BGH, Pressemitteilung Nr. 14/2013
Urteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12
Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses
Entscheidungen zur Schadensersatzpflicht der Telekommunikationsprovider wegen Ausfalls der Telekommunikationseinrichtungen - etwa nach verspäteter Portierung - sind rar und die Provider ziehen sich gerne auf die Konstruktion "Schädigung ohne Schaden" zurück. Die Haftung dem Grunde nach ist oftmals gegeben.
In der Tat ist die Berechnung des Schadensersatzes nicht unproblematisch und in Kenntnis dessen bieten viele TK - Provider den Kunden allenfalls geringe Pauschalen an, zumal die Kunden in Kenntnis der betreffenden Schwierigkeiten oftmals von einem Rechtsstreit absehen, der durchaus zu Kostennachteilen führen kann, wenn man die Sache realistisch betrachtet und der Schadensersatz weder konkret noch abstrakt schlüssig begründet werden kann.
Nunmehr hat einer diese Fälle den BGH erreicht, der damit Gelegenheit hatte ein Grundsatzurteil zu fällen, dass aber hinsichtlich der Höhe in einer Rückverweisung an das Berufungsgericht endete. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens mit Sitz in Montabaur Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses zuerkannt, weil infolge eines Fehlers des beklagten Telekommunikationsunternehmens bei einer Tarifumstellung der Kläger seinen DSL-Internetanschluss in der Zeit vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen konnte. Der Kläger wickelte über diesen Anschluss auch seinen Telefon- und Telefaxverkehr ab (Voice und Fax over IP, VoIP). Neben Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons anfielen, verlangt der Kläger Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während des genannten Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefax- und Internetverkehr zu nutzen, in Höhe von pauschal 50 € täglich, was einer abstrakten Berechnung des Schadensersatzes entspricht. Es handelt sich hier um einen rein privat genutzten TL - Anschluss, nicht etwa um unternehmerische oder freiberufliche Nutzung, was sich auch in der Schadenshöhe ausdrückt.
In den Vorinstanzen sind dem Kläger 457,50 € für das höhere, bei dem anderen Anbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung zuerkannt worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten seines DSL-Anschlusses weiter verfolgt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.
In Anwendung dieses Maßstabs hat der III. Zivilsenat einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dabei kommt es allerdings auf den Einzelfall an. Eine solche Verneinung wäre nach hiesiger Auffassung bei Unternehmen, die in erheblichem Umfang auf Faxverkehr angewiesen sind - etwa Rechtsanwaltskanzleien - kaum vernünftig zu argumentieren.
Nach Auffassung des BGH vermittelt der Telefaxverkehr lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirkt sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird (Bsp. E-Mail mit pdf - Anhang).
Im Ergebnis hat der Senat einen Schadensersatzanspruch auch für den Ausfall des Festnetztelefons abgelehnt, was in der Pressemitteilung nicht näher begründet wird. Allerdings stellt die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist.
Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte. Ob dies immer und stets so sein muss, lässt sich durchaus in Zweifel ziehen, weil ein funktionierender und im Geschäftsleben eingeführter Telefonanschluss mit einem Mobilfunkanschluss nicht völlig substituieren lässt. Bei privater Nutzung mag dies noch angehen.
Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen und äußert sich detailliert zu den Funktionen der Medien des Internets:
Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt.
Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.
Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren. Es liegt auf der Hand, dass dieser Schadensersatzanspruch angesichts der derzeitigen Kostensituation am DSL - Markt nicht allzu hoch sein wird.
Zur näheren Sachaufklärung hierzu hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das über die konkrete Höhe des Schadensersatzes nach der präzisen "Segelanweisung" des BGH zu befinden haben wird.
AG Montabaur - Urteil vom 7. Dezember 2010 – 5 C 442/10
LG Koblenz - Urteil vom 7. März 2012 – 12 S 13/11
Karlsruhe, den 24. Januar 2013
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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