Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 25/2013
Der überaus lesenswerte Beschluss des u.a. für das Urheberrecht zuständigen I. Zivilsenat des BGH ist weit über den konkreten Anlass hinaus von Interesse. Der BGH hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zwar die Frage vorgelegt, nach welchen Regeln sich der Schutz technischer Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Videospiele richtet. Diese Aspekte sind aber nicht nur für Videospiele interessant, sondern etwa auch für die Hersteller von Computerzubehör für bestimmte Computer, die bestimmte Hardwareergänzungen nach ihren Vertriebsbestimmungen für nicht zulässig erklären. Mit Hilfe derartiger Tools lassen sich auf bestimmte Endgeräte auch Inhalte übertragen, die nicht über das zentrale Vertriebsnetz derartiger Anbieter erworben worden sind. Je nachdem wie der EuGH die sich hier stellenden Rechtsfragen entscheidet, könnte diese zu einer nicht unerheblichen "Klagewelle" führen. Die Bedeutung dieses Vorlagebeschlusses ist daher von erheblicher Praxisrelevanz.
Worum geht es?
Die Klägerin in diesem Rechtsstreit produziert und vertreibt Videospiele und Videospiel-Konsolen, darunter die Konsole "Nintendo DS" und zahlreiche dafür passende Spiele. Sie ist Inhaberin der urheberrechtlichen Schutzrechte an den Computerprogrammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken, die Bestandteil der Videospiele sind. Die Videospiele werden ausschließlich auf besonderen, nur für die Nintendo-DS-Konsole passenden Speicherkarten angeboten, die in den Kartenschacht der Konsole eingesteckt werden.
Die Beklagten boten im Internet Adapter für die Nintendo-DS-Konsole an. Diese Adapter sind den originalen Speicherkarten in Form und Größe genau nachgebildet, damit sie in den Kartenschacht der Konsole passen. Sie verfügen über einen Einschub für eine Micro-SD-Karte oder über einen eingebauten Speicherbaustein ("Flash-Speicher"). Nutzer der Konsole können mit Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Raubkopien der Spiele auf der Konsole verwenden. Dazu laden sie solche Kopien der Spiele aus dem Internet herunter und übertragen diese sodann entweder auf eine Micro-SD-Karte, die anschließend in den Adapter eingesteckt wird, oder unmittelbar auf den eingebauten Speicherbaustein des Adapters. Die Klägerin will mit dieser Klage daher auch die Nutzung von Softwarepiraterie eindämmen.
Die Rechtsauffassungen der Parteien und der bisherige Gang des Verfahrens
Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Adapter einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 95a Abs. 3 UrhG; diese Bestimmung regelt den Schutz wirksamer technischer Maßnahmen, die ihrerseits dem Schutz urheberrechtlich geschützter Werke dienen. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung der Karten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Vertrieb der Adapter verstoße gegen § 95a Abs. 3 UrhG. Das aufeinander abgestimmte Format der von den Klägerinnen hergestellten Karten und Konsolen stelle eine wirksame technische Maßnahme zum Schutz der in den Videospielen enthaltenen Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerke dar. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Der Vorlagebeschluss des BGH
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. § 95a Abs. 3 UrhG setzt Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG nahezu wörtlich ins deutsche Recht um. Beide Bestimmungen regeln den Schutz von Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke.
Für den Schutz von Maßnahmen zum Schutz von Computerprogrammen sehen allerdings die Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2009/24/EG und die zu ihrer Umsetzung ergangene Bestimmung des § 69f Abs. 2 UrhG eine besondere - weniger weitreichende - Regelung vor. Zudem bestimmt Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG, dass die Richtlinie 2001/29/EG - und damit auch deren Art. 6 Abs. 2 - die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen unberührt lässt.
Die zur Umsetzung dieser Vorschrift dienende Regelung des § 69a Abs. 5 UrhG bestimmt unter anderem, dass die Regelung des § 95a Abs. 3 UrhG nicht auf Computerprogramme anwendbar ist.
Die von den Klägerinnen vertriebenen Videospiele bestehen nicht nur aus Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken; vielmehr liegen ihnen auch Computerprogramme zugrunde. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich der Schutz von Maßnahmen zum Schutz solcher "hybriden Produkte" wie insbesondere Videospiele nach den speziell für Computerprogramme oder nach den allgemein für Werke geltenden Bestimmungen richtet oder ob sowohl die einen wie auch die anderen Bestimmungen anwendbar sind.
Da diese Frage die Auslegung des Unionsrechts betrifft, hat der BGH sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Schlussfolgerung:
Die Frage der urheberrechtlichen Beurteilung "hybrider Produkte" stellt sich keineswegs nur für Videospiele, sondern beispielsweise auch für bestimmte Formen von Mobile Content und insbesondere auch für "Apps". Die Entscheidung des EuGH ist mit Interesse zu erwarten.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2012 - I ZR 124/11 - Videospiel-Konsole
LG München I - Urteil vom 14. Oktober 2009 - 21 O 22196/08, MMR 2010, 341
OLG München - Urteil vom 9. Juni 2011 - 6 U 5037/09
Karlsruhe, den 7. Februar 2013
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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