Donnerstag, 31. Mai 2012

Datenvorratsspeicherung: Kommission erhebt Klage gegen Deutschland und fordert Verhängung von Geldstrafen

Die Idee, dass es sich zumindest teilweise um primärrechtswidriges sekundäres Europarecht handelt, scheint die Kommission trotz intensiver Diskussionen in der Rechtswissenschaft nicht in Erwägung zu ziehen. Auch eine Neufassung der Richtlinie wird wohl nicht erwogen, obwohl die Notwendigkeit auch politisch europaweit unter bürgerrechtlichen Aspekten umstritten ist.  Es sei denn man wertet den recht vorsichtigen Zahlungsantrag - ab Verurteilung - als Maßnahme der äußersten Vorsicht, einer Organisation, deren Politiken immer mehr Bürger Europas als Europäer in Zweifel ziehen. Man wird sehen, wie es in ca. zwei Jahren ausgeht:

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Brüssel, den 31. Mai 2012 – Mehr als zwei Jahre nachdem das Bundesverfassungsgericht das nationale Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten aufhob, ist Deutschland der Richtlinie immer noch nicht nachgekommen. Daher erhob die Kommission heute Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und forderte die Verhängung von Geldstrafen.
Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten schreibt Telekommunikationsbetreibern und Internetanbietern zwingend vor, Verbindungs- und Standortdaten für Strafverfolgungszwecke zu speichern. Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht könnten negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und Polizeibehörden haben, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und zu verfolgen.

Am 2. März 2010 hob das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie auf. Deutschland wurde hinlänglich Zeit für die Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht eingeräumt. Obwohl das Gerichtsurteil die volle, verfassungskonforme Umsetzung der Richtlinie keineswegs ausschließt, wurden seitdem keine neuen Rechtsvorschriften erlassen.

Im Oktober 2011 forderte die Kommission Deutschland in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme auf, diesen Verstoß gegen EU-Recht zu beenden (IP/11/1248). Am 26. März 2012 wies die Kommission das Land darauf hin, dass sie den Gerichtshof ersuchen würde, Geldstrafen zu verhängen, sollte der nächste Verfahrensschritt – die Anrufung des Gerichtshofs – gerechtfertigt sein.
Seitdem haben die deutschen Behörden noch nicht mitgeteilt, inwiefern und wann sie neue Rechtsvorschriften zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie erlassen werden. Die Kommission hat deutlich gemacht, dass ein System der Datensicherung („Quick Freeze Plus“), wie es derzeit in Deutschland diskutiert wird, nicht als vollständige Umsetzung der Richtlinie anzusehen wäre.

Daher beschloss die Kommission, Klage zu erheben und dem Gerichtshof vorzuschlagen, die Zahlung eines Zwangsgelds für jeden Tag ab dem Urteil des Gerichtshofs bis zur Beendigung des Verstoßes gegen EU-Recht zu verhängen (Artikel 260 Absatz 3 AEUV).

Die Kommission schlägt vor, dass der Gerichtshof gegen Deutschland die Zahlung eines täglichen Zwangsgelds in Höhe von 315 036.54 EUR verhängt.
Außerdem beschloss die Kommission heute offiziell, das Verfahren gegen Österreich, das alle Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie mitgeteilt hat, einzustellen und das Verfahren gegen Schweden teilweise einzustellen. 

Auch wenn Schweden die Richtlinie inzwischen vollständig umgesetzt hat, wird noch ein Urteil des Gerichtshofs nach seiner letztjährigen zweiten Anrufung in dieser Sache erwartet, als die Kommission die Zahlung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds forderte (IP/11/409). Entsprechend ihrer Praxis in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat eine Richtlinie bereits umsetzt, wenn der Gerichtshof zum zweiten Mal mit dem Verstoß befasst wird, beschloss die Kommission, die Forderung nach Zahlung eines Zwangsgelds zurückzuziehen, gleichzeitig aber die Forderung nach Zahlung eines Pauschalbetrags durch Schweden aufrechtzuerhalten. 

Hintergrund

Die Richtlinie zur Datenvorratsspeicherung (2006/24/EG) wurde 2006 angenommen und hätte bis zum 15. September 2007 in innerstaatliches Recht umgesetzt sein müssen, wobei die Möglichkeit bestand, die Speicherung von Verbindungsdaten beim Zugang zum Internet sowie bei der Nutzung von Internet-Telefonie und elektronischer Post erst ab dem 15. März 2009 zwingend vorzuschreiben.

Datenvorratsspeicherung heißt, dass die Verbindungs- und Standortdaten (nicht der Inhalt) der elektronischen Kommunikation gespeichert werden. Nach der Richtlinie dürfen die von den Internetanbietern und Telefongesellschaften gespeicherten Verbindungs- und Standortdaten nur in besonderen Fällen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts, der einschlägigen Bestimmungen des EU-Rechts und des Völkerrechts an die nationalen Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden.

Im April 2011 nahm die Kommission einen Bewertungsbericht an, in dem die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten analysiert wird und die Verwendung der gespeicherten Daten sowie die Auswirkungen auf Betreiber und Verbraucher beurteilt werden (IP/11/484 und MEMO/11/251).

If you are interested in the english version, look here for it:

Weitere Informationen:
Website von Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Inneres:
Website der Generaldirektion Inneres:

BGH: "ZAPPANALE vs. "ZAPPA"


BGH: Marke "ZAPPA" in Europa löschungsreif 

Die Entscheidung ist überaus interessant, wobei allerdings für eine abschließende Beurteilung der Volltext abgewartet werden muss. Die Rechte von Frank Zappa werden von einem Trust in den USA verwaltet, die Inhaber der beim HABM registrierten Gemeinschaftsmarke "ZAPPA" ist. Die Beklagte und Widerklägerin ist eine Veranstalterin die unter der Bezeichnung "ZAPPANALE" Musikfestivals veranstaltet. Auf den ersten Blick liegt hier eine Verwechselungsgefahr durchaus nahe. Im Vorfeld einer solchen Prüfung, kommt es jedoch unter anderem darauf an, ob die Marke nach Art. 15 GemeinschaftsmarkenVO benutzt worden ist. Die Beklagte hatte wegen mangelnder Benutzung und damit gegebener Löschungsreife eine Widerklage erhoben, mit dem Antrag die Marke für verfallen zu erklären. 

Der Senat vertritt wie das Oberlandesgericht Düsseldorf hier die Auffassung, dass die Nutzung des Domainnames "zappa.com" seitens des Trust keine markenmäßige Benutzung darstellt und den Anforderungen des Art. 15 GemeinschaftsmarkenVO nicht. Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass der Hinweis auf "ZAPPA Records" im Rahmen dieser Internetseite für Art. 15 Abs.1 Nr.1 GemeinschaftsmarkenVO nicht hinreichend ist. Beides kann man mit durchaus guten Argumenten anders sehen. Dieses Urteil deutet darauf hin, dass der BGH die Anforderungen die Benutzung verschärfen wollte.  


Der unter anderem für das Kennzeichenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Marke "ZAPPA" auf die Widerklage hin zu löschen ist, so dass die Verwendung der Bezeichnung "Zappanale" für ein Musikfestival die Marke nicht verletzen kann.

Der Verfall muss indessen beim HABM in Alicante auch nicht mehr nach Art. 51 Abs.1 lit. a) GMV noch durchgesetzt werden, da der BGH als höchstes deutsches Gemeinschaftsmarkengericht nach Art. 100 GemeinschaftsmarkenVO über den Verfall rechtskräftig befunden hat, Art. 100 GemeinschaftsmarkenVO. Die Vollstreckung richtet sich nach Art. 100 Abs.6 GemeinschaftsmarkenVO. 

Inhalt der Entscheidung

Der Kläger, ein in den USA ansässiger Trust, verwaltet den Nachlass des 1993 verstorbenen Musikers Frank Zappa und ist Inhaber der Gemeinschaftsmarke "ZAPPA". Die Beklagte richtet das seit 1990 jährlich stattfindende Musikfestival "Zappanale" aus und vertreibt unter der Bezeichnung Tonträger und Bekleidungsstücke.

Der Kläger hat die Beklagte aus der Marke "ZAPPA" auf Unterlassung und Schadensersatz wegen der Benutzung der Bezeichnung "Zappanale" in Anspruch genommen. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt, die Klagemarke "ZAPPA" mangels Benutzung für verfallen zu erklären.

Das Landgericht Düsseldorf hat Klage und Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die die Klage abweisende Entscheidung des Landgerichts bestätigt und auf die Widerklage die Gemeinschaftsmarke des Klägers mangels Benutzung für verfallen erklärt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurückgewiesen.

Die Gemeinschaftsmarke "ZAPPA" ist zu löschen, weil der Kläger die Marke nicht im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke* innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung in der Europäischen Union benutzt hat. 

Die von dem Kläger angeführten Verwendungsbeispiele genügten nicht den Anforderungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung an eine rechtserhaltende Benutzung. Die Verwendung des Domainnamens "zappa.com" stellt keine markenmäßige Verwendung der Bezeichnung "ZAPPA" dar. Das Publikum fasst den Domainnamen nur als Hinweis auf eine Internetseite mit Informationen über den Musiker Frank Zappa auf. 

Durch die Benutzung des Zeichens "ZAPPA Records" wird der kennzeichnende Charakter der Marke "ZAPPA" beeinflusst mit der Folge, dass eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Buchst. a GMV ausscheidet. Da die Marke "ZAPPA" verfallen ist, ist das vom Kläger begehrte Verbot, die Bezeichnung "Zappanale" für ein Musikfestival zu verwenden, nicht gerechtfertigt.

Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 135/10 - ZAPPA
LG Düsseldorf - Urteil vom 21. Januar 2009 - 2a 232/07
OLG Düsseldorf -Urteil vom 15. Juni 2010 - 20 U 48/09
(GRUR-RR 2011, 172)
BGH, Karlsruhe, den 31. Mai 2012 
Quelle: Pressestelle des BGH

Wirksamkeit von Honorarbedingungen für freie Journalisten


BGH - Pressemitteilung Nr. 74/2012: 



Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Honorarbedingungen, die der Axel-Springer-Verlag seinen Verträgen mit freien Journalisten zugrunde legt, teilweise unwirksam sind, was auch die Überprüfung vergleichbarer Honorarbedingungen nahelegt, aber das Urteil enthält einige Passagen, die die Durchsetzung von Nachforderungen durchaus schwierig machen könnten, da es um die Frage der Angemessenheit im Rahmen des Anpassungsanspruches nach § 32 Abs.1 S.3 UrhG geht. 

Das Urteil betrifft die Honorarpraxis der freien Journalisten und war angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen unter denen viele Journalisten leben und arbeiten mit Spannung erwartet worden. Es ging hier nicht um Zahlungsansprüche, sondern um eine Inhaltskontrolle bestimmter Klausel in dem betreffenden Honorarregelungen als Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 

Der Deutsche Journalistenverband konnte sich nicht mit allen Anträgen durchsetzen, erzielte aber erhebliche Teilerfolge, die die Praxis sehr beeinflussen dürften. Zentral ist allerdings der Aspekt, dass sich Zeitungsverlage ein zeitlich, räumlich und inhaltliches Nutzungsrecht an den Beiträgen in AGB ausbedingen können. Diese Klausel zu Fall zu bringen, war ein zentrales Anliegen dieses Streitverfahrens. Eine solche - weitreichende - Rechteübertragung muss jedoch angemessen honoriert werden. 

Der BGH stellt jedoch ausweislich der Pressemitteilungen nur Prüfkriterien auf, die eine Prüfung des Einzelfalles ermöglichen, so dass ein Flut von Honorornoten unter dem Aspekt der angemessenen Honorierung geprüft werden muss, angesichts dieses Urteils mit durchaus ungewissem Ausgang. Die Verlage werden voraussichtlich auf dieses Urteil damit reagieren die betreffenden Klauselwerke unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH transparenter zu gestalten.  


Sachverhalt 

Kläger ist der Deutsche Journalistenverband, der die Interessen angestellter und freier Journalisten wahrnimmt. Der beklagte Axel-Springer-Verlag legt seit Januar 2007 den Verträgen, die er mit freien Journalisten über die Lieferung von Text- und Bildbeiträgen abschließt, seine "Honorarregelungen Zeitungen" und "Honorarregelungen Zeitschriften" zugrunde. Der Kläger hält eine Vielzahl der in den Honorarregelungen enthaltenen Klauseln für unwirksam. Er hat deswegen den Beklagten auf Unterlassung der Verwendung dieser Honorarregelungen in Anspruch genommen. Das Landgericht Berlin hat der Klage hinsichtlich einiger Klauseln stattgegeben. Beim Kammergericht hatten sowohl der Kläger als auch der Beklagte mit ihren Berufungen teilweise Erfolg.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof nunmehr einige weitere Klauseln, die das Kammergericht für unbedenklich erachtet hatte, für unwirksam erklärt. Hinsichtlich anderer Klauseln hatte die Revision dagegen keinen Erfolg. 

Inhalt der Entscheidung

Im Mittelpunkt steht dabei die Bestimmung, mit der sich der beklagte Verlag umfassende urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von den freien Journalisten erstellten Beiträgen einräumen lässt ("Soweit … nicht anders vereinbart, hat der Verlag das zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht, die Beiträge im In- und Ausland in körperlicher und unkörperlicher Form digital und analog zu nutzen …"). Diese Bestimmung hat der BGH für wirksam erachtet. 

Im Gegensatz zum Kammergericht hat der Bundesgerichtshof jedoch die Vergütungsregelung beanstandet, die unter anderem bestimmt, dass im vereinbarten Honorar ein angemessener Anteil für die Einräumung der umfassenden Nutzungsrechte enthalten ist.

Der umfassenden Rechtseinräumung steht insbesondere der Schutzgedanke des § 31 Abs. 5 UrhG nicht entgegen, wonach der Urheber möglichst weitgehend an den wirtschaftlichen Früchten der Verwertung seines Werkes zu beteiligen ist. Diese Bestimmung kommt - so der Bundesgerichtshof - als Maßstab einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht. 

Zum einen handelt es sich dabei um eine Auslegungsregel, die Inhalt und Umfang der einzuräumenden Rechte grundsätzlich der Disposition der Vertragsparteien überlässt. Zum anderen geht es bei den Klauseln um Regelungen, die unmittelbar den Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht bestimmen. Sie gehören zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung und sind regelmäßig der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen. Daran hat die Einführung des § 11 Satz 2 UrhG nichts geändert, wonach das Urheberrecht auch der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werks dient.

Die Unwirksamkeit der Vergütungsregelung hat der Bundesgerichtshof deshalb auch nur mit dem Transparenzgebot begründet. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung einer Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen daraus ergeben, dass die Regelung nicht klar und verständlich ist; der Verwender solcher Geschäftsbedingungen ist vielmehr gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar, einfach und präzise darzustellen. 

Nach den Honorarregelungen des beklagten Verlages ist jedoch völlig unklar, ob der Journalist für weitergehende Nutzungen eine gesonderte Vergütung erhalten soll oder nicht. Diese Regelungen enthalten eine Bestimmung, nach der insofern zu differenzieren ist: 

Einzelne in einer Klausel aufgeführte Nutzungen sollen "in jedem Fall" abgegolten sein. Nach einer weiteren Klausel, die das Kammergericht bereits rechtskräftig für unwirksam erklärt hat, soll sich die Frage, ob für darüber hinausgehende Nutzungen eine gesonderte Vergütung geschuldet wird, danach richten, was zwischen den Vertragsparteien abgesprochen ist. Nach dieser Regelung bleibt es letztlich offen, ob und für welche weitergehenden Nutzungen der Verlag eine gesonderte Vergütung zu zahlen hat.

Das bedeutet - so der Bundesgerichtshof - jedoch nicht, dass undifferenzierte Vergütungsregeln rechtlich unbedenklich sind, bei denen mit dem vereinbarten Honorar sämtliche weitergehenden Nutzungen abgegolten sind. Denn eine solche pauschale Vergütung wird sich häufig nicht als angemessen erweisen und daher zu einer nachträglichen Vertragsanpassung nach § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG führen müssen.

BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 73/10 - Honorarbedingungen freie Journalisten
LG Berlin - Urteil vom 9. Dezember 2008 - 16 O 8/08
KG Berlin - Urteil vom 26. März 2010 - 5 U 66/09 
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressestelle

Oberlandesgericht Koblenz: Kündigung des Dienstvertrages eines GmbH - Geschäftsführers aus wichtigem Grund - Urteil des 6. Zivilsenats vom 31. Mai 2012, Az: 6 U 350/12

Nach dem mitgeteilten Sachverhalt war der Antrag auf Auskehrung eines Teiles des Geschäftsführergehaltes wegen Unwirksamkeit einer dienstvertraglichen Kündigung aus wichtigem im Wege einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO nicht sonderlich aussichtsreich gewesen. Allerdings kann der Angriff auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung auch noch im Hauptsacheverfahren erfolgen. Über vdas Vorliegen eines wichtigem Grundes aufgrund des mitgeteilten Sachverhaltes muss bei einem GmbH - Geschäftsführer eines kommunalen Energieversorgungsunternehmens angesichts des bestehenden Pflichtenkreises kaum lange diskutiert werden.

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Die Stadtwerke Neuwied GmbH durfte ihrem ehemaligen Geschäftsführer fristlos kündigen. Auch vor dem Oberlandesgericht Koblenz scheiterte der Kläger mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der er die Zahlung eines Teils seines Geschäftsführergehalts als monatlichen Notbedarf begehrte.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts entschied, dass die Kündigungen der Stadtwerke vom Dezember 2011 und Januar 2012 aus wichtigem Grund gerechtfertigt waren. Die Verletzung der Pflichten des Klägers als Geschäftsführer mache es der Beklagten unzumutbar, ihn weiter zu beschäftigen. Damit wies der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. März 2012 zurück.
     
Ende Dezember 2011 und Ende Januar 2012 hatte die Beklagte durch den Oberbürgermeister der Stadt Neuwied gegenüber dem Kläger Kündigungen ausgesprochen und seine Abberufung als Geschäftsführer erklärt.

Die Beklagte hatte ihre Kündigungen auf zwei Sachverhalte gestützt:

Zum einen eröffnete der Kläger seiner Lebensgefährtin, die einen Gastronomiebetrieb unterhält, im November 2011 unter Ausnutzung seiner Stellung die Möglichkeit, Gänse im Konvektomaten des Betriebes der Beklagten zuzubereiten. Dies verstieß gegen den in den Dienstanweisungen der Beklagten niedergelegten und dem Kläger bekannten Grundsatz, dass „die private Nutzung der dienstlichen Einrichtungen verboten“ ist. In der Verhandlung vor dem Senat am 26. April 2012 räumte der Kläger ein, dass dieses Verhalten „keine kluge Entscheidung gewesen“ sei.

Nach der Überzeugung des Senats handelte der Kläger pflichtwidrig, indem er einer betriebsfremden Person die Nutzung von Einrichtungen der Beklagten gestattete, ohne dass ein betriebliches Interesse der Beklagten vorlag.

Zum anderen veranlasste der Kläger, dass einer Mitarbeiterin Nachhilfeunterricht erteilt wurde. Dabei handelte es sich um die Freundin der Tochter der Lebensgefährtin des Klägers, mit der auch er gut bekannt war. Die Kosten des Unterrichts in Höhe von knapp 400 € wurden von der Beklagten übernommen, obwohl die Erteilung der Nachhilfe außerhalb des betrieblichen Interesses der Beklagten lag.

Nach dem Urteil des Senats rechtfertigte bereits dieser Vorfall für sich genommen die fristlose Kündigung.

Der Senat wies ausdrücklich darauf hin, dass die Pflichtwidrigkeit in beiden Fällen ein erhebliches Gewicht habe, da der Kläger eine besondere Nähebeziehung zu den jeweils Begünstigten hatte.

In beiden Fällen habe der Kläger ihm nahestehenden Personen Vorteile auf Kosten der Beklagten verschafft, ohne dass dies durch ein betriebliches Interesse gerechtfertigt gewesen sei. Seine weitere Tätigkeit als Geschäftsführer sei daher für die Beklagte unzumutbar.

Die Entscheidung ist auf der Homepage des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (www.mjv.rlp.de) unter der Rubrik „Rechtsprechung“ im Volltext veröffentlicht.

Samstag, 26. Mai 2012

Deutsches internationales Erbscheinsverfahren und US - Trust

KG Berlin, AZ: 1 W 557/11 - Beschluss vom 03.04.2012

Das Kammergericht hat sich im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens zu interessanten Aspekten der internationalprivatrechtlichen Behandlung bestimmter Formen des Trusts nach dem US - Recht (Colorado) Stellung genommen. Bekanntlicherweise bieten Erbscheinsverfahren oftmals eine gute Möglichkeit erbrechtliche Streitpunkte zu klären. Gerade bei Erbengemeinschaften deren Zusammensetzung nach dem Erbfall unklar ist, bietet sich dies unter Umständen an. Hier ging es darum, dass ein Anteil an einer deutschen Erbengemeinschaft in einen US - Nachlass gefallen ist und Gegenstand eines Trustverm;gens wurde, dass vom Ehemann der Verstorbenen als Trustee verwaltet wurde. Das deutsche Recht der Erbengemeinschaft kennt keine vergleichbare Stellung, zumal der Trust deutschen Rechtsvorstellungen weitgehend widerstreitet, auch wenn er überaus elegante Lösungsmöglichkeiten bietet. Allenfalls ein Testamentsvollstrecker böte sich als ungefähre Parallele an, sofern nicht besondere testamentarische Konstruktionen vorliegen. Nach den dortigen Gepflogenheiten wird der Trustee in Colorado wie ein allein handelnder Treuhänder behandelt. Der Trustee stellte bei einem Honororkonsul in Colorado einen gegenständlich beschränkten Alleinerbscheinsantrag, dem das zuständige Erbscheinsgericht nicht stattgab. Eine Umstellung auf einen Miterbscheinsantrag erfolgte im Verfahren nicht. 

Erbengemeinschaften nach deutschem Recht sind eine besondere Ausprägung der Gesamthandsgesellschaft, einer deutschen Besonderheit, die gesellschaftsrechtlich kaum eine Entsprechung in anderen Rechtsordnungen findet. Das Kammergericht geht treffend davon aus, dass das Vermögen einer solchen Gesellschaft zur gesamten Hand als bewegliches Vermögen zu qualifizieren ist und entsprechend internationalprivatrechtlich anzuknüpfen ist. Allerdings ist das US - Erbrecht - das in jedem Bundesstaat andere Ausprägungen haben kann - völlig anders strukturiert als das deutsche Erbrecht, da es grds. keine Universalsukzession kennt und der Nachlass nicht zwangsläufig eine Einheit bilden muss, was die oftmals schwierige Tätigkeit der Probate Courts anschaulicher macht.Um den Tücken des Erbrechts zu entgehen, wird der Nachlass oftmals testamentarisch auf einen oder mehrere Trusts übertragen, der sie über einen Trustee zum Nutzen der Beneficiaries verwalten soll. Dabei ist der Trustee üblicherweise Inhaber des legal title, der ihn aus Eigentümer ausweist, während die Beneficiaries Inhaber des equity titles sind, der auf das wirtschaftliche Eigentumm hinweist, wobei die Details dem jeweiligen Trust - Deed zu entnehmen sind. Ähnliche Konstruktionen lassen sich in Deutschland mit der Treuhand erzielen. Dies erklärt, warum der Trustee nach seinem Verständnis sich als Alleinerben nach deutschem Recht angesehen hat.   

Schwierigkeiten ergeben sich regelmäßig, wenn ein Statutenwechsel hinsichtlich der Staatsangehörigkeit stattfindet, sich der Erbfall aber nach Deutschland hinein erstreckt. Dieses Szenario wird sich im Anwendungsbereich wohl noch 2012 in Kraft tretenden EU - Verordnung öfter ergeben, weil der Statutenwechsel hier ohne entsprechende testamentarische Verfügungen bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen bereits durch einen dauerhaften Wechsels des Wohnsitzes in das Ausland erfolgen kann.Dann aber stellen sich Fragen wie sie das Kammergericht hier zu klären hatte. 

Das Kammergericht geht für das US - Recht im vorliegenden Fall davon aus, dass "Last will and Testament" nach dem Recht des US-Staates Colorado mit dem ein Erblasser sein Vermögen in einen "Marital trust" und einen "Family trust" einbringt ist regelmäßig dahin auszulegen ist, dass die bestimmten "beneficaries" als Erben anzusehen sind und nicht der "trustee" und "personal representative", was aus der Sicht des deutschen Rechts völlig nachvollziehbar ist, auch wenn US - Gerichte das mit großer Wahrscheinlichkeit anders gesehen hätten.

Der Sachverhalt lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Erblasserin in den USA als US - Staatsbürgerin verstorben ist und als Erben ihren Ehemann, den Antragsteller im Erbscheinsverfahren und Beschwerdeführer, sowie drei Kinder hinterließ. Die Erblasserin hat eine in Texas errichtete und auf den 20.06.1997 datierte Verfügung von Todes wegen („Last Will and Testament“) hinterlassen. In diesem Testament ist bestimmt, ein „Marital Trust“ und ein „Family Trust“ zu errichten sind, die den Nachlass halten und verwalten. Der Antragsteller wurde nach dem Testament als „Personal Representative“ und „Trustee“ bestellt. Der in Deutschland belegene Nachlass besteht aus einem Anteil an einem Grundstück. In dem betreffenden Grundbuch ist die Erblasserin neben anderen als Miteigentümerin einer Erbengemeinschaft nach deutschem Recht eingetragen. Dieser Anteil an der betreffenden Erbengemeinschaft ist Bestandteil des US - Nachlasses und soll 0,0625 % betragen. Das Grundstück soll veräußert werden.

Der Antragsteller hat bei dem Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Colorado einen Antrag auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins für den beweglichen Nachlass in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, der ihn in Anwendung des Erbrechts des US-Bundesstaates Colorado als Alleinerben ausweist. Das Amtsgericht hat den Erbscheinantrag durch Beschluss vom 14.07.2011 mangels Vorlage geeigneter öffentlicher Urkunden zurückgewiesen, was das KG als zu streng gerügt hat. Diesen Beschluss des Amtsgerichts hat der Antragsteller angegriffen und hierzu Hilfsanträge gestellt, was im Erbscheinsverfahren ein übliches Vorgehen ist. Allerdings hat das Kammergericht den Antrag auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Alleinerbscheines mit überzeugender Begründung ebenfalls abgelehnt, weil dem Antragsteller ein gegenständlich beschränkter Erbschein entsprechend § 2369 Abs. 1 BGB für das im Inland befindliche bewegliche Vermögen, der ihn als Alleinerben ausweist, nicht erteilt werden kann, da der Antragsteller aus dem Blickwinkel des deutschen internationalen Privatrechts nicht als Alleinerbe qualifiziert werden kann:

1. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Da der Erblasser die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten besaß, verweist Art. 25 Abs. 1 EGBGB also auf US-amerikanisches Recht. Bei dieser Verweisung handelt es sich nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB um eine Kollisionsnormverweisung, so dass eine Rück- oder Weiterverweisung durch das amerikanische IPR Folge zu leisten ist. Bei der Prüfung einer Rück- oder Weiterverweisung durch das amerikanische internationale Privatrecht ist zu beachten, dass es sich bei den Vereinigten Staaten von Amerika um einen Mehrrechtsstaat handelt, in dem weder ein einheitliches materielles noch ein einheitliches internationales Erbrecht gilt; vielmehr besitzt jeder Einzelstaat sein eigenes, partikuläres IPR. Welches Recht in einem solchen Fall zur Anwendung kommt, ist in Art. 4 Abs. 3 EGBGB geregelt. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB bestimmt in erster Linie das Recht des Staates, auf das deutsche Kollisionsnormen verweisen, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist. Besitzt der ausländische Staat keine einheitlichen interlokalen Kollisionsnormen, so ist nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit der der Sachverhalt am engsten verbunden ist. Nach herrschender Meinung bestimmt sich die "engste Verbindung" im Sinne dieser Vorschrift in erster Linie nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betreffenden in einem der Teilgebiete. Da die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Colorado hatte, verweist somit Art. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB auf das Recht von Colorado. Traditionell ist das Kollisionsrecht der common-law-Staaten geprägt von einer Nachlassspaltung für das Erbfolgerecht. Für Immobilien gilt das jeweilige Belegenheitsrecht (lex rei sitae), für Mobilien dagegen die lex domicilii, also das Recht des letzten „domicile“ des Erblassers (vgl. Odersky, ZEV 2000, 492).

2. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist daher zunächst zu prüfen, wie der vorliegend zu betrachtende Miterbenanteil in Deutschland zu qualifizieren ist. Soweit amerikanisches Kollisionsrecht für unbewegliches Vermögen auf das Belegenheitsrecht verweist, überlässt es diesem auch, zu bestimmen, was zum beweglichen und was zum unbeweglichen Vermögen zählt (sog. Qualifikationsrückverweisung; BGH, NJW 2000, 2421, 2422; vgl. Süß, ZEV 2000, 486, 488 m.w.N.; Staudinger/Hausmann, BGB, Neubearb. 2003, Rdn. 184 zu Art. 4 EGBGB). Aus deutscher Sicht ist der Anteil an einer Erbengemeinschaft als Gesamthandsanteill bewegliches Vermögen (vgl. Eule ZEV 2010, 508, 509), so dass sich die Rechtsnachfolge in den Miterbenanteil nach dem Recht von Colorado richtet. Die Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen unterliegt grundsätzlich gegenüber dem nach Art. 25 EGBGB bestimmten Erbstatut einer gesonderten Anknüpfung (siehe Art. 26 Abs. 1-4 EGBGB hinsichtlich der formellen, Art. 26 Abs. 5 hinsichtlich der materiellen Gültigkeit). Insoweit ist allerdings nicht ersichtlich, dass das am 20. Juni 1997 unter Einschaltung von Rechtsanwälten errichtete Testament nicht den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht (vgl. allgemein zum „testamentary trust“ Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Rdn. 427 zu Art. 25 EGBGB).

3. Mit dem genannten Testament hat die Erblasserin ihr Vermögen in einen „Marital Trust“ zu Gunsten ihres Ehemannes und einen „Family Trust“ zu Gunsten ihres Ehemannes und ihrer Kinder aufgeteilt sowie ihren Ehemann als „Personal Representative“ und „Trustee“ eingesetzt. Das deutsche Recht gestattet die Begründung eines Trust an inländischem Nachlass nicht, weil hier der durch § 137 BGB abgesicherte Grundsatz vom numerus clausus der Sachenrechte gilt, der die für den Trust charakteristische „gespaltene Rechtsinhaberschaft“ zwischen trustee und beneficiary nicht zulässt bzw. verhindert, dass die dingliche Rechtsstellung des trustee die in der jeweiligen trust-Urkunde nach dem Willen des trust-Errichters festgelegt wird (Dörner, a.a.O., Rdn. 431 m.w.N.). Die Einsetzung eines trustee ist als solche unwirksam und kann gegebenenfalls in die Einsetzung eines Treuhänders oder (Dauer-) Testamentsvollstreckers umgedeutet werden (vgl. BayObLGZ 2003, 69, 77; Wienbracke ZEV 2007, 413, 416; vgl. zur Angleichung auch MünchKomm-BGB/Sonnenberger, 5.Aufl., Rdn. 595 zu IPR Einl.). Als Erbe im Sinne des deutschen Rechts ist der trustee und personal reprensentative dagegen regelmäßig nicht anzusehen (OLG Frankfurt, IPRspr. 1966/67 Nr. 168a; NK-BGB/Odersky, Rdn. 29 zu USA, ). Im Regelfall sind die beneficiaries als Erben berufen, weil allein diesen wirtschaftlich der Nachlass zusteht (Odersky, a.a.O., m.w.N.; BayObLG, a.a.O., 83).

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass als Erben der Antragsteller und seine Kinder anzusehen sind. Die anteilige Erbenstellung ist nach dem jeweiligen Anteil am Gesamtnachlass zu bewerten.

4. Soweit das Amtsgericht die bisher eingereichten Nachweise nicht für ausreichend erachtet hat, wird ohne Bindungswirkung für den Fall weiterer Anträge auf Folgendes hingewiesen:

Gehören zu einer Erbschaft auch Gegenstände, die sich im Ausland befinden (wie im vorliegenden Fall), kann der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf die im Inland befindlichen Gegenstände beschränkt werden (gegenständlich beschränkter Erbschein, § 2369 Abs. 1 BGB). Für das Erteilungsverfahren ist gemäß § 2353 BGB ein Antrag erforderlich, wobei eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist. Faktisch erweist sich jedoch die Pflicht des § 2376 Abs. 2 BGB, bestimmte Angaben durch eidesstattliche Versicherung nachzuweisen, als Formvorschrift, so dass der Antrag in der Regel zur Niederschrift eines Notars oder des Gerichts gestellt wird. Der Inhalt des Antrages ergibt sich aus §§ 2354, 2355, 2357BGB. In diesem Zusammenhang sind gemäß § 1 Abs. 2 BeurkG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 KonsG Konsularbeamte befugt, eidesstattliche Versicherungen gemäß § 10 Abs. 2 KonsG zu beurkunden (Strübing, ZErb 2008, 178, 187; vgl. zusammenfassend Bindseil, DNotZ 1993, 5 ff ). Insoweit hat das Amtsgericht auch keine Beanstandungen erhoben; vielmehr hat es die vorgelegte mit einer Apostille versehene Testamentskopie nicht als ausreichend erachtet.

Es erscheint zweifelhaft, ob dieser Auffassung gänzlich gefolgt werden kann, da die vorgelegten Unterlagen auf den Seiten 1 und 2 jeweils einen Prägestempel des Staates C… tragen und auf Seite 2 ferner mit einem kleineren Prägestempel eine Unterschrift des county & district court clerk vorhanden ist. Zudem kann die Apostille in einem Authentifizierungsverfahren beim C… Secretary of State überprüft werden. Bei Eingabe der Nummer 7… wird als „Signer’s name“ J… L. L… ausgewiesen, die auf Seite 2 der vorgelegten Kopie unterschrieben hat. Es spricht vieles dafür, dass die erteilte Apostille den dortigen Gepflogenheiten entspricht, zumal bei „Issued for use in the country of:“ „Germany“, mithin Deutschland vermerkt ist. Nach § 2356 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist der Nachweis der Testamentserrichtung nicht zwingend auf die Vorlage öffentlicher Urkunden beschränkt, sondern es können auch andere Beweismittel einschließlich eidesstattliche Versicherungen von Beweispersonen ausreichend sein, wenn Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind (vergleiche Senat, Beschluss vom 29.11.1994, 1 W 2837/94, zitiert nach juris). Hier sind die Niederschrift des Honorarkonsuls der Bundesrepublik Deutschland Bleise vom 14.03.2011, mit den darin enthaltenen Erklärungen des Antragstellers, sowie das Schreiben der Rechtsanwälte K…, L… & O… vom 22.08.2011 ergänzend heranzuziehen, woraus sich ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit die Errichtung eines Last Will & Testament der Erblasserin ergibt, der beim District Court in A… County hinterlegt ist. Es ist eher fern liegend, dass in Bezug auf den geringwertigen Nachlass in Deutschland absichtlich falsche Angaben gemacht wurden. Dies alles bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung des Senats, da bisher kein den vorstehend dargestellten Erbschaftsverhältnissen entsprechender Erbscheinsantrag vorliegt.

Ein Erbschein zu Gunsten des Antragstellers kommt nicht in Betracht, vielmehr müsste ein solcher sich auf den Antragsteller und seine Kinder als Erben beziehen. Dem stehen auch nicht die ergänzenden Ausführungen des Antragstellers zu einer „joint tenancy“ entgegen. Eine solche hat in dem Testament vom 20. Juni 1997 keinen Anhalt. Die Joint Tenancy zeichnet sich durch ein „Right of Survivorship”, also ein Anwachsungsrecht, aus. Der zuletzt nach Versterben aller anderen übrig bleibende Joint Tenant wird - außerhalb des Erbrechts - Alleineigentümer (vgl. Jülicher, Die Joint Tenancy, ZEV 2001, 469). Es hätte dann keines 23 Seiten umfassenden „Last will and testament“ mit trust-Errichtungen bedurft, wenn sämtliche Vermögensgegenstände automatisch in das Alleineigentum des überlebenden Ehegatten übergingen. (...) Wenn nun der Sachvortrag zur „joint tenancy“ als richtig unterstellt wird, hätte der Antragsteller sämtliche Vermögensgegenstände nicht im Erbgang sondern außerhalb des Erbrechts erworben. Es liegt dann um so näher die Kinder als Haupterben anzusehen, da diesen jedenfalls die Lebensversicherungen als einzige verbleibende Vermögensgegenstände zuerkannt wurden. Auch in diesem Fall ist der Antragsteller jedenfalls nicht Alleinerbe, so dass auch insoweit die Beschwerde keinen Erfolg haben kann.

BGH: Erweiterung des Pflichteilsergänzungsanspruches im dt. Erbrecht

BGH, Urteil vom 23. Mai 2012 – IV ZR 250/11: 
BGH erkennt Pflichtteilsergänzungsanspruch auch für Schenkungen des Erblassers vor der Geburt 

Im deutschen Erbrecht war zu § 2325 BGB bislang umstritten, ob der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Abkömmlingen voraussetzt, dass diese nicht nur im Zeitpunkt des Erbfalls, sondern schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt waren. Es geht hier um die Streitfrage, ob ein solcher Pflichteilsergänzungsanspruch wegen vor dem Erbfall vorgenommener Schenkungen voraussetzt, das die Pflichtteilsberechtigten nicht nur schon vor dem Erbfall geboren waren, sondern auch schon zum Zeitpunkt der Schenkung geboren sein mussten oder nicht. 

Mit den Vorinstanzen ist der BGH nunmehr unter Aufgabe von BGH, NJW 1973, 40; 1997, 2676 der Auffassung, dass es insoweit einer Doppelberechtigung - mit Ausnahme der Fälle des § 1594 BGB - nicht bedarf, sondern es hinreichend ist, wenn der Pflichtteilsberechtigte jedenfalls imk Zeitpunkt des Erbfalles geboren war. Der BGH stellt jetzt entsprechend dem Zweck des deutschen Pflichtteilsrechts darauf ab, dass eine Mindestteilhabe eine Doppelberechtigung nicht erfordert, da es nur auf den Erbfall und insoweit nicht auf den Zeitpunkt der Schenkung ankommt. 

Die Entscheidung führt bei unverjährten, § 2332 BGB, und insoweit noch bestehenden Pflichteilsergänzungsansprüchen unter Umständen zu Nachforderungen und löst insoweit einen Prtüfbedarf aus. 

Sachverhalt: 

Die 1976 und 1978 geborenen Kläger machen gegen die Beklagte, ihre Großmutter, im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach ihrem 2006 verstorbenen Großvater geltend. Sie begehren Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung. Die Großeltern hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 verstorbene Mutter der Kläger. Im Jahr 2002 errichteten die Beklagte und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich u.a. gegenseitig zu Erben einsetzten. 

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob den Klägern ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB zusteht, wenn sie zwar im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht aber im Zeitpunkt der jeweiligen Schenkungen pflichtteilsberechtigt waren. Im Wesentlichen geht es darum, ob der Auskunftsanspruch auch Schenkungen erfasst, die der Erblasser vor der Geburt der Kläger zugunsten der Beklagten vorgenommen hatte. Die Vorinstanzen haben der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben. 

Entscheidung des BGH: 

Mit dem heutigen Urteil hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil bestätigt und entschieden, der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setze nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand. Seine dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung, die eine Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung forderte (Urteile vom 21. Juni 1972 – IV ZR 69/71, BGHZ 59, 212, und vom 25. Juni 1997 – IV ZR 233/06, ZEV 1997, 373), sog. Theorie der Doppelberechtigung, hat der Senat insoweit aufgegeben. Hierbei hat er neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts abgestellt, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Hierfür ist es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht. 

Die bisherige Auffassung führte demgegenüber zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers und machte das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren. Quelle: Pressemitteilung des BGH

BGH: Grds. keine Bewährungsstrafen bei Schmuggel in Millionenhöhe

BGH - Pressemitteilung Nr 70/12 - Grds. keine Bewährunsstrafen bei Schmuggel in Millionenhöhe 

Der Fall betrifft Steuerhinterziehungstatbestände aus E-Commerce - Handel in beträchtlicher Höhe nach vorausgegangenem Schmuggel von Plagiaten aus China, ohne das insbesondere Einfuhrumsatzsteuer entrichtet worden ist.Das Landgericht hatte trotz der Höhe der nicht gezahlten Steuern die Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Dem tritt der BGH seinen Leitlinien zur Steuerhinterziehung folgend entgegen, indem diese Grundsätze jetzt auch auch den Tatbestand des Schmuggels angewendet werden, was völlig konsequent ist. Da der BGH die Urteilsbegründung insgesamt für nicht nachvollziehbar gehalten hat, muss das Verfahren aufgrund der Rückverweisung erneut stattfinden, was nach den Leitlinien des BGH zur erheblichen Strafschärfungen für Schmuggeltatbestände nach § 373 AO führen dürfte.  


Der Sachverhalt wird vom BGH wie folgt referiert: 

Der Angeklagte J wurde im November 2010, rechtskräftig seit Juli 2011, wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte J als Geschäftsführer einer in Hamburg ansässigen GmbH, die Elektronikgeräte über Internetplattformen an Endkunden veräußerte, insgesamt 819.858,89 € an Umsatzsteuern dadurch hinterzogen, dass er pflichtwidrig die auf die durchgeführten Warenlieferungen entfallende Umsatzsteuer nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet hatte. Im vorliegenden Strafverfahren, das sich wiederum gegen den Angeklagten J und zudem gegen den Angeklagten G richtet, hat die Staatsanwaltschaft im August 2011 Anklage erhoben. Darin wurden die beim Angeklagten J bereits abgeurteilten 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung nun auch dem Angeklagten G zur Last gelegt. Zudem wurden beide Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in 32 Fällen beschuldigt. 

Feststellungen des Landgerichts: 

Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt: Die verkauften 
Elektronikgeräte (nachgebaute IPhones und MP-Player) waren von den aus der Volksrepublik China stammenden Angeklagten in den Jahren 2008 bis 2010 von dort aus per See- oder Luftfracht nach Deutschland eingeführt worden, ohne dass die hierauf anfallende Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt mindestens 1.088.933,86 € bei den Zollbehörden entrichtet wurde. Hierbei handelten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken und wurden dabei zudem von zwei weiteren aus Volksrepublik China stammenden Personen unterstützt. Der Import erfolgte über die bereits erwähnte und eine weitere in Hamburg geschäftsansässige GmbH, für die die Angeklagten maßgeblich handelten. Die Geräte waren bei der Einfuhr nach Deutschland in funktionslose Netzteile verpackt und wurden beim Zoll entsprechend als Netzteile deklariert. Die nach dem anschließenden Verkauf der Elektronikgeräte vom Angeklagten J begangenen 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung – Gegenstand der Verurteilung des J vom 12. November 2010 – unterstützte der Angeklagte G. Landgericht hat die Angeklagten hierfür wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1 AO) in 32 Fällen, den Angeklagten G zudem wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Den Angeklagten J hat es unter Einbeziehung der 16 Einzelstrafen aus dem Urteil vom 12. November 2010 erneut zu einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten G hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. 

Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht in den Fällen des gewerbsmäßigen Schmuggels jeweils von einem minder schweren Fall ausgegangen (§ 373 Abs. 1 Satz 2 AO); bei der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hat es die Strafe dem im Hinblick auf die Beihilfe gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat es zugunsten des Angeklagten J berücksichtigt, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren "unnatürlich" auf zwei Verfahren aufgeteilt habe; der Angeklagte habe aber nach seiner ersten Verurteilung davon ausgehen dürfen, "dieser Lebensabschnitt" sei "für ihn abgeschlossen".Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten beider Angeklagten Revision eingelegt. Sie hat ihre Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt. 

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Beschränkung der Revisionen auf den Rechtsfolgenausspruch war unwirksam, weil die Feststellungen zu den Taten so knapp, unvollständig und insgesamt so unklar waren, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung sein konnten. Aus diesem Grund war das landgerichtliche Urteil insgesamt aufzuheben. 

Im Übrigen hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Grundsätze zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11) in gleicher Weise auch für den Schmuggel (§ 373 AO) – einem Qualifikationstatbestand der Steuerhinterziehung – gelten. Danach kommt auch bei diesem Delikt bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. 

Quelle: Pressestelle des BGH

Dienstag, 8. Mai 2012

Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Internetveröffentlichungen

Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 059/2012 vom 08.05.2012 u. Nr. 58/2012 

Die Fälle sind hinreichend bekannt und bieten eigentlich nichts mehr neues. Eine Vielzahl von Gerichten war bereits mit den Versuchen der Kläger in beiden Ausgangsverfahren befasst, die Medien des Internets nach Möglichkeiten von Verweisen zum Verbrechensgeschehen unter ausdrücklicher Namensnennung zu reinigen, durchaus mit Erfolg vor einigen Gerichten, weil eine volle Namensnennung presserechtlich weitgehend auch nach Verurteilung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BVerfG  bedenklich sein kann. Imm Ergebnis ist der BGH aber erneut der Rechtsprechung des LG Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts nicht gefolgt und statuiert einen überzeugenden Vorrang für die Medienfreiheit in beiden entschiedenen Fällen. Es handelt sich erneut um dem "Mordfall Walter Sedlmayr", einem zu Lebzeiten sehr bekannten bayerischen Schauspieler, der nach den Urteilen der Strafgerichte von den beiden Klägern ermordet worden war (1993). 

Der Kläger verlangt von einem in der Republik Österreich geschäftsansässigen Medienunternehmen, es zu unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten: 

"Das beklagte Unternehmen hielt auf seiner Internetseite bis zum 18. Juni 2007 eine auf den 23. August 1999 datierte, von einem anderen Anbieter übernommene Meldung zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit bereit. Darin hieß es unter Nennung des Vor- und Zunamens des Klägers wie seines Bruders wahrheitsgemäß u. a., beide wendeten sich nunmehr, neun Jahre nach dem Mord, mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ihre Verurteilung wegen der Tat." Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. 

Der BGH allerdings hatte erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit, weil die Handlung von einem österreichischen Medienunternehmen ausging. Der BGH hatte die Sache daher mit Beschluss vom 10. November 2009 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Fragen vorgelegt, unter welchen Voraussetzungen die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Unterlassungsklagen gegen Internetveröffentlichungen von in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Anbietern anzunehmen ist und ob sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach deutschem Recht oder gemäß dem Herkunftslandprinzip der e-commerce-Richtlinie nach österreichischem Recht richtet. Der Gerichtshof hat hierüber durch Urteil vom 25. Oktober 2011 entschieden, dass international zuständig das Gericht ist, an dessen Ort das Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat, also regelmäßig das Gericht am Ort des Domicile. Allerdings sah der EuGH unter Berufung auf Art. 5 Nr. 3 der EuGVVO (Nr. 44/2001) eine alternative Zuständigkeit des Gerichts als gegeben an, in dem der Verbreiter der im Internet veröffentlichten Inhalte seine Niederlassung hat. Allerdings beschränkt sich die sachliche Zuständigkeit für die Entscheidung über Schadensersatzansprüche dann auf den Schaden, der im Gebiet des betreffenden Mitgliedsstaates nach dessen anwendbaren Rechtsregeln nachweisbar entstanden ist. 

Der BGH hat diese Entscheidung des EuGH nunmehr auf die beiden Ausgangsfälle angewendet und bejaht nunmehr die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da sich der Mittelpunkt der Interessen beider Kläger in Deutschland befindet. Allerdings sieht der BGH nach wie vor den Erfolgsort in Deutschland, da die österreichischen Internetseiten bestimmungsemäß und ohne sprachliche Schwierigkeiten auch in Deutschland abgerufen werden können, so dass auf den geltend gemachten Anspruch materielles deutsches Recht anwendbar ist. Dies könnte man für Internetseiten in anderen Sprachen durchaus enger sehen und hier zu einer Verweisung auf die Rechtsordnung des Verbreiters nach den Regelungen des internationalen Deliktsrechts gelangen. Auf diese Problematik einzugehen, boten beide Fälle indessen keinen Anlass. 

Der BGH betont, dass beide Kläger in Deutschland in der Achtung, die sie in Deutschland geniessen, gestört werden. Der BGH entschied aber nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Beachtung der Medienfreiheit des Art. 5 GG für einen Vorrang der Pressefreiheit und kommt zu folgendem - in der Sache nach hiesiger Auffassung auch überzeugendem - Ergebnis und hat beide Klagen abgewiesen:  

"Die - jeweils im Einzelfall vorzunehmende - Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit führte wie in den Parallelverfahren (vgl. Pressemitteilungen 255/2009 und 30/2010) zum Vorrang des Rechts der Beklagten auf freie Meinungsäußerung". 

Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08 
LG Hamburg - Entscheidung vom 18. Januar 2008 - 324 O 548/07 
OLG Hamburg - Entscheidung vom 29. Juli 2008 - 7 U 22/08 
Karlsruhe, den 8. Mai 2012 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs