Im Zusammenhang mit dem Verlust des Fluges Air France AF Paris über dem Atlantik 2010 hatte sich die "Süddeutsche Zeitung" mit Entschädigungsansprüchen der Opfer und ihrer Hinterbliebenen befasst. Im Jahr 2000 kam es in Paris zu einem Unglück mit der "Concorde", bei der 113 Menschen starben und dessen strafrechtliches Nachspiel erst 2012 mit einem Freispruch endete. Heute befasst sich die "Süddeutsche" aus gegebenem Anlass mit den "Unterschieden zwischen Tod und Tod" nach der Übereinkunft von Montreal aus dem Jahr 1999, die das "Warschauer Abkommen" von 1929 ersetzt hat.
Bei der größten Tragödie der deutschen Luftfahrt in der Nachkriegszeit
stürzte ein Germanwings-Airbus A 320 über den südfranzösischen Alpen in
der Region Haute - Provence ab. Die 150 Opfer sind sehr zu bedauern, zumal das Unglück vermeidbar gewesen wäre. Alle
Geschädigten sind über das Montrealer Übereinkommen abgesichert, wobei
die Details noch von dem Ausgang der Ermittlungen abhängen. Diesen Ermittlungen vorzugreifen, besteht kein Anlass.
Auf
einem völlig anderen Blatt steht der Charakter bestimmter
Medienberichterstattungen im In - und Ausland, die jeden Respekt vor den
Opfern und ihren Angehörigen, den ermittelnden Polizeibeamten und den
schwer belasteten Helfern vermissen lassen. Einige Formen dieser
Berichterstattung sind presserechtlich im deutschem Verbreitungsraum
durchaus grenzwertig, ohne auf Details eingehen zu wollen.
Damit
wird das Thema der Haftung von Fluggesellschaften für Flugunfälle mit Personenschäden angeschnitten, obwohl es für eine rechtliche Bewertung des
Sachverhaltes aus haftungsrechtlicher Sicht noch viel zu früh ist.
Gerade Juristen sollten gelernt haben, nicht vorschnell rechtliche
Schlüsse zu ziehen, wenn ein Sachverhalt noch nicht ausermittelt ist.
Dies bedeutet aber nicht, dass sich dieses Thema für die
Fluggesellschaft und/oder ihre Kaskoversicherung früher oder später
stellen wird und zwar aus den Perspektiven der jeweiligen Rechtskultur
der Opfer dieses "Flugunfalles". Die Fluggesellschaften sind gegen
Flugunfälle kaskoversichert. Allerdings enthalten die nicht Allgemeinen Versicherungsbedingungen beruhenden Policen Ausschlusstatbestände, etwa für den Suized
eines Flugzeugführers. Diese Policen werden üblicherweise nicht offen
gelegt, zumal solche Fälle i.d.R. außergerichtlich geklärt werden.
Die Übereinkunft von Monteal sieht bei Inlands- und Auslandsflügen nach Art. 17 ff MÜ i.V.m. VO (EG) Nr. 889/2002 (EG Nr. 2027/97) mittelbar auch auf innerstaatliche Flüge) für bestimmte Schadenskonstellationen Schadensersatzansprüche vor. Personenschäden bei Tod/Körperverletzung richten sich nach Art. 17 I MÜ, der enge Voraussetzungen aufweist.
Ersetzt werden nur luftfahrttypische Unfallschäden, nicht Schäden des
allgemeinen Lebensrisikos. Ein Flugzeugabsturz ist indessen kein
allgemeines Lebensrisiko, sondern stellt einen Flugunfall dar. Die hier
einschlägigen Art. 17, 20 und 21 MÜ versuchen einen angemessenen
Interessenausgleich zwischen dem betroffenen Luftfrachtführer und den
betroffenen Passagieren und deren Angehörigen herzustellen. Die
Bewertung erfolgt in Sonderziehungsrechten.
Ein Sonderziehungsrecht ist eine Recheneinheit des Internationalen
Währungsfonds und enthält feste Beträge zu den vier wichtigsten
Weltwährungen (Yen, BP, US - Dollar und Euro). Die Übereinkunft von
Montreal hat zu einer Reihe von Urteilen geführt, die aber den Verlust eines Flugzeuges mit erheblichen Opfern in Europa kaum betroffen haben. Sie werden fortlaufend dokumentiert. Die US - Rechtspraxis weist eine wesentlich höhere Erfahrung mit derartigen Sachverhalten auf, wie sie mit Stand von 2008 dokumentiert sind. Das Montrealer Überenommen findet unter anderem dann Anwendung, wenn der
Abflugort und der Bestimmungsort in je einem Vertragsstaat liegen (z.B.
Flug Barcelona – Düsseldorf - Spanien und Deutschland sind
Vertragsstaaten, unter Einbeziehung des EU - Rechts).
Die
Übereinkunft von Montreal enthält keine ausdrücklich autonome Qualifikation des
Schadensbegriffes. Die Begriffsbestimmung des Schadens im Rahmen des
Art. 19 MÜ bzw. nach §§ 280, 281 BGB hat nach einer weit verbreitetenden
Auffassung jeweils nach den Regeln des nach dem internationalen Privatrechts
anwendbaren nationalen Recht zu erfolgen. Unter Schaden ist jedes
unfreiwillige Vermögensopfer zu verstehen. Allerdings ist eine
Grundsatzentscheidung des EuGH v. aus dem Jahr 2010 so zu verstehen, dass der
Schadensbegriff des MÜ völkerrechtlich autonom auszulegen ist und zwar unter Heranziehung . des Art. 31
des am 23. Mai 1969 in Wien unterzeichneten Übereinkommens über das Recht der Verträge. Der EuGH führt in dieser sehr lesenswerten Entscheidung sehr pointiert aus, dass es einen nicht einem Übereinkommen entstammenden völkerrechtlichen Schadensbegriff gibt, der allen völkerrechtlichen Subsystemen gemeinsam
ist. In Art. 31 Abs. 2 heisst es: "Der Schaden umfasst jeden materiellen oder
immateriellen Schaden …" Aus diesem Grund kann mit dem EuGH davon ausgegangen werden, "dass die beiden
Aspekte des Schadensbegriffs, die aus der vorstehend genannten
Bestimmung hervorgehen, mit der insoweit gerade der gegenwärtige Stand
des allgemeinen Völkerrechts kodifiziert werden soll, zusammen die
gewöhnliche Bedeutung, die diesem Begriff im Völkerrecht zukommt, zum
Ausdruck bringen. Außerdem findet sich im Übereinkommen von Montreal
kein Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsstaaten dem Schadensbegriff im
Rahmen einer harmonisierten Regelung über die Haftung im
internationalen Luftprivatrecht eine besondere Bedeutung hätten
beimessen und von seiner gewöhnlichen Bedeutung hätten abweichen wollen.
Der Schadensbegriff, der sich aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt,
ist daher nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. c des oben angeführten
Übereinkommens über das Recht der Verträge in den Beziehungen zwischen
den Vertragsstaaten des Übereinkommens von Montreal anwendbar Folglich sind die Begriffe "préjudice" und "dommage" in Kapitel
III des Übereinkommens von Montreal dahin gehend zu verstehen, dass sie
sowohl materielle als auch immaterielle Schäden umfassen".
Der EuGH hat
sich in diesem Zusammenhang nicht zu Personenschäden geäußert.
Insbesondere für hinterbliebene Kinder von Getöteten wird es aber
jedenfalls dabei bleiben, dass insoweit Schadensersatz zu leisten ist,
wie der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur
Gewährung von Unterhalt verpflichtet gewesen wäre. Auch
Schmerzensgeldansprüche sind bei einem solchen Unglück mit wahrscheinlich mindestens
grob fahrlässiger Verursachung keineswegs ausgeschlossen, zumal hier noch etwaige Anforderungen an die Personalauswahl hinzutreten könnten. Die unter dem
Warschauer Abkommen viel diskutierte Frage, ob auch seelische Schäden
umfasst sind, hat Art. 17 MÜ dahingehend gelöst, dass ein Ersatz von Schäden, die nicht
wenigstens körperliche Auswirkungen haben ausgeschlossen sind. Medizinisch ist das eine dünne rote Linie. In Frankreich
ist dies nach nationalem Recht ohnehin anders. In diesem Zusammenhang ist zu
sehen, dass ein Vorgehen nach dem MÜ eine Anspruchsgeltendmachung nach
nationalem Recht zusätzlich nicht ausschließt. Sämtliche Ansprüche
unterliegen einer zweijährigen Anschlussfrist nach Art. 35 MÜ zur
Klageerhebung, beginnend mit dem Tag, an dem das Luftfahrzeug am
Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen, sofern nicht auf den Abbruch der Beförderung abgestellt werden soll. Nach Art. 33 Abs.1 MÜ
kann ein Fluggast nach seiner Wahl an einem von vier (ausschließlichen)
Gerichtsständen Klage erheben: Wohnsitz des Luftfrachtführers, Sitz der Hauptbetriebsleitung des Luftfrachtführers, am Sitz der Geschäftsstelle, durch die der Vertrag geschlossen wurde, am Bestimmungsort, sowie unter recht engen Voraussetzungen ausnahmesweise am Wohnsitz des Reisenden.
Das
Montrealer Übereinkommen statuiert eine summenmäßig begrenzte Haftung
für Sachschäden, bei der denen aber nach der VO EU 889/2002 innerhalb
der EU die dort geschaffenen Regelungen anzuwenden sind. Bei
Passagierschäden gibt es keine Haftungsbegrenzung. Grundsätzlich haftet
ein Luchtfrachtführer bei Passagierrschäden unbegrenzt in Höhe des
nachweisbaren Schadens. Eine verschuldensunabhängige Haftung findet bis
zu einem Betrag von 113.000 SZR statt. Bei darüber hinausgehenden
Schäden, kann ein Luftfahrtunternehmen versuchen, sich zu entlasten, was
bei Flugzeugverlusten, die auf menschlichem Versagen beruhen, kaum
möglich sein wird.
Für
europäische Luftfahrtunternehmen in Abgrenzung zu reinen
Luftfrachtführern wurden die Regelungen des Montreraler Übereinkommens hinsichtlich der Personenschäden erheblich angepasst. Ein solches
Luftfahrtunternehmen muss unverzüglich, jedenfalls aber binnen 15 Tagen
nach der Feststellung der Identität der Anspruchsberechtigten als
natürlichen Personen einen Vorschuss zahlen, um die unmittelbaren
wirtschaftlichen Bedürfnisse des Geschädigten zu befriedigen. Dieser
Vorschuss beträgt im Todesfall mindestens 15.000 Sonderziehungsrechte
(SZR).
Die Haftungshöchstgrenzen des Montrealer Übereinkommens sind dann nicht
einschlägig, wenn die Airline leichtfertig gehandelt hat. In diesem Fall
muss die Airline alle Schäden ersetzen, gleichgültig wie hoch sie sind (Urteil des OLG Köln vom 15.02.2005, 22 U 145/04). Das juristische Nachspiel dieser fürchterlichen Katastrophe wird früher oder später kaum auf sich warten lassen.
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