BGH: Pressemitteilung Nr. 178/2012: Keine Staatshaftungsansprüche für Sportwettenanbieter wegen nicht hinreichend qualifizierten Europarechtsverstoß
Die Bereiche Sportwetten, Glücksspiele im Internet, Gewinnspiele in Onlinemedien und damit zusammenhängende Entwicklungen sind seit Jahren in Bewegung und sind - jedenfalls in Deutschland - von einer immer dichter werdenden Regulierung gekennzeichnet, die zu harten rechtlichen Auseinandersetzungen führt, da es bei derartigen Investments um sehr viel Geld geht. Wie die Entscheidung treffend herausarbeitet sind erhebliche Teile der Gaming - Industry inzwischen mit Betriebsstätten in Gibraltar ansässig, dass über das United Kingdom (GB) zur EU gehört, aber in einigen Bereichen einen besonderen Status hat, die insbesondere die Gibraltar - Ltd. zu einem interessanten Organisationsmodell aufgrund der dortigen Rechtslage macht. Die Erlaubnis in Gibraltar richtet sich nach dem Gambling Act 2005.
Die Wetterlaubnis von Behörden aus Gibraltar wird aber in Deutschland im wesentlichen nicht anerkannt, so auch in Bayern (s. VGH Bayern, Urt. v. 20.09.2011, AZ: 10 BV 10.2449). Allerdings muss man sehen, dass dieses Urteil des BGH die Rechtslage von 2005 zum Gegenstand hat, während das Urteil des VGH Bayern sich bereits auf die Rechtslage nach Änderung des Rechtsrahmens aufgrund der Urteile des EuGH und des BVerfG bezieht. Bei der Beurteilung dieser Sachverhalte muss der jeweils gültige Rechtsrahmen eingehend ermittelt werden.
Zuvor hatten schon mehrere bayerische Kommunen diese Erlaubnis nicht anerkannt. Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007. Der BGH ist auf die interessanten Fragen der Anerkennungsfähigkeiten europäischer Lizenzen nicht eingegangen (die der VGH Bayern klar abgelehnt hat), sondern lässt den Staatshaftungsanspruch an einem formalen Kriterium scheitern, weil der Europarechtsverstoß nicht hinreichend qualifiziert war, so dass die bayerischen Kommunen zum fraglichen Zeitpunkt von einer Rechtswidrigkeit ausgehen durften.
---
Der unter anderem für die Staatshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Abweisung von zwei Schadensersatzklagen einer Sportwettenanbieterin gegen zwei bayerische Städte und den Freistaat Bayern bestätigt.
Die Klägerin verfügte über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten, die sie in Bayern auch über Wettbüros vertrieb, welche von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden.
Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem Geschäftsbesorger die Vermittlung von Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Ferner ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an. Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwaltungsgerichten angebrachte Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.
Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.
Die Vorinstanzen haben einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch verneint. Dies hat der III. Zivilsenat bestätigt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar.
Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol seien verfassungswidrig, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu denen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte.
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.
Urteile vom 18. Oktober 2012
III ZR 196/11
LG Landshut - 54 O 30/10 – Entscheidung vom 30. November 2010
OLG München - 1 U 392/11 – Entscheidung vom 15. Juli 2011
und III ZR 197/11
LG Passau - Az. 1 O 1118/09 vom 04.11.2010;
OLG München - Az. 1 U 5279/10 vom 15.07.2011;
Karlsruhe, den 18. Oktober 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen