BGH - Pressemitteilung Nr. 74/2012:
Der I. Zivilsenat
des Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Honorarbedingungen, die der
Axel-Springer-Verlag seinen Verträgen mit freien Journalisten zugrunde legt,
teilweise unwirksam sind, was auch die Überprüfung vergleichbarer Honorarbedingungen nahelegt, aber das Urteil enthält einige Passagen, die die Durchsetzung von Nachforderungen durchaus schwierig machen könnten, da es um die Frage der Angemessenheit im Rahmen des Anpassungsanspruches nach § 32 Abs.1 S.3 UrhG geht.
Das Urteil betrifft die Honorarpraxis der freien Journalisten und war angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen unter denen viele Journalisten leben und arbeiten mit Spannung erwartet worden. Es ging hier nicht um Zahlungsansprüche, sondern um eine Inhaltskontrolle bestimmter Klausel in dem betreffenden Honorarregelungen als Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Deutsche Journalistenverband konnte sich nicht mit allen Anträgen durchsetzen, erzielte aber erhebliche Teilerfolge, die die Praxis sehr beeinflussen dürften. Zentral ist allerdings der Aspekt, dass sich Zeitungsverlage ein zeitlich, räumlich und inhaltliches Nutzungsrecht an den Beiträgen in AGB ausbedingen können. Diese Klausel zu Fall zu bringen, war ein zentrales Anliegen dieses Streitverfahrens. Eine solche - weitreichende - Rechteübertragung muss jedoch angemessen honoriert werden.
Der BGH stellt jedoch ausweislich der Pressemitteilungen nur Prüfkriterien auf, die eine Prüfung des Einzelfalles ermöglichen, so dass ein Flut von Honorornoten unter dem Aspekt der angemessenen Honorierung geprüft werden muss, angesichts dieses Urteils mit durchaus ungewissem Ausgang. Die Verlage werden voraussichtlich auf dieses Urteil damit reagieren die betreffenden Klauselwerke unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH transparenter zu gestalten.
Sachverhalt
Kläger ist der Deutsche Journalistenverband, der die
Interessen angestellter und freier Journalisten wahrnimmt. Der beklagte
Axel-Springer-Verlag legt seit Januar 2007 den Verträgen, die er mit freien
Journalisten über die Lieferung von Text- und Bildbeiträgen abschließt, seine
"Honorarregelungen Zeitungen" und "Honorarregelungen Zeitschriften" zugrunde. Der Kläger hält eine Vielzahl der in den Honorarregelungen
enthaltenen Klauseln für unwirksam. Er hat deswegen den Beklagten auf
Unterlassung der Verwendung dieser Honorarregelungen in Anspruch genommen. Das
Landgericht Berlin hat der Klage hinsichtlich einiger Klauseln stattgegeben.
Beim Kammergericht hatten sowohl der Kläger als auch der Beklagte mit ihren
Berufungen teilweise Erfolg.
Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof nunmehr
einige weitere Klauseln, die das Kammergericht für unbedenklich erachtet hatte,
für unwirksam erklärt. Hinsichtlich anderer Klauseln hatte die Revision dagegen
keinen Erfolg.
Inhalt der Entscheidung
Im Mittelpunkt steht dabei die Bestimmung, mit der sich der
beklagte Verlag umfassende urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von den
freien Journalisten erstellten Beiträgen einräumen lässt ("Soweit … nicht
anders vereinbart, hat der Verlag das zeitlich, räumlich und inhaltlich
unbeschränkte Recht, die Beiträge im In- und Ausland in körperlicher und
unkörperlicher Form digital und analog zu nutzen …"). Diese Bestimmung hat
der BGH für wirksam erachtet.
Im Gegensatz zum Kammergericht hat der
Bundesgerichtshof jedoch die Vergütungsregelung beanstandet, die unter anderem
bestimmt, dass im vereinbarten Honorar ein angemessener Anteil für die
Einräumung der umfassenden Nutzungsrechte enthalten ist.
Der umfassenden Rechtseinräumung steht insbesondere der
Schutzgedanke des § 31 Abs. 5 UrhG nicht entgegen, wonach der Urheber möglichst
weitgehend an den wirtschaftlichen Früchten der Verwertung seines Werkes zu
beteiligen ist. Diese Bestimmung kommt - so der Bundesgerichtshof - als Maßstab
einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB nicht in Betracht.
Zum einen handelt es sich dabei um eine
Auslegungsregel, die Inhalt und Umfang der einzuräumenden Rechte grundsätzlich
der Disposition der Vertragsparteien überlässt. Zum anderen geht es bei den
Klauseln um Regelungen, die unmittelbar den Umfang der vertraglichen
Hauptleistungspflicht bestimmen. Sie gehören zum Kernbereich privatautonomer
Vertragsgestaltung und sind regelmäßig der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB
entzogen. Daran hat die Einführung des § 11 Satz 2 UrhG nichts geändert, wonach
das Urheberrecht auch der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung
des Werks dient.
Die Unwirksamkeit der Vergütungsregelung hat der
Bundesgerichtshof deshalb auch nur mit dem Transparenzgebot begründet. Danach
kann sich eine unangemessene Benachteiligung einer Bestimmung in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen daraus ergeben, dass die Regelung nicht klar und
verständlich ist; der Verwender solcher Geschäftsbedingungen ist vielmehr
gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar, einfach und präzise
darzustellen.
Nach den Honorarregelungen des beklagten Verlages ist jedoch
völlig unklar, ob der Journalist für weitergehende Nutzungen eine gesonderte
Vergütung erhalten soll oder nicht. Diese Regelungen enthalten eine Bestimmung,
nach der insofern zu differenzieren ist:
Einzelne in einer Klausel aufgeführte
Nutzungen sollen "in jedem Fall" abgegolten sein. Nach einer weiteren Klausel,
die das Kammergericht bereits rechtskräftig für unwirksam erklärt hat, soll sich
die Frage, ob für darüber hinausgehende Nutzungen eine gesonderte Vergütung
geschuldet wird, danach richten, was zwischen den Vertragsparteien abgesprochen
ist. Nach dieser Regelung bleibt es letztlich offen, ob und für welche
weitergehenden Nutzungen der Verlag eine gesonderte Vergütung zu zahlen hat.
Das bedeutet - so der Bundesgerichtshof - jedoch nicht, dass
undifferenzierte Vergütungsregeln rechtlich unbedenklich sind, bei denen mit dem
vereinbarten Honorar sämtliche weitergehenden Nutzungen abgegolten sind. Denn
eine solche pauschale Vergütung wird sich häufig nicht als angemessen erweisen
und daher zu einer nachträglichen Vertragsanpassung nach § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG
führen müssen.
BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 73/10 - Honorarbedingungen freie
Journalisten
LG Berlin - Urteil vom 9. Dezember 2008 - 16 O 8/08
KG Berlin - Urteil vom 26. März 2010 - 5 U 66/09
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle
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