Der EuGH hat nunmehr die Speicherkartenabgabe nach dänischem Recht für grds. rechtmäßig befunden, aber Schranken gezogen, die der Festplattenabgabe auf Dauer die Grundlage entziehen könnten. Eine vergleichbare Regelung findet sich für
Deutschland in § 54 UrhG. Der Rechtsstreit zwischen der dänischen
Verwertungsgesellschaft Copydan und Nokia ist mit diesem Urteil des
Gerichtshofes der Europäischen Union (EUGH) am 4. März 2015 nicht ganz wie erwartet ausgegangen (Az.: C-463/12).
Zwischen der
Verwertungsgesellschaft und Nokia waren im Wesentlichen zwei Punkte streitig, die
durchaus auch Relevanz für die Urheberrechte in anderen Mitgliedstaaten
der Europäischen Union haben. Zum einen geht es um die Frage, ob eine
solche Abgabe für Speicherkarten bei Mobiltelefonen überhaupt mit
EU-Recht vereinbar ist. Zum anderen um die Frage, wie solche
Regelungen europarechtskonform zu gestalten sind. Die sehr komplizierte Entscheidung macht dazu entsprechende Vorgaben, die Änderungsbedarf hinsichtlich der deutschen Regelung auslösen dürften.
In der Entwicklungstendenz seit Mitte der neunziger Jahre zahlen die
Nutzer für die Speicherung privater Kopien von Jahr zu Jahr mehr, bei
gleichzeitigem Rückgang der individuellen Speicherrechte im Ausgleich zu
den Rechten der Verwerter. Den Urhebern fließen diese Einnahmen nebenbei bemerkt nur sehr spärlich zu. Ob dieser Ausgleich allerdings angemessen
ist, kann durchaus hinterfragt werden, was durchaus bis zur
rechtspolitischen Forderung einer Abschaffung der Festplattenabgabe geführt hat.
Das Recht der Privatkopie ist europarechtlich nicht
vereinheitlicht. Vielmehr können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs.2
der RL 2001/29/EG ihre je unterschiedlichen nationalen Systeme
beibehalten, müssen dann aber angemessene Ausgleichsysteme vorsehen, was
die Hersteller, Importeure und Händler entsprechend belastet, die diese
Belastung auf die Nutzer über den Preis umlegen (s. EuGH, Rs C-462/09 - Padawan, zur Rechtslage in Spanien, die eine Vergütung allein für die
private Vervielfältigung vorsah). Letztlich zeigt sich hier eine Tendenz, die dem EU - Recht in weiten Teilen eigen ist: die Tendenz zur Schaffung hyperkomplexer Systeme.
Letztlich dürfen heute - in gewissen Grenzen - nur noch Musik-CDs und
TV-Sendungen legal privat kopiert werden. Seit 1993 dürfen
Computerprogramme dürfen nicht mehr privat kopiert werden. 1996 folgte
ein Kopierverbot für komplette Bücher, Zeitschriften und eBooks. Weiter
ging es 2002 über ein Kopierverbot für Musiknoten sowie von Medien mit
Kopierschutz (z. B. DVD, Blue-ray) unter anderem im Zusammenhang mit DRM
- Techniken. Schließlich hat der EuGH 2014 entschieden, dass eine
illegale Kopiervorlage nicht legal kopiert werden kann, so dass dies auch keine Abgabe auslösen kann. Hinzugetreten
sind überdies Abgaben auf Speichermedien, deren rechtspolitische
Berechtigung bis hin zur Höhe umstritten ist. Davon unbeschadet stellt sich die Frage nach der Effektivität eines solchen Systems für alle Beteiligten.
Wenig überraschend ist der EUGH der Auffassung ist, dass eine Abgabepflicht
für eine Speicherkarte für Mobiltelefone grundsätzlich mit EU-Recht
vereinbar ist. Die Entscheidung betrifft Speichermedien insgesamt. Bei diesen Speicherkarten für Mobiltelefone handelt es sich um externe
Speicher, nicht um die internen Speicher der Smartphones, die meist in
das Gerät eingeschoben werden können, was nicht bei allen Marken möglich
ist. Nach der Rechtsauffassung des EuGH ist dies auch dann der Fall,
wenn solche Speicherkarten nicht primär zur Speicherung urheberrechtlich
geschützter Werke genutzt werden, was kaum nachprüfbar ist. Letztlich ist es für die Speichertechnolgie fast irrelevant, welche Inhalte gespeichert werden, da dies nicht formatabhängig ist. Die Thematik verschiebt sich damit letzlich auf die Frage des legalen Erwerbs der Contents und der Bewertung des Preises für den Erwerb entsprechender Nutzungslizenzen, an denen auch die Urheber mit durchaus geringen Margen beteiligt werden.
Der interessante Kern der Entscheidung besteht darin, dass der EuGH jetzt der Auffassung ist, dass für Kopien eines rechtmäßig
erworbenen Musikstücks - das wird man auf andere Contents erweitern müssen - keine weiteren Gebühren erhoben werden
dürfen, sofern nicht gewisse DRM geschützte Titel betroffen sind, da
DRM-Sperren rechtlich wirksam sind, die zudem ohnehin nur von technisch versierten Nutzern umgangen
werden können. Nimmt man dies beim Wort, bestehen für Festplattenabgaben kaum noch Legitimationen und das Ganze endet in kaum mehr übersehbaren Anrechnungstatbeständen.
In seinem schwierigsten Teil geht die Entscheidung auf die Fragen ein, wie sich die Nutzungsmöglichkeit auf die Höhe der Abgabe
auswirken können, weil die Abgabe grds. zu den Lizenzkosten hinzutritt, die
beispielsweise bei der Speicherung aufgrund des Erwerbs von Mobile
Contents bereits mit dem Kaufpreis oder dem Preis des Abonnements bereits entrichtet worden sind. Hier besteht das Problem, dass die Abgabe bereits in den Preis einkalkuliert ist, wie dies etwa auch bei Druckern der Fall ist (BGH, GRUR 2008, 245 - Drucker und Plotter), wie immer die konkrete Nutzung auch aussieht.
Nach dem Urteil des EuGH kann die Abgabe
unter Umständen nach dem nationalen Recht jetzt auch ganz entfallen, wenn dem
Rechtsinhaber oder Verwerter dadurch nur ein geringfügiger Nachteil entstehen würde. Dazu sind die Kosten der Abgabe und die Lizenzkosten in ein Verhältnis zu setzen Diese Grenzziehung wird in das Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates
gestellt, unter Einschluss der Erwägungen zu Ungleichbehandlungen, die
sachlich gerechtigt sind. Für Deutschland ist die Bestimmung zur Höhe in
§ 54 a UrHG eher vage und verweist die Problematik der
Referenzvergütungen letztlich in das Urheberwahrnehmungsrecht (s.
insbesondere § 13 UrhWG). Entsprechend steht hier auch auf Klägerseite eine Verwertungsgesellschaft. Die Entscheidung kann dieses "System" durchaus erschüttern.
Hinsichtlich der Höhe lässt der Einsatz von Kopierschutz die
Abgabepflicht zwar nicht entfallen, allerdings kann dies Einfluss auf
die Höhe haben, was letztlich der deutschen Regelung in § 54 a Abs.1 S.2 UrhG
entspricht.
Der EuGH vertieft zudem seine Rechtsprechung zum Verbot der Herstellung
rechtswidriger Privatkopien von illegalen Quellen und geht insoweit auf
die einschlägigen Normen der bereits oben genannten Info-Richtlinie ein, die einer nationalen Regelung entgegensteht,
wenn ein gerechter Ausgleich für Vervielfältigungen auf der Grundlage
von unrechtmäßigen Quellen, d.h. von geschützten Werken, die der
Öffentlichkeit ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber zur Verfügung gestellt
worden sind, nicht erfolgt.
Der EuGH verweist insoweit auf die Entscheidung in
der Rechtssache ACI Adam (Rs. 573 - AC I Adam u.a./Thuiskopie und SONT)
stellt fest, dass die Abgabe nicht für Kopien von rechtswidrigen
Quellen erhoben werden kann. Letztlich führt dies nicht weit, weil die
Angabe zum Zeitpunkt der Vervielfältigungshandlungen mit dem Kaufpreis
bereits erhoben ist, was immer der Nutzer auf diesen Speichermedien auch
speichert. Infolgedessen läge die Aufgabe dieser Abgabe näher als die Errichtuing eines bürokratischen Systems für etwaige Rückerstattungsansprüche des Nutzers, auch wenn der EuGH diese Möglichkeiten vorsieht. Das deutsche Recht enthält hierzu keine konkreten Vorschriften.
Der EuGH geht auf diese Problematik vertieft ein, weil
nach der Info - RL zu klären war, ob es mit europäischen Sekundärrecht
vereinbar ist, wenn Hersteller und/oder Importeure zur Zahlung
verpflichtet werden (§ 54 b dt. UrhG), wenn Speicherkarten für Mobiltelefone mit der
Kenntnis an Gewerbetreibende verkauft werden, die eine Weiterveräußerung
im Vertriebsnetz vornehmen, ohne konkrete Kenntnis davon zu haben, ob
es sich bei den Endabnehmern der Speicherkarten um private oder
gewerbliche Endabnehmer handelt. Auch insoweit ist der EuGH der
Auffassung, dass dies grds. nicht der Fall ist, weil dem bereits praktische
Schwierigkeiten bei der Nachprüfbarkeit entgegenstehen und die
Abgabepflicht für den Vertreiber entfällt, wenn er nachweisen kann, dass
die Speicherkarten von Mobiltelefonen an andere als natürliche Personen
zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch veräußert wurden, was letztlich kaum nachzuweisen ist. Insoweit
wird eine Unterausnahme gemacht, wenn diese Befreiung sich nicht auf die
Lieferung allein an Gewerbetreibende beschränkt, die bei der
Einrichtung, die mit der Verwaltung der Vergütungen beauftragt ist,
angemeldet ist. Überdies muss diese Regelung einen Anspruch auf
Erstattung der Privatkopievergütung vorsehen, der allein dem Endabnehmer
zusteht, der bei der betreffenden Einrichtung einen entsprechenden
Antrag stellt.
Im Ergebnis stellt diese Entscheidung das System der Festplattenabgabe in Frage und nähert sich der Argumentation der Gegner einer solchen Abgabe.
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