. Sie verfügen über einen Einschub für eine Micro-SD-Karte oder über einen eingebauten Speicherbaustein ("Flash-Speicher"). Nutzer der Konsole können mit Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Raubkopien der Spiele auf der Konsole verwenden. Dazu laden sie solche Kopien der Spiele aus dem Internet herunter und übertragen diese sodann entweder auf eine Micro-SD-Karte, die anschließend in den Adapter eingesteckt wird, oder unmittelbar auf den eingebauten Speicherbaustein des Adapters. 

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Adapter einen Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG. Diese Bestimmung regelt den Schutz wirksamer technischer Maßnahmen, die ihrerseits dem Schutz urheberrechtlich geschützter Werke dienen. 

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil weitgehend aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen". 

Die Entscheidung des BGH: 

Die Entscheidung des BGH hat grundsätzliche Bedeutung für die Beurteilung auch zukünftiger Sachverhalte in diesem Bereich. Wie der BGH eingehend ausführt, ist nach § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG (unter anderem) der Verkauf von Vorrichtungen verboten, die hauptsächlich hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen. Diese Vorschrift schützt auch technische Maßnahmen zum Schutz für Videospiele, die damit selbst urheberrechtlichen Schutz genießen, wobei die Anforderungen an das Schutzniveau von Interesse sind. 

Der BGH geht auch davon aus, dass es sich bei der konkreten Ausgestaltung der von der Klägerin hergestellten Karten und Konsolen um solche Schutzmaßnahme handelt, weil  die Karten und Konsolen in ihren Abmessungen so aufeinander abgestimmt sind, dass ausschließlich Nintendo-DS-Karten in die Nintendo-DS-Konsolen passen. Dadurch wird verhindert, dass Raubkopien von Videospielen der Klägerin auf den Konsolen abgespielt und damit unbefugt vervielfältigt werden können. Letztlich ist eine solche Schutzmaßnahme gegen Raubkopien vom Vertriebsinteresse der Klägerin her auch nachvollziehbar. 

Die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Adapterkarten sind auch hauptsächlich zur Umgehung dieser Schutzvorrichtung hergestellt worden. Die Möglichkeit des Abspielens von Raubkopien bildet den maßgeblichen wirtschaftlichen Anreiz zum Kauf der Adapter. Dahinter treten die legalen Einsatzmöglichkeiten der Adapter eindeutig in den Hintergrund. Sie sind aber nicht völlig zu verneinen, was der BGH auch ausdrücklich feststellt. In anders gelagerten Fallen kann daher der Entscheidungsansatz auch differenziert vorgenommen werden. Nach der Entscheidung des BGH ist auch dieser Fall hinsichtlich seines Ausganges noch offen.

Die bisher vorgenommene Beweiserhebung reicht dem BGH nicht aus, um zu dem Verdikt zu gelangen, dass die Beklagten rechtswidrig nach § 97 UrhG gehandelt haben. Das Berufungsgericht hat nach der Auffassung des BGH nicht geprüft, ob der Einsatz der technischen Schutzmaßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und legale Nutzungsmöglichkeiten nicht in übermäßiger Weise beschränkt werden.   Genau dies ist hier der zentrale Punkt, da diese technischen Schutzmaßnahmen ihrerseits zu Beschränkungen für die Nutzer führen, was eine Interessen- und Güterabwägung erforderlich macht. 

Nach der überzeugenden Auffassung des BGH reichen die seitens des Berufungsgerichts bislang getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, dass der jetzige Beklagte zu 1 als Insolvenzverwalter und die Beklagten zu 2 und 3 als Geschäftsführer wegen des rechtswidrigen Vertriebs der Adapterkarten durch die frühere Beklagte zu 1 auf Unterlassung haften.  Auch der von der Klägerin erhobene Schadensersatzanspruch konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bejaht werden. 

Völlig konsequent hat der BGH daher die Sache daher insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die erforderlichen Feststellungen in einer neuen Beweisaufnahme nachzuholen hat, ggf. durch Sachverständigengutachten. 

BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 124/11 - Videospielkonsolen II 
LG München I -Urteil vom 14. Oktober 2009 - 21 O 22196/08 MMR 2010, 341 
OLG München - Urteil vom 9. Juni 2011 - 6 U 5037/09 
Karlsruhe, 27. November 2014 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 
Mitteilung der Pressestelle Nr. 175/2014 vom 27.11.2014

Reisebüros müssen Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter aus der EU nachweisen

Bundesgerichtshof: Reisebüros müssen Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter aus der EU nachweisen

Die nachfolgend referierte Entscheidung des BGH ist in der Praxis wenigstens teilweise auf Unverständnis gestoßen. Sie ist ohne Kenntnis des Systems des Sicherungsscheines kaum verständlich. § 651k BGB (Sicherstellung, Zahlung), der Art. 7 der EU - Pauschalreiserichtlinie umsetzt, enthält hierzu eine umfassende Regelung, die nachstehend auszugsweise wieder gegeben wird: "

… (4) Reiseveranstalter und Reisevermittler dürfen Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde. Ein Reisevermittler gilt als vom Reiseveranstalter zur Annahme von Zahlungen auf den Reisepreis ermächtigt, wenn er einen Sicherungsschein übergibt oder sonstige dem Reiseveranstalter zuzurechnende Umstände ergeben, dass er von diesem damit betraut ist, Reiseverträge für ihn zu vermitteln. Dies gilt nicht, wenn die Annahme von Zahlungen durch den Reisevermittler in hervorgehobener Form gegenüber dem Reisenden ausgeschlossen ist. 

 (5) Hat im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Reiseveranstalter seine Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, so genügt der Reiseveranstalter seiner Verpflichtung nach Absatz 1 auch dann, wenn er dem Reisenden Sicherheit in Übereinstimmung mit den Vorschriften des anderen Staates leistet und dies den Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 entspricht. Absatz 4 gilt mit der Maßgabe, dass dem Reisenden die Sicherheitsleistung nachgewiesen werden muss". 

MIt dieser Regelung soll sicher gestellt werden, dass der Pauschalreisende bei Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters den Reisepreis zurückerhält, wenn sie aufgrund Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz ausfallen und ggf. auch die Rückreisekosten erstattet bekommt, sofern sie auf diesen Umständen beruhen. Angesichert wird dies durch eine spezielle Versicherung, die im Geltungsbereich der je nationalen Umsetzungsvorschrift abgeschlossen werden muss. Diese Verpflichtung wird durch einen Sicherungsschein abgesichert, den der Reiseveranstalter dem Reisenden übergeben lassen muss (meist über den Reisevermittler). Die Übergabe des Sicherungsscheins bekundet überdies Vertretungsmacht des Reisevermittlers für den Reiseveranstalter, der ohne Sicherungsschein keine Zahlungen auf den Reisepreis entgegen nehmen darf. Die "offene Flanke" dieses Systems wird durch § 651 k Abs.5 BGB markiert, der den Fall regelt, dass der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR hat. In einem solchen Fall, muss dem Reisenden Sicherheit in Übereinstimmung mit den Vorschriften des anderen Staates geleistet werden, wenn diese der deutschen Absicherung äquivalent ist. Diese Sicherheitsleistung muss in deutscher Sprache (§ 10 BGB-Info-VO) nachgewiesen werden. Es hätte sich bereits auf der Ebene des EU - Rechts angeboten, hier eine Vollharmonisierung vorzunehmen. Die Probleme ergeben sich in solchen Fällen dadurch, dass die Versicherung die grenzüberschreitende Regulierung verweigert, unter Hinweis auf das je nationale versicherungsrechtliche Absicherungsystem.  

Der BGH hat nunmehr über die Pflicht eines Reisevermittlers zum Nachweis einer für den Insolvenzfall des Reiseveranstalters geltenden Kundengeldabsicherung entschieden, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat, hier in den Niederlanden. Eine Vorlage an den EuGH in dieser Sache hätte nahegelegen. 

Der Ausgangssachverhalt stellte sich wie folgt dar: 

Die Kläger buchten im Oktober 2011 über die Beklagte, die als Internet-Reisebüro tätig ist, bei einem niederländischen Reiseveranstalter eine viertägige Flusskreuzfahrt. Nach Erhalt der Rechnung und Reisebestätigung zahlten die Kläger den auf sie entfallenden Reisepreis an die Beklagte. Den Klägern wurde ein als Sicherungsschein bezeichnetes Dokument eines niederländischen Kundengeldabsicherers in Kopie vorgelegt. Weiterhin hatte sich die Beklagte bei dem Reiseveranstalter über das Bestehen einer Kundengeldabsicherung erkundigt. Wegen finanzieller Schwierigkeiten des niederländischen Reiseveranstalters fand die Kreuzfahrt nicht statt. Der Reiseveranstalter, der später Insolvenz anmeldete, zahlte den Reisepreis nicht zurück. Der Kläger hatte hier die Wahl entweder das niederländische Versiucherungsunternehmen zu verklagen oder aber den Reisevermittler und hat sich für die letztere Variante entschieden. 

Der niederländische Kundengeldabsicherer lehnte eine Erstattung des Reisepreises mit der Begründung ab, dass seine Haftung auf die auf dem niederländischen Markt angebotenen und abgeschlossenen Reisen beschränkt sei, wozu die Reise der Kläger nicht zähle. 

Das Amtsgericht hat der auf Rückzahlung des Reisepreises gerichteten Klage gegen den Reisevermittler stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte sich die Beklagte vor Forderung oder Annahme des Reisepreises vergewissern müssen, dass den Klägern eine zweifelsfrei bestehende Absicherung des von ihnen gezahlten Reisepreises positiv nachgewiesen ist. Das Wissen um die Existenz eines Sicherungsscheins ersetze nicht die Prüfung seiner räumlich uneingeschränkten Geltung. 

Die Lösung des BGH: 

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Gemäß § 651k Abs. 4 iVm Abs. 5 Satz 2 BGB  hat ein Reisevermittler wie die Beklagte auch hinsichtlich eines im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter das Bestehen einer für den Insolvenzfall greifenden Kundengeldabsicherung nachzuweisen, bevor er den Reisepreis entgegen nimmt. 

Der Reisevermittler muss in diesem Fall zwar keinen Sicherungsschein vorlegen, wie er von inländischen Reiseveranstaltern gefordert wird. Gleichwohl muss sich der Nachweis für einen im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter auf die konkreten Reisenden und die von ihnen gebuchten Reise beziehen, wobei das Gesetz die konkreten Anforderungen letztlich offen lässt. Die Wiedergabe einer dahingehenden Erklärung des Reiseveranstalters reicht dafür nicht aus. Diese Anforderungen hat die Beklagte im Streitfall nicht erfüllt. 

Die Entscheidung wirft die Frage nach den Anforderungen an den Nachweis auf, da der Gegenschluss - keine Vermittlung von Reisen von Veranstaltern aus dem europäischen Rechtsraum - nicht ernsthaft erwogen werden kann. Die Nachweispflicht kann auch durch Gestaltung von AGB nicht abgesenkt werden. Grds. wäre es hier zu erwägen gewesen, die Klage gegen den Versicherer zu richten, der eine Regulierung verweigert hat (es mag sein, dass insoweit grds. ein Regressanspruch des Reisevermittlers bestehen kann), weil Art. 7 der Richtlinie von einem äquivalenten System ausgeht und dieser Umstand hätte eine Vorlage an den EuGH nahe gelegt. Das Problem besteht insoweit zum einen in den Versicherungsbedingungen, die nur eine je nationale Regulierung vorsehen und zum anderen im Fehlen einer Vollharmonisierung für Europa. Die entscheidende Frage musste der BGH hier nicht lösen: die Frage, ob die Versicherungsbedingungen mit dem EU - Recht vereinbart sind, auch unter dem Aspekt einer Diskriminierung. Von dem Versicherer eine Zusicherung der Regulierung bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen in Textform zu verlangen, wäre ein denkbarer Weg, der aber voraussichtlich kaum durchsetzbar ist. Die Schwächen der Konstruktion beruhen indessen unmittelbar auf den Rechtsgrundlagen. 

BGH, X ZR 105/13 
AG Frankfurt am Main - Urteil vom 27. November 2011 – 30 C 1638/12 (71) 
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 25. Juli 2013 – 24 S 1/13 
und X ZR 106/13 
AG Frankfurt am Main - Urteil vom 27. November 2012 - 30 C 1637/12 (71) 
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 25. Juli 2013 - 2-24 S 3/13  
Karlsruhe, den 25. November 2014 
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 174/2014 vom 25.11.2014

Mittwoch, 19. November 2014

Zulässige Verdachtsberichterstattung nach Ausräumung des Verdachts

Der BGH hat am 18.11.2014 ein interessantes Urteil zur Verdachtsberichterstattung gefällt und zwar zu der immer öfter anzutreffenden Variante, dass sich die ursprüngliche Verdachtsberichterstattung im Nachhinein als unrichtig darstellt. 

Verdachtsberichterstattungen bewegen sich trotz einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zu den Problemzonen dieser Form der Berichterstattung in einer rechtlichen Grauzone. Im Regelfall betrifft die Verdachtsberichterstattung Tatverdächtige in Ermittlungs - und Strafverfahren, für die Unschuldsvermutung gilt, solange sie nicht rechtskräftig verurteilt sind. Ein besonderes Problem sind Namensnennung oder identifizierende Verdachtsberichterstattung. Die Anforderungen sind relativ streng, aber die Presse geht in diesem Bereich auch durchaus Risiken ein. Gefordert wird als Eingriffsschwelle ein schwerwiegendes Vorkommnis mit gesellschaftlicher Relevanz, bei der die Unschuldsvermutung beachtet werden muss. Oftmals ist dies letztlich nur eine Frage der Darstellung. Sehr flexibel sind die Anforderungen an eine Anonymisierung, die vom Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen abhängt. Letztlich sollte der Betroffene zuvor gehört werden, was in immer mehr Fällen in Interviewsituationen geschieht, in denen ein Verdächtiger mit derartigen Konfrontationen nicht rechnet. Die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht in Orientierung am Pressekodex sind einzuhalten.

Der vom VI. Zivilsenat entschiedene Fall betrifft die Frage eines Berichtigungsanspruchs eines Betroffenen bei einer ursprünglich zulässigen Verdachtsberichterstattung. Allerdings lag der Fall hier so, dass der betreffende Tatverdacht später vollständig ausgeräumt worden war. 

Sachverhalt: 

Der Kläger ist ehemaliger Chefjustiziar einer Bank. Er verlangt die Richtigstellung einer ihn betreffenden Berichterstattung in einem von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazin. Der angegriffene Beitrag geht der Frage nach, ob ein wegen des Verdachts von Pflichtverletzungen entlassenes Vorstandsmitglied der Bank Opfer einer Falschbezichtigung geworden ist. Der Beitrag berichtet über ein gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, das Büro des ehemaligen Vorstandsmitglieds verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht und beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben. In diesem Zusammenhang gibt der Beitrag Aussagen des früheren Sicherheitsberaters wieder, wonach der namentlich genannte Kläger und zwei weitere Personen an der Beauftragung dieser Maßnahmen mitgewirkt haben sollen. Nach der Veröffentlichung des Beitrags wurde eine notarielle Erklärung des früheren Sicherheitsberaters bekannt, in der dieser von seinen angeblichen früheren Aussagen abrückte. Später wurde ein gegen ihn und den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren eingestellt. Das Oberlandesgericht hat sich nach einer Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verdacht, der Kläger habe an Abhörmaßnahmen gegen das ehemalige Vorstandsmitglied mitgewirkt, unberechtigt sei. Es hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, in ihrem Nachrichtenmagazin unter der Überschrift "Richtigstellung" eine Erklärung zu veröffentlichen, wonach sie den Verdacht nicht aufrechterhalte. 

Entscheidung des BGH: 

Der Bundesgerichtshofs das angefochtene Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Senat geht davon aus, dass die betreffende Verdachtsberichterstattung den Kläger in ihrer ursprünglich veröffentlichten Form den Kläger nicht vorverurteilte und somit seinerzeit rechtmäßig war. 

Jedenfalls waren die möglichen Verfehlungen von Führungskräften der Bank, die im Zuge der Finanzkrise verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten war, ein Vorgang von gravierendem Gewicht, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt war. Die Beklagte hat auch einen hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen dargetan, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung für eine Beteiligung des Klägers an den fraglichen Vorgängen sprachen. Denn nach dem Vortrag der Beklagten stützte sich der Beitrag unter anderem auf Aussagen des früheren Sicherheitsberaters gegenüber den Autoren des Berichts und auf einen Vermerk der Staatsanwaltschaft. Auch hatten die Autoren den Kläger und eine weitere Person angehört, die an der Beauftragung des früheren Sicherheitsberaters mitgewirkt haben sollte. Dies war unter den konkreten Umständen des Falles ausreichend.

Dennoch ein Berichtigungsanspruch?

Ein Berichtigungsanspruch kommt zwar in solchen Fällen grundsätzlich in Betracht, wenn eine Rufbeeinträchtigung andauert und - wie im Streitfall - der Tatverdacht später ausgeräumt wird. Der Senat nimmt jedoch in Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) sowie dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK) vor, die zum Ergebnis hat, dass das Presseorgan nicht verpflichtet werden kann, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung selbst ins Unrecht zu setzen. 

Infolgedessen wird in derartigen Fällen kein Berichtigungsanspruch gewährt. 

Nachtrag starr Berichtigung?

Ein Betroffener kann daher bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirkung einer Beeinträchtigung von dem Presseorgan allenfalls einen Nachtrag fordern, aber nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung. Ein solcher Nachtrag muss aber den Anforderungen an die journalistische Sorgfalt genügen und klarstellen, dass der Verdacht nach Klärung des Sachverhalts nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Offen bleibt das "Wie" eines solchen Nachtrages, für das nach hier vertretener Auffassung die Regelungen über einen Gegendarstellungsanspruch eine gewisse Orientierung bieten sollten. 

BGH, AZ: VI ZR 76/14 - Urteil vom 18. November 2014 
 LG Hamburg - Urteil vom 20. April 2012 - 324 O 628/10 
 Hanseatisches OLG - Urteil vom 28. Januar 2014 - 7 U 44/12 ZUM-RD 2014, 354 
 Karlsruhe, den 18. November 2014 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofes