Dienstag, 10. November 2015

EuGH zu audiovisuellen Mediendiensten

Das interessante Urteil in der Rechtssache C-347/14 New Media Online GmbH / Bundeskommunikationssenat betrifft eine aufsichtsrechtliche Fallgestaltung, die aber für Mediendienste von europaweiter Bedeutung ist und zwar mit Blick auf bestehende Anzeigepflichten bei der Medienaufsicht und deren Reichweite. . 

Die New Media Online, eine Gesellschaft mit Sitz in Innsbruck (Österreich), betreibt die lesenswerte Online-Zeitung „Tiroler Tageszeitung Online“ (www.tt.com). Diese Website enthält hauptsächlich Presseartikel. Allerdings sollte in Zeiten der Medienkonvergenz auch gesehen werden, dass im Internet vorgehaltene Presseartikel ideal mit Videocontents ergänzt werden können, wobei es sich durchaus auch umgekehrt verhalten kann. Im maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2012  führte ein Link mit der Bezeichnung „Video“ auf eine Subdomain der Tiroler Tageszeitung Online, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos angesehen werden konnten.

Die betreffenden Videos wiesen durchaus unterschiedliche Längen auf (30 Sekunden bis mehrere Minuten) und betrafen unterschiedliche Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern  im Sinne von User - Generated - Content. Nur wenige Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Zeitung. Ferner wurde ein Teil der Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, produziert und war auch auf dessen Website zugänglich. Der eine oder andere Leser wird sich jetzt fragen, wo das medienaufsichtsrechtliche Problem liegt. Dazu ist ein kurzer Blick auf das Medienaufsichtsrecht in Österreich zu werfen. 

Die für die Medienaufsicht zuständige Behörde ist die Kommunikationsbehörde Austria (kurz: KommAustria). Sie wurde im Jahr 2001 gegründet und ist die Rechtsaufsichtsbehörde über den Österreichischen Rundfunk. Die operativen Aufgaben werden überwiegend von der Geschäftsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) als einem beliehenen Unternehmen wahrgenommen. Diese Geschäftsstelle teilt sich die KommAustria mit der für die Regulierung der Telekommunikationsnetze und -dienste zuständigen Telekom-Control-Kommission (TKK) sowie der für die Postregulierung zuständigen Post-Control-Kommission (PCK). Das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (früher Privatfernsehgesetz) setzt die Audiovisuelle Mediendiensterichtlinie (EU-AVMD-RL) um und erweitert die Inhaltskontrolle über Rundfunkprogramme auf audiovisuelle Mediendienste im Internet, für deren Aufsicht die KommAustria zuständig ist. Mediendienste auf Abruf unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht nach § 9 des Gesetzes, die von der einschlägigen EU-Richtlinie nicht vollständig harmonisiert worden sind. 

Nach Ansicht der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) stellt die fragliche Subdomain „Video“ einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf dar, der in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht unterliegt. Eine solche Anzeige war hier nicht erfolgt. Der Bundeskommunikationssenat (die zuständige österreichische Behörde für Berufungen gegen Entscheidungen der KommAustria) bestätigte diese Beurteilung. New Media Online wandte sich daraufhin an den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die u. a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen. In der Richtlinie sind Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen. Der Begriff des audiovisuellen Mediendienstes war bislang nicht vollständig geklärt. 

Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt. Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen Dies ist der Fall, wenn dieses Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist und dahinter in seiner Bedeutung zusteht. Daran kann man angesichts einer Subdomain deutlich zweifeln, aber der EuGH sah das anders.   

Mit der eingangs genannten Entscheidung vertritt der Gerichtshof erstens, dass der Begriff „Sendung“ im inne der Richtlinie die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst. Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, "dass die Dauer der Videos unerheblich ist und sich die Art und Weise, wie die in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, nicht von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. Zudem treten Videos wie die in Rede stehenden in  Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten sowie zu Musikkanälen, Sportkanälen und Unterhaltungssendungen. Die Richtlinie zielt aber gerade darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf wie die fragliche Videosammlung dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können".  

Der Gerichtshof antwortet zweitens, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des Verwaltungsgerichtshofs und kann vom EuGH nicht vorgenommen werden. Der EuGH gibt dem Gerichtshof aber deutliche Hinweise, wie er sich die Rechtslage auch insoweit vorstellt. 



Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die elektronische Ausgabe einer Zeitung trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten ist, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen. Im umgekehrten Fall handelt es sich sicher um einen audiovisuellen Abrufdienst. 

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass ein audiovisueller Dienst nicht immer und schon dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. 

"Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird. Im vorliegenden Fall scheinen nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt gewesen zu sein. Auch ist offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit von New Media Online eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von New Media Online angebotenen Diensten unterscheidet. Diese Beurteilung ist jedoch Sache des Verwaltungsgerichtshofs". 

In diesem Bereich operierende Dienste - auch über mobile Telekommunikation werden diese Anzeigepflicht intensiver zu berücksichtigen haben. Letztlich werden damit die Anzeigepflichten ausgeweitet.  


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