Der Bundesgerichtshof hat sich nunmehr zur Haftung eines Hotelbewertungsportals für unwahre Tatsachenbehauptungen eines
Nutzers geäußert.
Hotelbewertungsportale im Internet sind regelmäßiger Gegenstand von Urteilen, nicht nur in Deutschland. In Deutschland begann die Entwicklung im Jahr 2000 mit holidaycheck.de und natürlich tripadvisor.de, denen weitere Anbieter folgten. Üblicherweise setzt die Abgabe einer Bewertung eine Registrierung voraus und erfolgt durch Kommentare, "Likes" und Punktvergaben in diversen Spielarten. Überdies können teilweise auch Fotos hochgeladen werden. Die Manipulationsmöglichkeiten sind diesem System immanent.
Die Funktionen der Portale sind unterschiedlich. Insoweit lassen sich reine Bewertungsportale von Portalen unterscheiden, die primär Reisevermittlung betreiben oder entsprechende Verlinkungen auf Reisevermittler vornehmen. Jedenfalls handelt es sich bei diesen Portalen im Kern um produktbezogene Portale (zum Ganzen die sehr lesenswerte Dissertattion von Anja Wilkat, Bewertungsportale im Internet, Nomos, 2013). Nicht selten treiben sich dort aber auch "Internet-Trolle" herum, die unwahre Tatsachenbehauptungen verbreiten - aus ganz unterschiedlichen Gründen -, so dass sich die Frage der Haftung der Portalbetreiber für solche Äußerungen stellt. Einen solchen Fall hatte der BGH zu entscheiden.
Der I. Zivilsenat des BGH hat nunmehr völlig überzeugend entschieden, dass die Betreiberin eines Hotelbewertungsportals nicht wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 8 UWG oder § 3 Abs. 1 UWG** auf Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen eines Nutzers auf ihrem Portal haftet. Die einschlägigen Sachverhalte ähneln sich oftmals.
Im vorliegenden Fall war die Klägerin Inhaberin eines Hotels und verlangte von der Beklagten, die im Internet ein Online-Reisebüro sowie ein damit verknüpftes Hotelbewertungsportal betreibt, Unterlassung einer unwahren, von der Klägerin als geschäftsschädigend eingestuften Tatsachenbehauptung.
Unter der Überschrift "Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gabs Bettwanzen" erschien im Hotelbewertungsportal der Beklagten eine Bewertung des Hotels der Klägerin.
Nutzer können in diesem Portal der Beklagten Hotels auf einer Skala zwischen eins (sehr schlecht) und sechs (sehr gut) bewerten. Hieraus berechnet die Beklagte bestimmte Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate. Bevor die Beklagte Nutzerbewertungen in ihr Portal aufnimmt, durchlaufen diese eine Wortfiltersoftware, die u.a. Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelinhabern auffinden soll. Ob diese Filter einwandfrei funktionieren steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls werden unauffällige Bewertungen automatisch veröffentlicht. Ausgefilterte Bewertungen werden von Mitarbeitern der Beklagten geprüft und dann ggf. manuell freigegeben.
Die Klägerin mahnte die Beklagte ab, die daraufhin die beanstandete Bewertung von ihrem Portal entfernte, jedoch die von der Klägerin verlangte strafbewehrte Unterwerfungserklärung vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung in diesem Bereich nicht abgab.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.
Der BGH ist wenig überraschend der Auffassung, dass die beanstandete Nutzerbewertung keine eigene "Behauptung" der Beklagten ist, weil sie sich diese weder durch die Prüfung der Bewertungen noch durch deren statistische Auswertung inhaltlich zu Eigen gemacht hat. Die Beklagte hat die Behauptung nach dieser Entscheidung auch nicht "verbreitet". Die Haftung eines Diensteanbieters im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG, der - wie die Beklagte - eine neutrale Rolle einnimmt, ist nach § 7 Abs. 2, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeschränkt.
Nach der europarechtlichen Konzeption der E.-Commerce-RL, die im TMG umgesetzt ist, haftet nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen des Dritten, wenn er spezifische Prüfungspflichten verletzt hat, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dazu zählen im Bereich der wettbewerbsrechtlichen Haftung von Tätern und Teilnehmer (BGH,. WRP 2014, 1050 - Geschäftsführerhaftung) die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung.
In diesem Rechtsrahmen darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Die Beklagte hat danach keine spezifische Prüfungspflicht verletzt, vergleichbar zur Haftung eines Ärztebewertungsportals.
Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen war der Beklagten hier nicht zumutbar. Nach der neueren, inzwischen sehr gefestigten Rechtsprechung besteht in derartigen Fällen eine Haftung auf Unterlassung in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl trotz HInweis nicht beseitigt. Dieser Pflicht hat die Beklagte durch die Löschung genügt und deshalb auch keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Im Streitfall bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibt, das besondere Prüfungspflichten auslöst.
Die Entscheidung bewegt sich vollständig auf der Linie der neueren Rechtsprechungspraxis des BGH. Es ist allerdings nachvollziehbar, dass sich betroffene Hotels durch derartige Äußerungen in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt sehen, aber an den eigentlichen Täter aus datenschutzrechtlichen grds. nicht herankommen.
Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13 - Hotelbewertungsportal
LG Berlin - Urteil vom 16. Februar 2012 - 52 O 159/11
Kammergericht - Urteil vom 16. April 2013 - 5 U 63/12
Karlsruhe, den 19. März 2015
Quelle: Mitteilung der Pressestelle
Nr. 041/2015 vom 19.03.2015
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