Health-Claims-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel hat in vielerlei Hinsicht für Verunsicherung geführt, insbesondere in werberechtlicher Hinsicht. Diese Verordnung enthält auch lauterkjeitsrechtliche Vorschriften, die gegenüber dem UWG vorrangig sind. Es geht dabei unter anderem um die Frage, welche Werbeslogangs noch zulässig sind und welche zulässigerweise nicht verwendet werden sollten. Letztere sind im Übrigen auch von Mitwettbewerbern oder Verbraucherschutzorganisationen abmahnfähig.
Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 regelt Folgendes: … 4."nährwertbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund a)der Energie (des Brennwerts), die es i)liefert, ii)in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder iii)nicht liefert, und/oder b)der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es i)enthält, ii)in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder iii)nicht enthält; 5."gesundheitsbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht; … Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 … (2) Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung folgende Informationen tragen: a)einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise, b)Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen, c)gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und d)einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten. (3)Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist".
Der Bundesgerichtshof hatte jetzt über die Zulässigkeit des Werbeslogans "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" für
einen Früchtequark zu entscheiden. Diesen Slogan hielt der BGH nicht für irreführend ist, weil er keine nach der Health-Claims-Verordnung unzulässige gesundheitsbezogene Angabe darstellt.
Die Beklagte stellt Milcherzeugnisse her und vertreibt einen Früchtequark mit der Bezeichnung "Monsterbacke". Auf der Verpackung verwendet sie den Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!". Die Klägerin hält dies für einen Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel), weil der Werbeslogan nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthalte. Im Übrigen sei der Slogan irreführend. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Es hat angenommen, der Slogan sei irreführend, weil der Verkehr nicht erwarte, dass das Produkt der Beklagten einen wesentlich höheren Zuckergehalt als Milch aufweise.
Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits im Jahre 2010 zu beachten waren (vgl. Presseerklärung Nr. 200/2012 vom 5. Dezember 2012). Der EuGH hat diese Frage bejaht.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr das die Klage abweisende Urteil erster Instanz mit guten Gründen im Wesentlichen wiederhergestellt und die Sache allein zur Verhandlung und Entscheidung über die von der Klägerin im Hinblick auf eine Verletzung der in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorgesehenen Informationspflichten an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Diese Entscheidung wird sehr interessant werden und könnte erneut beim BGH zu einer Revision führen, weil Art und Umfang der Informationspflichten in Grenzbereichen sehr umstritten sind.
Der BGH hat hinsichtlich des verwendetens Slogangs entschieden, dass die beanstandete Werbung der Beklagten nicht irreführend ist, weil es sich bei dem Früchtequark - für den Verbraucher erkennbar - um ein Produkt handelt, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet. Der in dem beanstandeten Slogan enthaltene Vergleich bezieht sich nicht auf den Zuckeranteil, der bei einem Früchtequark schon wegen des darin enthaltenen Fruchtzuckers naturgemäß höher ist als bei Milch. Ebenso wenig fasst der Verkehr den Slogan als eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf. Es handelt vielmehr um eine nach Art. 10 Abs. 3 zulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Der Slogan knüpft an die verbreitete Meinung an, Kinder und Jugendliche sollten im Hinblick auf die gesundheitsfördernde Wirkung täglich ein Glas Milch trinken, wozu es bekanntlich auch Gegenmeinungen gibt.
Im Übrigen hat der BGH die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, dass nunmehr Feststellungen dazu zu treffen hat, inwieweit und in welcher Artt und Weise die Beklagte Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hätte vorhalten müssen.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11 - Monsterbacke II
LG Stuttgart - Urteil vom 31. Mai 2010 - 34 O 19/10 KfH
OLG Stuttgart - Urteil vom 3. Februar 2011 - 2 U 61/10
ZLR 2011, 352
BGH - Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11
GRUR 2013, 189 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke I
EuGH - Urteil vom 10. April 2014 – C-609/12
GRUR 2014, 587 = WRP 2014, 819
Karlsruhe, den 11. Februar 2015
Pressemitteilung Nr. 018/2015 vom 12.02.2015
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen