Mittwoch, 24. Mai 2023

OLG Hamm und Panaromafreiheit bei Drohnen

Das OLG Hamm hat ein bemerkenswertes Urteil zur Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gefällt

Urteil vom 27. April 2023 – 4 U 247/21 - https://www.olg-hamm.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilung_archiv/02_aktuelle_mitteilungen/08_23_PE_OLG_Panoramafreiheit/index.php

In einer urheberrechtlichen Streitigkeit zwischen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und einem Verlag aus dem Ruhrgebiet hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen nicht von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt sind. Die Panoramafreiheit beeinhaltet das Recht Fotoaufnahmen oder Zeichnungen von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Plätzen befinden, in einer Außenansicht mit Mitteln der Malerei, Grafik oder durch Lichtbilder oder Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wieder zu geben. Das gilt auch für Kunstwerke im öffentlichen Raum, nicht nur für Gebäude. Bei Bauwerken dürfen innen, keine Vervielfältigungen ohne Erlaubnis vorgenommen werden. Offen ist, ob sich dieses Recht auch auf Luftaufnahmen erstreckt. Es gibt zu dieser Norm eine reichhaltige, teilweise recht widersprüchliche Judikatur. 

Die Auffassung des OLG Hamm lässt sich angesichts des Wortlautes des § 59 UrhG durchaus hinterfragen.

"Die klagende Verwertungsgesellschaft nimmt den beklagten Verlag auf Unterlassung, Schadensersatz und Abmahnkosten in Anspruch. In zwei von der Beklagten veröffentlichten Büchern werden Kunstwerke auf Bergehalden im Ruhrgebiet vorgestellt. Dabei hat die Beklagte auch Fotografien der im Streit stehenden Kunstwerke „Sonnenuhr mit Geokreuz“, „Spurwerkturm“, „Nachtzeichen“, „Himmelstreppe“, „Tetraeder“ und „Landmarke Geleucht“ verwendet, die mit einer Drohne aufgenommen wurden. Eine Lizenz von der Klägerin hat die Beklagte vor der Veröffentlichung dieser Bilder nicht erworben. Vielmehr vertritt die Beklagte die Auffassung, die Verwendung der Fotografien sei von der Panoramafreiheit des Urheberrechtsgesetzes gedeckt".

"Das Landgericht Bochum hat der Klage insgesamt stattgegeben. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihr Ziel auf Klageabweisung vor dem Oberlandesgericht Hamm weiterverfolgt. Abgesehen von einer geringfügigen Reduzierung des Schadensersatzes hat der für das Urheberrecht zuständige 4. Zivilsenat das Urteil des Landgerichts bestätigt und die Berufung zurückgewiesen". Zur Begründung heißt es:  

"Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geregelte Panoramafreiheit gestatte zwar auch die gewerbliche Nutzung von hierunter fallenden Fotografien. Im Rahmen der Panoramafreiheit sei es nämlich zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, unter anderem mit Mitteln der Fotografie zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Auch befänden sich die hier in Rede stehenden Kunstwerke an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, da die Bergehalden, auf denen die Kunstwerke errichtet wurden, entweder selbst öffentlich zugänglich seien oder jedenfalls von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden könnten. 

Die Einschränkung des Urheberrechts durch die Panoramafreiheit, die eine unentgeltliche Nutzung gestatte, schließe jedoch nur diejenigen Perspektiven ein, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bestehen. Hierzu gehöre nicht der Luftraum. Der Einsatz von Hilfsmitteln zur Erlangung einer anderen Perspektive sei nicht mehr von der Panoramafreiheit gedeckt. Dies habe der Bundesgerichtshof bereits für den Einsatz einer Leiter entschieden. Für den Einsatz einer Drohne könne nichts anderes gelten".

Die Entscheidung des OLG Hamm ist nicht so überraschend, wie sie aussieht. Der BGH ist schon seit Jahrzehnten der Auffassung, dass Luftaufnahmen von Werken (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037) zur Aufnahme von Gebäuden nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 Abs. 1 UrhG erfasst sind. Dadurch werden nämlich Teile des Gebäudes aufgenommen, die von Wegen, Straßen oder Plätzen – der Allgemeinheit zugänglichen Orten – nicht zu sehen seien. D

Das Landgericht Frankfurt vom 25.11.2020 (Az. 2-06 O 136/20) sah dies anders. Danach können sich Drohnensteuerer auf die sogenannte Panoramafreiheit nach § 59 Urheberrechtsgesetz (UrhG) berufen. Der BGH wird dies voraussichtlich klären, da die Revision zugelassen wurde. 

Es handelte sich vorliegend um eine urheberrechtliche Sache im Verwertungsrecht: Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm muss die Beklagte die Wiedergabe der angegriffenen Drohnenbilder und deren Verbreitung unterlassen und der Klägerin Schadensersatz in Form einer Lizenzgebühr über 1.824 Euro sowie gut 2.000 Euro Abmahnkosten, jeweils zuzüglich Zinsen, zahlen. 

Da noch keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bewertung von Drohnenaufnahmen im Rahmen der Panoramafreiheit vorliegt, hat der Senat die Revision der Beklagten zugelassen. Die Beklagte hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, so dass das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm nicht rechtskräftig ist.

Man wird sehen, ob der BGH seine frühere Sicht der Dinge bereit ist angesichts neuer Technologien zu revidieren. Die Sache ist völlig offen!


Vorinstanz: Landgericht Bochum, Urteil vom 18. November 2021 (Az. 8 O 97/21)


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