Mit einer interessanten, immobilien-, nachbarrechtlichen und versicherungsrechtlichen Entscheidung vom 09.02.2018 hat der BGH entschieden, dass ein Grundstückseigentümer verschuldensunabhängig nach den Grundsätzen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches verantwortlich ist, wenn ein von ihm beauftragter Handwerker einen auf das
Nachbarhaus übergreifenden Brand verursacht (Urteil vom 9. Februar 2018 – V ZR 311/16).
Im Ausgangsfall hatte ein Grundstückseigentümer einen Handwerker mit Reparaturarbeiten am Flachdach eines Hauses beauftragt. Infolge der fehlerhaften Vornahme der Arbeiten geriet das Nachbarhaus in Brand und wurde durch diese Arbeiten beschädigt, während das Haus der Auftraggeber völlig zerstört wurde. In solchen Fällen tritt nach den seit Jahrzehnten üblichen Versicherungspolicen die Wohngebäudeversicherung mit der Feuerversicherung ein, da nahezu sämtliche Wohngebäude über Versicherungsschutz gegen Brandschäden verfügen (näher, M.van Bühren, in, H. van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Auflage, S. 348 f m.w.N.). Nach Eintritt der Versicherung und Regulierung des Schadens, steht ihr gegen die Verantwortlichen ein Rückgriffsanspruch aus der Sachversicherung nach § 86 VVG zu und zwar hier gegen den Handwerker und den Grundstücknachbarn, der die Arbeiten in Auftrag gegeben hat.
Die Beklagten sind die Rechtsnachfolger der ursprünglich beklagten Eheleute R., die im Laufe des Rechtsstreits verstorben sind.
Die Eheleute R. waren Eigentümer eines Wohnhauses. Am 8. Dezember 2011 führte ein Dachdecker in ihrem Auftrag am Flachdach des Hauses Reparaturarbeiten durch. Im Verlauf der mit Hilfe eines Brenners durchgeführten Heißklebearbeiten verursachte er schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen. Am Abend bemerkten die Eheleute Flammen in dem Bereich, in dem der Dachdecker gearbeitet hatte. Der alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten. Es brannte vollständig nieder. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Haus der Nachbarin erheblich beschädigt.
Das Haus der Nachbarin ist bei der Klägerin als Gläubigerin des Rückgriffsanspruches versichert.
Die Versicherung hatte den Schaden reguliert und verlangte von den beklagten Grundstückeigentümern aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz,nachdem über das Vermögen des zur Zahlung von 97.801,29 € verurteilten Dachdeckers das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war und eine etwaige betriebliche Haftpflichtversicherung des Dachdeckers wegen grober Fahrlässigkeit bei der Schadensverursachung nicht eingetreten ist, wenn es eine gab (es besteht keiner gesetzliche Versicherungspflicht für diesen Bereich).
Interessanterweise hatte das Landgericht die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg und zwar deshalb, weil die Gerichte auf die - teilweise nicht konsistente - Rechtsprechung des BGH zu § 831 BGB hinsichtlich der Auswahl von unternehmerisch tätigen Verrichtungsgehilfen abgestellt hatte (st. Rechtspr. seit BGH, VersR 1953, 358, mit Ausnahmen, die hier aber dahinstehen können) und die Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches aufgrund Ablehnung einer Störerhaftung verneinten.
Nach der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Naumburg waren die Beklagten nicht zum Ersatz verpflichtet, weil eine Haftung aus unerlaubter Handlung wegen der vorstehend genannten Grundsätze ausscheide, weil keine Anhaltspunkte bestünden, dass ihre Rechtsvorgänger den Dachdecker nicht sorgfältig ausgewählt hätten. Der vom BGH dann bejahte Anspruch aus § 906 Abs.2 S.2 BGB analog wurde ebenfalls verneint, weil auch kein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch vorliegen würde. Voraussetzung dafür wäre, dass die damaligen Grundstückseigentümer Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Eheleute R. hätten mit der sorgfältigen Auswahl des Dachdeckers alles Erforderliche getan, um das Risiko eines Brandschadens im Zuge der Dachdeckerarbeiten auszuschließen.
Der BGH sah dies anders und hat mit dieser Entscheidung eine deutliche Änderung der einschlägigen Rechtsprechung herbeigeführt, da die Revision der Klägerin erfolgreich war und die Haftung dem Grunde nach mit diesem Urteil feststeht.
Der BGH hat vorliegend das Bestehen eines verschuldensunabhängigen, nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches in analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG bejaht.
Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (s. etwa BGHZ 155, 103 und öfter). Diese Grundsätze hat der BGH auf den vorliegenden Fall übertragen.
Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.
Weitere Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung im Wege einer Gesamtbetrachtung und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen für ein Geschehen aufzuerlegen.
Der Senat hatte dies in früheren Entscheidungen beispielsweise bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt. Hierdurch verursachte Störungen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich wie etwa ein Blitzschlag - ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grundsätzlich der Grundstückseigentümer bzw. -besitzer, und nur dieser, Einfluss nehmen konnte, insbesondere weil er die Arbeiten in Auftrag gegeben hat. Infolgede. Diese Störereigenschaft hat der BGH im vorliegenden Falle bejaht und damit den Weg zur Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches eröffnet.
Nach der interessanten Auffassung des BGH steht es der Annahme einer Verantwortlichkeit der Rechtsvorgänger der Beklagten entgegen den beiden Vorinstanzen nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des von ihnen mit der Vornahme einer Dachreparatur beauftragten Handwerkers zurückzuführen ist, der selbst nach § 823 Abs.1 BGB gehaftet hat, auch wenn der Anspruch wirtschaftlich nicht realisiert werden konnte.
Der BGH stellt hier auf die Rechtsfigur des mittelbaren Handlungsstörers ab. Darunter ist derjenige zu verstehen, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Rechtsfigur auch für andere Bereiche weiter entwickelt ist. Sie sollte auf Ausnahmefälle wie diesen beschränkt werden.
Für die Zurechnung des durch den Handwerker herbeigeführten gefahrträchtigen Zustands des Grundstücks kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Auswahl des Handwerkers Sorgfaltspflichten - etwa im Rahmen des § 831 BGB - verletzt haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Der BGH nimmt insoweit eine interessante Distinktion vor, die diesen Fall von vergleichbaren Fällen "abschichtet".
Die Rechtsvorgänger der Beklagten waren nach diesem Urteil diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten Nutzen ziehen wollten. Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle geschaffen haben und damit der bei der Auftragsausführung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen sind, was vorliegend auch sachgerecht ist und Restriktionen des Anwendung des § 831 BGB bei eingeschalteten selbständigen Unternehmen vermeidet. Der BGH hat aber nicht in der Sache selbst entschieden.
Die Sache wurde an das Oberlandesgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses hat zu klären, ob der geltend gemachte Anspruch der Höhe nach berechtigt ist.
In der Folge sollte sich ein Auftraggeber solcher Arbeiten versichern, ob der beauftragte Handwerker hinreichend haftpflichtversichert ist und sich die Police ggf. vorlegen lassen. Das billigste Angebot, muss nicht das Beste sein.
Vorinstanzen:
LG Magdeburg - Urteil vom 3. Juli 2015 – 10 O 1082/13
OLG Naumburg - Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 U 52/15
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Mitteilung der Pressestelle, PM Nr. 028/2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen