Die Idee, dass es sich zumindest teilweise um primärrechtswidriges sekundäres Europarecht handelt, scheint die Kommission trotz intensiver Diskussionen in der Rechtswissenschaft nicht in Erwägung zu ziehen. Auch eine Neufassung der Richtlinie wird wohl nicht erwogen, obwohl die Notwendigkeit auch politisch europaweit unter bürgerrechtlichen Aspekten umstritten ist. Es sei denn man wertet den recht vorsichtigen Zahlungsantrag - ab Verurteilung - als Maßnahme der äußersten Vorsicht, einer Organisation, deren Politiken immer mehr Bürger Europas als Europäer in Zweifel ziehen. Man wird sehen, wie es in ca. zwei Jahren ausgeht:
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Brüssel, den 31. Mai 2012 –
Mehr als zwei Jahre nachdem das Bundesverfassungsgericht das nationale
Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten
aufhob, ist Deutschland der Richtlinie immer noch nicht nachgekommen.
Daher erhob die Kommission heute Klage vor dem Europäischen Gerichtshof
und forderte die Verhängung von Geldstrafen.
Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
Daten schreibt Telekommunikationsbetreibern und Internetanbietern
zwingend vor, Verbindungs- und Standortdaten für Strafverfolgungszwecke
zu speichern. Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinie in
innerstaatliches Recht könnten negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt
für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und
Polizeibehörden haben, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen
und zu verfolgen.
Am 2. März 2010 hob das
Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur Umsetzung der
Richtlinie auf. Deutschland wurde hinlänglich Zeit für die Umsetzung der
Richtlinie in innerstaatliches Recht eingeräumt. Obwohl das
Gerichtsurteil die volle, verfassungskonforme Umsetzung der Richtlinie
keineswegs ausschließt, wurden seitdem keine neuen Rechtsvorschriften
erlassen.
Im Oktober 2011
forderte die Kommission Deutschland in einer mit Gründen versehenen
Stellungnahme auf, diesen Verstoß gegen EU-Recht zu beenden (IP/11/1248).
Am 26. März 2012 wies die Kommission das Land darauf hin, dass sie den
Gerichtshof ersuchen würde, Geldstrafen zu verhängen, sollte der nächste
Verfahrensschritt – die Anrufung des Gerichtshofs – gerechtfertigt
sein.
Seitdem haben die deutschen Behörden noch
nicht mitgeteilt, inwiefern und wann sie neue Rechtsvorschriften zur
vollständigen Umsetzung der Richtlinie erlassen werden. Die Kommission
hat deutlich gemacht, dass ein System der Datensicherung („Quick Freeze
Plus“), wie es derzeit in Deutschland diskutiert wird, nicht als
vollständige Umsetzung der Richtlinie anzusehen wäre.
Daher beschloss die Kommission, Klage zu
erheben und dem Gerichtshof vorzuschlagen, die Zahlung eines Zwangsgelds
für jeden Tag ab dem Urteil des Gerichtshofs bis zur Beendigung des
Verstoßes gegen EU-Recht zu verhängen (Artikel 260 Absatz 3 AEUV).
Die Kommission schlägt vor, dass der Gerichtshof gegen Deutschland die Zahlung eines täglichen Zwangsgelds in Höhe von 315 036.54 EUR verhängt.
Außerdem beschloss die Kommission heute offiziell, das Verfahren gegen Österreich, das alle Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie mitgeteilt hat, einzustellen und das Verfahren gegen Schweden teilweise einzustellen.
Auch wenn Schweden
die Richtlinie inzwischen vollständig umgesetzt hat, wird noch ein
Urteil des Gerichtshofs nach seiner letztjährigen zweiten Anrufung in
dieser Sache erwartet, als die Kommission die Zahlung eines
Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds forderte (IP/11/409).
Entsprechend ihrer Praxis in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat eine
Richtlinie bereits umsetzt, wenn der Gerichtshof zum zweiten Mal mit dem
Verstoß befasst wird, beschloss die Kommission, die Forderung nach
Zahlung eines Zwangsgelds zurückzuziehen, gleichzeitig aber die
Forderung nach Zahlung eines Pauschalbetrags durch Schweden
aufrechtzuerhalten.
Hintergrund
Die Richtlinie zur Datenvorratsspeicherung (2006/24/EG)
wurde 2006 angenommen und hätte bis zum 15. September 2007 in
innerstaatliches Recht umgesetzt sein müssen, wobei die Möglichkeit
bestand, die Speicherung von Verbindungsdaten beim Zugang zum Internet
sowie bei der Nutzung von Internet-Telefonie und elektronischer Post
erst ab dem 15. März 2009 zwingend vorzuschreiben.
Datenvorratsspeicherung heißt, dass die
Verbindungs- und Standortdaten (nicht der Inhalt) der elektronischen
Kommunikation gespeichert werden. Nach der Richtlinie dürfen die von den
Internetanbietern und Telefongesellschaften gespeicherten Verbindungs-
und Standortdaten nur in besonderen Fällen nach Maßgabe des
innerstaatlichen Rechts, der einschlägigen Bestimmungen des EU-Rechts
und des Völkerrechts an die nationalen Strafverfolgungsbehörden
weitergegeben werden.
Im April 2011 nahm die
Kommission einen Bewertungsbericht an, in dem die Umsetzung der
Richtlinie durch die Mitgliedstaaten analysiert wird und die Verwendung
der gespeicherten Daten sowie die Auswirkungen auf Betreiber und
Verbraucher beurteilt werden (IP/11/484 und MEMO/11/251).
If you are interested in the english version, look here for it:
Weitere Informationen:
Website von Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Inneres:
Website der Generaldirektion Inneres:
http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/index_en.htm (nur in englischer Sprache)
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