BGH, Pressemitteilung Nr. 175/2012 - Richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB (Aus- und Einbaukosten bei Ersatzlieferung): Keine Anwendung im Bereich des B2B
Die Entscheidung ist für die AGB Klauselpraxis im B2B - Bereich von erheblicher Bedeutung. Die zugrundeliegende EuGH - Entscheidung prägt zudem die Klauselpraxis in der EU. Gemäß § 475 Abs.1 BGB (entsprechend Art. 7 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) darf von § 439 BGB (entsprechend Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) zuungunsten von Verbrauchern nicht abgewichen werden. Es war in Streit, ob diese Regelung auch im Bereich des B2B - ggf. über die Inhaltskontrolle des § 307 BGB - anwendbar sein sollte. Gegenüber Verbrauchern ist diese Vorschrift nach dem Urteil des EuGH weit auszulegen und umfasst auch die Ein- und Ausbaukosten. Der BGH macht deutlich, dass dies für den b2B - Bereich nicht und gilt und öffnet daher der Klauselpraxis weiter den Weg, die Übernahme solcher Kosten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Kaufverträgen grundsätzlich im Bereich B2B auf den Käufer abzuwälzen.
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Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2011 (C-65/09, C-87/09 – Gebr. Weber GmbH/Jürgen Wittmer; Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH) gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ("Lieferung einer mangelfreien Sache") auf den Verbrauchsgüterkaufvertrag (b2c) beschränkt ist und nicht für Kaufverträge zwischen Unternehmern (b2b) oder zwischen Verbrauchern (c2c) gilt.
Die im Sportplatzbau tätige Klägerin kaufte bei der Beklagten EPDM-Granulat eines polnischen Produzenten zur Herstellung von Kunstrasenplätzen in zwei Gemeinden. Nach dem Einbau durch die Klägerin stellte sich heraus, dass das von der Beklagten gelieferte Granulat mangelhaft war. Die Beklagte lieferte kostenlos Ersatzgranulat, lehnte es aber ab, das mangelhafte Granulat auszubauen und das Ersatzgranulat einzubauen. Daraufhin ließ die Klägerin diese Arbeiten durch ein anderes Unternehmen durchführen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem die Zahlung der ihr für den Aus- und Einbau entstandenen Kosten begehrt. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über den Umfang der Nacherfüllung beim Verbrauchsgüterkauf im Falle einer Ersatzlieferung keine Auswirkungen auf den hier vorliegenden Kaufvertrag zwischen Unternehmern hat.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat der Verbraucher bei einer Ersatzlieferung gegenüber dem Unternehmen Anspruch darauf, dass der Unternehmer die mangelhafte Sache, die vom Verbraucher vor Auftreten des Mangels bestimmungsgemäß eingebaut worden war, ausbaut und die als Ersatz gelieferte Sache einbaut oder die hierfür anfallenden Kosten trägt. Dies gilt, wie der VIII. Zivilsenat ausgeführt hat, nur für den zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossenen Kaufvertrag (b2c; dazu BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – VIII ZR 70/08). Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern (b2b) oder zwischen Verbrauchern (c2c) wird dagegen der Ausbau der mangelhaften Sache und der Einbau der Ersatzsache von der Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht erfasst.
Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11
OLG Stuttgart - Urteil vom 8. Juni 2011 – 4 U 34/11
LG Stuttgart - Urteil vom 2. Februar 2011 – 20 O 280/10
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2011 – VIII ZR 70/08
(veröffentlicht unter anderem in NJW 2012, 1073)
EuGH - Urteil vom 16. Juni 2011 - Rs. C-65/09 und C-87/09 – Gebr. Weber GmbH/Jürgen Wittmer und Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH
(veröffentlicht unter anderem in NJW 2011, 2269)
Karlsruhe, den 17. Oktober 2012
Quelle: Pressestelle des BGH
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