Mittwoch, 16. Dezember 2015

BGH zur Zulässigkeit sogenannter "No-Reply" Bestätigungsmails mit Werbezusätzen

Mit Urteil vom 15. Dezember 2015 (AZ: VI ZR 134/15) hat der BGH entschieden, dass ein gegen den erklärten Willen eines Verbrauchers übersandtes E-Mail Schreiben mit werblichem Inhalt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs.1 BGB darstellt.  Den betroffenen Verbrauchern stehen zwar keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche zu, jedoch werden bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 823 Abs.1, 1004 BGB die Wertmaßstäbe des § 7 UWG herangezogen, um unterschiedliche Ergebnisse zu vermeiden (BGH, GRUR 2009, 980 - E-Mail-Werbung II).

Die vorliegende Konstellation war bislang nicht höchstrichterlich entschieden, auch wenn sich derartige Werbegestaltungen - auch für SMS - Werbung - häufig antreffen lassen. Der BGH orientiert sich allerdings an der in BGH, WRP 2013, 1579 (Empfehlungs-E-Mail) geäußerten Rechtsauffassung, dass ein Empfänger in den Erhalt einer E-Mail mit Werbung einwilligen muss und er gegen Werbung geschützt werden muss, gegen die er sich praktisch nicht zur Wehr setzen kann, sofern kein Ausnahmetatbestand - etwa aus § 7 Abs.3 UWG - eingreift. Die Werbung der Versicherung bezog sich aber vorliegend auf versicherungsfremde Leistungen und nicht auf Versicherungsprodukte, so dass hierfür keine Einwilligung vorlag.

Der Kläger ist Verbraucher. Er wandte sich am 10. Dezember 2013 mit der Bitte um Bestätigung einer von ihm ausgesprochenen Kündigung per E-Mail an die Beklagte. Die Beklagte bestätigte unter dem Betreff "Automatische Antwort auf Ihre Mail (…)" wie folgt den Eingang der E-Mail des Klägers:

"Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort. Mit freundlichen Grüßen Ihre S. Versicherung

Übrigens: Unwetterwarnungen per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für S. Kunden. Infos und Anmeldung unter (…) Neu für iPhone Nutzer: Die App S. Haus & Wetter, inkl. Push Benachrichtigungen für Unwetter und vielen weiteren nützlichen Features rund um Wetter und Wohnen: (…) 

***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***"

Der Kläger wandte sich daraufhin am 11. Dezember 2013 erneut per E-Mail an die Beklagte und rügte, die automatisierte Antwort enthalte Werbung, mit der er nicht einverstanden sei. Auch auf diese E-Mail sowie eine weitere mit einer Sachstandsanfrage vom 19. Dezember 2013 erhielt der Kläger eine automatisierte Empfangsbestätigung mit dem obigen Inhalt, also weiterhin mit Werbung, die er nicht erhalten wollte.

Der Kläger macht mit seiner Klage einen Unterlassungsanspruch aus Deliktsrecht geltend, mit dem er verlangt, die Beklagte zu verurteilen, es zu zukünftig unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit ihm, dem Kläger, ohne sein Einverständnis per E-Mail Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, sofern dies geschieht wie im Falle der E-Mails vom 10., 11. und 19. Dezember 2013.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils geführt.

Der BGH ist der Auffassung, dass jedenfalls die Übersendung der Bestätigungsmail mit Werbezusatz vom 19. Dezember 2013 den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hat, weil sie gegen seinen zuvor erklärten ausdrücklichen Willen erfolgt ist.

Ob es angesichts dieser Entscheidung für die Werbewirtschaft hinreicht, einfach die Einwilligungserklärungen zu erweitern, ist kritisch zu hinterfragen.

Vorinstanzen:
AG Stuttgart-Bad Cannstatt – Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14
LG Stuttgart – Urteil vom 4. Februar 2015 – 4 S 165/14
Karlsruhe, den 16. Dezember 2015
Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 205/2015 vom 16.12.2015

Donnerstag, 26. November 2015

BGH: Haftung von Access-Providern und Netzsperren

Mit den Urteilen vom 26. November 2015 - AZ: I ZR 3/14 und I ZR 174/14 - hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in zwei Verfahren über die Haftung von Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider), für Urheberrechtsverletzungen Dritter entschieden. Access-Provider ermöglichen Nutzern den Zugang zum Internet, etwa in Form eines Festnetzanschlusses mit DSL oder über mobile Telekommunikation. Ein Access-Provider ist nach § 8 Abs.1 TMG (entsprechend Art.12 Abs.1 und 2 der E-Commerce-RL) für fremde Inhalte, die ein Diensteanbieter übermittelt oder zu denen er den Zugang vermittelt, nicht verantwortlich, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst hat, er den Adressaten der übermittelten Botschaft nicht ausgewählt hat und er die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Über die Haftung der Access - Provider wird seit Jahren zwischen den Rechteverwerten im Musik- und Filmbereich und den Telekommunikationsunternehmen heftig gestritten. Nunmehr hat der BGH hierzu in zwei Verfahren Grundsatzurteile gefällt. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 3/14 ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt für Komponisten, Textdichter und Musikverleger urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu einer bestimmten Webseite über die nach Darstellung der Klägerin auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden konnte, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die zuvor bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden waren. 

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte. Sie macht geltend, die Beklagte habe derartige Rechtsverletzungen als Access - Provider zu unterbinden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen. 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. 

Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 174/14 sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to". Nach Darstellung der Klägerinnen konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gemäß § 85 UrhG. 

Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen in beiden Verfahren zwar zurückgewiesen, aber Hinweise gegeben unter welchen Voraussetzungen eine Haftung von Access - Providern auf Unterlassung in Betracht kommt und zwar mit Netzsperren als letztem Mittel. Damit wird eine Debatte über den Sinn und Unsinn von - sicherlich umgehbaren - Netzsperren wieder belebt, die seit gut 15 Jahren geführt wurde, aber in den letzten Jahren etwas leiser geworden war. Hierzu hat die Süddeutsche Zeitung eine interessante erste Stellungnahme veröffentlicht.  

Letztlich kann nur auf der Basis der Urteilsgründe eine Auseinandersetzung darüber geführt werden, ob diese Entscheidungen die gesetzlichen Privilegien der Access - Provider nicht zumindest in bedenklicher Art und Weise einschränken. Jedenfalls lässt sich der Pressemitteilung entnehmen, dass 
Telekommunikationsunternehmen, die Dritten den Zugang zum Internet bereitstellen, von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer darauf in Anspruch genommen werden können, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Damit entfernt sich der BGH erheblich von der Gesetzeslage. Im Ergebnis führt dies dazu, dass dem Zugangsvermittler die Haftung für Inhalte auferlegt wird, auf deren Gestaltung er zu keinem Zeitpunkt je Einfluss nehmen konnte. Im Ergebnis kann dies auf eine proaktive Filterung von Inhalten hinauslaufen, die eine privatrechtlich angeordnete Zensur zur Folge haben. Bereits an der Mitstörereigenschaft der Access - Provider bestehen hinsichtlich einer irgendwie kausalen Mitwirkung an den Gestaltungen deutliche Zweifel. Im Wortlaut:

"Als Störer haftet bei der Verletzung absoluter Rechte (etwa des Urheberrechts oder eines Leistungsschutzrechts) auf Unterlassung, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. 

Das deutsche Recht ist vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft richtlinienkonform auszulegen und muss deshalb eine Möglichkeit vorsehen, gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen. In der Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten liegt ein adäquat-kausaler Tatbeitrag der Telekommunikationsunternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to". In die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung sind die betroffenen unionsrechtlichen und nationalen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer einzubeziehen. 

Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internet bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren. 

Eine Störerhaftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. 

Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. 

An dieser Voraussetzung fehlt es in beiden heute entschiedenen Fällen. Im Verfahren I ZR 3/14 hat die Klägerin gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" eine einstweilige Verfügung erwirkt, die unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwies. Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, durfte sich die Klägerin nicht zufriedengeben, sondern hätte weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen. 

Im Verfahren I ZR 174/14 ist die Klage abgewiesen worden, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung "goldesel" vorgegangen sind. Dessen Inanspruchnahme ist unterblieben, weil dem Vortrag der Klägerinnen zufolge dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht entnommen werden konnte. Die Klägerinnen haben nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen zu haben". 

Die Entscheidungen ermöglichen zwar letztlich einen Unterlassungsanspruch gegen die Access-Provider, bürden den Anspruchstellern aber erhebliche Dokumentationslasten hinsichtlich unternommener Anstrengungen der Täteridentifikation auf, deren Art und Umfang die nächste Entwicklungsstufe dieser Auseinandersetzungen darstellen werden, unbeschadet der Rechtsfrage, ob die Haftung der Access - Provider hier nicht überdehnt wird, wofür gute Gründe sprechen.  


LG Hamburg - Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08
OLG Hamburg - Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10
BGH, I ZR 174/14Haftung des Accessproviders
LG Köln - Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10
OLG Köln - Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11
BGH, I ZR 3/14
Quelle: Pressemitteilung des BGH
Karlsruhe, den 26. November 2015

Mittwoch, 25. November 2015

BGH zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

Die Romanfigur "Pippi Langstrumpf" hat die deutschen Gerichte bereits öfter beschäftigt. Bereits mit Urteil vom 17.03.2013 hatte der BGH in der Entscheidung "Pippi - Langstrumpf - Kostüm I" einen auf eine Urheberrechtsverletzung gestützten Schadensersatzanspruch aus § 97 UrhG wegen einer Verwendung einer der Romanfigur möglicherweise ähnlichen Figur zu Werbezwecken in einer bekannten Supermarktkette aus Köln am Rhein für Karnevalskostüme abgelehnt. 

Die Entscheidung ist bereits deshalb interessant, weil der BGH in dieser Entscheidung dezidiert zu den internationalprivatrechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Nutzungsrechtsüberlassungsvertrag Stellung nimmt, dessen Voraussetzungen hier nach schwedischem Recht bejaht worden war, so dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Darüber hinaus nimmt der BGH einen grundsätzlichen isolierten Schutz dieser Romanfigur in urheberrechtlicher Hinsicht an, wobei die Reichweite aber problematisch werden könnte: 

"Dieser Schutz einer fiktiven Person kann auch unabhängig vom konkreten Beziehungsgeflecht und dem Handlungsrahmen bestehen, wie sie in der Fabel des Romans ihren Ausdruck gefunden haben. Zwar gewinnen die in einer Erzählung handelnden Personen ihr charakteristisches Gepräge zumeist erst durch ihre Handlungen und Interaktion mit anderen dargestellten Personen. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass sich die darin zum Ausdruck gelangende Persönlichkeit verselbständigt, wenn ihre typischen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen in variierenden Handlungs- und Beziehungszusammenhängen – insbesondere bei Fortsetzungsgeschichten – regelmäßig wiederkehren.Voraussetzung für den isolierten Schutz eines fiktiven Charakters ist es demnach, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Allein die Beschreibung der äußeren Gestalt einer handelnden Figur oder ihres Erscheinungsbildes wird dafür in aller Regel nicht genügen".

In der ersten Entscheidung lehnte der BGH aber einen Schadensersatzanspruch wegen einer - im Ergebnis - freien Bearbeitung ab, weil der Abstand zwischen der Romanfigur und der Werbefigur letztlich zu groß war und die Übereinstimmungen zu gering waren. 

Nachdem dieser Versuch gescheitert war, versuchte es die Klägerin unter dem Aspekt des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes vor dem OLG Köln erneut, nachdem der BGH den revionsrechtlichen Hinweis erteil hatte, dass das OLG Köln den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz nicht geprüft hatte und die Sache daher an das OLG zurückverwiesen hatte. 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in der Entscheidung "Pippi-Langstrump-Kostüm II" über die interessante Frage zu entscheiden, ob eine bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm nach §§ 4 Nr.9, 3 UWG geschützt ist. Es handelt sich um den gleichen Rechtsstreit wie in dem erstgenannten revisionsrechtlichen Verfahren, da gegen das zweite Urteil des OLG Köln wiederum Revision eingelegt worden war. 

Es handelte sich um die gleiche Beklagte wie im erstgenannten Rechtsstreit. Diese Beklagte hatte um für ihre Karnevalskostüme zu werben in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren, verwendet. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die nach dem ersten Urteil des BGH in dieser Sache berechtigt für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte zwar antragsgemäß verurteilt, jedoch blieb die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten erfolglos. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2013).

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG ergebe.

Zwar geht der BGH nunmehr auch lauterkeitsrechtlich davon aus, dass die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren darstellt. Hierzu müssen allerdings besondere Umstände hinzutreten, die ein solches Verhalten unlauter erscheinen lassen. Das Vorliegen dieser Einschränkung hat der BGH verneint. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf, so dass ein Anspruch aus 4 Nr. 9 UWG ausscheidet. 

Zwar geht der BGH jetzt davon aus, dass auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen kann. Er verneint indessen eine Nachahmung, an die strenge Anforderungen gestellt werden: "An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt".

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt.

Sodann gibt der BGH der Klägerin noch einige interessante Hinweise auf Weg, wobei die Situation im Markenregister allerdings etwas kompliziert erscheint: "Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen".

Beide Urteile sind insbesondere für Gestaltungen in der Werbebranche von Interesse, da insoweit Spielräume eröffnet werden, die aber jeweils eine Art "Gratwanderung" darstellen.


Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 10. August 2011 - 28 O 117/11
OLG Köln - Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 U 176/11
BGH - Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I
OLG Köln - Urteil vom 20. Juni 2014 - 6 U 176/11
Urteil vom 19.November 2015 - I ZR 149/14 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II 

Quelle: Pressemitteilung des BGH
Karlsruhe, den 19. November 2015

Dienstag, 10. November 2015

EuGH zu audiovisuellen Mediendiensten

Das interessante Urteil in der Rechtssache C-347/14 New Media Online GmbH / Bundeskommunikationssenat betrifft eine aufsichtsrechtliche Fallgestaltung, die aber für Mediendienste von europaweiter Bedeutung ist und zwar mit Blick auf bestehende Anzeigepflichten bei der Medienaufsicht und deren Reichweite. . 

Die New Media Online, eine Gesellschaft mit Sitz in Innsbruck (Österreich), betreibt die lesenswerte Online-Zeitung „Tiroler Tageszeitung Online“ (www.tt.com). Diese Website enthält hauptsächlich Presseartikel. Allerdings sollte in Zeiten der Medienkonvergenz auch gesehen werden, dass im Internet vorgehaltene Presseartikel ideal mit Videocontents ergänzt werden können, wobei es sich durchaus auch umgekehrt verhalten kann. Im maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2012  führte ein Link mit der Bezeichnung „Video“ auf eine Subdomain der Tiroler Tageszeitung Online, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos angesehen werden konnten.

Die betreffenden Videos wiesen durchaus unterschiedliche Längen auf (30 Sekunden bis mehrere Minuten) und betrafen unterschiedliche Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern  im Sinne von User - Generated - Content. Nur wenige Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Zeitung. Ferner wurde ein Teil der Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, produziert und war auch auf dessen Website zugänglich. Der eine oder andere Leser wird sich jetzt fragen, wo das medienaufsichtsrechtliche Problem liegt. Dazu ist ein kurzer Blick auf das Medienaufsichtsrecht in Österreich zu werfen. 

Die für die Medienaufsicht zuständige Behörde ist die Kommunikationsbehörde Austria (kurz: KommAustria). Sie wurde im Jahr 2001 gegründet und ist die Rechtsaufsichtsbehörde über den Österreichischen Rundfunk. Die operativen Aufgaben werden überwiegend von der Geschäftsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) als einem beliehenen Unternehmen wahrgenommen. Diese Geschäftsstelle teilt sich die KommAustria mit der für die Regulierung der Telekommunikationsnetze und -dienste zuständigen Telekom-Control-Kommission (TKK) sowie der für die Postregulierung zuständigen Post-Control-Kommission (PCK). Das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (früher Privatfernsehgesetz) setzt die Audiovisuelle Mediendiensterichtlinie (EU-AVMD-RL) um und erweitert die Inhaltskontrolle über Rundfunkprogramme auf audiovisuelle Mediendienste im Internet, für deren Aufsicht die KommAustria zuständig ist. Mediendienste auf Abruf unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht nach § 9 des Gesetzes, die von der einschlägigen EU-Richtlinie nicht vollständig harmonisiert worden sind. 

Nach Ansicht der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) stellt die fragliche Subdomain „Video“ einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf dar, der in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht unterliegt. Eine solche Anzeige war hier nicht erfolgt. Der Bundeskommunikationssenat (die zuständige österreichische Behörde für Berufungen gegen Entscheidungen der KommAustria) bestätigte diese Beurteilung. New Media Online wandte sich daraufhin an den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die u. a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen. In der Richtlinie sind Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen. Der Begriff des audiovisuellen Mediendienstes war bislang nicht vollständig geklärt. 

Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt. Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen Dies ist der Fall, wenn dieses Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist und dahinter in seiner Bedeutung zusteht. Daran kann man angesichts einer Subdomain deutlich zweifeln, aber der EuGH sah das anders.   

Mit der eingangs genannten Entscheidung vertritt der Gerichtshof erstens, dass der Begriff „Sendung“ im inne der Richtlinie die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst. Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, "dass die Dauer der Videos unerheblich ist und sich die Art und Weise, wie die in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, nicht von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. Zudem treten Videos wie die in Rede stehenden in  Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten sowie zu Musikkanälen, Sportkanälen und Unterhaltungssendungen. Die Richtlinie zielt aber gerade darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf wie die fragliche Videosammlung dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können".  

Der Gerichtshof antwortet zweitens, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des Verwaltungsgerichtshofs und kann vom EuGH nicht vorgenommen werden. Der EuGH gibt dem Gerichtshof aber deutliche Hinweise, wie er sich die Rechtslage auch insoweit vorstellt. 



Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die elektronische Ausgabe einer Zeitung trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten ist, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen. Im umgekehrten Fall handelt es sich sicher um einen audiovisuellen Abrufdienst. 

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass ein audiovisueller Dienst nicht immer und schon dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. 

"Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird. Im vorliegenden Fall scheinen nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt gewesen zu sein. Auch ist offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit von New Media Online eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von New Media Online angebotenen Diensten unterscheidet. Diese Beurteilung ist jedoch Sache des Verwaltungsgerichtshofs". 

In diesem Bereich operierende Dienste - auch über mobile Telekommunikation werden diese Anzeigepflicht intensiver zu berücksichtigen haben. Letztlich werden damit die Anzeigepflichten ausgeweitet.  


Sonntag, 8. November 2015

Werbung für den Erwerb von Werken ohne urheberrechtliche Zustimmung

Mit den drei Urteilen vom 5. November 2015 zu den Aktenzeichen I ZR 91/11, I ZR 76/11, I ZR 88/13 hat I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof erneut entschieden, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten. 

Der Senat setzt damit seine langjährige Rechtsprechung zu einem weiten Verständnis des "Anbietens" im Rahmen des Verbreitungsrechts nach § 17 UrhG fort. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung beginnt die Verbreitung mit den Vorbereitungshandlungen, mit welchen das Werkoriginal in Prospekten, Rundschreibe und Werbeanzeigen oder sonstigen Werbemittel angeboten wird (BGH, GRUR 1981, 360, 362 - Erscheinen von Tonträgern; BGH, GRUR 1991, 316 - Einzelangebot; KG, GRUR 1983, 174 - Videoraubkassetten), wobei das bloße Angebot hinreichend ist (Übersicht bei Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., 2015, § 17 Rn. 11).. 

Das Anbieten ist eine eigenständige Verbreitungshandlung, die im Inland auch dann realisiert wird, wenn dort das Angebot nur beworben wird, um den Gegenstand im Ausland erwerben zu können. Der BGH hatte bereits in der Entscheidung BGH, GRUR 2007, 871 - Wagenfeld - Leuchte I entschieden, das die Werbung für eine nach § 2 Abs.1 Nr.4 UrhG in Deutschland geschützte Wagenfeld - Lampe rechtswidrig ist, wenn diese Lampe als Nachbau ohne Autorisierung der Rechteinhaber in Italien nach dortigem Recht zulässigerweise hergestellt wird. Danach ist jedes Angebot im Inland nach dem dortigen Recht zu beurteilen (OLG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2006, 43,45). 

Sofern ein solcher Vertrieb im Ausland rechtmäßig erfolgen kann, müsste daher die Werbung entsprechend auf dieses Territorium beschränkt werden, was in Zeiten des weltweiten Werbeabrufes durch Internetmedien nicht ganz einfach ist. Infolgedessen waren solche Werbeaktion bereits zuvor kritisch zu beurteilen. Die beiden ersten der entschiedenen Fälle betrafen eine solche Konstellation. Das Verlangen nach Unterlassung in derartigen Fällen hat selbstverständlich eine faktische Vertriebsbeschränkung, wenn nicht gar ein faktisches Vertriebsverbot wirtschaftlich zum Ziel. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt). Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. 

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit ihrer Werbung das Recht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. 

Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten greife in das Recht des Urhebers zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. 

Etwas anders gelagert ist der dritte Fall, der das Musikvertriebsrecht für "Bootlegs" - insbesondere nach § 96 UrhG - betrifft und zeigt, wie ein ausübender Künstler in diesem Bereich selbst aktiv werden kann. Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30. November 2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war von dem ausführenden Künstler Al Di Meola - einem weltweit bekannten Jazzvirtuosen -  nicht autorisiert worden (sog. Schwarzpressung). Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers aus abgetretenem Recht wegen Verletzung der Rechte aus §§ 73 ff UrhG ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG. Die Beklagte entfernte zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 

Der Bundesgerichtshof hat - wenig erstaunlich - die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Rechtssache EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13 - Dimensione und Labianca/Knoll auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gilt für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten. 

Danach verletzt die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handelt es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte.

Desgleichen stellt im Verfahren I ZR 88/13 das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar. 

Sämtliche drei Urteile bestätigen die bisherigen Entwicklungslinien in diesem Bereich.

Entscheidungen:

BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel II 
EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13 - Dimensione und Labianca/Knoll 
BGH, Beschluss vom 1. April 2013 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel I 
OLG Hamburg - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 26/09 
LG Hamburg - Urteil vom 2. Januar 2009 - 308 O 255/07 I ZR 76/11 
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 76/11 - Wagenfeld-Leuchte II 
OLG Hamburg, Urteil vom 30. März 2011 - 5 U 207/08 
LG Hamburg, Urteil vom 12. September 2008 - 308 O 506/05 I ZR 88/13 
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 88/13 - Al Di Meola 
LG Hamburg, Urteil vom 26. April 2013 - 308 S 11/12 
AG Hamburg, Urteil vom 13. September 2012 - 35a C 159/12 
Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 05. November 2015

Montag, 12. Oktober 2015

EuGH: Datenschutz, Facebook und die Übermittlung von Daten in Drittstaaten

Die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache C-362/14, Maximillian Schrems / Data Protection Commissioner, ist zwar äußerst interessant, ob sie Folgen haben wird, muss sich erst zeigen. Sie wird jedenfalls keinesfalls die Übertragung von "Big Data" in die USA - ob über Facebook oder andere Plafformen - einschränken. Die Resonanz in den USA scheint verhalten bis ablehnend zu sein. 


Für Deutschland bestimmt § 4 b Abs.2 BDSG dass bei einer Übertragung von Daten in Drittstaaten (außerhalb des Anwendungsbereiches des Rechts der Europaischen Union) eine Übertragung - vereinfacht ausgedrückt - nur in Betracht kommt, wenn  ein angemessenes Datenschutzniveau im Drittsstaat existiert, soweit nicht Ausnahmen nach § 4 c BDSG eingreifen. Diese Regelungen knüpfen unmittelbar an die Art. 25 und 26 der EU - Datenschutzrichtlinie an. Die deutschen Regelungen sind gegenüber den EU - Vorgaben gelockert (Simitis, BDSG, 8. Aufl., 2014, § 4 b, Rn. 3). Die Frage ob sich die Anwendung des Datenschutzrechts bei einem Unternehmenssitz in Irland stets nur nach irischem Recht beurteilen lässt, mag hier offen bleiben, zumal die irischen Regelungen sich strikter an die Richtlinie halten. Für den Ausgangsfall sind grds. die §§ 12 und 13 des österreischen Dastenschutzgesetzes maßgeblich. Sämtliche Regelungen beruhen auf der EU - Datenschutzrichtlinie, über deren Auslegung der EuGH zu befinden hat.  


Keineswegs verwirft der EuGH das Safe - Harbour - Abkommen. Der Gerichtshof erklärt vielmehr die Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wird, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein angemessenes Schutzniveau übermittelter personenbezogener Daten gewährleisten, für ungültig. Der EuGH erklärt das sehr plastisch: 

"Während allein der Gerichtshof dafür zuständig ist, einen Rechtsakt der Union für ungültig zu erklären, können die mit einer Beschwerde befassten nationalen Datenschutzbehörden, auch wenn es eine Entscheidung der Kommission gibt, in der festgestellt wird, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleistet, prüfen, ob bei der Übermittlung der Daten einer Person in dieses Land die Anforderungen des Unionsrechts an den Schutz dieser Daten eingehalten werden, und sie können, ebenso wie die betroffene Person, die nationalen Gerichte anrufen, damit diese ein Ersuchen um Vorabentscheidung zur Prüfung der Gültigkeit der genannten Entscheidung stellen". 

 
Allerdings äußert sich der EuGH eingehend zu den einschlägigen Normen der Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten, die insoweit bestimmt, dass die Übermittlung solcher Daten in ein Drittland grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau dieser Daten gewährleistet. Ferner kann nach der Richtlinie die Kommission feststellen, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet. Schließlich sieht die Richtlinie weiter vor, dass jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere öffentliche Stellen benennt, die in seinem Hoheitsgebiet mit der Überwachung der Anwendung der zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften beauftragt sind („Datenschutzbehörden“).


Im Ausgangsfall hat ein österreichischer Staatsangehöriger, der seit 2008 Facebook nutzt, in Irland vor dem High Court auf Auskunft geklagt. Wie es bei der Nutzung von Facebook üblich ist, werden die Daten, die jeder Nutzer in Europa Facebook liefert, von der irischen Tochtergesellschaft von Facebook ganz oder teilweise an Server, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, übermittelt und dort verarbeitet, letztlich auch ausgewertet. Facebook weiss sehr genau, was seiner Nutzer dort treiben. Einzelne Nachfragen zur Optimierung der Nutzung zeigen dies sehr deutlich.  


Der Kläger legte bei der irischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde ein, weil er im Hinblick auf die von Herrn Edward Snowden enthüllten Tätigkeiten der Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten, insbesondere der National Security Agency (NSA), der Ansicht war, dass das Recht und die Praxis der Vereinigten Staaten keinen ausreichenden Schutz der in dieses Land übermittelten Daten vor Überwachungstätigkeiten der dortigen Behörden böten. Die irische Behörde wies die Beschwerde insbesondere mit der Begründung zurück, die Kommission habe in ihrer Entscheidung vom 26. Juli 2002 festgestellt, dass die Vereinigten Staaten im Rahmen der sogenannten „Safe-Harbor-Regelung“ ein angemessenes Schutzniveau der übermittelten personenbezogenen Daten gewährleisteten. Daraufhiun erhob der Kläger in Irland Klage zum High Court. 



Der mit der Rechtssache befasste irische High Court möchte wissen, ob diese Entscheidung der Kommission eine nationale Datenschutzbehörde daran hindert, eine Beschwerde zu prüfen, mit der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31). Gegenstand des Urteils ist daher nur diese Entscheidung der Europäischen Kommission, die der EuGH erfreulicherweise für falsch hält. Die Safe-Harbor-Regelung enthält eine Reihe von Grundsätzen über den Schutz personenbezogener Daten, denen sich amerikanische Unternehmen freiwillig unterwerfen können, die also nicht einmal von Gesetzes wegen in den USA gelten.



In dem im Kern zu begrüßenden Urteil des EuGH führt der Gerichtshof aus, dass die Existenz einer Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wird, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau für
übermittelte personenbezogene Daten gewährleistet, die Befugnisse, über die die nationalen Datenschutzbehörden aufgrund der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie verfügen, weder beseitigen noch auch nur beschränken kann. Es kann die nationalen Datenschutzbehörden daher auch nicht rechtlich binden. Diese Datenschutzbehörden bleiben vielmehr zuständig, weil keine Bestimmung der Richtlinie die nationalen Datenschutzbehörden an der Kontrolle der Übermittlungen personenbezogener Daten in Drittländer hindert, die Gegenstand einer Entscheidung der Kommission waren. Die national zuständigen Datenschutzbehörden müssen Beschwerden in völliger Unabhängigkeit prüfen können. Dazu gehört auch die Feststellung, ob ein angemessenes Schutzniveau in dem betreffenden Drittstaat vorhanden ist oder nicht. Letztlich läuft das auf eine Rechtsvergleichung im Datenschutzrecht hinaus. Der EuGH wird sehr deutlich:


"Ist eine nationale Behörde oder die Person, die sie angerufen hat, der Auffassung, dass eine Entscheidung der Kommission ungültig ist, muss diese Behörde oder diese Person folglich die nationalen Gerichte anrufen können, damit diese, falls sie ebenfalls Zweifel an der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission haben, die Sache dem Gerichtshof vorlegen können". 


Der Gerichtshof kommt hinsichtlich der Entscheidung der Kommission zu dem Schluss, dass die Kommission hätte feststellen müssen, dass die Vereinigten Staaten aufgrund ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen tatsächlich ein Schutzniveau der Grundrechte gewährleisten, das dem in der Union aufgrund der Richtlinie im Licht der Charta garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist. Eine solche Feststellung hat die Kommission nicht getroffen, sondern sie hat sich darauf beschränkt, die SafeHarbor-Regelung zu prüfen. Folglich hat der EuGH keineswegs festgestellt, dass die US - Regelungen kein angemessenes Schutzniveau enthalten. 



Die Regelungen des Safe - Harbour - Abkommens binden nach der völlig überzeugenden Auffassung des EuGH nur jene amerikanischen Unternehmen, die sich ihr freiwillig unterwerfen, nicht aber für die Behörden der Vereinigten Staaten. Außerdem haben die Erfordernisse der nationalen Sicherheit, des öffentlichen Interesses und der Durchführung von Gesetzen der Vereinigten Staaten Vorrang vor der Safe-Harbor-Regelung, so dass die amerikanischen Unternehmen ohne jede Einschränkung verpflichtet sind, die in dieser Regelung vorgesehenen Schutzregeln unangewandt zu lassen, wenn sie in Widerstreit zu solchen Erfordernissen stehen. 

Die amerikanische SafeHarbor-Regelung ermöglicht daher Eingriffe der amerikanischen Behörden in die Grundrechte von Personen, die US - Recht nicht unterliegen. Es ist vielmehr so, dass die amerikanischen Behörden auf die aus den Mitgliedstaaten in die Vereinigten Staaten übermittelten personenbezogenen Daten zugreifen dürfen und sie in einer Weise verarbeiten konnten, die namentlich mit den Zielsetzungen ihrer Übermittlung unvereinbar war und über das hinausging, was nach Ansicht der Kommission zum Schutz der nationalen Sicherheit absolut notwendig und verhältnismäßig gewesen wäre. Es gibt nach US - Recht für die Betroffenen keine administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelfe, die es ihnen erlauben, Zugang zu den sie betreffenden Daten zu erhalten und gegebenenfalls deren Berichtigung oder Löschung zu erwirken. Ob es derart effektive Rechte nach deutschen Recht oder einer anderen Rechtsordnung in bestimmten Bereichen gibt, sei hier dahingestellt


Der Gerichtshof wird aber sehr deutlich, indem er ausführt, dass eine Regelung, die es Behörden gestattet, generell auf den Inhalt elektronischer Kommunikation zuzugreifen, den Wesensgehalt des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verletzt. Das ist eine sehr weitreichende Formel, bei der man in der Zukunft beobachten muss, wie sie angewendet werden wird. Der EuGH vertieft dies weiter dahingehend, dass es für Betroffene eine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes geben muss, weil eine solche Möglichkeit dem
dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent ist.


Der EuGH stellt klar, dass die Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 2000 den nationalen Datenschutzbehörden Befugnisse entzieht, die ihnen für den Fall zustehen, dass eine Person die Vereinbarkeit der Entscheidung mit dem Schutz der Privatsphäre sowie der Freiheiten und Grundrechte von Personen in Frage stellt. Die Kommission hatte keine Kompetenz, die Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden in dieser Weise zu beschränken. Die Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 2000 wird für ungültig erklärt. Letztlich wird eine Entscheidung der Europäischen Kommission verworfen, zu der sie gar nicht befugt war. 


Infolgedessen muss die irische Datenschutzbehörde die Beschwerde des Klägers mit aller gebotenen Sorgfalt prüfen und ihn neu dahingehend bescheiden,  ob nach der Richtlinie die Übermittlung der Daten der europäischen Nutzer von Facebook in die Vereinigten Staaten auszusetzen ist, weil dieses Land kein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten bietet. Diese Entscheidung wird abzuwarten sein. Derzeitige Änderungen für die Praxis: keine.  

Die Entscheidung hat daher beispielsweise auf die einschlägige Klauselpraxis in AGB und in Verträgen derzeit nach hiesiger Einschätzung noch keine Auswirkungen. 



Quelle: PRESSEMITTEILUNG Nr. 117/15
Luxemburg, den 6. Oktober 2015



Freitag, 11. September 2015

Internationale Zuständigkeit bei Internet-Maklerprovision

In dem Rechtsstreit BGH, Urteil vom 15.01.2015, AZ: I ZR 88/14 hatte der BGH über den Provisionsanspruch eines Immobilienmaklers bei grenzüberschreitender Tätigkeit zu befinden, hier hinsichtlich einer Tätigkeit im Bereich Niederlande - Deutschland. Die Entscheidung ist aber auch für andere grenzüberschreitende Tätigkeiten mit deutschem Bezug sehr interessant, weil sich das betreffende Szenario jederzeit in anderen Konstellationen in dieser Form realisieren könnte. 

Es ging vorliegend um die Frage nach der internationalen örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach der Rechtslage in den Jahren 2009 - 2011. Einschlägig für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, die prozessstrategisch von erheblicher Bedeutung sein kann, war die EuGVVO (Brüssel I -VO) in der Fassung der VO (EG) Nr.44/2001, die 2012 Änderungen erfahren hat (Brüssel Ia-VO). Es ist nicht ganz unbekannt, dass Maklerunternehmen mitunter deutliche Schwierigkeiten haben, auch berechtigte Provisionsansprüche zu realisieren. Darüber war vorliegend angesichts einer unzulässigen Klage aber nicht mehr zu befinden.  

Vorliegend hatte eine in Kleve ansässige Immobilienmaklerin eine Zahlungsklage erhoben. Das Maklerunternehmen unterhielt einen deutschsprachigen Internetauftritt. In der Fassung der Internsetseite im Jahr 2011 enthielten ihre Internetseiten unter Einschluss des dort vorgehaltenen Kontaktformulars auch eine niederländische Flagge. Unter dieser Flagge fand sich ein Hinweis mit dem Titel "Informationen auch auf Niederländisch!". Da der Auftrag im Jahr 2009 erteilt worden war und die Beklagte eine solche Gestaltung für das Jahr 2009 bestritten hatte, eine Kopie der Internetseite für 2009 aber auch nicht mehr existierte, konnte in dem Rechtsstreit nicht geklärt werden, ob der Internetauftritt der Klägerin auch im Jahr 2009 auf diese Art und Weise gestaltet worden war.

Die Beklagten sind Niederländer und hatten Interesse ein auf dieser Internetseite beworbenes Grundstück im Kreis Kleve zu erwerben. Die Parteien schlossen einen provisionspflichtigen Maklervertrag. Durch Vermittlung der Klägerin kam Ende 2009 ein notariell beurkundeter Kaufvertrag über ein Grundstück in Kranenburg im Kreis Kleve zustande. Allerdings wurde der Vertrag später rückabgewickelt. Grds. lässt die Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrecht den Provisionsanspruch nach deutscher Rechtslage nicht entfallen (BGH, NJW 2009, 2810). Der Maklervertrag unterlag - soweit ersichtlich - deutschem Recht. 

Die Klägerin beanspruchte von den Beklagten als Gesamtschuldner insbesondere die Zahlung einer Maklerprovision in der Höhe von ca. 10.370 €. Das Landgericht Kleve gab der Klage statt, während das Oberlandesgericht in Düsseldorf die Berufung zurückgewiesen hatte. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos. Die Begründung ist überaus interessant und für die Praxis sehr lehrreich. 

Im Gegenssatz zum Landgericht hatte das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art 5. lit.1 EuGVVO verneint. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der BrüsselIVO war allerdings nach der überzeugenden Auffassung des OLG nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2011. Das Gericht stellte völlig nachvollziehbar auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2009 ab. 

Der BGH verneint für den vorliegenden Fall eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I VO. Die Voraussetzungen des Art. 5 Nr.1 EUGVVO sind hier zwar grds. erfüllt, da für eine Klage auf Zahlung einer Maklerprovision eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes besteht, sofern der Makler seine Leistungen in Deutschland erbracht hat, was vorliegend auch der Fall war. Der Kaufvertrag war überdies vor einem deutschen Notar beurkundet worden. Für den Kaufvertrag (Hauptvertrag) galt deutsches Recht. 

Allerdings ist Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO bei Anwendung eines spezielleren Gerichtsstandes ausgeschlossen. Ein solcher Gerichtsstand folgt für Verbrauchersachen aus Art. 15 Abs. 1c EuGVVO. Danach besteht aufgrund von Art. 16 Abs. 2 EuGVVO eine ausschließliche Zuständigkeit der niederländischen Gerichte, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen war. Das Bestehen des Provisionsanspruches war infolgdessen nicht zu prüfen. 

Im vorliegenden Fall war die Verbrauchereigenschaft der Beklagten unstreitig. Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit bereits bei Abschluss des Maklervertrages mit den Beklagten im Jahr 2009 auf die Niederlande ausgerichtet hatte.

Dieser Entscheidung liegt eine interessante Beweislastverteilung zugrunde, die zur darauf beruht, dass vorliegend der Kunde des Maklers behauptet hat, dass der Maklervertrag eine Verbrauchersache i.S.d. Art. 15 Abs. 1c Brüssel-I-VO darstellt. Infolgedessen kommt eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzlandes des Verbrauchers nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO in Betracht. Ist dies der Fall, ist der Verbraucher dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass der Makler in seinem Internetangebot bei Abschluss des Maklervertrags seine Tätigkeit zumindest auch auf Verbraucher in dessen Wohnsitzland gerichtet hat. Den diesbezüglichen Tatsachenvortrag konnte der Kläger nicht erfolgreich bestreiten, da Beweise hierfür nicht mehr vorhanden waren. Der stellt hier hohe Anforderungen an ein solches Bestreiten, um einen effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten. Infolgedessen hat die Klägerin der ihr nach § 138 Abs.3 ZPO obliegenden Erklärungslast nicht genügt, womit das Klägervorbringen als zugestanden anzusehen war. 

Die Entscheidung zeigt, dass mit der örtlichen Zuständigkeit sehr vorsichtig umgegangen werden muss, gerade im Bereich des internationalen Privatrechts und bei Anwendung deutschen Rechts auch mit Blick auf die teilweise recht kurzen Verjährungsfristen, etwa im Vergleich mit den Niederlanden. 

BGH · Urteil vom 15. Januar 2015 · Az. I ZR 88/14
LG Kleve, Entscheidung vom 17.02.2012 - 3 O 130/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.03.2014 - I-7 U 104/12 -

Sonntag, 26. Juli 2015

Unternehmengsgründungen im europäischen Ausland: Spanien

I. Unternehmensgründungen im Ausland


Das Interesse an Unternehmengsgründungen im europäischen Ausland hat weiter zugenommen, wobei wieder besonderes Interesse an Spanien zu verzeichnen ist, auch als Basis für Lateinamerika - Geschäfte. Allerdings sollte eine solche Investition eingehend geplant und vorbereitet werden. 

Dazu gehören insbesondere betriebswirtschaftliche Standortplanungen, das Aufstellen eines Business - Plans mit Marketing - und Expansionsstrategie sowie eine Markenstrategie, die Gründungsplanung und der Vollzug der Gründung bis hin zur Etablierung.  

Es lassen sich mehrere Gründungs-Szenarien unterscheiden, die sämtlich zu unterschiedlichen Einschätzungen und Folgen führen können. Zum einen kann es sich um eine Unternehmensgründung im Rahmen eines vollständigen Wegzugs aus Deutschland etwa mit einer Existenzgründung oder einer Neuausrichtung im Ausland handeln, zum anderen um Gründungen von Tochtergesellschaften im Ausland oder aber um die Gründung einer aus Deutschland betriebenen Auslandsgesellschaft außerhalb einer "Mutter - Tochter - Konstellation" mit natürlichen Personen als Gesellschaftern, ggf. mit Wohnsitz im Ausland. Dabei sind auch die steuerlichen Aspekte im Rahmen einer Steuerplanung zu erfassen. 

Im letztgenannten Fall einer Unternehmensgründung kann es insbesondere mit Blick auf § 10 Abgabenordnung - Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung - zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn die unternehmerischen Entscheidungen zu mehr als 50 % in Deutschland getroffen werden, was in einem solchen Fall die Wahl des Standortes erheblich beeinflussen kann. Trennen muss man insoweit zwischen einem Standort im Rechtsrahmen der EU und in einem Drittstaat, der unter Umständen zur Annahme einer rechtswidrigen Zwischengesellschaft nach §§ 7 ff AStG führen kann, wenn ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen sollte. Eine pauschale Nichtanerkennung findet in der EU nicht statt. Entsprechend wird das Vorliegen einer Scheingesellschaft von der Rechtssprechung des BFH nur in Europa nur in Ausnahmefällen angenommen. Jedenfalls aber muss eine solche Gesellschaft auch in der EU eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit entfalten, um nicht in die Gefahr eines Gestaltungsmissbrauches nach § 42 AO im Rahmen einer Missbrauchskontrolle nach den Grundsätzen des EuGH zu geraten. Letztlich gelten ín allen EU-Ländern fast einheitliche Regelungen, die vorsehen, dass eine zustellbare Postanschrift vorhanden sein muss und nicht lediglich ein "Briefkasten", eine telefonische Erreichbarkeit zu den normalen Geschäftszeiten und eine gewisse Präzenz der Geschäftsleitung. Nicht erforderlich ist in der EU ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb und/oder eine aktive Tätigkeiten im Sitzstaat der Gesellschaft. Möglich sind auch rein vermögenshaltende Gesellschaften, bei denen zahlreiche Besonderheiten zu beachten sind. 

Insbesondere für eine Unternehmenstätigkeit in Spanien oder aus Spanien heraus kommt die Sociedad Limitada für kleine und mittelständische Unternehmen als interessante Rechtsform in Betracht, auch unter dem Aspekt des Immobilienerwerbs (s. Fauteck/Fitzner/Strunk/Plattes, Immobilienkauf mit einer Sociedad Limitada, Mallorca 2030, 2013). Vieles was man dazu im "Netz" lesen kann, ist allerdings oftmals nicht ganz zutreffend.

Die nachfolgenden Ausführungen behandeln die Gründung einer S.L. in Spanien im Überblick, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. sondern dienen einer Information über einige grundlegende Strukturen, die auf diversen Beratungen in diesem Bereich beruhen. 

II. Die Gründung einer spanischen S.L. im Überblick

1. Bedeutung und Stammkapital der spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada

Die S.L. ist die spanische Entsprechung zur deutschen GmbH, bei allerdings recht unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Vergleich zum deutschen Gesellschaftsrecht, die oftmals vorteilhafter sind. Die Sociedad de Responsabilidad Limitada (abgekürzt S.L., früher öfter auch S.R.L.) wird in deutlich über 90 % aller neu gegründeten Unternehmen als Rechtsform in Spanien genutzt, wo Personengesellschaften kaum eine Rolle spielen (näher: Löber/Lozano/Steinmetz, Die spanische GmbH, 4. Auflage, efiw, 2012). Der entscheidende Vorteil gegenüber der Sociedad Anónima ist neben der sehr hohen Flexibilität das geringe Stammkapital von 3.000 Euro, während die spanische Aktiengesellschaft ein Mindestkapital in Höhe von 60.101,21 Euro erfordert und einen deutlichen höheren Verwaltungsaufwand hat. In der Abgrenzung handelt es sich um einen völlig unterschiedlichen Investitionsaufwand. Die Rechtsform ist vielfältig einsetzbar und kaun im In - und Ausland Zweigniederlassungen errichten. 

2. Gründungsverfahren

Die S. L. kann durch eine oder mehrere (auch juristische) Personen gegründet werden, wobei für die Ein-Personen-Gesellschaft einige Sonderregeln gelten. Die Errichtung der Gesellschaft und die Beurkundung der Satzung sind von einem spanischen Notar vorzunehmen. Erfolgt die Gründung durch eine ausländische juristische Person, muss eine notarielle Vollmacht vorgelegt werden, aus der die Vertretungsbefugnis hervorgeht. Sie muss  mit einer Apostille  versehen und von einem vereidigten Übersetzer ins Spanische übersetzt werden. Die Apostille sollte zeitnah bis maximal zu sechs Monaten verwendet werden. Bereits dieses Detail zeigt, dass eine solche Gründung zeit - und kostenaufwendig sein kann. Der Business - Plan für den Gründungsaufwand sollte derartige Details kalkulieren (im einzelnen, Salamanca Cuevas, Formularios de Sociedades de Responsibilidad Limitada, FC editorial)..

Allerdings gibt es inzwischen mehrere Gründungsverfahren. Nachdem die 2004 mit dem Ley 7/2003 ins Leben gerufene S.L.N.E. als vereinfachte Form der S.L. insbesondere für Existenzgründer freundlich ausgedrückt "ein Flop" war, hatte sich der Gesetzgeber mit Ley 59/2004 erstnals einem elektronischen Gründungsverfahren zugewandt, das mit dem Ley 11/2007 weiter verbessert wurde. Mit dem Ley 1/2010 und 13/2010 wurde das Recht der Kapitelgesellschaften mit der Schaffung erheblich modernisiert, in dem das Gesetz über die spanische GmbH von 1995 aufgehoben und durch das Ley de Sociedades de Capital (LSC) ersetzt wurde. Mit dem Ley 14/2013 ergaben sich weitere Modifikationen inbesondere bei der elektronischen Gründung und bei den Arten der S.L, die um weitere Facetten ergänzt wurde. Durch das Ley 31/2014 haben sich Änderungen in Bezug auf Mehrheitsmehrhältnis bei Gesellschafterbeschlüssen ergeben, etwa hinsichtlich der Funktion der Sperrminorität von 25 % für den Minderheitenschutz und für Stimmrechtsausschlüsse bei Interessenkollisionen von Gesellschaftern. 

Nach derzeitigen Stand ist eine elektronische Schnellgründung mit Mustersatzung möglich (Constitución de sociedad limitada con estatutos tipo), eine normale Gründung ohne Nutzung der typisierten Satzung (die in der Tat nicht für alle Gründungsmodelle passt) als "Constitución de sociedad limitada sin estatutos tipo sowie die einfallsreiche, aber kaum zu empfehlende sukzessive Gründung der "Sociedad limitada de formación sucesiva", die gewisse Parallelen zur deutschen "UG" aufweist und heftiger Kritik ausgesetzt ist, die bis hin zu einem gesetzgeberischen Desaster reicht. Für Gründer mit guten Ideen, aber wenig Kapital kann dies aber durchaus eine Alternative sein. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den normalen Gründungsvorgang ohne Verwendung einer Mustersatzung.   

Aus der Gründungsurkunde (Escritura pública de constitución) muss hervorgehen, wer die Geschäftsführung innehat und welche Einlagen die jeweiligen Gesellschafter übernehmen sowie welche Satzung sich die Gesellschaft gibt, Art. 22, 23 LSC. In die Gründungsurkunde können sämtliche Vereinbarungen aufgenommen werden, die seitens der Gesellschafter für erforderlich gehalten werden, soweit sie dem Gesetz nicht widersprechen. Geheime Gesellschafterabsprachen sind zwar unzulässig, jedoch ist es möglich, im Innenverhältnis jenseits der Satzung Regelungen zu treffen, die lediglich im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung Bindungswirkungen im Innenverhältnis haben (sog. acuerdo parasocial), wie dies auch oftmals geschieht, damit die Satzung aufgrund der Publizitätswirkungen nur die notwendigen Mindestangaben enthält. Ausländische Gesellschafter werden seit 2007 in ein Auslandsinvestionsregister (AFORIX - Register) eingetragen. 

Im Unterschied zur deutschen GmbH muss das Stammkapital bei der herkömmlichen Gründung von Beginn an vollständig eingezahlt sein. Der Nachweis erfolgt gegenüber dem Notar in der Regel durch einen entsprechenden Bankbeleg. Bei Nichteinzahlung droht die Nichtigkeit der Gesellschaft. Eine Sachgründung ist auch ohne Bewertung eines unabhängigen Sachverständigen möglich, aber aufgrund abweichender Bewertungen - etwa des Finanzamtes -  für die Gesellschafter bis zur Höhe der übernommenen Haftsumme riskant, die die Mindesthaftsumme durchaus übersteigen kann. Bei einer Unterbewertung haften die Gesellschafter persönlich gegenüber der Gesellschaft und Gläubigern im Außenverhältnis für die Differenz, so dass eine gesetzliche Nachschusspflicht entsteht, Art. 73 LSC. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Sachgründung mit einem Wertgutachten erfolgt, Art. 76 LSC. In der Regel ist von Sachgründungen abzuraten. 

3. Name der Gesellschaft (Firmierung)

Bereits vor dem Notartermin muss recherchiert werden, ob die für die Gesellschaft gewünschte Firmierung verfügbar ist. Die Abfrage beim Handelsregister ist entgeltlich und kann von dem Unternehmen selbst oder durch einen beauftragten Dritten vorgenommen werden.

Diese Recherche ist allerdings in der heutigen Zeit nicht mehr hinreichend, da ein Firmenname mit einer nationalen Marke für Spanien oder einer EU - Marke sowie weiteren Kennzeichen kollidieren kann, so dass eine entsprechende Marken- und Kennzeichenrecherche absolut empfehlenswert ist, um ggf. erhebliche finanzielle Nachteile aufgrund von Kollisionsfällen einer jüngeren mit einer prioritätsälteren Marke zu vermeiden, die nur im Einzelfall bewertet werden können, weil nicht jede Identität oder Ähnlichkeit einen Kollisionsfall darstellen muss. Gleichzeitig sollte kritisch bewertet werden, ob es sinnvoll ist, den Namen des Unternehmens selbst als nationale oder europäische Marke zu schützen (der internationale Markenschutz soll hier außen vor bleiben). Idealerweise sollten drei Alternativen angegeben werden, was ein intensives Branding voraussetzt. In ca. 5 Tagen erfolgt eine Benachrichtigung vom Handelsregister, ob und ggf. welcher der gewünschten Namen gewählt werden kann. Das Handelsregister teilt den Gesellschaftsnamen in der Reihenfolge der angegebenen Präferenzen zu. Diese Reservierung ist dann zunächst für 3 Monate gültig.

Im Geschäftsverkehr muss die Gesellschaft unter der gewählten Firmierung auftreten (Art. 6 LSC), ergänzt durch die Abkürzung S.L oder S.R.L. bzw. bei Ein-Personen- Gesellschaften durch die Abkürzung S.L.U. (sociedad limitada unipersonal) oder nach Ley 2/2007 als Sociedad Limitada Profesional (S.L.P.) für bestimmte verkammerte Berufsträger u.a., mit einigen personalistischen Besonderheiten wie der persönlichen Haftung der Gesellschafter bis zur Höhe des Haftkapitals.  

4. Haftung

Nach Art. 24 LSC beginnt die Geschäftstätigkeit am Tag der Errichtung in Form einer Vorgesellschaft (Sociedad en formación), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt (Art. 36 LSC), was im Einzelfall sinnvoll sein kann, weil die Handelnden bis zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister persönlich haften und zwar gesamtschuldnerisch (Sociedad en formación). Dies lässt durch eine entsprechende Vertragsgestaltung vermeiden. Dies gilt nicht für Rechtshandlungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Gründung stehen, Art. 38 LSC. Im Übrigen haftet die Gesellschaft nur für Rechtshandlungen die binnen drei Monaten ab Gründung vorgenommen und von ihr genehmigt worden sind. 

Nachdem der Gesellschaftsvertrag beurkundet ist, ist die Gesellschaft zum spanischen Handelsregister anzumelden (registro mercantil), was in der Regel über einen Notar geschieht. Mit der Eintragung ist die S. L. voll rechtsfähig. Die Beschränkung der Haftung auf das Stammkapital greift erst ab diesem Zeitpunkt.  

5. Gesellschaftsvertrag

Anders als in Deutschland entwirft der spanische Notar den Vertrag i.d.R. nicht selbst, so dass hierfür in der Regel ein Anwalt eingeschaltet wird. Wie bei der deutschen GmbH besteht auch bei der spanischen S.L. ein erheblicher Spielraum für Vertragsgestaltungen, soweit dies erforderlich und rechtlich zulässig ist. In der Satzung (estatutos) können u. a. Stimmrechte, Gewinnverteilung und die Übertragbarkeit von Anteilen weitgehend frei vereinbart werden. In der Praxis wird zwar oft mit Standardsatzungen - etwa bei Schnellgründungen - gearbeitet, die aber im Einzelfall in Teilbereichen kritisch zu hinterfragen sind. Aber auch solche Satzungen können später geändert werden, was allerdings mit erheblichen Kosten verbunden sein kann, so dass die Schnellgründung auch erhebliche Nachteile haben kann.

Der Gesellschaft ist es aus nachvollziehbaren Gründen nur in engen Grenzen gestattet, Darlehen an Gesellschafter oder Geschäftsführer zu vergeben. Nebenleistungen sollten gesellschaftsvertraglich vereinbart werden.

6. Geschäftsführung

Die S.L. kann von einem oder mehreren Geschäftsführern (administradores) geleitet werden, die die Gesellschaft nach außen im Rechtsverkehr vertreten, Art. 210 LSC. Liegt ein Unvereinbarkeitstatbestand - etwa Verurteilung wg. best. Straftaten - nach Art. 213 LSC vor, scheidet eine Bestellung und eine Ausübung dieser Tätigkeit aus. Die Vertretungsbefugnis ist im Außenverhältnis nicht beschränkbar. Die genaue Vertretungsregelung ist im Gesellschaftsvertrag (ggf. mit Alternativstrukturen) oder ergänzend in einer Geschäftsführerordnung festzulegen. Bei der Nennung von Alternativmodellen kann sich die Gesellschafterversammlung auch später für ein Modell nach Art. 210 LSC entscheiden, ohne das eine Satzungsänderung erforderlich ist. Auch eine juristische Person kann Geschäftsführer sein.

Der Gerente muss einen Wohnsitz in der Europäischen Union haben. Es bestehen praktisch keine Befreiungsmöglichkeiten bei den Sozialabgaben als Autonomo mehr, die derzeit bei entsprechender Gestaltung bei mind. 260,00 Euro monatlich liegen. In jedem Falle sollte dieser Bereich im Vorfeld abgeprüft werden. 

Anders als bei der deutschen GmbH besteht die Alternative, einen so genannten Geschäftsführungsrat (consejo de administración) einzusetzen. Er darf aus mindestens drei und höchstens zwölf Mitgliedern bestehen. Die Vertretungsbefugnis wird dabei an ein oder mehrere Mitglieder übertragen. Eine namentliche Nennung der Mitglieder im Handelsregister erfolgt nicht. 

Aufgrund der Regelung des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes in Art. 217 LSC, dass als Regelfall eine unentgeltliche Tätigkeit des Geschäftsführers vorsieht, muss die Geschäftsführerhonorierung im Grundsatz bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, sonst sind Schwierigkeiten mit dem Finanzamt vorprogrammiert. Die Geschäftsführervergütung wird jedes Jahr durch die Gesellschafterversammlung festgelegt, wenn sie entgeltlich ist und sich nicht auf der Grundlage einer Gewinnbeteiligung ermittelt, Art. 217 f LSC.

Der Geschäftsführer unterliegt einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot nach Art. 230, 234 LSC, von dem Befreiuung erteilt werden kann. Interessenkonflikte sind offen zu legen, Art. 229 LSC. Hinzu kommt, dass Geschäftsführer andere Gesellschaften nicht vertreten dürfen, die einen vergleichbaren Gesellschaftszweck aufweisen.

Den Geschäftsführer treffen nach Art. 236 ff LSC weitreichend Haftungsrisiken, entweder bei unmittelbarer Schadenszufügung oder bei Nichterfüllung best. gesetzl. Pflichten. Hinzutreten Haftungsrisiken aus den Bereichen Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, gewerblichem Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht sowie auf dem Gebiet des Baurechts und des Umweltrechts. Strafrechtlich stehen Geschäftsführer für durch die Gesellschaft begangene Straftaten nach Art. 290, 291 Código Penal (CP) persönlich ein, Art. 31 CP. In gewissem Umfang treffen den Geschäftsführer nicht nur die Risiken einer Haftung gegenüber der Gesellschaft nach Art. 238 LSC, sondern auch im Außenverhältnis zu Gläubigern nach Art. 241 LSC bei unmittelbarer Schadenszufügung, die nach vier Jahren verjähren und im Detail sehr umstritten sind. Selbstredend ist der Geschäftsführer auch für die Einhaltung der Geldwäschevorschriften verantwortlich.   

6. Treuhand  


Treuhandverträge (Fiducia de Gestión o Administración; Fiducia de Mercantil) sind sowohl hinsichtlich der Gesellschaftsanteile als auch hinsichtlich des Geschäftsführers rechtlich zulässig, allerdings werden diese Konstruktionen von der Hazienda unter Umständen näher untersucht, was auch von der Tätigkeit der Gesellschaft abhängt. Treuhandverträge sollten sehr klar abgefasst werden. Der Treuhandvertrag ist im spanischen Recht nicht speziell geregelt, basiert aber auf Art. 1274 CC. Auch bei einer Treuhandkonstruktion empfiehlt es sich als Treugeber eine Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft fungieren zu lassen und keine natürliche Person. Diese Funktionen können später bei Bedarf getauscht werden. 

Die Gesellschafter können im Falle einer solchen Konstruktion - die letztlich im Kern ein Auftragsverhältnis darstellt - die Gründung vornehmen lassen und sich dann notarielle Vollmachten vom Gründer ausstellen lassen, wobei die Besonderheiten des spanischen Vollmachtsrechts zu beachten sind, dessen Handhabung nicht einfach ist. Nach Art. 94 RRM  i.V.m. Art. 22 Ccom sind spanische Generalvollmachten (Poder General, mit Einzelbenennung der rechtsgeschäftlichen Ermächtigungen) in das Handelsregister einzutragen, wobei für Treuhandverhältnisse keine Ausnahmen bestehen. Allerdings fehlt es an Bestimmungen, die im Falle einer Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Eintragung zur Nichtigkeit der (notariell beurkundeten) Vollmacht führen. Nach derzeitigem Stand wird lediglich die Genauigkeitsfunktion beeinträchtigt, die auf der Registrierung beruht, allerdings die Einzelheiten sehr umstritten sind. Nicht eintragungsbedürftig sind bei Handelsgesellschaften lediglich Vollmachten für besondere Anlässe oder Bankvollmachten.

Diese Besonderheiten schränken die Möglichkeit der Treuhand in Spanien etwas ein und erfordern ein hohes Vertrauensverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder.Wesentlich ist allerdings, dass der Treuhand-Vertrag nicht offenbart wird (außer gegenüber den Steuerbehörden). Diese Konstellation kann dazu führen, dass dem Treuhandgeschäftsführer schnell eine aktive Rolle zukommen kann, was im Treuhandvertrag entsprechend zu berücksichtigen ist und auch dazu führen sollte qualifizierte Treuhänder zu bestellen. Nicht zuletzt aus diesem Grund fungieren oftmals Rechtsanwälte und Steuerberater als Treuhänder. 

7. Stille Gesellschaft

Die stille Gesellschaft - cuentas in participación - nach Art. 239 - 243 span. CCom unterliegt wie in Deutschland keinen speziellen Formvorschriften und kann auch grenzüberschreitend eingesetzt werden.  Sie ist abzugrenzen vom partiarischen Darlehen nach Ley 10/1996, das einen Rangrücktritt vorsieht, den es bei der stillen Gesellschaft nicht gibt. Allerdings ist die Rechtsfigur der atypisch stillen Gesellschaft in Spanien mit Modifikationen (bei ggf. entsprechender Rechtswahl) einsetzbar, die allerdings funktional vergleichbare Ergebnisse erzielen kann (näher M. Lipp, Die stille Gesellschaft im nationalen und internationalen Kontext, 2014, S. 275 ff). 

Bei Nutzung dieser Rechtsfigur in Spanien kann es steuerlich zu einem Qualifikationskonflikt kommen, weil diese Rechtsfigur in Spanien grds. als Körperschaft gilt und daher auch als solche besteuert wird. Dies lässt sich vermeiden, indem sie als reine Innengesellschaft konzipiert wird, die dann unter Art. 22 des Doppelbesteuerungsabkommens 2011 fällt. Für die Innengesellschaft sollte in einem solchen Fall deutsches Recht gewählt werden. In einem solchen Fall findet die Anrechnungsmethode Anwendung, so dass in Spanien entstandene Gewinne dort und nicht erneut in Deutschland besteuert werden. 

8. Gründungskosten und Steuernummer

Die Gründungskosten liegen bei einem Haftkapital von 3.000 Euro etwa bei 1.500 Euro (ohne Rechtsanwaltskosten und Übersetzungskosten). Zu kalkulieren sind Kosten für das Handelsregister, die Gründungssteuer und ggf. beglaubigte Übersetzungen, etwa von Vollmachtsurkunden. Für den Handelsregistereintrag und die Steuern hängen die Kosten von der Höhe des Stammkapitals ab. Der Gründungsaufwand ist daher sehr überschaubar und liegt im Budget bei insgesamt bei ca. 6.000 - 7.500 Euro inklusive Mindestkapital, je nach Gestaltungserfordernissen.
   
9. Eröffnung des Gründungskontos

Nach der Namensreservierung kann ein Gesellschaftskonto (Gründungskonto) bei einer spanischen Geschäftsbank in Spanien eröffnet werden (eine Eröffnung aus dem Ausland heraus ist schwierig). Die Voraussetzungen für die Kontoeröffnung sind von Bank zu Bank unterschiedlich. Jedenfalls aber muss der Bank die Namensreservierung des Handelsregisters nachgewiesen werden. Das Haftkapital ist auf das Gesellschaftskonto einzuzahlen und dem Notar bei der Gründung nachzuweisen. Dieses Haftkapital muss
von der Höhe her exakt sein und von den Gesellschaftern selbst (nicht von Dritten) eingezahlt werden. Es muss für die Bank in Anwendung der Geldwäscherichtlinien erkennbar sein, dass die Zahlung des Stammkapitals durch die Gesellschafter der künftigen S.L. erfolgt. Wenn das Stammkapital auf das Gründungkonto eingezahlt ist, stellt die spanische Bank die für die Gründung der Gesellschaft nötigen Devisen-und Einzahlungsbestätigungen aus. Wenn Ausländer an der Gesellschaft beteiligt sind, muss zudem das Formular D1A (Auslandsbeteiligung) ausgefüllt werden.

10. Unterzeichnen der Gründungsurkunde vor dem Notar

Innerhalb von 2 Monaten nach Einzahlung des Stammkapitals muss die Gründung der Gesellschaft vor dem Notar erfolgen, wobei die Gesellschafter sich vertreten lassen können, ggf. auch mit deutscher Vollmacht mit Apostille. Alle Geschäftsführer und Gesellschafter benötigen zwingend eine NIE - Steuernummer, um die sich die Beteiligten rechtzeitig kümmern müssen, wobei es allerdings Mittel und Wege das Verfahren zu beschleunigen. Liegen diese Steuernummern nicht vor, kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen. Bei natürlichen Personen gilt: Die Steuernummer NIF (numero de indentificación fiscal) ist identisch mit der „Ausländernummer“ NIE (número de indentificación de extranjeros), die von den Ausländerbehörden vergeben wird. Es genügt hier also, eine NIE zu beantragen. Diese Voraussetzungen müssen im Vorfeld der Gründung geklärt werden. 

Nachdem die Gründungsurkunde vom Notar erteilt wurde, ist noch Folgendes zu erledigen: die Gründungssteuer muss deklariert werden, die provisorische und definitive Steueridentifikationsnummer (C.I.F.) für die Gesellschaft muss beantragt werden, die Gesellschaft muss im zuständigen Handelsregister eingetragen werden, ausländische Gesellschafter müssen im Auslandsinvestitionsregister angemeldet werden. Je nach Geschäftstätigkeit der Gesellschaft kann zudem eine gewerberechtliche Genehmigung erforderlich sein.

III. Steuerliche Aspekte

1. Körperschaftsteuer Spanien (Stand der Steuerreform zum 01.01.2015)

Die Körperschaftsteuer ist zwar in Spanien zum Jahresbeginn gesenkt worden. Diese Senkung der Körperschaftsteuer ist allerdings mit dem Wegfall der Vorzugsbehandlung von Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen mit weniger als 10 Mio. EUR Umsatz verbunden, was als nachteilig zu bewerten ist. Der neue einheitliche Steuersatz wird in zwei Schritten – 2015 und 2016 – wirksam:

- Unternehmen mit weniger als 10 Mio. EUR Umsatz: Steuersatz grds. 25 %, bei Einstellung mind. eines Arbeitnehmers: 20 %
- Unternehmen ab 10 Mio. EUR Umsatz: 30 % (2014); 28 % (2015), 25 % (2016)

2. Unter bestimmten Voraussetzungen gelten noch günstigere Steuersätze, die gerade bei Neugründungen sehr attraktiv sind. Bei Neugründungen werden für die ersten beiden Geschäftsjahre mit positiver Bemessungsgrundlage bis 300.000 Euro Gewinn 15 % angesetzt (d.h. es darf kein Verlustvortrag erfolgen), danach 20 %. Erfolgt ein Verlustvortrag bleibt es bei den vorstehend genannten Steuersätzen. Eine S.L. (Sociedad Limitada), die ab 1.1.2013 gegründet wurde, zahlt bei einem Gewinn bis 300.000 Euro daher nur 15 Prozent Körperschaftsteuer für die beiden ersten Geschäftsjahre. Diese Privilegierung kann unter Umständen verlängert werden. Übersteigt der Gewinn 300.000 Euro, erhöht sich der Steuersatz auf 20 Prozent. 

Davon ausgeschlossen sind allerdings Körperschaften die Bestandteil einer Unternehmensgruppe nach Art. 42 span HGB sind, reine vermögenshaltende Gesellschaften sowie Körperschaften, die von Personen gehalten werden, die mehr als 50 % Beteiligung halten. Gemäß Art. 42 HGB gelten  zwei Gesellschaften dann als Bestandteil einer Unternehmensgruppe, wenn eine von ihnen die direkte oder indirekte Kontrolle über die andere ausübt. In der Praxis liegt eine Kontrolle allerdings nur dann vor, wenn eine Beteiligung von über 50 % vorliegt.

2. Gewerbesteuer Spanien

Die der deutschen Gewerbesteuer in Spanien in etwa entsprechende Unternehmenssteuer trägt die Bezeichnung „Impuestos sobre Actividades Económicas (IAE)“. Geregelt ist die IAE im Königlichen Dekret 1175/1990 vom 28. September, veröffentlicht im spanischen Gesetzblatt (BOE) vom 29. September 1990. Auch in Spanien kommt die IAE in erster Linie den Gemeinden zugute und wird daher auch vom Ayuntamiento verwaltet.

Die spanische Unternehmenssteuer gehört zu den Gemeindesteuern, und wird nur in Ausnahmenfällen auch auf provinzieller und staatlicher Ebene erhoben, etwa wenn die Aktivität nicht auf das Gemeindegebiet beschränkt ist. Bei der Standortwahl sollte dies berücksichtigt werden. "Forum Shopping" ist in diesem Bereich völlig zulässig und üblich, wobei allerdings Vergleichszahlen schwer zu recherchieren sind. Üblicherweise nimmt man mehrere Standorte in die Auswahl und recherchiert die dortigen Bedingungen. Die Zahlung der Gewerbesteuer auf staatlicher Ebene schliesst in der Regel die Zahlung auf Gemeindeebene aus.

Seit dem Gesetz 51 aus dem Jahre 2002 wurden erhebliche Steuererleichterungen, sogenannte exenciones, in der spanischen Gewerbesteuer eingeführt. Die Ausnahmen konnen kommunal sehr unterschiedlich sein . Fest steht aber, dass alle Unternehmer in den ersten beiden Geschäftsjahren nicht besteuert werden, um einen Investitionsanreiz zu bieten. Natürliche Personen wie  Freiberufler unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Alle Unternehmen, die als juristische Person (etwa als spanische S.L.) geführt werden, sind bis zu einem Umsatz von 1000.000,00 EUR steuerfrei. Unternehmen, die in Spanien selbst keinen Unternehmenssitz haben, aber bewusst oder unbewusst eine Betriebsstätte unterhalten, können ebenso von der Steuerbefreiung bis 1.000.000,00 EUR profitieren (Beispiele für Alicante oder Ibiza).

Abschließend lässt sich sagen, dass aufgrund der zahlreichen Ausnahmen und Standortoptionen die Gewerbesteuer in Spanien keinen überaus hohen Stellenwert hat, aber bei der Standortplanung bei größeren Umsatzerwartungen zu berücksichtigen ist. Im Detail hängt die Höhe von der Handhabung der Gewichtungskoeffizienten ab. Letztlich sind auch bei größeren Projekten die Steuerlasten sehr tragbar

3. Verrechnungspreise, Art. 16 span. KStG

Die Regelungen über Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen beruhen weitgehend auf völkerrechtlich bestimmten Standards der OECD (OECD-RL 2010) und beruhen auf dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die entsprechende Regelung findet sich im span. Körperschaftssteuergesetz unter Art. 16. LIS. Die Rechtslage ist der deutschen Rechtslage im dt. Außensteuergesetz sehr vergleichbar.

Einnahmen und Aufwendungen, die mit Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen oder zwischen Gesellschaften und einem ihrer Gesellschafter oder leitenden Angestellten im Zusammenhang stehen, sind mittels Fremdvergleich zu bewerten und bei Abweichung zu korrigieren. Dabei kann das Verfahren der Preisvergleichsmethode angewendet werden, ergänzend auch die Kostenaufschlags- oder die Wiederverkaufspreismethode sowie das Verfahren des Rohgewinnvergleichs oder vergleichbare „profit-split“-Methoden. Die Geschäfte sind daher mit ihrem gewöhnlichen Marktwert zu erfassen und entsprechend zu dokumentieren. Als gewöhnlicher Marktpreis gilt der Preis, der zwischen unabhängigen Personen unter freien Marktbedindungen vereinbart werden würde. Mit den span. Steuerbehörden kann eine Vereinbarung über den Verrechnungspreis getroffen werden (näher, Behrenz/Jarfe/Frühbeck, Hrsg., Investitionsstandort Spanien, C.H.Beck, 2013, Teil E, Rdrn. 25 ff).

4. Partiarische Darlehen (Stand: 01.01.2015)

Im neuen Artikel 15.a) des spanischen Körperschaftsteuergesetzes ist eine Neueinstufung von partiarischen Darlehen festgelegt, die für Unternehmensgründungen sehr relevant werden kann. Nach der genannten Norm gelten als nicht steuerlich abzugsfähige Kosten jene Kosten, die eine Vergütung von Eigenkapital darstellen. (…) als Vergütung von Eigenkapital wird die Vergütung von partiarischen Darlehen angesehen, die von Körperschaften gewährt werden, die gemäß den in Artikel 42 des Handelsgesetzes festgelegten Kriterien derselben Gesellschaftsgruppe („grupo mercantil“) angehören, unabhängig von der Ansässigkeit und der Verpflichtung zur Erstellung konsolidierter Jahresabschlüsse. Die Handhabung des Art. 42 CCom hat inzwischen eine zentrale Wirkung, die im einzelnen abgeschätzt werden müssen, gerade bei der Gründung von Tochterunternehmen. 

Danach gilt die Zahlung von Zinsen aus partiarischen Darlehen, die von Körperschaften derselben Gruppe („grupo mercantil“, Art. 42 Handelsgesetz) gewährt wurden, nicht als abzugsfähige Kosten. Die Zahlung von Zinsen für partiarische Darlehen, die von Körperschaften derselben Gruppe gewährt wurden, gilt daher als Dividendenauszahlung, während die Zahlung von Zinsen für partiarische Darlehen, die von einer natürlichen Person oder einer Körperschaft gewährt werden, die nicht derselben Gruppe angehören, gilt weiterhin als abzugsfähige Kosten. Das gilt selbstredend auch für partiarische Darlehen von Gesellschaftern an die eigene Gesellschaft, sofern sie diese in ihrer Eigenschaft als natürliche Person gewähren.