Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle
Nr. 005/2012 vom 13.01.2012
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes über Rabattmodelle für den Arzneimittelbezug aus dem Ausland bringt eine gewisse Bewegung in das Werberecht der Apotheken und gibt Anlass über weitere "Liberalisierungen" nachzudenken, die diese Entscheidung möglicherweise anstößt. Diesen Werbegestaltungen liegen veränderte Vertriebskonzepte zugrunde, die teilweise auf Importe und Reimporte zurückgreifen wollen, denen aber auch preisrechtliche Vorschriften entgegenstehen können, da dieser Markt sehr reguliert ist.
Das Apothekenrecht und das Arzneimittelvertriebsrecht - letzteres ist stark europarechtlich geprägt inzwischen - sind im Bereich des Werberechts von erheblichen Werbe- und Vertriebsverboten geprägt, die in ihrer Reichweite mehr und mehr problematisch werden. So verwundert es nicht, dass einzelne Apotheken die Grenzen der Werbeverbote "austesten", hier das Verbringungsverbot des § 73 AMG. Dabei geht es angesichts des schwierigen Marktes mehr und mehr um Rabattmodelle, die indessen auch wirtschaftlich sein sollten und Qualität garantieren müssen. Auf der anderen Seite ist es kein Wunder, wenn andere Apotheken versuchen, gegen bestimmte Rabattmodelle wettbewerbsrechtlich als Konkurrenten vorzugehen und Unterlassungsansprüche zu realisieren, gerade bei Versandmodellen, die seit langem die Rechtsprechung beschäftigen.
Wie im UWG - Bereich üblich wird sich die Rechtsprechung in diesen Bereichen von Fall zu Fall an Lösungen vorantasten, die von der Werbewirklichkeit schnell überrollt werden können, so dass immer neue Modelle entlang der Grenzen der einschlägigen Rechtsnormen "ausgetestet" werden.
Mit dem OLG München hat der BGH ein Abgabeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente, die von Großhändlern aus Deutschland nach Budapest geliefert und von dort mit geringeren Preisen nach Deutschland reimportiert werden, unter dem Aspekt der preisrechtlichen Vorschriften bejaht, die insoweit keinem Spielraum eröffnen.
Der BGH hat es jedoch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente verneint, da Empfänger ungeachtet der Vertragssituation nicht der Verbraucher ist, sondern die dt. Apotheke, der insoweit eigenständige Prüfungspflichten vor Aushändigung an den Verbraucher obliegen. Damit ist das für die betreffende Apotheke interessantere Rabattmodell höchstrichterlich beendet worden, so dass damit auch nicht mehr geworben werden darf.
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Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat ein von einer Freilassinger Apothekerin betriebenes Rabattmodell für Arzneimittel teilweise für unbedenklich angesehen und die Abweisung der gegen diese Apothekerin gerichteten Klage in diesem Punkt bestätigt.
Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Freilassing. Sie bietet ihren Kunden an, Medikamente bei einer Apotheke in Budapest zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung dieser Apotheke bei ihr in Freilassing abzuholen. Den Kunden verspricht sie dabei einen Rabatt in Höhe von 22% bei nichtverschreibungspflichtigen und von 10% bei verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Im Falle einer Bestellung lässt die Beklagte die Medikamente zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern, von wo aus sie wieder zurückgeliefert werden. Auf Wunsch werden die Kunden, die Medikamente auf diesem Wege beziehen, in der Apotheke der Beklagten pharmazeutisch beraten.
Die Klägerinnen, die ebenfalls in Freilassing Apotheken betreiben, sehen in dem Verhalten der Beklagten - soweit verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben werden - einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften. Soweit die Beklagte sonstige Arzneimittel auf diese Weise abgibt, beanstanden die Klägerinnen in erster Linie den Verstoß gegen andere arzneimittelrechtliche Bestimmungen.
Mit ihrer beim Landgericht Traunstein erhobenen Klage haben sie die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht Traunstein hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht München hat dieses Urteil nur insoweit bestätigt, als die Beklagte Rabatte auf preisgebundene verschreibungspflichtige Arzneimittel angeboten hat. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt. Insbesondere hat er in Übereinstimmung mit dem OLG einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz* verneint. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland eingeführt werden. Insbesondere ist der Versand von Arzneimitteln auch aus dem EU-Ausland an deutsche Endverbraucher nur unter engen Voraussetzungen gestattet, die die hier eingeschaltete Budapester Apotheke nicht erfüllt.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch einen Versand unmittelbar an Endverbraucher im Streitfall verneint. Auch wenn das von der Beklagten praktizierte Modell so ausgestaltet ist, dass sie den Verkauf der bestellten Arzneimittel durch die Budapester Apotheke lediglich vermittelt und der Kaufvertrag deswegen zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande kommt, ist die Beklagte arzneimittelrechtlich als Empfängerin anzusehen, die ihrerseits die Medikamente sodann an die Kunden abgibt.
Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung ist dabei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet ist, die verpflichtet ist, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der auf diese Weise abzugebenden Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Deswegen ist arzneimittelrechtlich die inländische Apotheke der Beklagten Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel. Daher hat der Bundesgerichtshof einen Verstoß gegen das Verbringungsverbot des § 73 AMG verneint.
Im Übrigen ist der Beklagten die Gewährung eines Rabatts im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Vorinstanzen gerade deswegen verboten worden, weil sie die Arzneimittel als inländische Apothekerin abgibt. Denn die insoweit anwendbaren arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften, die einen solchen Rabatt untersagen, gelten nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts nur im Falle der Abgabe durch inländische Apotheken.
Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 - Europa-Apotheke Budapest
LG Traunstein – Urteil vom 11. März 2009 – 2 HKO 2534/08
OLG München – Urteil vom 28. Oktober 2010 – 6 U 2657/09
A&R 2010, 279
Karlsruhe, den 13. Januar 2012
*§ 73 Abs 1 Satz 1 und 1a AMG Verbringungsverbot
(1) Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder Genehmigung nach § 21a oder zur Registrierung unterliegen, dürfen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, nach § 21a genehmigt, registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind und
1.
der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt ist, eine Apotheke betreibt oder als Träger eines Krankenhauses nach dem Apothekengesetz von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit Arzneimitteln versorgt wird,
1a.
im Falle des Versandes an den Endverbraucher das Arzneimittel von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt
ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt wird oder
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Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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