Landgericht Koblenz - Pressemeldung Landgericht Koblenz
AZ: 13 O 4/11 - Urt. v. 16.03.2012
AZ: 13 O 4/11 - Urt. v. 16.03.2012
Autobiographien sind rechtlich gesehen ein riskantes literarisches Genre, da die Grenze zu Persönlichkeitsrechstverletzungen schnell überschritten sein kann, je nach anwendbarer Rechtsordnung. Anders als bei Belletristik muss man hier üblicherweise nicht um die Identifizierbarkeit von Personen streiten, da die Personen meist offen namentlich genannt sind. Mitunter findet sich in Autobiographien über bestimmte Menschen, denen man im Leben näher begegnet ist, nicht unbedingt nur schmeichelhaftes. Nicht über jeden lässt sich derartiges schreiben. Man sollte nur im Einzelfall genau abschätzen, was rechtlich noch zulässig oder schon rechtlich gefährlich ist. Oftmals stellt dieser Bereich eine "dünne rote Linie" dar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die betreffenden Personen miteinander verheiratet waren und sich nach der Scheidung nicht mehr unbedingt viel positives zu sagen hatten, was nunmal öfter vorkommen soll.
Die Entscheidung über die einstweilige Verfügung über die Unterlassung bestimmter Passagen in der Autobiographie von Thomas Anders über seine Ex- Frau Nora Balling - ist nur ein Element in der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden, da die Ex- Ehefrau unabhängig von der Unterlassung noch rund 1.000.000 Euro wegen Verwirkung einer Vertragsstrafe, Schadensersatz u.a. verlangt, wobei diesbezüglich noch keine Gerichtsentscheidung ergangen ist. Bestätigt hat das LG Koblenz indessen eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung best. Äußerungen nach Widerspruch des Verfügungsbebeklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, etliche Äußerungen in seiner Autobiographie zukünftig zu unterlassen, wenn auch nicht im vollumfänglich geforderten Umfang.
Der Fall weist eine rechtliche Besonderheit auf, die ihn juristisch interessant macht, da es hier nicht nur um die Verletzung deliktischer Persönlichkeitsrechte geht, sondern auch um die schuldhafte Verletzung einer ehevertraglich bzw. in einer Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarten Verschwiegenheitsvereinbarung, die zudem durch eine Vertragsstrafe gesichert ist. Verschwiegenheitsvereinbarungen sind in einer Vielzahl von Vertragsarten anzutreffen und grundsätzlich nicht rechtlich bedenklich. Dies gilt auch die Absicherungs durch Vertragsstrafen oder Schadensersatzpauschalisierungen. Das Gericht teilt zur Vertragssituation folgendes mit:
"Gegenstand
des Verfahrens ist ein Antrag der ehemaligen Ehefrau des
Künstlers Thomas Anders auf Unterlassung zahlreicher Äußerungen
des Verfügungsbeklagten über ihre Person in dessen im September
2011 erschienenem Buch sowie in Talk-Sendungen, Buchlesungen und
TV-Shows. Zur Begründung beruft sich die Verfügungsklägerin auf
eine Verschwiegenheitsklausel in der anlässlich der Ehescheidung
getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung." Die Klausel wird in der Pressemitteilung nicht zitiert.
Aus der Pressemitteilung des Gerichts geht hervor, dass insoweit rechtliche Bedenken hinsichtlich der Reichweite dieser vertraglichen Bestimmung vorgetragen worden waren, die das Gericht nicht für stichhaltig hielt, weil die Verschwiegenheitsvereinbarung nach Auffassung der Kammer keinen Wirksamkeitsbedenken begegnet:
" Die den Parteien
auferlegten Unterlassungspflichten, sich nicht über Einzelheiten
des Zusammenlebens, der Ehe und der Ehescheidung sowie über
nicht allgemein bekannte persönliche Eigenschaften und
Handlungen des anderen Teils und über den Inhalt der
Scheidungsfolgenvereinbarung zu äußern, sei hinreichend
bestimmbar. Die Regelung verstoße weder gegen ein
Verbotsgesetz, noch bestünden Anhaltspunkte für eine
Sittenwidrigkeit. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang
darauf, dass die Verschwiegenheitsverpflichtung aufgrund der
Prominenz der Vertragsparteien einem berechtigten Interesse
entspreche. Sie sei nicht mit den ethischen
Grundlagen der Ehe unvereinbar und entfalte keine knebelnde
Wirkung. Auch habe der
Verfügungsbeklagte seinen Einwand, durch die in der Klausel
verankerte Vertragsstrafe bei Verstößen in Höhe von 100.000 €
drohe eine Existenzgefährdung wegen Belanglosigkeiten, nicht
belegt."
Dies lässt sich ohne Kenntnis der Klausel nicht beurteilen, aber es ist abstrakt kaum ein Grund erkennbar, warum eine solche Vereinbarung nicht auch in Eheverträgen/Scheidungsvereinbarungen getroffen werden können soll. Jedenfalls sah die Kammer verschiedene Äußerungen als Verstoß gegen die für wirksam gehaltene Verschwiegenheitsverpflichtung an:
" Der größte Teil der Aussagen betreffe konkrete Handlungen der
Verfügungsklägerin, wie etwa das Verhalten bei Einkäufen oder
sonstige Begebenheiten des Lebensalltags der ehemaligen
Ehepartner. Deren allgemeine Bekanntheit habe der
Verfügungsbeklagte nicht dargelegt. Zwar habe er
Veröffentlichungen über vergleichbare Handlungen bzw. über
Eigenschaften der Verfügungsklägerin, die in den Handlungen zum
Ausdruck kommen, vorgelegt. Die Kammer ist jedoch der Ansicht,
dass nach der Verschwiegenheitsverpflichtung zwischen Äußerungen
über Handlungen und Aussagen über Eigenschaften zu unterscheiden
sei. Die in der Buchveröffentlichung des Verfügungsbeklagten
geschilderten Handlungen seien mit ihrem konkreten Inhalt noch
nicht allgemein bekannt gewesen.Das
Begehren, dem Verfügungsbeklagten auch Äußerungen zur
Abfindungssumme anlässlich der Ehescheidung zu untersagen, blieb
erfolglos; nur insoweit hatte der Einspruch gegen das
Versäumnisurteil Erfolg. Zwar seien entsprechende Äußerungen
nach der Verschwiegenheitsverpflichtung unzulässig, doch habe
die Verfügungsklägerin keine entsprechenden Verstöße des
Verfügungsbeklagten belegt."
Wie aus Presseberichten verlautet, geht die Sache in die nächste Instanz, so dass die Wirksamkeit solcher Klauseln auch durch die Berufungsinstanz zu prüfen ist. Nach derzeitiger Rechtslage spricht grds. wenig gegen die Aufnahme entsprechender Klausel auch in ehevertragliche Vereinbarungen, um sich gegen Verlautbarungen von Internas aus dem Bereich der Ehe zu sichern und Verstöße auch durch eine Vertragsstrafe abzusichern. Die Ankündung der Berufung ist auch verlagsrechtlich nur zu verständlich, weil es auch um dem Vertrieb des betreffenden Textes in der jetzigen Form geht, mit etlichen verlagsrechtlichen Folgeproblemen.
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