Samstag, 29. April 2023

Roger Waters und seine Deutschland- Tournee

Roger Waters ist einer der Mitbegründer von Pink Floyd und war bis 1983 deren prägender Einfluß (die Streitigkeiten nach diesem Zeitpunkt bis 1987 sollen hier nicht behandelt werden). 

Roger Waters war immer ein ein kritischer "Geist", der oftmals provoziert hat, der aber immer für Menschen - und Bürgerrechte eingetreten ist, so auch - sehr pointiert - für die Freilassung von Julian Assange. Sein Statement vor dem UN - Sicherheitsrat ist sehr beachtlich. 

Unbeschadet dessen finden sich von ihm Äußerungen zu Palästina, die weltweit bei jüdischen Organisationen Bedenken ausgelöst haben, die absolut ernstzunehmen sind. Aber kein Roger Waters wird das komplexe Geflecht zwischen Israel und Palästina lösen können, dazu ist es zu komplex. Zumal sich hier auf der Meta - Ebene auch die Frage stellt, wie Semiten sich zueinander antisemitisch verhalten können. Die Fragen, die sich hier stellen, sind sehr komplex und es mag sein, dass Roger Waters hier manchmal über sein Ziel hinausgeschossen ist. 

Seine politischen Äußerungen und seine Konzerte sind aber zwei verschiedene Dinge. Bei seinen Konzerten geht es nicht um Meinungsäußerungsfreiheit, sondern um den Schutz der Freiheit der Kunst, die grundsätzlich nicht beschränkt ist, außer im Rahmen der praktischen Konkordanz im Abgleich mit anderen Grundrechten. 

Seine aktuelle Tour ist teilweise bei Youtube für einige Konzerte, etwa in Madrid oder Barcelona, in voller Länge abrufbar. Da findet sich viel kritisches gegenüber Kriegsverbrechen etwa, aber nichts antisemitisches. Er hat dazu mehrfach Stellung genommen. Er setzt sich auch pointiert für die Freilassung von Julian Assange ein, was in Deutschland in der Mainstream - Politik keinen positiven Widerhall gefunden hat.

Diese Europa - Tour ist ein riesiger Erfolg. Die Konzerte sind überall ausverkauft und die Resonanz ist sehr positiv. 

Bedenken wurden bislang nur in Deutschland laut. In Köln, München, Frankfurt und Berlin wurden Verbote dieser Konzerte erwogen, die schon veranstaltungsrechtlich schwierig sind, weil die Kommunen oftmals nicht der Träger der Konzerthallen und nicht Veranstalter sind. Massive Schadensersatzforderungen sind hier denkbar. 

Hier stellen sich Probleme etwa bei der "Zwei-Stufen-Theorie" und der Drittwirkung der Grundrechte, neben weiteren Problemen. Hier ist aber die Stadt Frankfurt am Main Mit - Gesellschafterin der Frankfurter Messe GmbH neben dem Land Hessen. 

Am 24.04.2023 hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main über den Auftritt in Frankfurt am Main zu befinden und hat wenig überraschend entschieden, dass dieses Konzert am 28.05.2023 stattfinden darf. Das Gericht hat die Öffentlichkeit darüber mit einer Pressemitteilung Nr. 05/2023 unterichtet. Hier stellt sich auch das Problem, inwieweit die Beteiligungsstruktur auf den Event-Vertrag "durchschlägt". Diese Frage hat das Gericht wegen der Beteiligungsstruktur klar bejaht.

"Nach dem Beschluss der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom heutigen Tag müssen die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen als Gesellschafter der Frankfurter Messe GmbH dem Musiker und Antragsteller die Möglichkeit verschaffen, sein geplantes Konzert am 28.05.2023 in der Festhalle durchzuführen."

"Im Herbst 2022 schloss die Messe GmbH mit der Produktionsfirma des Antragstellers einen Vertrag zur Durchführung der Veranstaltung „Roger Waters 2023 Konzert“ am 28.05.2023 in der Frankfurter Festhalle. Die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen sind Gesellschafter der Messe GmbH und halten jeweils 60 bzw. 40 % Geschäftsanteile."

Das Gericht weist sehr zutreffend auf die Nazi - Vergangenheit in dieser Festhalle hin und nimmt die Bedenken hinsichtlich des Vorwurfs eines Antisemitimus absolut ernst: 

"In der Festhalle wurden zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur im November 1938 nach der Reichspogromnacht mehr als 3.000 jüdische Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet zusammengetrieben, festgehalten, schwer misshandelt und anschließend der Deportation in die Konzentrationslager zugeführt. Entsprechende Gedenktafeln sind in der Rotunde der Halle und auf dem Vorplatz aufgestellt. 

Mit Magistratsbeschluss vom 24.02.2023 wies die Stadt zusammen mit dem Land die Geschäftsführer der Messe GmbH an, den Veranstaltungsvertrag unverzüglich aus wichtigem Grund zu kündigen und damit die Festhalle nicht für das Konzert zur Verfügung zu stellen. In dem Rücktrittsschreiben der Messe GmbH an die Produktionsfirma des Antragstellers vom 21.03.2023 wurde hierzu ausgeführt, dass man auf mögliche israelfeindliche Äußerungen des Antragstellers und auf mögliche israelkritische Teile seiner Bühnenshow aufmerksam gemacht worden sei.

Nach erfolglosen Verhandlungen über die Nutzung der Festhalle und somit über die Vertragserfüllung hat der Antragsteller am 04.04.2023 einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gestellt, mit dem er gegenüber dem Land und der Stadt Frankfurt am Main seinen Anspruch auf Nutzung der Festhalle geltend macht.

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die zuständige 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main dem Antrag überwiegend stattgegeben und entschieden, dass das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main dem Antragsteller durch entsprechende Einwirkung auf die Geschäftsführer der Messe GmbH Zutritt zur Festhalle zur Durchführung des Konzertes am 28.05.2023 zu verschaffen haben."

Das ist der kritische Punkt, aber der Rat hat eben Anweisungen an die Gesellschaft gegeben und damit direkten Einfluss als GmbH - Gesellschafter auf die Geschäftsführung ausgeübt: 

"Die Kammer hat zunächst ausgeführt, dass der Antrag gegen das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main zulässig sei. Diese hätten gemeinsam Einwirkungsmöglichkeiten auf die Messe GmbH, weil sie die alleinigen Gesellschafter seien. Dies zeige schon der Magistratsbeschluss vom 24.02.2023, mit dem die Antragsgegner die Geschäftsführer der Messe GmbH angewiesen hätten, den Vertrag mit der Produktionsfirma des Antragstellers zu kündigen. Dem Antrag stehe auch nicht entgegen, dass es keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und der Messe GmbH gebe, da die Zugangsbeschränkung auch die Rechte des Antragstellers selbst betreffe."

Die Kammer wählt insoweit einen innovativen Ansatz, der sich vom Gesellschaftsrecht weg, zur Frage der Wertung einer faktischen Zugangsbeschränkung bewegt, aber dies ist absolut plausibel. Die Kammer führt weiter aus: 

"Inhaltlich habe der Antragsteller einen Anspruch auf Durchführung des Konzerts aus Art. 3 Grundgesetz in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung. Denn die Festhalle sei als Event- und Konzerthalle aufgrund der bisherigen Benutzungspraxis allgemein für Veranstaltungen und Konzerte von internationalen Künstlern sowie für Messen, Ausstellungen und Kongresse von Unternehmen gewidmet. Insoweit habe der Antragsteller einen Verschaffungsanspruch auf Zugang zu der Halle, den die öffentlichen Träger durch Einwirken auf den privatrechtlichen Betreiber zu erfüllen hätten. Das für den 28.05.2023 geplante Konzert sei vom Widmungszweck der Festhalle umfasst. Eine konkludente Widmungsbeschränkung aufgrund der besonderen historischen Bedeutung der Festhalle ergebe sich weder aus der bisherigen Benutzungspraxis noch aus anderen Umständen wie etwa den Gedenktafeln."

Die hier entscheidende Frage war, ob Ausnahmen vom Widmungszweck vorliegend ein Verbot rechtfertigen konnten, was zu verneinen war. 

Die Kammer geht völlig zutreffend davon aus, dass es sich hier nicht um eine Frage der Meinungsfreiheit, sondern um eine Frage der Kunstfreiheit handelt: 

"Durch die Entziehung der Nutzung der Festhalle werde der Antragsteller in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt. Die Konzertveranstaltung des Antragstellers sei als Kunstwerk zu betrachten. Bei einer Beschränkung der nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährten Kunstfreiheit müsse entsprechend den verfassungsrechtlichen Wertungen zur Meinungsfreiheit bei Kunstwerken, die mehrere nachvollziehbare Interpretationsmöglichkeiten zulassen, diejenige Lesart gewählt werden, die nicht als in irgendeiner Form rechtswidrig oder gar sanktionsbedürftig einzustufen sei. Danach verletze das Konzert des Antragstellers nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer und es lasse sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden nicht zweifelsfrei feststellen. Zwar bediene sich der Antragsteller im Rahmen seiner Bühnenshow offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik."

Dazu sollte man eine der Bühnenshows gesehen haben, um dies zu beurteilen. 

"Gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle möge die Bühnenshow daher als besonders geschmacklos zu bewerten sein. Eine solche Bewertung entziehe sich jedoch der verwaltungs- bzw. verfassungsrechtlichen Prüfung. Entscheidend sei allein, dass der Auftritt des Antragstellers in seiner Gesamtschau nicht den Schluss zulasse, dass der Antragsteller nationalsozialistische Gräueltaten verherrliche oder relativiere oder sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziere.

Anhaltspunkte dafür, dass durch die Bühnenshow des Antragstellers oder von ihm selbst strafbare Handlungen, wie das Verwenden von Propagandamaterial und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86 a Strafgesetzbuch) oder Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch), begangen würden, seien nicht ersichtlich."

Ob hier Beschwerde erhoben wird, ist unbekannt. Zutreffend ist aber, dass das Gericht der Kunstfreiheit zum Aktenzeichen: 7 L 1055/23.F den zutreffenden Rang eingeräumt hat. 

Dieser Fall gibt Anlass über die aktuelle deutsche "Verbotskultur" nachzudenken. Mit einem Verbot eines ausverkauften Konzerts wird niemand geschützt, der dort hingehen wird, zumal etliche Konzerte der Tour im Internet angesehen werden können. Sollte es hier Bedenken geben, hilft  nur eine wirklich kritische Auseinandersetzung auf der Basis von Tatsachen. Solche kritischen Auseinandersetzungen sind derzeit leider "dünn gesät", was kritisch anzumerken ist.


Roger Waters hat zu dieser Entscheidung bei Facebook Stellung genommen: 

𝑹𝑬𝑨𝑫 𝑨𝑳𝑳 𝑨𝑩𝑨𝑯𝑻 𝑰𝑻!!!!
FRANKFURT COURT finds Roger Waters cancelled show can proceed because the court finds:
“ROGER WATERS IS NOT AN ANTI-SEMITE!”
And
“His use of costume parodying the German Third Reich during the show” is “an acceptable use of artistic license to warn us all of the dangers of the current resurgence of fascism in the West.”
So, the concert in Frankfurt on the 28th will go ahead. In light of this enlightened decision:
1. Can we please stop conflating criticism of the policies of the government of the apartheid, racist, state of Israel with anti-semitism!
2. Can we please agree to scrap the absurd IHRA definition of anti-semitism, a worthless piece of paper, whose only possible use is to obfuscate the real meaning of the term?
3. Can we congratulate the German people for having laws that protect freedom of artistic expression? And urge them to prevail upon their government to please stop using militarized police to ban, and violently put down, peaceful BDS demonstrations organized in support of our oppressed brothers and sisters in Palestine.
I can’t wait to bring my message of love and peace to Germany in May, there to stand shoulder-to-shoulder, not only with all my brothers and sisters in the BDS movement, but also with the rest of the burgeoning anti-war, anti-racist, anti-capitalist, anti-authoritarian, anti-establishment movement that warms this bleeding heart.
Love
R.



 

Sonntag, 23. April 2023

Makler können Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren

Die Thematik ist nicht ganz so neu, wie sie klingt, angesichts des neuen Urteils des vom 20. April 2023 - I ZR 113/22, mit dem der BGH entschieden hat, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist.

Reservierungsvereinbarungen oder Kaufabsichtserklärungen finden sich nahezu bei allen Vermittlungsgeschäften, etwa auch im Kunsthandel, werden dort aber selten in AGB fixiert. In Reservierungsvereinbarungen lassen sich Vermittler von Geschäftsabschlüssen, ein Entgelt dafür versprechen, dass sie sich verpflichten, das betreffende Objekt während eines bestimmten Zeitraumes niemand anderem anzubieten, was grundsätzlich völlig legitim ist. Dies setzt aber bereits ein stattgefundene Vermittlungstätigkeit voraus, etwa nach dem Motto "Würde ich gerne kaufen, kann ich aber erst in drei Monaten". 

Indessen gehört es zum Leitbild eines Vermittlungsvertrages, dass eine Provision von einem Erfolg abhängt, soweit nichts anderes individualvertraglich vereinbart wurde. Verpflichtet sich ein Kunde gegenüber dem Makler nur an einen bestimmten nachgewiesenen Käufer zu verkaufen oder aber ein bestimmtes Grundstück zu kaufen, so kann dies nur individuell vereinbart werden, wobei die Regelungen des AGB - Rechts Einschränkungen enthalten können und bei Grundstücksgeschäften ohnehin § 311 b Abs.1 BGB Restriktionen erzwingen kann. Solche Klauseln dürfen daher nicht einseitig gestellt werden und für zahlreiche Fälle vorformuliert werden. Das ist das Kernproblem dieser Fälle. 

Der Streit um die Kaufabsichtserklärung zieht sich bereits lange dahin (s. etwa OLGR Düsseldorf, 2001, 1031; BGH, VersrR 1992, 958). Indessen kann ein Makler auch bei einem qualifizierten Alleinauftrag nicht garantieren, dass der Eigentümer nicht an einen anderen veräußerst. Solche Klauseln sind daher für Vermittler sehr riskant. Für den Makler können solche Klauseln sogar Schadensersatzansprüche auslösen. Eine solche Klausel kann sogar nichtig sein, wenn sie jemand zum Vertragsbruch verleiten sollte, § 138 BGB. Ganz abgesehen von Fällen der Überhöhung des Entgelts und bei zeitlicher Unbegrenztheit (BGHZ 103, 235). 

Es ist daher nicht so, dass dieses neue Urteil Neuland betritt. Die nächste Frage, die sich hier stellt, ist ein schuldrechliches Veräußerungsverbot. Dass solche Vereinbarungen dem Leitbild des Maklervertrages nicht entsprechen, wird schon lange vertreten (Staudinger/Reuter, §§ 652, 653, Rd. 230). 

Der BGH hat nunmehr klare Verhältnisse geschaffen, die aber nicht jede Kaufabsichtsvereinbarung ausschließt, wenn sie individuell getroffen werden sollte. 

Der BGH ist der Auffassung, dass der Reservierungsvertrag der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.

Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat.

Die Argumentation des BGH, dass eine solche Vereinbarung bereits nicht deshalb überzeugend ist, weil es sich um eine erfolgsunabhängige Provision handeln soll, ist bereits deshalb nicht überzeugend, weil der Kaufvertrag aufgrund der vorausgegangenen Vermittlungsbemühungen überhaupt zustande gekommen ist.  Ein Objekt wird nur reserviert, wenn es zuvor eine Vermittlung gegeben hat. Natürlich gibt es Möglichkeiten dies jenseits der AGB - Problematik zu lösen, wobei aber Vorsicht geboten ist. 


Montag, 17. April 2023

Aspekte zu "Paid Content" und § 5 a Abs.4 UWG

Hinter dem Begriff "Paid Content" verbergen sich durchaus sehr verschiedene "Online - Marketingstragien, die nach dem Gabler Wirtschaftsmagazin dadurch verbunden sind, dass es sich um bezahlte Inhalte handelt. Deren Formen sind sehr unterschiedlich. Abzugrenzen sind reine Gefälligkeitsnennungen (etwa als "Fan"), Influencermarketing besonders bei Instagram, bezahlte Inhalte auf Website, die Werbung darstellen, mitunter ohne Kenntlichmachung oder Contents, die über mobile Dienste gegen Bezahlung kenntlich gemacht werden (mobile Content - Marketing). Davon abzugrenzen sind werbefinanzierte Gratisinhalte, die oftmals mit Daten "bezahlt" werden. Entsprechend haben hier datenschutzrechtliche Vorgaben, eine hohe Bedeutung, die hier aber außen vorbleiben sollen.  

Die Bezahlprinzipien für Paid Content sind nicht weniger unterschiedlich, wie die Vermarktungsformen. Es kann sich um transaktionsunabhängige Abonnement-Modelle handeln, aber auch  transaktionsabhängige Modelle, bei denen der Kunde für jedes einzelne Content-Objekt (Musikstück, Film, Printartikel etc.) einzeln zahlt. Es gibt auch Modelle, bei denen nur für Promotionsleistungen nach Impressions gezahlt wird. Diese Modelle sind im B2B - Bereich sehr verbreitet. In vielen Fällen handelt es sich um Gestaltungsfragen, die aber alle das Ziel haben, Kenntnis und Nachfrage nach bestimmten Wirtschaftsgütern zu vergrößern, was völlig legitim ist.
 
Diese Vorgehensweisen finden vor einem rechtlichen Rahmen statt, der immer enger gezogen wird und eine gewisse Werbeskepsis. Das Werbung auch Kunst sein kann, hatte Charles Wilp eindrucksvoll unter Beweis gestellt ("Kunst im Rausch der Werbung"). Insoweit stellen sich hier unter Umständen auch grundrechtliche Fragestellungen. 

Bereits im analogen Presserecht wurde die Unterscheidung zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten entwickelt, die aber bereits in den 70ger Jahren immer durchlässiger wurde, etwa bei Productplacement in Film und Fernsehen. Diese Anforderungen wurde nahezu 1:1 in die Medien des Internets übertragen, wie aus §§ 22 Abs. 1, § 74 i.V.m. § 8 Abs. 3 MStV folgt.

Mit dem Aufkommen der Instagram - Influencer - Szene verschärfte sich die Situation und etliche Abmahnungen führten dazu, dass zunächst die Rechtsprechung lauterkeitsrechtliche Entscheidungen treffen musste, die man letztlich als zurückhaltend bezeichnen muss. 

Es handelt sich dabei um Produktplacement, Empfehlungsmarketing, Kaufanreize und vergleichbare Phänomene. Das OLG Celle entschied in einem der ersten OLG - Urteile zu diesem Thema, das die Kennzeichnung in einem Instagram - Post mit dem Hashtag #ad nicht hinreichend war (OLG Celle, 08.06.2017, 13 U 53/17). 

Wenig später hatte der BGH Gelegenheit in diesem Bereich einen praktikablen Rechtsrahmen zu entwickeln. In der bahnbrechenden Entscheidung Influencer I stellte der BGH klar, dass bei werblichen Inhalten zwecks Angebot von Waren und Dienstleistungen Kennzeichnungspflichten nach sich ziehen, die nach einer Güter - und Interessenabwägung weit gezogen wurden. Jede Gegenleistung macht einen solchen Post kennzeichnungspflichtig und selbst ohne Gegenleistung kann eine Kennzeichnungspflicht ausgelöst werden, wenn der Gesamteindruckung für einen werblichen Überschuss spricht. Mit der Entscheidung Influencer II wurden Einschränkungen bei reiner Eigenwerbung statuiert. Mit der Entscheidung Influencer III erweiterte der BGH die Kennzeichnungspflichten für den Bereich der Absatzförderung, wenn die betreffenden Waren - und Dienstleistungen von einem Dritten dem Influencer kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden. Die Schwelle zur Absatzförderung ist durchaus schnell erreicht. 

Dann entschied sich der Gesetzgeber vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben aus der UGP - RL zu handeln und diesen Bereich zu regulieren, was durch § 5 a Abs.4 UWG geschah, der reichlich Verwirrung bei den Unternehmen ausgelöst hat. Die Gesetzesfassung beruht auf dem Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3504) und trat am 28.05.2022 in Kraft. Die Norm hat folgenden Wortlaut: 

 (4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.

Die Norm enthält Restriktionen schafft aber auch Gestaltungsspielräume, die legal genutzt werden können. Zu einem kann sich der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung aus den Umständen ergeben, was mangels näherer Bestimmung, erhebliche Auslegungsprobleme auslöst. 

Zum anderen ergibt sich aber eine Einschränkung der Kennzeichnungspflicht aufgrund eines subjektiven Elements, wenn wenn der Verbraucher oder Marktteilnehmer durch die betreffende Gestaltung nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden soll, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die beiden Ausnahmen werden aber derzeit noch recht restriktiv gesehen, vor dem Hintergrund der UGP - Richtlinie. 

Die Regelung zur Entgeltproblematik entspricht der Rechtsprechung des BGH, die damit teilkodifiziert wurde. Diese Vermutung muss der Werbegestalter im Zweifel widerlegen. Es liegt auf der Hand, dass diese Regelungen teilweise Verzweiflung im Werbebereich ausgelöst haben.
 
Letztlich handelt es sich um eine Modifikation des bereits im Jahr 1909 anerkannten Wahrheitsgrundsatz, der das UWG jahrzehntelang geprägt hat. Es geht darum Verbraucher und Marktteilnehmer davor zu schützen, einen kommerziellen Zusammenhang nicht erkennen zu können, wie die europarechtliche Grundlage in § 7 Abs.2 UPG -RL statuiert. 

Es handelt sich um eine völlig eigenständige Norm, die letztlich mit der zutreffenden Bereitstellung wesentlicher Informationen nichts zu tun hat (so auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage, 2023, § 5 a, Rdnr. 4.6). Die deutsche Regulation ist richtlienkonform auszulegen. Etwaige Beschränkungen des Kommunikationsmediums sind daher nicht zu berücksichtigen. 

Die Norm findet keine Anwendung, wenn ein Betroffener nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden. Damit scheiden erhebliche Modelle des Paid Contents aus dem Anwendungsbereich aus, die allenfalls Promotions enthalten, die keine geschäftlichen Entscheidungen nach sich ziehen können. 

Es geht vielmehr eher um Fallgruppen wie der Tarnung einer Verkaufsveranstaltung als Freizeitveranstaltung, die Nichtkenntlichmachung eines kommerziellen Zwecks für eine Kontaktaufnahme, getarnte Meinungsumfragen, die Tarnung einer Werbung als private Äußerung und getarnte Werbung in Medien sowie dem Vortäuschen einer objektiven Berichterstattung. 

Besonders fraglich ist bei allen einschlägigen Gestaltungen, wann sich ein kommerzieller Zweck aus den Umständen ergibt. Die bisherige Kommentarliteratur legt dieses Tatbestandsmerkmal erwartungsgemäß restriktiv aus und will es nur angewendet wissen, bei geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens, nicht aber bei geschäftlichen Handlungen zugunsten dritter Unternehmen. 

Ähnlich restriktiv wird die subjektive Komponente eingeschätzt, so dass bereits eine Verlinkung auf ein Angebot ausreichen kann. Bislang sind nur wenige Klärungen durch die Rechtsprechung erfolgt. 

Der Rechtsrahmen ist daher mit Vorsicht zu handhaben und hat die Abmahnrisiken ausgeweitet, die aber bislang weitgehend ausgeblieben sind. Grundsätzlich sind werbliche Inhalte daher als Werbung zu kennzeichnen, wenn nicht mit guten Gründen eine Ausnahme angenommen werden kann. 
  
 


Samstag, 15. April 2023

OLG Frankfurt am Main zur Sperrung eines privaten Facebookaccounts

Das OLG Frankfurt am Main hat in einer interessanten Pressemitteilung hinsichtlich der Rechtsprechung zum Thema "Meta" (Facebook und Instagram) eine erneute Differenzierung durchgeführt und entschieden, wann in einem Eilverfahren kein Anspruch auf Kontofreischaltung besteht. 

Meta macht von Kontensperrungen bei Instragram und Facebook recht rigoros Gebrauch, wobei bei dem deutschen Unternehmen in Gütersloh - das diese Dienstleistungen für Meta durchführt - hinsichtlich der Sperrentscheidungen keine klare Linie feststellbar ist, auch mangels konkreter Angaben. Ob dies an der eingesetzten Software liegt, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Es ist durchaus bereits vorgekommen, dass Kreativen die Verletzung eigener Urheberrechte vorgeworfen wurde, dass die Kunstfreiheit nicht verstanden wurde und Journalisten regelrecht zensiert wurden. Die Entscheidungen in Sachen "Meta" sind in Deutschland "Legion": FB einerseits und Insta andererseits. Beide Accounts können via Facebook verwaltet werden. Die Problematik kann sich indessen verschärfen, wenn über einen privaten Accounts wirtschaftlich relevante Pages verwaltet werden. 

Der Leitsatz lautet: "Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung". Offen bleibt die Frage, ob ein etwaiger Verstoß im Vorfeld von Meta verwarnt werden musste. 

Das hängt indessen sicherlich davon ab, um welche Art von Sicherheitsgründen es sich handelt, da der betroffene Accountinhaber sie meist nicht näher kennt. Es bietet sich, sämtliche Kommunikationen mit Screenshots zu dokumentieren, die ggf. in einem Gerichtsverfahren verwendet werden können, da Meta insoweit eine sekundäre Darlegungslast obliegt. Richtige Beklagte in solchen Verfahren ist Meta mit Sitz in Dublin. Insoweit kommt den Nutzungsbedingungen von Meta eine zentrale Rolle zu, bei denen es sich um AGB handelt, die einer Inhaltskontrolle unterliegen können. 

Der zentrale Passus lautet insoweit wie folgt: 

  • Wir haben dein Konto zuvor wegen Verstößen gegen unsere Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards oder Bedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von Facebook gelten, deaktiviert. Wenn wir dein Konto wegen eines Verstoßes gegen unsere Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards oder andere Bedingungen und Richtlinien deaktivieren, verpflichtest du dich, ohne unsere Erlaubnis kein anderes Konto zu erstellen. Die Erlaubnis zum Erstellen eines neuen Kontos erteilen wir nach unserem alleinigen Ermessen. Ihr Erhalt bedeutet oder impliziert nicht, dass die disziplinarische Maßnahme falsch oder unbegründet war.
  • Dir ist nach geltendem Recht der Empfang unserer Produkte, Dienste oder Software untersagt.


Die Verbotstatstände werden danach noch weiter präzisiert, ohne zu präzise zu werden. Zu unterscheiden ist zwischen Sperrung und Kontolöschung, wobei die Toleranzbereiche ganz unterschiedlich, etwa was derzeitige Kontakt - Bulk - Anfragen auf manchen Accounts angeht. 

In der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main Nr. 22/2023 heisst es: 

Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung, wenn Facebook bereits die unwiederbringliche Kontolöschung untersagt wurde. Dass der Nutzer vorübergehend bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptverfahrens seine privaten Kontakte über Facebook nicht pflegen kann, ist hinzunehmen. 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde in Bestätigung der ersten Instanz zurückgewiesen. 

Die Antragstellerin verfügt über ein Facebook-Konto. Facebook sperrte und deaktivierte dieses Konto, da die Standards der Facebook-Gemeinschaft nicht eingehalten worden seien. In diesem Zusammenhang kommt es maßgeblich darauf an, um welche Sicherheitsstandards es sich handelt. Insofern kommt es maßgeblich darauf, welche Eigensicherungen der Accountinhaber vorgenommen hat (Qualität des Passwortes und anderes). Oder ob es sich um Datenverstöße und um Aspekte handelt, die in den Verantwortungsbereich von Meta fallen. Hier reicht es sicher nicht aus, vorzutragen, dass man "seine Freunde vermisst", so nachvollziehbar dass im Einzelfall auch sein mag. Teilweise handelt es sich insoweit auch um eine Dokumentationsproblematik. 

Die Antragstellerin hatte behauptet, ihr Konto sei „gehackt“ worden und beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung. Facebook sollte verpflichtet werden, das Konto wiederherzustellen und ihr die Nutzung wieder zu ermöglichen. Jedenfalls sollte Facebook verboten werden, das Konto unwiderbringlich zu löschen.

Das Landgericht hatte Facebook untersagt, das Konto unwiederbringlich zu löschen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit begehrte. 

Das OLG lehnte dies ab. Die Antragstellerin habe keine hinreichenden Gründe für die besondere Dringlichkeit ihres Anliegens dargetan. Die Anforderungen an die Darlegungen zur Dringlichkeit sind hoch und nicht pauschalisierbar. ChatGPT habe ich dazu noch nicht befragt. 

Durch das bereits vom Landgericht veranlasste Verbot der Kontolöschung sei die Antragstellerin hinreichend gegen den Verlust der von ihr benötigten und über ihr Konto abrufbaren Daten gesichert. Letztlich argumentiert das OLG mit einer Vorwegnahme der Hauptsache, die aber fast alle diese Verfahren kennzeichnet und in diesem Bereich nicht zu hoch gewichtet werden sollte. 

„Dass die Antragstellerin bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, in dem die Aufhebung der Kontosperre unter Deaktivierung begehrt werden kann, auf die aktive (und wohl auch passive) Nutzung des Facebook-Kontos verzichten müsste, wäre von ihr hinzunehmen“, führte das OLG weiter aus. 

Anders als in einer von ihr herangezogenen Entscheidung eines anderen OLG ginge es hier auch nicht um den Verlust einer fünfstelligen Zahl von Followern. Die Antragstellerin berufe sich vielmehr ausschließlich auf ihre private Kontaktpflege und die damit einhergehende Kommunikation. Es sei fernliegend, dass die Antragstellerin diese Kontakte nicht über andere soziale Medien bedienen könne. Zudem stünde hier weiterhin im Raum, dass das Facebook-Konto von Dritten unberechtigt genutzt worden sei. Es sei nicht dargelegt, dass eine weitergehende derartige Nutzung im Fall der Aktivierung des Kontos im Eilverfahren verhindert werde.

Die Entscheidung sollte zum Anlass genommen werden, die seitens des OLG gerügten Punkte zu bedenken und hierzu konkret vorzutragen. Die Problematiken werden sich in den nächsten Monaten kaum entzerren, da eine Änderung der Praxis nicht verzeichnet werden kann. 

Es stellt sich auch die Frage, ob diese Rechtsprechung mit den seitens des BGH aufgestellten Grundsätzen vereinbar ist. Wurde aufgrund der unwirksamen Geschäftsbedingungen der Beitrag eines Nutzers gelöscht und dessen Konto vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, hat der Nutzer einen Anspruch auf Freischaltung des gelöschten Beitrags und gegebenenfalls auch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung (BGH, Urteile vom 29. Juli 2021, III ZR 179/20 und III ZR 192/20).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.3.2023, Az. 17 W 8/23 (vorausgehend Landgericht Hanau, Beschluss vom 28.2.2023, Az. 9 O 213/23): Facebook

Die Entscheidung ist in Kürze unter 
www.rv.hessenrecht.hessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster
 abrufbar.