Donnerstag, 26. Februar 2015

EuGH: Vereinbarungen zum Folgerecht bei Weiterveräußerung eines Kunstwerkes

Der EuGH hat sich grundlegend zum Folgerecht bei der Weiterveräußerung von Kunstwerken im Kunsthandel geäußert. Die Richtlinie 2001/84/EG sieht in diesem Zusammenhang vor, dass der Urheber bei der Weiterveräußerung eines Originals eines Werkes der bildenden Künste oder eines Lichtbildwerkes am Erlös (Verkaufspreis ohne Steuern) zu beteiligen ist, wenn an der Veräußerung ein Kunsthändler oder Versteigerer als Erwerber, Veräußerer oder Vermittler beteiligt ist. Grundsätzlich haftet hierfür der Veräußerer. 

In Deutschland wurde dies durch § 26 Abs.1 UrhG in nationales Recht umgesetzt. Es handelt sich bei diesem Anspruch nicht um ein Verwertungsrecht, sondern um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Veräußerer, unabhängig vom Gewinn oder Verlust. Der Anspruch entfällt, wenn der Umsatz unter 400,00 Euro liegt. Die Höhe richtet sich gemäß § 26 Abs.2 UrhG prozentual nach der Höhe des Umsatzes zwischen 4 - 0,25 % bis maximal 12.500,00 Euro nach § 26 Abs.3 UrhG. Für den Künstler besteht insoweit auch ein Auskunftsrecht gegen den Veräußerer, § 26 Abs.4 und 5 UrhG, die aber nur über eine Verwertungsgesellschaft (VG-Bild-Kunst) geltend gemacht werden können, wobei abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässig sind. Der Anspruch ist im Voraus unverzichtbar. Der Sache nhacxh handelt es sich um eine Schutzvorschrift für bildende Künstler.  

Schuldner des Zahlungsdanspruches ist nach dem Text der Richtlinie grds. der Veräußerer als Eigentümer. Nach dem Unionsrecht können die Mitgliedstaaten aber unter den in der Richtlinie 2001/84 genannten Vertretern des Kunstmarkts eine andere Person bestimmen, wovon Deutschland für den Fall Gebrauch gemacht hat, dass der Veräußerer eine Privatperson ist und an dem Veräußerungsgeschäft ein Kunsthändler als Vermittler oder Erwerber oder aber ein Versteigerer beteiligt war, die dann zusammen als Gesamtschuldner haften. Die Frage ist aber, ob diese zwingende Regelung für das Außenverhältnis im Innenverhältnis dispositiv ist. 
Das Folgerecht wird in einer Unionsrichtlinie als ein dem Urheber des Originals eines Kunstwerks zustehender Anspruch auf Beteiligung am Verkaufspreis aus jeder Weiterveräußerung nach der ersten Veräußerung durch den Urheber definiert. Dieses Recht gilt für alle Weiterveräußerungen, an denen Vertreter des Kunstmarkts (Auktionshäuser, Kunstgalerien und allgemein Kunsthändler) als Verkäufer, Käufer oder Vermittler beteiligt sind.

In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um Christie’s France, die französische Tochtergesellschaft des multinationalen Unternehmens Christie’s, die regelmäßig Auktionen von Kunstgegenständen veranstaltet. Diese Verkäufe führen oftmals zu einem Anspruch auf Zahlung einer Folgerechtsvergütung. Die Allgemeinen Verkaufsbedingungen von Christie’s France sehen vor, dass Christie’s France für bestimmte in ihrem Katalog aufgeführte Werke für Rechnung und im Namen des Veräußerers vom Erwerber den Betrag einzieht, der dem Folgerecht entspricht, was gängiger Praxis entspricht. Damit handelt es sich um eine Vereinbarung für das Innenverhältnis.

Das Syndicat national des antiquaires (SNA) (Nationalverband der Antiquitätenhändler) ist der Ansicht, dass die Allgemeinen Verkaufsbedingungen von Christie’s France, indem sie die Folgerechtsvergütung dem Erwerber auferlegten, einen Akt unlauteren Wettbewerbs darstellten. Christie’s France dagegen meint, die Richtlinie bestimme ohne nähere Erläuterung oder Einschränkung, dass die Folgerechtsvergütung vom Veräußerer abzuführen sei, und schließe daher nicht aus, dass hiervon vertraglich abgewichen werden könne. Der auch für andere Staaten relevante Streit geht daher darum, ob die Verpflichtung, dass der Veräußerer diese Kopsten zu tragen hat, im Innenverhältnis zum Erwerber dispositiv oder zwingend ist. 



Die mit diesem Rechtsstreit befasste Cour de cassation (Frankreich) möchte vom Gerichtshof wissen, ob die
Folgerechtsvergütung stets endgültig vom Veräußerer zu tragen ist oder ob es möglich ist, vertraglich von dieser Bestimmung abzuweichen.



In seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof fest, dass es allein in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, die Person zu bestimmen, die zur Abführung der Folgerechtsvergütung verpflichtet ist. Zwar bestimmt die Richtlinie, dass die Folgerechtsvergütung grundsätzlich vom Veräußerer abzuführen ist, doch erlaubt sie eine Abweichung von diesem Grundsatz und überlässt es damit den Mitgliedstaaten, unter den in der Richtlinie 2001/84 aufgeführten Vertretern des Kunstmarkts eine andere Person zu bestimmen, die allein oder gemeinsam mit dem Veräußerer für die Zahlung der Folgerechtsvergütung haftet. Allerdings bricht das Urteil eine Lanze für die Vertragsfreiheit im Innenverhältnis: 

Die Person, der auf diese Weise das nationale Recht die Pflicht zur Abführung der Folgerechtsvergütung auferlegt, kann mit jeder anderen Person einschließlich des Erwerbers vereinbaren, dass diese die Folgerechtsvergütung im Innenverhältnis endgültig ganz oder teilweise trägt, sofern eine solche vertragliche Vereinbarung nicht die Pflichten und die Haftung beeinträchtigt, die der Person, die die Folgerechtsvergütung abzuführen hat, gegenüber dem Urheber obliegen. 

Der Gerichtshof betont, dass eine solche Abweichung mit dem Ziel der Richtlinie im Einklang steht, das darin besteht, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Kunstmarkt zu beseitigen, da diese Harmonisierung auf die nationalen Vorschriften beschränkt ist, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken. Die Erreichung dieses Ziels setzt zwar voraus, dass die Person bestimmt wird, die die Folgerechtsvergütung abzuführen hat, und dass Bestimmungen über deren Höhe erlassen werden, nicht aber, dass die Frage geregelt wird, wer endgültig die Kosten trägt.

Der Gerichtshof schließt nicht aus, dass eine solche Abweichung zu gewissen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt führen kann. Eine solche Auswirkung ist aber nur mittelbar, da sie auf vertraglichen Regelungen beruht, die von der Zahlung der Folgerechtsvergütung unabhängig sind, für die weiterhin im Außenverhältnis zum bildenden Künstler die Person haftet, die die Folgerechtsvergütung abzuführen hat. Diese ist aber nicht gehindert, sie im Innenverhältnis dem Erwerber aufzuerlegen. 

Die Entscheidung ist für die einschlägige AGB - und Vertragspraxis im Kunsthandel von deutlichem Interesse. 


Gerichtshof der Europäischen Union
Quelle: PRESSEMITTEILUNG Nr. 24/15
Luxemburg, den 26. Februar 2015
Urteil in der Rechtssache C-41/14
Christie's France SNC/Syndicat national des antiquaires


Dienstag, 24. Februar 2015

BGH bejaht Haftung der Republik Argentinien aus den von ihr begebenen Staatsanleihen

Die neuen Urteil sind unter dem Aspekt des internationalen Vertragsrechts der Inhaberschuldverschreibungen sehr interessant, wenn auch wenig überraschend. Argentinien hat seit Jahrzehnten erhebliche Finanzprobleme und diese Thematik beschäftigt die deutschen Gerichte mit gewisser Regelmässigkeit. 

Mit Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 wurde der "öffentliche Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" erklärt. Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlungen der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die Beklagte ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde immer wieder - zuletzt ein weiteres Mal bis zum 31. Dezember 2015 - verlängert. Ziel dieses Gesetz ist bestehende Zahlungsverpflichtungen mit internationaler Relevanz auf einen unbestimmten Zeitpunkt aufzuschieben. 

Die hier in Rede stehenden Staatsanleihen in Form von Inhaberschuldverschreibungen unterliegen regelmäßig deutschem Recht, so dass argentinisches Recht nach internationalprivatrechtlichen Grundsätzen nicht zur Anwendung kommt. Diese Anleihen sind auch von Privatgläubigern gezeichnet worden, die seinerzeit möglicherweise in Unkenntnis der Risiken des Abschlusses waren, was hier dahinstehen kann. 

Der Bundesgerichtshofs hat sich nunmehr in zwei weiteren Verfahren damit beschäftigt, ob die Republik Argentinien die Erfüllung von Zahlungsansprüchen privater Gläubiger aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen unter Berufung auf den von ihr wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen der mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung verweigern kann. Es handelt sich dabei um eine Einwendung, die an deutschem Recht zu messen ist. 

Der Bundesgerichtshof hat die Berufung der Republik Argentinien auf solche Einwendungen abgelehnt und die Zahlungsansprüche wenig überraschend bejaht. 

In den beiden Verfahren macht der jeweilige Kläger Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend, die von dem beklagten Staat im Jahr 1997 (Sache XI ZR 193/14) bzw. im Jahr 1996 (Sache XI ZR 47/14) ausgegeben wurden. Der Kläger in der Sache XI ZR 193/14 begehrt die Rückzahlung des Nominalbetrags des von ihm erworbenen Miteigentumsanteils an den Ende Oktober 2009 fällig gewordenen Schuldverschreibungen nebst den am 30. Oktober 2008 und 30. Oktober 2009 fällig gewordenen Zinsen. Der Kläger in der Sache XI ZR 47/14 begehrt die Zahlung der aus den Schuldverschreibungen am 13. November 2005 fällig gewordenen Zinsen für das Jahr 2005 nebst einem nach seiner Behauptung wegen der Nichtzahlung dieser Zinsen entgangenen Gewinn. 

 Die Beklagte sieht sich seit 1999 mit den eingangs bereits geschilderten erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. 
Aufgrund dessen fielen auch die beiden Kläger mit den von ihnen nunmehr im Klagewege geltend gemachten Ansprüchen aus, deren Realisierung aber durchaus weiter wirtschaftlich zweifelhaft ist. 

 Das Amtsgericht hatte den beiden Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Das Landgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen der Beklagten vollständig (Sache XI ZR 193/14) bzw. ganz überwiegend (Sache XI ZR 47/14) zurückgewiesen. Es hat dabei unter anderem die Ansicht der Beklagten abgelehnt, dass einem Schuldnerstaat, der sich in einer Finanzkrise befunden und mit einer Mehrheit seiner Gläubiger eine Umstrukturierung seiner Schulden vereinbart habe, ein völkerrechtlich begründetes Leistungsverweigerungsrecht gegenüber sogenannten Holdout-Gläubigern auch dann zukommen solle, wenn die Bedingungen der zugrunde liegenden Schuldverschreibung entsprechende (Umschuldungs-)Klauseln ("Collective Action Clauses") nicht enthalten haben. 

Die Beklagte hat mit der vom Landgericht jeweils zugelassenen Revision die Absicht verfolgt mit dem geltend gemachten Leistungsverweigerungsrecht als Einwendung durchzudringen. Die Revisionen hatten indessen keinen Erfolg. 

Der Bundesgerichtshof kommt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar ist, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicheverfolgt die Beklagte ihre Klagabweisungsbegehren weiter.r Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung zeitweise zu verweigern. 

Dabei hat der Bundesgerichtshof an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeknüpft, das bereits im Jahr 2007 - auf mehrere Vorlagen des Amtsgerichts Frankfurt am Main - im Zusammenhang mit anderen Staatsanleihen der Beklagten festgestellt hatte, dass das Völkerrecht weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten kennt (BVerfGE 118, 124). Diese Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts haben nach wie vor Gültigkeit. 

Entgegen der Auffassung der Revision hat sich insbesondere nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 und der sogenannten Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Zypern eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG mit dem Inhalt herausgebildet, dass sich sämtliche privaten Gläubiger eines Staates im Falle eines wirtschaftlichen und finanziellen Staatsnotstands an einer Umstrukturierung der Schulden beteiligen müssen und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zusteht. Diese Begründung macht die Urteile für vergleichbare Konstellationen mit anderen Staaten interessant, da derartige Fälle sich allein auf das Verhältnis zu Argentinien beschränken. 

Dieser Ansatz besagt inhaltlich nichts anderes, als dass dadurch das völkergewohnheitsrechtliche Institut des Notstands für den Sonderfall der Zahlungsunfähigkeit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert wird. Im Kern beinhaltet er damit die Behauptung eines von der Staatengemeinschaft anerkannten Insolvenzrechts der Staaten. Ein solches besteht indes unzweifelhaft nicht, so dass es auch einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG nicht bedurfte. 

Für die Betroffenen mag dies beruhigend sein, besagt aber noch nichts über die Durchsetzung der Titel im Wege der internationalen Zwangsvollstreckung gegen einen Staat in Lateinamerika, weil der Titel in mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Argentinien nach der dortigen Zivilprozessordnung anerkannt und vollstreckt werden muss, sofern kein Inlandsvermögen pfändbar ist. Einen dinglichen Arrest hinsichtlich pfändbaren Auslandsvermögens der Republik Argentinien durchzusetzen, ist schon öfters auf Probleme gestoßen und hat auch bereits das BVerfG beschäftigt. Grundsätzlich ist Pfändung von Inlandsvermögen möglich, aber schwierig.  


BGH, Urteile vom 24. Februar 2015 XI ZR 47/14 
Amtsgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 9. April 2013 – 30 C 2877/11 
Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 13. Januar 2014 – 24 S 95/13 
BGH, XI ZR 193/14 
Amtsgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 2. Juli 2013 – 30 C 128/13 
Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 21. März 2014 – 24 S 139/13 
Karlsruhe, den 24. Februar 2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 
Mitteilung der Pressestelle Nr. 024/2015 vom 24.02.2015

Freitag, 20. Februar 2015

Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers - Einwilligungserfordernis nach § 22 KUG

Der Einsatz von Werbe - und Imagefilmen zur Präsentation von Unternehmen in Internetmedien oder im Rahmen der Nutzung von Social - Media ist inzwischen sehr gängig (Beispiel). Oftmals werden dort auch Mitarbeiter vorgestellt. Arbeitgeber sind gut beraten sich in solchen Fällen eine schriftliche Einwilligung geben zu lassen. Ein solches Einverständnis ist nach § 22 KUG unter Umständen widerruflich. 

Ob ein solcher Widerruf vertraglich ausgeschlossen werden kann, ist offen, zumal bislang umstritten war, ob ein solcher Widerruf überhaupt - und wenn aus wichtigem Grund - zulässig ist, da § 22 KUG diese Frage nicht explizit regelt (Dreier/Schulze, 4. Aufl., 2013, UrhG, § 22 KUG, Rn.35 m.w.N.) und auch § 32 BDSG keine explizite Regelung dazu enthält. Ein solcher vertraglicher Ausschluss wird jedenfalls für Filmproduktionsverträge und vergleichbare Gestaltungen wirksam sein, wobei es hier aber regelmäßig an der Arbeitnehmereigenschaft der Betroffenen fehlt.  

Das BAG hat jetzt bestätigt, dass nach § 22 KUG Bildnisse von Arbeitnehmern nur mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden dürfen, die schriftlich erfolgen muss. Wird die Einwilligung ohne Einschränkung erteilt,   erlischt sie nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach Auffassung des BAG ist sie widerruflich, wenn dafür ein plausibler Grund angegeben wird. Damit schlließt BAG sich einer bestimmten Linie der Rechtsprechung an, die bislang keineswegs einheitlich war  (Dreier/Schulze, 4. Aufl., 2013, UrhG, § 22 KUG, Rn.35 m.w.N.) und von Zivilgerichten mangels Arbeitnehmereiegsnschaft der jeweiligen Parteien durchaus anderes gesehen werden könnte. 

Im Ausgangsfall war der Kläger war im Sommer 2007 in die Dienste der Beklagten getreten, die ein Unternehmen für Klima- und Kältetechnik mit etwa 30 Arbeitnehmern betreibt. Im Herbst 2008 erklärte der Kläger schriftlich seine Einwilligung, dass die Beklagte von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen macht und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausstrahlt. Danach ließ die Beklagte einen Werbefilm herstellen, in dem zweimal die Person des Klägers erkennbar abgebildet wird. Das Video konnte von der Internet-Homepage der Beklagten aus angesteuert und eingesehen werden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete im September 2011. Im November 2011 erklärte der Kläger den Widerruf seiner „möglicherweise“ erteilten Einwilligung und forderte die Beklagte auf, das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen. Dem folgte die Beklagte - unter Vorbehalt - Ende Januar 2012. Der Kläger verlangt die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld. 

Die Klage war vor dem Arbeitsgericht teilweise, vor dem Landesarbeitsgericht zur Gänze erfolglos geblieben. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat keinen Erfolg. 

Das BAG vertritt die Auffassung, dass die Abbildungen des Klägers in dem betreffenden Video seiner Einwilligung nach § 22 KUG bedurften, die die Beklagte erhalten hatte. Auch das Erfordernis einer schriftlichen Einwilligung, das sich aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung ergibt, war im Falle des Klägers erfüllt. Seine ohne Einschränkungen gegebene schriftliche Zustimmung erlosch nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. 

Ein späterer Widerruf war grundsätzlich möglich, jedoch hat der Kläger für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Interessant ist hier, dass das BAG keinen wichtigen Grund, sondern nur einen plausiblen Grund fordert. Ein solcher Grund wäre beispielsweise die Tätigkeit für ein konkurrierendes Unternehmen, an dessen Vorhandensein keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Offen ist die Frage, ob ein solcher Grund "nachgeschoben" werden kann. Scheinbar tendiert das BAG zu einer Verneinung. 

Infolgedessen steht dem Arbeitnehmer kein Recht auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung zu. Er kann daher eine weitere Veröffentlichung nicht untersagen lassen und würde durch diese in seinem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt werden. 

Diese klarstellende Entscheidung ist begrüßenswert.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 19. Februar 2015 - 8 AZR 1011/13 
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 8. Mai 2013 - 8 Sa 36/13
Quelle: Pressemitteilung des BAG

Mindestlohngesetz


T. Lakies, Mindestlohngesetz. Basiskommentar, Erstauflage, 2015, Bund - Verlag


Eine Rezension zu:

Mindestlohngesetz

Thomas Lakies

Mindestlohngesetz

Basiskommentar zum MiLoG

Erstauflage

(2. Auflage erscheint ca. April 2015)

Frankfurt a.M.: Bund - Verlag, 2015, 366 S., 29,00 Euro


Wie zahlreiche Beratungsanfragen zeigen, sorgt das Mindestlohngesetz für vielerlei Irritationen, gerade bei Kleinbetrieben. Es kann bereits jetzt als sicher gelten, dass dieses Thema die Arbeitsgerichte intensiv beschäftigen wird. Der wohl erste Kommentar zum Mindestlohngesetz erläutert den gesamten Regelungsbereich dieses Gesetzes, dass nicht lediglich nur Fragen des Mindestlohnes regelt.

Der ganz ausgezeichnete Kommentar erläutert auch das komplexe Zusammenspiel zwischen dem neuen Mindestlohngesetz und den tariflichen Mindestlöhnen sowie die Zusammenhänge mit dem Entsendegesetz und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz unter Einschluss der sozialrechtlichen “Flankierungen”.

Die Garantie angemessener Mindestlöhne ist nicht völlig neu. Ohnehin finden sich in diesem Rahmen in ganz Europa vielfältige Regelungsansätze (s. nur T. Schulten u.a., Mindestlöhne in Europa, 2006). Die Rechtsprechung hatte unter dem Aspekt des Lohnwuchers nach § 138 BGB bereits Lösungsansätze für branchenübliche Mindestlöhne entwickelt. Diese weiter geltenden Grundsätze bleiben weiter von Bedeutung und werden in die Darstellung einbezogen.

Im Tarifrecht fanden sich ebenfalls Regelungen zu dieser Problematik, die über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des § 5 TVG allgemeinere Bedeutung erhalten haben. Ähnlich gilt für das Arbeitnehmerentsendegesetz. Das neue Gesetz war und ist rechtspolitisch umstritten, so dass bereits Korrekturen verlangt werden, die Ausnahmekonstellationen betreffen. Der Kommentar nimmt zwar die Perspektive der Arbeitnehmerberatung ein, bemüht sich aber um eine sehr abgewogene Darstellung gerade der Streitfragen.

Die sehr interessante Einleitung rekonstruiert alle wichtigen Aspekte der staatlichen Lohnregulierung, die angesichts der Tariffreiheit keine Selbstverständlichkeit ist, so dass die Einleitung auch die verfassungsrechtlichen Aspekte anspricht, die durchaus zur einer verfassungsgerichtlichen Klärung einzelner Aspekte in Zukunft führen könnten. Grundsätzlich wird sämtliche zu diesem Gesetz relevante Rechtsprechung - soweit vorhanden - zitiert.

Um den Regelungsansatz zu verstehen, sollte man die Bedeutung des vom Umfang sehr erheblichen Niedriglohnsektors in Deutschland kennen, die sich im Spannungsfeld zur Leistungsfähigkeit gerade von Kleinbetrieben und der Gefahr der Ausweitung der Scheinselbständigkeit bewegt. Hier setzt die Kommentierung an, die sehr deutliche Schwerpunkte setzt.

Zum einen geht es darum, wann und für welche Personengruppen ein solcher Mindestlohn gilt. Von erheblicher Bedeutung sind die Ausnahmeregelungen, etwa für Praktikanten. § 22 MilOG stellt setzt klar, dass Praktikantenverhältnisse Arbeitsverhältnisse darstellen, wobei bestimmte Praktika von drei Monaten aus dem Mindestlohn ausgeklammert werden können. Insoweit werden hier auch Hinweise für die Vertragspraxis gegeben.

Intensiv wird erörtert, was im Rahmen der angefallenen Zeitstunden zu vergüten ist und welche Zuschläge trotzdem anfallen können und welche Anrechnungen in Betracht kommen. Eingehend wird auch darauf eingegangen, dass diese Ansprüche nach § 3 allenfalls in einem gerichtlichen Vergleich für verzichtbar erklärt werden können (was etwa bei ausgehandelten Abfindungen relevant werden könnte).Gut erklärt, wird auch die Haftung des Auftraggebers, die auf die Regelung des Entsendegesetzes verweist. Wer den Mindestlohn als Arbeitgeber jenseits der Ausnahmekonstellationen unterschreitet, setzt sich rechtlichen Risiken aus.

Intensiv wird auch darauf eingegangen, welche Kontrollmaßnahmen stattfinden können, die sich in den §§ 14, 15 ausdrücken und zu weitreichenden Zugriffskompetenzen der Zollbehörden führen können, wobei auf die Vorschriften des Schwarzarbeitbekämpfungsgesetzes verwiesen worden ist. Diese neuen Kontrollkompetenzen sind sehr weitreichend und betreffen auch die Kontrolle von Umgehungskonstruktionen. 

Es ist das erklärte Ziel dieses Gesetzes sowohl Scheinselbständigkeit als auch Schwarzarbeit bekämpfen zu wollen und die Tarifautonomie stärken zu wollen. Sehr gut erläutert werden auch die Meldepflichten von Unternehmen mit Sitz im Ausland. Auf die Meldepflichten deutscher Unternehmen im Sozialrecht geht die Einleitung ein. Verstöße können nach § 19 Bußgeldtatbestände auslösen. Nach § 23 muss das Gesetz im Jahr 2020 auf seine Funktionen überprüft werden. Die Texte des TVG, des Entsendegesetzes, des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und des Nachweisgesetzes finden sich im Anhang.

Der Kommentar bietet weit mehr als einen “Basis - Kommentar”, sondern enthält eine praxisnahe, sehr verständliche Aufarbeitung aller bislang erkennbaren Aspekte des Mindestlohnesgesetzes und ist sehr lesenswert.

Donnerstag, 12. Februar 2015

BGH: Kein kostenfreier Fahrdienst zur Augenklinik?

Es lässt sich feststellen, dass im Bereich medizinischer Dienstleistungen die Neigung Unterlassungsansprüche geltend zu machen, erheblich gestiegen ist. Es ist nicht selten, dass Kliniken mit Sonderleistungen werben, die werberechtlich durchaus grenzwertig sein können, jedenfalls in Deutschland. 

Der Bundesgerichtshof hatte jetzt die Zulässigkeit eines kostenlosen Fahrdiensts einer Augenklinik unter dem Aspekt der rechtlichen Zulässigkeiot nach dem Heilmittelwerbegesetz zu beurteilen, hat aber in der Sache nicht selbst entschieden, sondern an das OLG Köln zurück verwiesen. 

Der hier einschlägige § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG lautet wie folgt: 

"(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass 
1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben … um geringwertige Kleinigkeiten handelt; … … 
3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur … in handelsüblichen Nebenleistungen bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden;...". 

Nach der Auffassung des BGH kann der kostenlose Fahrdienst einer Augenklinik für Patienten gegen das heilmittelrechtliche Verbot von Werbegaben verstoßen.  

Die Beklagte betreibt eine Augenklinik. Der Kläger ist Augenarzt und führt in seiner Augenbelegabteilung auch stationäre Augenoperationen durch. Er begehrt, es der Beklagten zu verbieten, Patienten, die zur Diagnostik oder Operation ihre Augenklinik aufsuchen müssen, einen kostenlosen Fahrdienst anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, bei dem Patienten zur Augenklinik der Beklagten und nach der Behandlung nach Hause gebracht werden. 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten führte zur Abweisung der Klage, so dass zwei Gerichte einen gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilten, was nicht so selten ist. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. 

Der BGH ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass das beanstandete Angebot eine auf konkrete Leistungen bezogene Werbung der Augenklinik darstellt, die dem in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) geregelten generellen Verbot von Werbegaben unterfällt. 

Damit besteht grundsätzlich die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Verbrauchers, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Patienten nicht im Hinblick auf die Qualität der ärztlichen Leistung, sondern wegen des angebotenen Fahrdiensts für eine Behandlung durch die beklagte Augenklinik entscheiden. Das lässt sich zwar nicht ausschließen, es wird aber kaum im Regelfall die Grundlage der Entscheidung sein, sich dort behandeln zu lassen oder nicht.  

Der Fahrdienst stellt auch dieser Entscheidung keine nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG zulässige geringwertige Kleinigkeit dar, weil die Abholung und der Rücktransport des Patienten über eine längere Wegstrecke für ihn eine nicht unerhebliche vermögenswerte Leistung darstellt. Insoweit lässt sich ein Vergleich mit den Kosten für ein Taxi anstellen. 

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht nunmehr festzustellen haben, ob der beanstandete Fahrdienst eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zulässige handelsübliche Nebenleistung darstellt, worüber das OLG scheinbar keinerlei Feststellungen getroffen hatte. Die Tatsache einer handelsüblichen Nebenleistung lässt sich insbesondere durch ein Sachverständigengutachten feststellen. Wie die Sache ausgeht, ist völlig offen. 


BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 213/13 
LG Köln - Urteil vom 25. April 2013 - 31 O 588/12 
OLG Köln - Urteil vom 22. November 2013 - 6 U 91/13, GRUR-RR 2014, 172
Karlsruhe, den 12 Februar 2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs Mitteilung der Pressestelle Nr. 020/2015 vom 12.02.2015

BGH - Monsterbacke II: "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!"

Health-Claims-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel hat in vielerlei Hinsicht für Verunsicherung geführt, insbesondere in werberechtlicher Hinsicht. Diese Verordnung enthält auch lauterkjeitsrechtliche Vorschriften, die gegenüber dem UWG vorrangig sind. Es geht dabei unter anderem um die Frage, welche Werbeslogangs noch zulässig sind und welche zulässigerweise nicht verwendet werden sollten. Letztere sind im Übrigen auch von Mitwettbewerbern oder Verbraucherschutzorganisationen abmahnfähig. 

Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 regelt Folgendes: … 4."nährwertbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund a)der Energie (des Brennwerts), die es i)liefert, ii)in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder iii)nicht liefert, und/oder b)der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es i)enthält, ii)in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder iii)nicht enthält; 5."gesundheitsbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht; … Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 … (2) Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung folgende Informationen tragen: a)einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise, b)Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen, c)gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und d)einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten. (3)Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist". 

Der Bundesgerichtshof hatte jetzt über die Zulässigkeit des Werbeslogans "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" für einen Früchtequark zu entscheiden. Diesen Slogan hielt der BGH nicht für irreführend ist, weil er keine nach der Health-Claims-Verordnung unzulässige gesundheitsbezogene Angabe darstellt. 

Die Beklagte stellt Milcherzeugnisse her und vertreibt einen Früchtequark mit der Bezeichnung "Monsterbacke". Auf der Verpackung verwendet sie den Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!". Die Klägerin hält dies für einen Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel), weil der Werbeslogan nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthalte. Im Übrigen sei der Slogan irreführend. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Es hat angenommen, der Slogan sei irreführend, weil der Verkehr nicht erwarte, dass das Produkt der Beklagten einen wesentlich höheren Zuckergehalt als Milch aufweise. 

Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits im Jahre 2010 zu beachten waren (vgl. Presseerklärung Nr. 200/2012 vom 5. Dezember 2012). Der EuGH hat diese Frage bejaht. 

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr das die Klage abweisende Urteil erster Instanz mit guten Gründen im Wesentlichen wiederhergestellt und die Sache allein zur Verhandlung und Entscheidung über die von der Klägerin im Hinblick auf eine Verletzung der in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorgesehenen Informationspflichten an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Diese Entscheidung wird sehr interessant werden und könnte erneut beim BGH zu einer Revision führen, weil Art und Umfang der Informationspflichten in Grenzbereichen sehr umstritten sind.  

Der BGH hat hinsichtlich des verwendetens Slogangs entschieden, dass die beanstandete Werbung der Beklagten nicht irreführend ist, weil es sich bei dem Früchtequark - für den Verbraucher erkennbar - um ein Produkt handelt, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet. Der in dem beanstandeten Slogan enthaltene Vergleich bezieht sich nicht auf den Zuckeranteil, der bei einem Früchtequark schon wegen des darin enthaltenen Fruchtzuckers naturgemäß höher ist als bei Milch. Ebenso wenig fasst der Verkehr den Slogan als eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf. Es handelt vielmehr um eine nach Art. 10 Abs. 3 zulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Der Slogan knüpft an die verbreitete Meinung an, Kinder und Jugendliche sollten im Hinblick auf die gesundheitsfördernde Wirkung täglich ein Glas Milch trinken, wozu es bekanntlich auch Gegenmeinungen gibt. 

Im Übrigen hat der BGH die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, dass nunmehr Feststellungen dazu zu treffen hat, inwieweit und in welcher Artt und Weise die Beklagte Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hätte vorhalten müssen. 

BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11 - Monsterbacke II 
LG Stuttgart - Urteil vom 31. Mai 2010 - 34 O 19/10 KfH 
OLG Stuttgart - Urteil vom 3. Februar 2011 - 2 U 61/10 ZLR 2011, 352 
BGH - Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11 GRUR 2013, 189 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke I 
EuGH - Urteil vom 10. April 2014 – C-609/12 GRUR 2014, 587 = WRP 2014, 819 
Karlsruhe, den 11. Februar 2015 
Pressemitteilung Nr. 018/2015 vom 12.02.2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs