Dienstag, 20. Februar 2018

BGH: die nächste JAMEDA - Entscheidung (Ärzte - Bewertungsportal III)

Der BGH hatte mit einem Urteil vom 20.02.2018 (AZ: VI ZR 30/17) erneut Gelegenheit sich zum Thema der Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals im Internet zu äußern (www.jameda.de). Grundsätzlich muss es nach der bisherigen Rechtsprechung jeder ärztliche Berufsträger in freier Praxis dulden, bei Jameda gelistet und damit letztlich vergleichen und bewertet zu werden. Dagegen wandte sich die klagende Ärztin in diesem Rechtsstreit. 

Als eigene Informationen der Beklagten werden auf dieser Plattform die sogenannten "Basisdaten" eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören - soweit der Beklagten bekannt - akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen, die nicht immer zutreffend wieder gegeben sind. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitextkommentaren, abgegeben haben. Diese Bewertungen werden angeblich mit Hilfe einer Software auf ihre Plausibilität geprüft. 

Zusätzlich zu diesem Basiseintrag bietet die Beklagte den Ärzten den kostenpflichtigen Abschluss von Verträgen an, bei denen ihr Profil - anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte - mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen wird. Daneben werden beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als "Anzeige" gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet, so dass ein direkter Vergleich möglich ist. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein "Premium-Paket" gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein. M.a.W.: Zahlende Ärzte werden bevorzugt.  

Die Klägerin ist niedergelassene Dermatologin und Allergologin. Im Portal der Beklagten wird sie als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik "Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung" weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit mehrfach Bewertungen. Sie beanstandete durch ihre früheren Prozessbevollmächtigten im Jahr 2015 insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Nach deren Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5. Dies entspricht gängiger Praxis und in der Tat werden viele Bewertungen auf Hinweis auch wieder gelöscht. Unzufriedene Patienten hat jeder Arzt.  

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Eintrags in www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten, auf Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und zwar mit einer interessanten Begründung, die sich im Wesentlichen auf die Ungleichbehandlung stützt. 

Das Landgericht hat die  Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. 

Die Entscheidung des Senats ist sehr interessant: 

Die Revision hatte Erfolg. Der Senat hat der Klage - eher überraschend - stattgegeben. 

Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies war vorliegend der Fall. 

Der Senat hat mit Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13 (BGHZ 202, 242) für das von der Beklagten betriebene Bewertungsportal bereits im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit eine Bewertung der Ärzte durch Patienten  zulässig ist.  

Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt, der den BGH zur Korrektur seiner bisherigen Rechtsprechung veranlasst hat. 

Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als "neutraler" Informationsmittler, sondern macht sich zum Interessenwahrer der zahlenden Kunden. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die "Basisdaten" nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens "Anzeige" Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt sie auf dem Profil ihres "Premium"-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Man muss länger suchen, um diese Informationen zu finden.  

Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als "neutraler" Informationsmittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein "schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung" ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist. Der BGH hat damit den Unterlassungsanspruch bejaht. 

Vollstreckungsrechtliche Folgen sind nicht auszuschließen. Wie der "Süddeutschen Zeitung" zu entnehmen ist, will Jameda den Unterlassungsanspruch nicht vollständig erfüllen, sondern nur die Darstellungspraxis ändern: 

"Trotz des Urteils wird Jameda nach eigenen Angaben kein Arzt-Profil löschen: Anzeigen auf Arztprofilen, die Grund für das Urteil gewesen waren, seien nach Vorgaben der Bundesrichter mit sofortiger Wirkung entfernt worden. Damit entfalle auch der Löschgrund, sagte eine Sprecherin des Unternehmens".

Mutmaßlich wird es weitere BGH - Entscheidungen zu diesem Thema geben. 

Vorinstanzen: 
Landgericht Köln vom 13. Juli 2016 - 28 O 7/16 - 
Oberlandesgerichts Köln vom 5. Januar 2017 – 15 U 198/15 - AfP 2017, 164 
Karlsruhe, den 20. Februar 2018 
Quelle: Pressestelle des BundesgerichtshofsNr. 034/2018 vom 20.02.2018



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