KG Berlin, AZ: 1 W 557/11 - Beschluss vom 03.04.2012
Das Kammergericht hat sich im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens zu interessanten Aspekten der internationalprivatrechtlichen Behandlung bestimmter Formen des Trusts nach dem US - Recht (Colorado) Stellung genommen. Bekanntlicherweise bieten Erbscheinsverfahren oftmals eine gute Möglichkeit erbrechtliche Streitpunkte zu klären. Gerade bei Erbengemeinschaften deren Zusammensetzung nach dem Erbfall unklar ist, bietet sich dies unter Umständen an. Hier ging es darum, dass ein Anteil an einer deutschen Erbengemeinschaft in einen US - Nachlass gefallen ist und Gegenstand eines Trustverm;gens wurde, dass vom Ehemann der Verstorbenen als Trustee verwaltet wurde. Das deutsche Recht der Erbengemeinschaft kennt keine vergleichbare Stellung, zumal der Trust deutschen Rechtsvorstellungen weitgehend widerstreitet, auch wenn er überaus elegante Lösungsmöglichkeiten bietet. Allenfalls ein Testamentsvollstrecker böte sich als ungefähre Parallele an, sofern nicht besondere testamentarische Konstruktionen vorliegen. Nach den dortigen Gepflogenheiten wird der Trustee in Colorado wie ein allein handelnder Treuhänder behandelt. Der Trustee stellte bei einem Honororkonsul in Colorado einen gegenständlich beschränkten Alleinerbscheinsantrag, dem das zuständige Erbscheinsgericht nicht stattgab. Eine Umstellung auf einen Miterbscheinsantrag erfolgte im Verfahren nicht.
Erbengemeinschaften nach deutschem Recht sind eine besondere Ausprägung der Gesamthandsgesellschaft, einer deutschen Besonderheit, die gesellschaftsrechtlich kaum eine Entsprechung in anderen Rechtsordnungen findet. Das Kammergericht geht treffend davon aus, dass das Vermögen einer solchen Gesellschaft zur gesamten Hand als bewegliches Vermögen zu qualifizieren ist und entsprechend internationalprivatrechtlich anzuknüpfen ist. Allerdings ist das US - Erbrecht - das in jedem Bundesstaat andere Ausprägungen haben kann - völlig anders strukturiert als das deutsche Erbrecht, da es grds. keine Universalsukzession kennt und der Nachlass nicht zwangsläufig eine Einheit bilden muss, was die oftmals schwierige Tätigkeit der Probate Courts anschaulicher macht.Um den Tücken des Erbrechts zu entgehen, wird der Nachlass oftmals testamentarisch auf einen oder mehrere Trusts übertragen, der sie über einen Trustee zum Nutzen der Beneficiaries verwalten soll. Dabei ist der Trustee üblicherweise Inhaber des legal title, der ihn aus Eigentümer ausweist, während die Beneficiaries Inhaber des equity titles sind, der auf das wirtschaftliche Eigentumm hinweist, wobei die Details dem jeweiligen Trust - Deed zu entnehmen sind. Ähnliche Konstruktionen lassen sich in Deutschland mit der Treuhand erzielen. Dies erklärt, warum der Trustee nach seinem Verständnis sich als Alleinerben nach deutschem Recht angesehen hat.
Schwierigkeiten ergeben sich regelmäßig, wenn ein Statutenwechsel hinsichtlich der Staatsangehörigkeit stattfindet, sich der Erbfall aber nach Deutschland hinein erstreckt. Dieses Szenario wird sich im Anwendungsbereich wohl noch 2012 in Kraft tretenden
EU - Verordnung öfter ergeben, weil der Statutenwechsel hier ohne entsprechende testamentarische Verfügungen bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen bereits durch einen dauerhaften Wechsels des Wohnsitzes in das Ausland erfolgen kann.Dann aber stellen sich Fragen wie sie das Kammergericht hier zu klären hatte.
Das Kammergericht geht für das US - Recht im vorliegenden Fall davon aus, dass "Last will and Testament" nach dem Recht des US-Staates Colorado mit dem ein Erblasser sein Vermögen in einen "Marital trust" und einen "Family trust" einbringt ist regelmäßig dahin auszulegen ist, dass die bestimmten "beneficaries" als Erben anzusehen sind und nicht der "trustee" und "personal representative", was aus der Sicht des deutschen Rechts völlig nachvollziehbar ist, auch wenn US - Gerichte das mit großer Wahrscheinlichkeit anders gesehen hätten.
Der Sachverhalt lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Erblasserin in den USA als US - Staatsbürgerin verstorben ist und als Erben ihren Ehemann, den Antragsteller im Erbscheinsverfahren und Beschwerdeführer, sowie drei Kinder hinterließ. Die Erblasserin hat eine in Texas errichtete und auf den 20.06.1997 datierte Verfügung von Todes wegen („Last Will and Testament“) hinterlassen. In diesem Testament ist bestimmt, ein „Marital Trust“ und ein „Family Trust“ zu errichten sind, die den Nachlass halten und verwalten. Der Antragsteller wurde nach dem Testament als „Personal Representative“ und „Trustee“ bestellt. Der in Deutschland belegene Nachlass besteht aus einem Anteil an einem Grundstück. In dem betreffenden Grundbuch ist die Erblasserin neben anderen als Miteigentümerin einer Erbengemeinschaft nach deutschem Recht eingetragen. Dieser Anteil an der betreffenden Erbengemeinschaft ist Bestandteil des US - Nachlasses und soll 0,0625 % betragen. Das Grundstück soll veräußert werden.
Der Antragsteller hat bei dem Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Colorado einen Antrag auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins für den beweglichen Nachlass in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, der ihn in Anwendung des Erbrechts des US-Bundesstaates Colorado als Alleinerben ausweist.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinantrag durch Beschluss vom 14.07.2011 mangels Vorlage geeigneter öffentlicher Urkunden zurückgewiesen, was das KG als zu streng gerügt hat. Diesen Beschluss des Amtsgerichts hat der Antragsteller angegriffen und hierzu Hilfsanträge gestellt, was im Erbscheinsverfahren ein übliches Vorgehen ist. Allerdings hat das Kammergericht den Antrag auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Alleinerbscheines mit überzeugender Begründung ebenfalls abgelehnt, weil dem Antragsteller ein gegenständlich beschränkter Erbschein entsprechend § 2369 Abs. 1 BGB für das im Inland befindliche bewegliche Vermögen, der ihn als Alleinerben ausweist, nicht erteilt werden kann, da der Antragsteller aus dem Blickwinkel des deutschen internationalen Privatrechts nicht als Alleinerbe qualifiziert werden kann:
1. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Da der Erblasser die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten besaß, verweist Art. 25 Abs. 1 EGBGB also auf US-amerikanisches Recht. Bei dieser Verweisung handelt es sich nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB um eine Kollisionsnormverweisung, so dass eine Rück- oder Weiterverweisung durch das amerikanische IPR Folge zu leisten ist. Bei der Prüfung einer Rück- oder Weiterverweisung durch das amerikanische internationale Privatrecht ist zu beachten, dass es sich bei den Vereinigten Staaten von Amerika um einen Mehrrechtsstaat handelt, in dem weder ein einheitliches materielles noch ein einheitliches internationales Erbrecht gilt; vielmehr besitzt jeder Einzelstaat sein eigenes, partikuläres IPR. Welches Recht in einem solchen Fall zur Anwendung kommt, ist in Art. 4 Abs. 3 EGBGB geregelt. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB bestimmt in erster Linie das Recht des Staates, auf das deutsche Kollisionsnormen verweisen, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist. Besitzt der ausländische Staat keine einheitlichen interlokalen Kollisionsnormen, so ist nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit der der Sachverhalt am engsten verbunden ist. Nach herrschender Meinung bestimmt sich die "engste Verbindung" im Sinne dieser Vorschrift in erster Linie nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betreffenden in einem der Teilgebiete.
Da die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Colorado hatte, verweist somit Art. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB auf das Recht von Colorado. Traditionell ist das Kollisionsrecht der common-law-Staaten geprägt von einer Nachlassspaltung für das Erbfolgerecht. Für Immobilien gilt das jeweilige Belegenheitsrecht (lex rei sitae), für Mobilien dagegen die lex domicilii, also das Recht des letzten „domicile“ des Erblassers (vgl. Odersky, ZEV 2000, 492).
2. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist daher zunächst zu prüfen, wie der vorliegend zu betrachtende Miterbenanteil in Deutschland zu qualifizieren ist. Soweit amerikanisches Kollisionsrecht für unbewegliches Vermögen auf das Belegenheitsrecht verweist, überlässt es diesem auch, zu bestimmen, was zum beweglichen und was zum unbeweglichen Vermögen zählt (sog. Qualifikationsrückverweisung; BGH, NJW 2000, 2421, 2422; vgl. Süß, ZEV 2000, 486, 488 m.w.N.; Staudinger/Hausmann, BGB, Neubearb. 2003, Rdn. 184 zu Art. 4 EGBGB).
Aus deutscher Sicht ist der Anteil an einer Erbengemeinschaft als Gesamthandsanteill bewegliches Vermögen (vgl. Eule ZEV 2010, 508, 509), so dass sich die Rechtsnachfolge in den Miterbenanteil nach dem Recht von Colorado richtet. Die Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen unterliegt grundsätzlich gegenüber dem nach Art. 25 EGBGB bestimmten Erbstatut einer gesonderten Anknüpfung (siehe Art. 26 Abs. 1-4 EGBGB hinsichtlich der formellen, Art. 26 Abs. 5 hinsichtlich der materiellen Gültigkeit). Insoweit ist allerdings nicht ersichtlich, dass das am 20. Juni 1997 unter Einschaltung von Rechtsanwälten errichtete Testament nicht den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht (vgl. allgemein zum „testamentary trust“ Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Rdn. 427 zu Art. 25 EGBGB).
3. Mit dem genannten Testament hat die Erblasserin ihr Vermögen in einen „Marital Trust“ zu Gunsten ihres Ehemannes und einen „Family Trust“ zu Gunsten ihres Ehemannes und ihrer Kinder aufgeteilt sowie ihren Ehemann als „Personal Representative“ und „Trustee“ eingesetzt. Das deutsche Recht gestattet die Begründung eines Trust an inländischem Nachlass nicht, weil hier der durch § 137 BGB abgesicherte Grundsatz vom numerus clausus der Sachenrechte gilt, der die für den Trust charakteristische „gespaltene Rechtsinhaberschaft“ zwischen trustee und beneficiary nicht zulässt bzw. verhindert, dass die dingliche Rechtsstellung des trustee die in der jeweiligen trust-Urkunde nach dem Willen des trust-Errichters festgelegt wird (Dörner, a.a.O., Rdn. 431 m.w.N.). Die Einsetzung eines trustee ist als solche unwirksam und kann gegebenenfalls in die Einsetzung eines Treuhänders oder (Dauer-) Testamentsvollstreckers umgedeutet werden (vgl. BayObLGZ 2003, 69, 77; Wienbracke ZEV 2007, 413, 416; vgl. zur Angleichung auch MünchKomm-BGB/Sonnenberger, 5.Aufl., Rdn. 595 zu IPR Einl.). Als Erbe im Sinne des deutschen Rechts ist der trustee und personal reprensentative dagegen regelmäßig nicht anzusehen (OLG Frankfurt, IPRspr. 1966/67 Nr. 168a; NK-BGB/Odersky, Rdn. 29 zu USA, ). Im Regelfall sind die beneficiaries als Erben berufen, weil allein diesen wirtschaftlich der Nachlass zusteht (Odersky, a.a.O., m.w.N.; BayObLG, a.a.O., 83).
Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass als Erben der Antragsteller und seine Kinder anzusehen sind. Die anteilige Erbenstellung ist nach dem jeweiligen Anteil am Gesamtnachlass zu bewerten.
4. Soweit das Amtsgericht die bisher eingereichten Nachweise nicht für ausreichend erachtet hat, wird ohne Bindungswirkung für den Fall weiterer Anträge auf Folgendes hingewiesen:
Gehören zu einer Erbschaft auch Gegenstände, die sich im Ausland befinden (wie im vorliegenden Fall), kann der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf die im Inland befindlichen Gegenstände beschränkt werden (gegenständlich beschränkter Erbschein, § 2369 Abs. 1 BGB). Für das Erteilungsverfahren ist gemäß § 2353 BGB ein Antrag erforderlich, wobei eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist. Faktisch erweist sich jedoch die Pflicht des § 2376 Abs. 2 BGB, bestimmte Angaben durch eidesstattliche Versicherung nachzuweisen, als Formvorschrift, so dass der Antrag in der Regel zur Niederschrift eines Notars oder des Gerichts gestellt wird. Der Inhalt des Antrages ergibt sich aus §§ 2354, 2355, 2357BGB. In diesem Zusammenhang sind gemäß § 1 Abs. 2 BeurkG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 KonsG Konsularbeamte befugt, eidesstattliche Versicherungen gemäß § 10 Abs. 2 KonsG zu beurkunden (Strübing, ZErb 2008, 178, 187; vgl. zusammenfassend Bindseil, DNotZ 1993, 5 ff ). Insoweit hat das Amtsgericht auch keine Beanstandungen erhoben; vielmehr hat es die vorgelegte mit einer Apostille versehene Testamentskopie nicht als ausreichend erachtet.
Es erscheint zweifelhaft, ob dieser Auffassung gänzlich gefolgt werden kann, da die vorgelegten Unterlagen auf den Seiten 1 und 2 jeweils einen Prägestempel des Staates C… tragen und auf Seite 2 ferner mit einem kleineren Prägestempel eine Unterschrift des county & district court clerk vorhanden ist.
Zudem kann die Apostille in einem Authentifizierungsverfahren beim C… Secretary of State überprüft werden. Bei Eingabe der Nummer 7… wird als „Signer’s name“ J… L. L… ausgewiesen, die auf Seite 2 der vorgelegten Kopie unterschrieben hat. Es spricht vieles dafür, dass die erteilte Apostille den dortigen Gepflogenheiten entspricht, zumal bei „Issued for use in the country of:“ „Germany“, mithin Deutschland vermerkt ist.
Nach § 2356 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist der Nachweis der Testamentserrichtung nicht zwingend auf die Vorlage öffentlicher Urkunden beschränkt, sondern es können auch andere Beweismittel einschließlich eidesstattliche Versicherungen von Beweispersonen ausreichend sein, wenn Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind (vergleiche Senat, Beschluss vom 29.11.1994, 1 W 2837/94, zitiert nach juris). Hier sind die Niederschrift des Honorarkonsuls der Bundesrepublik Deutschland Bleise vom 14.03.2011, mit den darin enthaltenen Erklärungen des Antragstellers, sowie das Schreiben der Rechtsanwälte K…, L… & O… vom 22.08.2011 ergänzend heranzuziehen, woraus sich ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit die Errichtung eines Last Will & Testament der Erblasserin ergibt, der beim District Court in A… County hinterlegt ist. Es ist eher fern liegend, dass in Bezug auf den geringwertigen Nachlass in Deutschland absichtlich falsche Angaben gemacht wurden.
Dies alles bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung des Senats, da bisher kein den vorstehend dargestellten Erbschaftsverhältnissen entsprechender Erbscheinsantrag vorliegt.
Ein Erbschein zu Gunsten des Antragstellers kommt nicht in Betracht, vielmehr müsste ein solcher sich auf den Antragsteller und seine Kinder als Erben beziehen.
Dem stehen auch nicht die ergänzenden Ausführungen des Antragstellers zu einer „joint tenancy“ entgegen.
Eine solche hat in dem Testament vom 20. Juni 1997 keinen Anhalt. Die Joint Tenancy zeichnet sich durch ein „Right of Survivorship”, also ein Anwachsungsrecht, aus. Der zuletzt nach Versterben aller anderen übrig bleibende Joint Tenant wird - außerhalb des Erbrechts - Alleineigentümer (vgl. Jülicher, Die Joint Tenancy, ZEV 2001, 469). Es hätte dann keines 23 Seiten umfassenden „Last will and testament“ mit trust-Errichtungen bedurft, wenn sämtliche Vermögensgegenstände automatisch in das Alleineigentum des überlebenden Ehegatten übergingen. (...) Wenn nun der Sachvortrag zur „joint tenancy“ als richtig unterstellt wird, hätte der Antragsteller sämtliche Vermögensgegenstände nicht im Erbgang sondern außerhalb des Erbrechts erworben. Es liegt dann um so näher die Kinder als Haupterben anzusehen, da diesen jedenfalls die Lebensversicherungen als einzige verbleibende Vermögensgegenstände zuerkannt wurden.
Auch in diesem Fall ist der Antragsteller jedenfalls nicht Alleinerbe, so dass auch insoweit die Beschwerde keinen Erfolg haben kann.