Der Bundesgerichtshof hat in einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung vom 23.07.2015 (AZ: I ZR 83/14) festgestellt, dass Amazon mit einer Gutscheinaktion gegen die Buchpreisbindung verstoßen hat.
Die Gutscheinspraxis von Amazon hat schon wiederholt die deutschen Gerichte beschäftigt. Betroffen waren schon etwa die Verfallszeit von Gutscheinen, die Verrechnungspraxis und weitere Details, die dafür gesorgt haben, dass mit Hilfe von Amazon das Recht der Gutscheine in Deutschland auf hohem Niveau im Hinblick auf die AGB - Praxis weiter entwickelt wurde. In diesem Bereich entwickelt Amazon seit Jahren innovative Ansätze im Sinne eines progressiven Kundenbindungsystems, das offentlich rechtliche "Verwerfungen" in Kauf nimmt und nach jedem Rückschlag weiter optimiert wird.
In diesen Sache hat der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wenig überraschend im Sinne der Berufungsinstanz entschieden, dass beim Erwerb preisgebundener Bücher Gutscheine nur verrechnet werden dürfen, wenn dem Buchhändler schon bei Abgabe der Gutscheine eine entsprechende Gegenleistung zugeflossen ist.
Der Kläger ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Die Beklagte verkauft über ihre Website www.amazon.de in Deutschland preisgebundene Bücher. Über das "Trade-in-Programm" der Beklagten können Kunden gebrauchte Bücher u.a. verkaufen:
"Das Amazon Trade-In Programm ermöglicht es Ihnen, geeignete Handys, Tablets, Bücher, DVDs & BluRays, Video Spiele, Konsolen und Zubehör an einen von Amazon zur Abwicklung des Eintausches beauftragten Bewerter zu senden und dafür einen Amazon.de Gutschein zu erhalten".
Bei einer um die Jahreswende 2011/2012 durchgeführten Werbeaktion erhielten Kunden, die mindestens zwei gebrauchter Bücher gleichzeitig zum Ankauf eingereicht hatten, zusätzlich zum Ankaufspreis einen Gutschein über 5 € auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Dieser Gutschein konnte zum Erwerb beliebiger Produkte bei der Beklagten eingesetzt werden. Dazu zählte auch der Kauf neuer Bücher.
Der Kläger sieht in der Anrechnung der Gutscheine auf den Kauf preisgebundener Bücher einen Verstoß gegen die Buchpreisbindung. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Unterlassungsklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben, weil die Beklagte gegen §§ 3, 5 BuchPrG verstoßen habe.
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Die Beklagte hat nach der sich auf einer gefestigen Rechtsprechung bewegenden Entscheidung des BGH mit der beanstandeten Werbeaktion § 3 BuchPrG verletzt, weil sie Gutscheine, die zum Erwerb preisgebundener Bücher eingesetzt werden konnten, an Letztverbraucher ausgegeben hat, ohne dass ihr dafür eine entsprechende Gegenleistung der Kunden nach einer Gesamtberechnung zugeflossen ist.
Der BGH stellt maßgeblich auf den Zweck der Buchpreisbindung ab (s. insoweit näher Franzen/Wallenfalls/Russ, Preisbindungsgesetz, C.H.Beck, München, Kommentierung zu § 1) der darin besteht, durch Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer ein umfangreiches, der breiten Öffentlichkeit zugängliches Buchangebot in einer großen Zahl von Verkaufsstellen zu sichern (§ 1 BuchPrG).
Ob das Preisbindungsgesetz in Zeiten des "Aussterbens" kleinerer bis mittlerer Buchhandlungen und eines erheblichen Rückgangs der Sortimentfläche nicht nur in Deutschland angesichts der steigenden Marktmacht in Deutschland überhaupt noch erfüllen kann, ist eine rechtspolitische Frage, die sich der BGH nicht stellen musste. Die Frage ist eher, was geschehen würde, wenn die Buchpreisbindung in Deutschland völlig aufgehoben würde. Die damit zusammenhängenden Fragen sind sehr umstritten.
Letztlich geht aber darum, Geschäftsmodelle mit Gutscheinen zu unterbinden, bei denen mit für Amazon positiven Kundenhandlungen Belohungen in Form von Gutscheinen erfolgen. Allerdings lassen sich solche "Belohnungsysteme" in elektronischen Vertriebsnetzen auch ohne Gutscheine realisieren.
Der BGH sagt in aller Deutlichkeit, dass Geschenkgutscheine preisbindungsrechtlich zulässig sind, die Buchhandlungen verkaufen, und mit denen die Beschenkten neue Bücher erwerben können. In diesem Fall erhält der Buchhändler durch den Gutscheinverkauf und eine eventuelle Zuzahlung des Beschenkten insgesamt den gebundenen Verkaufspreis für das Buch. Dies lässt sich unmittelbar in eine entsprechende AGB - Klausel umsetzen, falls solche Modelle angeboten werden sollten.
Ein Verstoß gegen die Buchpreisbindung liegt nach der Auffassung des BGH dagegen vor, wenn ein Händler beim An- oder Verkauf von Waren für den Kunden kostenlose Gutscheine ausgibt, die zum Erwerb preisgebundener Bücher benutzt werden können. Der Buchhändler erhält dann im Ergebnis für das Buch ein geringeres Entgelt als den gebundenen Preis. Unerheblich ist, dass Gutscheinausgabe und Buchverkauf zwei selbständige Rechtsgeschäfte darstellen und ein Bezug zwischen ihnen erst durch die Kaufentscheidung des Kunden hergestellt wird.
Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen die Preisbindung ist danach, ob das Vermögen des Buchhändlers beim Verkauf neuer Bücher in Höhe des gebundenen Preises vermehrt wird. Daran fehlt es im Streitfall, was auch völlig zutreffend ist.
Die Beklagte wird zwar durch den Kauf eines preisgebundenen Buches unter Anrechnung des Gutscheins von der Verpflichtung befreit, die sie gegenüber dem Kunden mit dem Gutschein beim Ankauf eines Buchs übernommen hat. Sie erhält aber für den Verkauf des preisgebundenen Buches insgesamt nicht den gebundenen Preis, wenn ihr für den Gutschein - wie im vorliegenden Fall - keine entsprechende Gegenleistung zugeflossen ist.
Im Grundsatz ist das Urteil zu begrüßen, es wird aber nur einen Zwischenschritt darstellen, weil die großen Anbieter die betreffenden Systeme weiter entwickeln werden. Mit der Verteidigung der Buchpreisbindung allein, werden sich die bekannten Probleme des Sortimenthandels nicht lösen lassen.
LG Wiesbaden - Urteil vom 16. August 2013 - 13 O 18/13
OLG Frankfurt - Urteil vom 28. Januar 2014 - 11 U 93/13
BGH, Karlsruhe, den 23. Juli 2015
Quelle: Mitteilung der Pressestelle Nr. 125/2015 vom 23.07.2015
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