Sonntag, 26. Juli 2015

Unternehmengsgründungen im europäischen Ausland: Spanien

I. Unternehmensgründungen im Ausland


Das Interesse an Unternehmengsgründungen im europäischen Ausland hat weiter zugenommen, wobei wieder besonderes Interesse an Spanien zu verzeichnen ist, auch als Basis für Lateinamerika - Geschäfte. Allerdings sollte eine solche Investition eingehend geplant und vorbereitet werden. 

Dazu gehören insbesondere betriebswirtschaftliche Standortplanungen, das Aufstellen eines Business - Plans mit Marketing - und Expansionsstrategie sowie eine Markenstrategie, die Gründungsplanung und der Vollzug der Gründung bis hin zur Etablierung.  

Es lassen sich mehrere Gründungs-Szenarien unterscheiden, die sämtlich zu unterschiedlichen Einschätzungen und Folgen führen können. Zum einen kann es sich um eine Unternehmensgründung im Rahmen eines vollständigen Wegzugs aus Deutschland etwa mit einer Existenzgründung oder einer Neuausrichtung im Ausland handeln, zum anderen um Gründungen von Tochtergesellschaften im Ausland oder aber um die Gründung einer aus Deutschland betriebenen Auslandsgesellschaft außerhalb einer "Mutter - Tochter - Konstellation" mit natürlichen Personen als Gesellschaftern, ggf. mit Wohnsitz im Ausland. Dabei sind auch die steuerlichen Aspekte im Rahmen einer Steuerplanung zu erfassen. 

Im letztgenannten Fall einer Unternehmensgründung kann es insbesondere mit Blick auf § 10 Abgabenordnung - Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung - zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn die unternehmerischen Entscheidungen zu mehr als 50 % in Deutschland getroffen werden, was in einem solchen Fall die Wahl des Standortes erheblich beeinflussen kann. Trennen muss man insoweit zwischen einem Standort im Rechtsrahmen der EU und in einem Drittstaat, der unter Umständen zur Annahme einer rechtswidrigen Zwischengesellschaft nach §§ 7 ff AStG führen kann, wenn ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen sollte. Eine pauschale Nichtanerkennung findet in der EU nicht statt. Entsprechend wird das Vorliegen einer Scheingesellschaft von der Rechtssprechung des BFH nur in Europa nur in Ausnahmefällen angenommen. Jedenfalls aber muss eine solche Gesellschaft auch in der EU eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit entfalten, um nicht in die Gefahr eines Gestaltungsmissbrauches nach § 42 AO im Rahmen einer Missbrauchskontrolle nach den Grundsätzen des EuGH zu geraten. Letztlich gelten ín allen EU-Ländern fast einheitliche Regelungen, die vorsehen, dass eine zustellbare Postanschrift vorhanden sein muss und nicht lediglich ein "Briefkasten", eine telefonische Erreichbarkeit zu den normalen Geschäftszeiten und eine gewisse Präzenz der Geschäftsleitung. Nicht erforderlich ist in der EU ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb und/oder eine aktive Tätigkeiten im Sitzstaat der Gesellschaft. Möglich sind auch rein vermögenshaltende Gesellschaften, bei denen zahlreiche Besonderheiten zu beachten sind. 

Insbesondere für eine Unternehmenstätigkeit in Spanien oder aus Spanien heraus kommt die Sociedad Limitada für kleine und mittelständische Unternehmen als interessante Rechtsform in Betracht, auch unter dem Aspekt des Immobilienerwerbs (s. Fauteck/Fitzner/Strunk/Plattes, Immobilienkauf mit einer Sociedad Limitada, Mallorca 2030, 2013). Vieles was man dazu im "Netz" lesen kann, ist allerdings oftmals nicht ganz zutreffend.

Die nachfolgenden Ausführungen behandeln die Gründung einer S.L. in Spanien im Überblick, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. sondern dienen einer Information über einige grundlegende Strukturen, die auf diversen Beratungen in diesem Bereich beruhen. 

II. Die Gründung einer spanischen S.L. im Überblick

1. Bedeutung und Stammkapital der spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada

Die S.L. ist die spanische Entsprechung zur deutschen GmbH, bei allerdings recht unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Vergleich zum deutschen Gesellschaftsrecht, die oftmals vorteilhafter sind. Die Sociedad de Responsabilidad Limitada (abgekürzt S.L., früher öfter auch S.R.L.) wird in deutlich über 90 % aller neu gegründeten Unternehmen als Rechtsform in Spanien genutzt, wo Personengesellschaften kaum eine Rolle spielen (näher: Löber/Lozano/Steinmetz, Die spanische GmbH, 4. Auflage, efiw, 2012). Der entscheidende Vorteil gegenüber der Sociedad Anónima ist neben der sehr hohen Flexibilität das geringe Stammkapital von 3.000 Euro, während die spanische Aktiengesellschaft ein Mindestkapital in Höhe von 60.101,21 Euro erfordert und einen deutlichen höheren Verwaltungsaufwand hat. In der Abgrenzung handelt es sich um einen völlig unterschiedlichen Investitionsaufwand. Die Rechtsform ist vielfältig einsetzbar und kaun im In - und Ausland Zweigniederlassungen errichten. 

2. Gründungsverfahren

Die S. L. kann durch eine oder mehrere (auch juristische) Personen gegründet werden, wobei für die Ein-Personen-Gesellschaft einige Sonderregeln gelten. Die Errichtung der Gesellschaft und die Beurkundung der Satzung sind von einem spanischen Notar vorzunehmen. Erfolgt die Gründung durch eine ausländische juristische Person, muss eine notarielle Vollmacht vorgelegt werden, aus der die Vertretungsbefugnis hervorgeht. Sie muss  mit einer Apostille  versehen und von einem vereidigten Übersetzer ins Spanische übersetzt werden. Die Apostille sollte zeitnah bis maximal zu sechs Monaten verwendet werden. Bereits dieses Detail zeigt, dass eine solche Gründung zeit - und kostenaufwendig sein kann. Der Business - Plan für den Gründungsaufwand sollte derartige Details kalkulieren (im einzelnen, Salamanca Cuevas, Formularios de Sociedades de Responsibilidad Limitada, FC editorial)..

Allerdings gibt es inzwischen mehrere Gründungsverfahren. Nachdem die 2004 mit dem Ley 7/2003 ins Leben gerufene S.L.N.E. als vereinfachte Form der S.L. insbesondere für Existenzgründer freundlich ausgedrückt "ein Flop" war, hatte sich der Gesetzgeber mit Ley 59/2004 erstnals einem elektronischen Gründungsverfahren zugewandt, das mit dem Ley 11/2007 weiter verbessert wurde. Mit dem Ley 1/2010 und 13/2010 wurde das Recht der Kapitelgesellschaften mit der Schaffung erheblich modernisiert, in dem das Gesetz über die spanische GmbH von 1995 aufgehoben und durch das Ley de Sociedades de Capital (LSC) ersetzt wurde. Mit dem Ley 14/2013 ergaben sich weitere Modifikationen inbesondere bei der elektronischen Gründung und bei den Arten der S.L, die um weitere Facetten ergänzt wurde. Durch das Ley 31/2014 haben sich Änderungen in Bezug auf Mehrheitsmehrhältnis bei Gesellschafterbeschlüssen ergeben, etwa hinsichtlich der Funktion der Sperrminorität von 25 % für den Minderheitenschutz und für Stimmrechtsausschlüsse bei Interessenkollisionen von Gesellschaftern. 

Nach derzeitigen Stand ist eine elektronische Schnellgründung mit Mustersatzung möglich (Constitución de sociedad limitada con estatutos tipo), eine normale Gründung ohne Nutzung der typisierten Satzung (die in der Tat nicht für alle Gründungsmodelle passt) als "Constitución de sociedad limitada sin estatutos tipo sowie die einfallsreiche, aber kaum zu empfehlende sukzessive Gründung der "Sociedad limitada de formación sucesiva", die gewisse Parallelen zur deutschen "UG" aufweist und heftiger Kritik ausgesetzt ist, die bis hin zu einem gesetzgeberischen Desaster reicht. Für Gründer mit guten Ideen, aber wenig Kapital kann dies aber durchaus eine Alternative sein. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den normalen Gründungsvorgang ohne Verwendung einer Mustersatzung.   

Aus der Gründungsurkunde (Escritura pública de constitución) muss hervorgehen, wer die Geschäftsführung innehat und welche Einlagen die jeweiligen Gesellschafter übernehmen sowie welche Satzung sich die Gesellschaft gibt, Art. 22, 23 LSC. In die Gründungsurkunde können sämtliche Vereinbarungen aufgenommen werden, die seitens der Gesellschafter für erforderlich gehalten werden, soweit sie dem Gesetz nicht widersprechen. Geheime Gesellschafterabsprachen sind zwar unzulässig, jedoch ist es möglich, im Innenverhältnis jenseits der Satzung Regelungen zu treffen, die lediglich im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung Bindungswirkungen im Innenverhältnis haben (sog. acuerdo parasocial), wie dies auch oftmals geschieht, damit die Satzung aufgrund der Publizitätswirkungen nur die notwendigen Mindestangaben enthält. Ausländische Gesellschafter werden seit 2007 in ein Auslandsinvestionsregister (AFORIX - Register) eingetragen. 

Im Unterschied zur deutschen GmbH muss das Stammkapital bei der herkömmlichen Gründung von Beginn an vollständig eingezahlt sein. Der Nachweis erfolgt gegenüber dem Notar in der Regel durch einen entsprechenden Bankbeleg. Bei Nichteinzahlung droht die Nichtigkeit der Gesellschaft. Eine Sachgründung ist auch ohne Bewertung eines unabhängigen Sachverständigen möglich, aber aufgrund abweichender Bewertungen - etwa des Finanzamtes -  für die Gesellschafter bis zur Höhe der übernommenen Haftsumme riskant, die die Mindesthaftsumme durchaus übersteigen kann. Bei einer Unterbewertung haften die Gesellschafter persönlich gegenüber der Gesellschaft und Gläubigern im Außenverhältnis für die Differenz, so dass eine gesetzliche Nachschusspflicht entsteht, Art. 73 LSC. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Sachgründung mit einem Wertgutachten erfolgt, Art. 76 LSC. In der Regel ist von Sachgründungen abzuraten. 

3. Name der Gesellschaft (Firmierung)

Bereits vor dem Notartermin muss recherchiert werden, ob die für die Gesellschaft gewünschte Firmierung verfügbar ist. Die Abfrage beim Handelsregister ist entgeltlich und kann von dem Unternehmen selbst oder durch einen beauftragten Dritten vorgenommen werden.

Diese Recherche ist allerdings in der heutigen Zeit nicht mehr hinreichend, da ein Firmenname mit einer nationalen Marke für Spanien oder einer EU - Marke sowie weiteren Kennzeichen kollidieren kann, so dass eine entsprechende Marken- und Kennzeichenrecherche absolut empfehlenswert ist, um ggf. erhebliche finanzielle Nachteile aufgrund von Kollisionsfällen einer jüngeren mit einer prioritätsälteren Marke zu vermeiden, die nur im Einzelfall bewertet werden können, weil nicht jede Identität oder Ähnlichkeit einen Kollisionsfall darstellen muss. Gleichzeitig sollte kritisch bewertet werden, ob es sinnvoll ist, den Namen des Unternehmens selbst als nationale oder europäische Marke zu schützen (der internationale Markenschutz soll hier außen vor bleiben). Idealerweise sollten drei Alternativen angegeben werden, was ein intensives Branding voraussetzt. In ca. 5 Tagen erfolgt eine Benachrichtigung vom Handelsregister, ob und ggf. welcher der gewünschten Namen gewählt werden kann. Das Handelsregister teilt den Gesellschaftsnamen in der Reihenfolge der angegebenen Präferenzen zu. Diese Reservierung ist dann zunächst für 3 Monate gültig.

Im Geschäftsverkehr muss die Gesellschaft unter der gewählten Firmierung auftreten (Art. 6 LSC), ergänzt durch die Abkürzung S.L oder S.R.L. bzw. bei Ein-Personen- Gesellschaften durch die Abkürzung S.L.U. (sociedad limitada unipersonal) oder nach Ley 2/2007 als Sociedad Limitada Profesional (S.L.P.) für bestimmte verkammerte Berufsträger u.a., mit einigen personalistischen Besonderheiten wie der persönlichen Haftung der Gesellschafter bis zur Höhe des Haftkapitals.  

4. Haftung

Nach Art. 24 LSC beginnt die Geschäftstätigkeit am Tag der Errichtung in Form einer Vorgesellschaft (Sociedad en formación), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt (Art. 36 LSC), was im Einzelfall sinnvoll sein kann, weil die Handelnden bis zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister persönlich haften und zwar gesamtschuldnerisch (Sociedad en formación). Dies lässt durch eine entsprechende Vertragsgestaltung vermeiden. Dies gilt nicht für Rechtshandlungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Gründung stehen, Art. 38 LSC. Im Übrigen haftet die Gesellschaft nur für Rechtshandlungen die binnen drei Monaten ab Gründung vorgenommen und von ihr genehmigt worden sind. 

Nachdem der Gesellschaftsvertrag beurkundet ist, ist die Gesellschaft zum spanischen Handelsregister anzumelden (registro mercantil), was in der Regel über einen Notar geschieht. Mit der Eintragung ist die S. L. voll rechtsfähig. Die Beschränkung der Haftung auf das Stammkapital greift erst ab diesem Zeitpunkt.  

5. Gesellschaftsvertrag

Anders als in Deutschland entwirft der spanische Notar den Vertrag i.d.R. nicht selbst, so dass hierfür in der Regel ein Anwalt eingeschaltet wird. Wie bei der deutschen GmbH besteht auch bei der spanischen S.L. ein erheblicher Spielraum für Vertragsgestaltungen, soweit dies erforderlich und rechtlich zulässig ist. In der Satzung (estatutos) können u. a. Stimmrechte, Gewinnverteilung und die Übertragbarkeit von Anteilen weitgehend frei vereinbart werden. In der Praxis wird zwar oft mit Standardsatzungen - etwa bei Schnellgründungen - gearbeitet, die aber im Einzelfall in Teilbereichen kritisch zu hinterfragen sind. Aber auch solche Satzungen können später geändert werden, was allerdings mit erheblichen Kosten verbunden sein kann, so dass die Schnellgründung auch erhebliche Nachteile haben kann.

Der Gesellschaft ist es aus nachvollziehbaren Gründen nur in engen Grenzen gestattet, Darlehen an Gesellschafter oder Geschäftsführer zu vergeben. Nebenleistungen sollten gesellschaftsvertraglich vereinbart werden.

6. Geschäftsführung

Die S.L. kann von einem oder mehreren Geschäftsführern (administradores) geleitet werden, die die Gesellschaft nach außen im Rechtsverkehr vertreten, Art. 210 LSC. Liegt ein Unvereinbarkeitstatbestand - etwa Verurteilung wg. best. Straftaten - nach Art. 213 LSC vor, scheidet eine Bestellung und eine Ausübung dieser Tätigkeit aus. Die Vertretungsbefugnis ist im Außenverhältnis nicht beschränkbar. Die genaue Vertretungsregelung ist im Gesellschaftsvertrag (ggf. mit Alternativstrukturen) oder ergänzend in einer Geschäftsführerordnung festzulegen. Bei der Nennung von Alternativmodellen kann sich die Gesellschafterversammlung auch später für ein Modell nach Art. 210 LSC entscheiden, ohne das eine Satzungsänderung erforderlich ist. Auch eine juristische Person kann Geschäftsführer sein.

Der Gerente muss einen Wohnsitz in der Europäischen Union haben. Es bestehen praktisch keine Befreiungsmöglichkeiten bei den Sozialabgaben als Autonomo mehr, die derzeit bei entsprechender Gestaltung bei mind. 260,00 Euro monatlich liegen. In jedem Falle sollte dieser Bereich im Vorfeld abgeprüft werden. 

Anders als bei der deutschen GmbH besteht die Alternative, einen so genannten Geschäftsführungsrat (consejo de administración) einzusetzen. Er darf aus mindestens drei und höchstens zwölf Mitgliedern bestehen. Die Vertretungsbefugnis wird dabei an ein oder mehrere Mitglieder übertragen. Eine namentliche Nennung der Mitglieder im Handelsregister erfolgt nicht. 

Aufgrund der Regelung des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes in Art. 217 LSC, dass als Regelfall eine unentgeltliche Tätigkeit des Geschäftsführers vorsieht, muss die Geschäftsführerhonorierung im Grundsatz bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, sonst sind Schwierigkeiten mit dem Finanzamt vorprogrammiert. Die Geschäftsführervergütung wird jedes Jahr durch die Gesellschafterversammlung festgelegt, wenn sie entgeltlich ist und sich nicht auf der Grundlage einer Gewinnbeteiligung ermittelt, Art. 217 f LSC.

Der Geschäftsführer unterliegt einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot nach Art. 230, 234 LSC, von dem Befreiuung erteilt werden kann. Interessenkonflikte sind offen zu legen, Art. 229 LSC. Hinzu kommt, dass Geschäftsführer andere Gesellschaften nicht vertreten dürfen, die einen vergleichbaren Gesellschaftszweck aufweisen.

Den Geschäftsführer treffen nach Art. 236 ff LSC weitreichend Haftungsrisiken, entweder bei unmittelbarer Schadenszufügung oder bei Nichterfüllung best. gesetzl. Pflichten. Hinzutreten Haftungsrisiken aus den Bereichen Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, gewerblichem Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht sowie auf dem Gebiet des Baurechts und des Umweltrechts. Strafrechtlich stehen Geschäftsführer für durch die Gesellschaft begangene Straftaten nach Art. 290, 291 Código Penal (CP) persönlich ein, Art. 31 CP. In gewissem Umfang treffen den Geschäftsführer nicht nur die Risiken einer Haftung gegenüber der Gesellschaft nach Art. 238 LSC, sondern auch im Außenverhältnis zu Gläubigern nach Art. 241 LSC bei unmittelbarer Schadenszufügung, die nach vier Jahren verjähren und im Detail sehr umstritten sind. Selbstredend ist der Geschäftsführer auch für die Einhaltung der Geldwäschevorschriften verantwortlich.   

6. Treuhand  


Treuhandverträge (Fiducia de Gestión o Administración; Fiducia de Mercantil) sind sowohl hinsichtlich der Gesellschaftsanteile als auch hinsichtlich des Geschäftsführers rechtlich zulässig, allerdings werden diese Konstruktionen von der Hazienda unter Umständen näher untersucht, was auch von der Tätigkeit der Gesellschaft abhängt. Treuhandverträge sollten sehr klar abgefasst werden. Der Treuhandvertrag ist im spanischen Recht nicht speziell geregelt, basiert aber auf Art. 1274 CC. Auch bei einer Treuhandkonstruktion empfiehlt es sich als Treugeber eine Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft fungieren zu lassen und keine natürliche Person. Diese Funktionen können später bei Bedarf getauscht werden. 

Die Gesellschafter können im Falle einer solchen Konstruktion - die letztlich im Kern ein Auftragsverhältnis darstellt - die Gründung vornehmen lassen und sich dann notarielle Vollmachten vom Gründer ausstellen lassen, wobei die Besonderheiten des spanischen Vollmachtsrechts zu beachten sind, dessen Handhabung nicht einfach ist. Nach Art. 94 RRM  i.V.m. Art. 22 Ccom sind spanische Generalvollmachten (Poder General, mit Einzelbenennung der rechtsgeschäftlichen Ermächtigungen) in das Handelsregister einzutragen, wobei für Treuhandverhältnisse keine Ausnahmen bestehen. Allerdings fehlt es an Bestimmungen, die im Falle einer Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Eintragung zur Nichtigkeit der (notariell beurkundeten) Vollmacht führen. Nach derzeitigem Stand wird lediglich die Genauigkeitsfunktion beeinträchtigt, die auf der Registrierung beruht, allerdings die Einzelheiten sehr umstritten sind. Nicht eintragungsbedürftig sind bei Handelsgesellschaften lediglich Vollmachten für besondere Anlässe oder Bankvollmachten.

Diese Besonderheiten schränken die Möglichkeit der Treuhand in Spanien etwas ein und erfordern ein hohes Vertrauensverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder.Wesentlich ist allerdings, dass der Treuhand-Vertrag nicht offenbart wird (außer gegenüber den Steuerbehörden). Diese Konstellation kann dazu führen, dass dem Treuhandgeschäftsführer schnell eine aktive Rolle zukommen kann, was im Treuhandvertrag entsprechend zu berücksichtigen ist und auch dazu führen sollte qualifizierte Treuhänder zu bestellen. Nicht zuletzt aus diesem Grund fungieren oftmals Rechtsanwälte und Steuerberater als Treuhänder. 

7. Stille Gesellschaft

Die stille Gesellschaft - cuentas in participación - nach Art. 239 - 243 span. CCom unterliegt wie in Deutschland keinen speziellen Formvorschriften und kann auch grenzüberschreitend eingesetzt werden.  Sie ist abzugrenzen vom partiarischen Darlehen nach Ley 10/1996, das einen Rangrücktritt vorsieht, den es bei der stillen Gesellschaft nicht gibt. Allerdings ist die Rechtsfigur der atypisch stillen Gesellschaft in Spanien mit Modifikationen (bei ggf. entsprechender Rechtswahl) einsetzbar, die allerdings funktional vergleichbare Ergebnisse erzielen kann (näher M. Lipp, Die stille Gesellschaft im nationalen und internationalen Kontext, 2014, S. 275 ff). 

Bei Nutzung dieser Rechtsfigur in Spanien kann es steuerlich zu einem Qualifikationskonflikt kommen, weil diese Rechtsfigur in Spanien grds. als Körperschaft gilt und daher auch als solche besteuert wird. Dies lässt sich vermeiden, indem sie als reine Innengesellschaft konzipiert wird, die dann unter Art. 22 des Doppelbesteuerungsabkommens 2011 fällt. Für die Innengesellschaft sollte in einem solchen Fall deutsches Recht gewählt werden. In einem solchen Fall findet die Anrechnungsmethode Anwendung, so dass in Spanien entstandene Gewinne dort und nicht erneut in Deutschland besteuert werden. 

8. Gründungskosten und Steuernummer

Die Gründungskosten liegen bei einem Haftkapital von 3.000 Euro etwa bei 1.500 Euro (ohne Rechtsanwaltskosten und Übersetzungskosten). Zu kalkulieren sind Kosten für das Handelsregister, die Gründungssteuer und ggf. beglaubigte Übersetzungen, etwa von Vollmachtsurkunden. Für den Handelsregistereintrag und die Steuern hängen die Kosten von der Höhe des Stammkapitals ab. Der Gründungsaufwand ist daher sehr überschaubar und liegt im Budget bei insgesamt bei ca. 6.000 - 7.500 Euro inklusive Mindestkapital, je nach Gestaltungserfordernissen.
   
9. Eröffnung des Gründungskontos

Nach der Namensreservierung kann ein Gesellschaftskonto (Gründungskonto) bei einer spanischen Geschäftsbank in Spanien eröffnet werden (eine Eröffnung aus dem Ausland heraus ist schwierig). Die Voraussetzungen für die Kontoeröffnung sind von Bank zu Bank unterschiedlich. Jedenfalls aber muss der Bank die Namensreservierung des Handelsregisters nachgewiesen werden. Das Haftkapital ist auf das Gesellschaftskonto einzuzahlen und dem Notar bei der Gründung nachzuweisen. Dieses Haftkapital muss
von der Höhe her exakt sein und von den Gesellschaftern selbst (nicht von Dritten) eingezahlt werden. Es muss für die Bank in Anwendung der Geldwäscherichtlinien erkennbar sein, dass die Zahlung des Stammkapitals durch die Gesellschafter der künftigen S.L. erfolgt. Wenn das Stammkapital auf das Gründungkonto eingezahlt ist, stellt die spanische Bank die für die Gründung der Gesellschaft nötigen Devisen-und Einzahlungsbestätigungen aus. Wenn Ausländer an der Gesellschaft beteiligt sind, muss zudem das Formular D1A (Auslandsbeteiligung) ausgefüllt werden.

10. Unterzeichnen der Gründungsurkunde vor dem Notar

Innerhalb von 2 Monaten nach Einzahlung des Stammkapitals muss die Gründung der Gesellschaft vor dem Notar erfolgen, wobei die Gesellschafter sich vertreten lassen können, ggf. auch mit deutscher Vollmacht mit Apostille. Alle Geschäftsführer und Gesellschafter benötigen zwingend eine NIE - Steuernummer, um die sich die Beteiligten rechtzeitig kümmern müssen, wobei es allerdings Mittel und Wege das Verfahren zu beschleunigen. Liegen diese Steuernummern nicht vor, kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen. Bei natürlichen Personen gilt: Die Steuernummer NIF (numero de indentificación fiscal) ist identisch mit der „Ausländernummer“ NIE (número de indentificación de extranjeros), die von den Ausländerbehörden vergeben wird. Es genügt hier also, eine NIE zu beantragen. Diese Voraussetzungen müssen im Vorfeld der Gründung geklärt werden. 

Nachdem die Gründungsurkunde vom Notar erteilt wurde, ist noch Folgendes zu erledigen: die Gründungssteuer muss deklariert werden, die provisorische und definitive Steueridentifikationsnummer (C.I.F.) für die Gesellschaft muss beantragt werden, die Gesellschaft muss im zuständigen Handelsregister eingetragen werden, ausländische Gesellschafter müssen im Auslandsinvestitionsregister angemeldet werden. Je nach Geschäftstätigkeit der Gesellschaft kann zudem eine gewerberechtliche Genehmigung erforderlich sein.

III. Steuerliche Aspekte

1. Körperschaftsteuer Spanien (Stand der Steuerreform zum 01.01.2015)

Die Körperschaftsteuer ist zwar in Spanien zum Jahresbeginn gesenkt worden. Diese Senkung der Körperschaftsteuer ist allerdings mit dem Wegfall der Vorzugsbehandlung von Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen mit weniger als 10 Mio. EUR Umsatz verbunden, was als nachteilig zu bewerten ist. Der neue einheitliche Steuersatz wird in zwei Schritten – 2015 und 2016 – wirksam:

- Unternehmen mit weniger als 10 Mio. EUR Umsatz: Steuersatz grds. 25 %, bei Einstellung mind. eines Arbeitnehmers: 20 %
- Unternehmen ab 10 Mio. EUR Umsatz: 30 % (2014); 28 % (2015), 25 % (2016)

2. Unter bestimmten Voraussetzungen gelten noch günstigere Steuersätze, die gerade bei Neugründungen sehr attraktiv sind. Bei Neugründungen werden für die ersten beiden Geschäftsjahre mit positiver Bemessungsgrundlage bis 300.000 Euro Gewinn 15 % angesetzt (d.h. es darf kein Verlustvortrag erfolgen), danach 20 %. Erfolgt ein Verlustvortrag bleibt es bei den vorstehend genannten Steuersätzen. Eine S.L. (Sociedad Limitada), die ab 1.1.2013 gegründet wurde, zahlt bei einem Gewinn bis 300.000 Euro daher nur 15 Prozent Körperschaftsteuer für die beiden ersten Geschäftsjahre. Diese Privilegierung kann unter Umständen verlängert werden. Übersteigt der Gewinn 300.000 Euro, erhöht sich der Steuersatz auf 20 Prozent. 

Davon ausgeschlossen sind allerdings Körperschaften die Bestandteil einer Unternehmensgruppe nach Art. 42 span HGB sind, reine vermögenshaltende Gesellschaften sowie Körperschaften, die von Personen gehalten werden, die mehr als 50 % Beteiligung halten. Gemäß Art. 42 HGB gelten  zwei Gesellschaften dann als Bestandteil einer Unternehmensgruppe, wenn eine von ihnen die direkte oder indirekte Kontrolle über die andere ausübt. In der Praxis liegt eine Kontrolle allerdings nur dann vor, wenn eine Beteiligung von über 50 % vorliegt.

2. Gewerbesteuer Spanien

Die der deutschen Gewerbesteuer in Spanien in etwa entsprechende Unternehmenssteuer trägt die Bezeichnung „Impuestos sobre Actividades Económicas (IAE)“. Geregelt ist die IAE im Königlichen Dekret 1175/1990 vom 28. September, veröffentlicht im spanischen Gesetzblatt (BOE) vom 29. September 1990. Auch in Spanien kommt die IAE in erster Linie den Gemeinden zugute und wird daher auch vom Ayuntamiento verwaltet.

Die spanische Unternehmenssteuer gehört zu den Gemeindesteuern, und wird nur in Ausnahmenfällen auch auf provinzieller und staatlicher Ebene erhoben, etwa wenn die Aktivität nicht auf das Gemeindegebiet beschränkt ist. Bei der Standortwahl sollte dies berücksichtigt werden. "Forum Shopping" ist in diesem Bereich völlig zulässig und üblich, wobei allerdings Vergleichszahlen schwer zu recherchieren sind. Üblicherweise nimmt man mehrere Standorte in die Auswahl und recherchiert die dortigen Bedingungen. Die Zahlung der Gewerbesteuer auf staatlicher Ebene schliesst in der Regel die Zahlung auf Gemeindeebene aus.

Seit dem Gesetz 51 aus dem Jahre 2002 wurden erhebliche Steuererleichterungen, sogenannte exenciones, in der spanischen Gewerbesteuer eingeführt. Die Ausnahmen konnen kommunal sehr unterschiedlich sein . Fest steht aber, dass alle Unternehmer in den ersten beiden Geschäftsjahren nicht besteuert werden, um einen Investitionsanreiz zu bieten. Natürliche Personen wie  Freiberufler unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Alle Unternehmen, die als juristische Person (etwa als spanische S.L.) geführt werden, sind bis zu einem Umsatz von 1000.000,00 EUR steuerfrei. Unternehmen, die in Spanien selbst keinen Unternehmenssitz haben, aber bewusst oder unbewusst eine Betriebsstätte unterhalten, können ebenso von der Steuerbefreiung bis 1.000.000,00 EUR profitieren (Beispiele für Alicante oder Ibiza).

Abschließend lässt sich sagen, dass aufgrund der zahlreichen Ausnahmen und Standortoptionen die Gewerbesteuer in Spanien keinen überaus hohen Stellenwert hat, aber bei der Standortplanung bei größeren Umsatzerwartungen zu berücksichtigen ist. Im Detail hängt die Höhe von der Handhabung der Gewichtungskoeffizienten ab. Letztlich sind auch bei größeren Projekten die Steuerlasten sehr tragbar

3. Verrechnungspreise, Art. 16 span. KStG

Die Regelungen über Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen beruhen weitgehend auf völkerrechtlich bestimmten Standards der OECD (OECD-RL 2010) und beruhen auf dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die entsprechende Regelung findet sich im span. Körperschaftssteuergesetz unter Art. 16. LIS. Die Rechtslage ist der deutschen Rechtslage im dt. Außensteuergesetz sehr vergleichbar.

Einnahmen und Aufwendungen, die mit Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen oder zwischen Gesellschaften und einem ihrer Gesellschafter oder leitenden Angestellten im Zusammenhang stehen, sind mittels Fremdvergleich zu bewerten und bei Abweichung zu korrigieren. Dabei kann das Verfahren der Preisvergleichsmethode angewendet werden, ergänzend auch die Kostenaufschlags- oder die Wiederverkaufspreismethode sowie das Verfahren des Rohgewinnvergleichs oder vergleichbare „profit-split“-Methoden. Die Geschäfte sind daher mit ihrem gewöhnlichen Marktwert zu erfassen und entsprechend zu dokumentieren. Als gewöhnlicher Marktpreis gilt der Preis, der zwischen unabhängigen Personen unter freien Marktbedindungen vereinbart werden würde. Mit den span. Steuerbehörden kann eine Vereinbarung über den Verrechnungspreis getroffen werden (näher, Behrenz/Jarfe/Frühbeck, Hrsg., Investitionsstandort Spanien, C.H.Beck, 2013, Teil E, Rdrn. 25 ff).

4. Partiarische Darlehen (Stand: 01.01.2015)

Im neuen Artikel 15.a) des spanischen Körperschaftsteuergesetzes ist eine Neueinstufung von partiarischen Darlehen festgelegt, die für Unternehmensgründungen sehr relevant werden kann. Nach der genannten Norm gelten als nicht steuerlich abzugsfähige Kosten jene Kosten, die eine Vergütung von Eigenkapital darstellen. (…) als Vergütung von Eigenkapital wird die Vergütung von partiarischen Darlehen angesehen, die von Körperschaften gewährt werden, die gemäß den in Artikel 42 des Handelsgesetzes festgelegten Kriterien derselben Gesellschaftsgruppe („grupo mercantil“) angehören, unabhängig von der Ansässigkeit und der Verpflichtung zur Erstellung konsolidierter Jahresabschlüsse. Die Handhabung des Art. 42 CCom hat inzwischen eine zentrale Wirkung, die im einzelnen abgeschätzt werden müssen, gerade bei der Gründung von Tochterunternehmen. 

Danach gilt die Zahlung von Zinsen aus partiarischen Darlehen, die von Körperschaften derselben Gruppe („grupo mercantil“, Art. 42 Handelsgesetz) gewährt wurden, nicht als abzugsfähige Kosten. Die Zahlung von Zinsen für partiarische Darlehen, die von Körperschaften derselben Gruppe gewährt wurden, gilt daher als Dividendenauszahlung, während die Zahlung von Zinsen für partiarische Darlehen, die von einer natürlichen Person oder einer Körperschaft gewährt werden, die nicht derselben Gruppe angehören, gilt weiterhin als abzugsfähige Kosten. Das gilt selbstredend auch für partiarische Darlehen von Gesellschaftern an die eigene Gesellschaft, sofern sie diese in ihrer Eigenschaft als natürliche Person gewähren.






Donnerstag, 23. Juli 2015

Amazon und die Gutscheine - eine Fortsetzungsfolge

Der Bundesgerichtshof hat in einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung vom 23.07.2015 (AZ: I ZR 83/14) festgestellt, dass Amazon mit einer Gutscheinaktion gegen die Buchpreisbindung verstoßen hat. 

Die Gutscheinspraxis von Amazon hat schon wiederholt die deutschen Gerichte beschäftigt. Betroffen waren schon etwa die Verfallszeit von Gutscheinen, die Verrechnungspraxis und weitere Details, die dafür gesorgt haben, dass mit Hilfe von Amazon das Recht der Gutscheine in Deutschland auf hohem Niveau im Hinblick auf die AGB - Praxis weiter entwickelt wurde. In diesem Bereich entwickelt Amazon seit Jahren innovative Ansätze im Sinne eines progressiven Kundenbindungsystems, das offentlich rechtliche "Verwerfungen" in Kauf nimmt und nach jedem Rückschlag weiter optimiert wird. 

In diesen Sache hat der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wenig überraschend im Sinne der Berufungsinstanz entschieden, dass beim Erwerb preisgebundener Bücher Gutscheine nur verrechnet werden dürfen, wenn dem Buchhändler schon bei Abgabe der Gutscheine eine entsprechende Gegenleistung zugeflossen ist. 

Der Kläger ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Die Beklagte verkauft über ihre Website www.amazon.de in Deutschland preisgebundene Bücher. Über das "Trade-in-Programm" der Beklagten können Kunden gebrauchte Bücher u.a. verkaufen: 

"Das Amazon Trade-In Programm ermöglicht es Ihnen, geeignete Handys, Tablets, Bücher, DVDs & BluRays, Video Spiele, Konsolen und Zubehör an einen von Amazon zur Abwicklung des Eintausches beauftragten Bewerter zu senden und dafür einen Amazon.de Gutschein zu erhalten".

Bei einer um die Jahreswende 2011/2012 durchgeführten Werbeaktion erhielten Kunden, die mindestens zwei gebrauchter Bücher gleichzeitig zum Ankauf eingereicht hatten, zusätzlich zum Ankaufspreis einen Gutschein über 5 € auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Dieser Gutschein konnte zum Erwerb beliebiger Produkte bei der Beklagten eingesetzt werden. Dazu zählte auch der Kauf neuer Bücher. 

Der Kläger sieht in der Anrechnung der Gutscheine auf den Kauf preisgebundener Bücher einen Verstoß gegen die Buchpreisbindung. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Unterlassungsklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben, weil die Beklagte gegen §§ 3, 5 BuchPrG verstoßen habe. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. 

Die Beklagte hat nach der sich auf einer gefestigen Rechtsprechung bewegenden Entscheidung des BGH mit der beanstandeten Werbeaktion § 3 BuchPrG verletzt, weil sie Gutscheine, die zum Erwerb preisgebundener Bücher eingesetzt werden konnten, an Letztverbraucher ausgegeben hat, ohne dass ihr dafür eine entsprechende Gegenleistung der Kunden nach einer Gesamtberechnung zugeflossen ist. 

Der BGH stellt maßgeblich auf den Zweck der Buchpreisbindung ab (s. insoweit näher Franzen/Wallenfalls/Russ, Preisbindungsgesetz, C.H.Beck, München, Kommentierung zu § 1) der darin besteht, durch Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer ein umfangreiches, der breiten Öffentlichkeit zugängliches Buchangebot in einer großen Zahl von Verkaufsstellen zu sichern (§ 1 BuchPrG). 

Ob das Preisbindungsgesetz in Zeiten des "Aussterbens" kleinerer bis mittlerer Buchhandlungen und eines erheblichen Rückgangs der Sortimentfläche nicht nur in Deutschland angesichts der steigenden Marktmacht in Deutschland überhaupt noch erfüllen kann, ist eine rechtspolitische Frage, die sich der BGH nicht stellen musste. Die Frage ist eher, was geschehen würde, wenn die Buchpreisbindung in Deutschland völlig aufgehoben würde. Die damit zusammenhängenden Fragen sind sehr umstritten

Letztlich geht aber darum, Geschäftsmodelle mit Gutscheinen zu unterbinden, bei denen mit für Amazon positiven Kundenhandlungen Belohungen in Form von Gutscheinen erfolgen. Allerdings lassen sich solche "Belohnungsysteme" in elektronischen Vertriebsnetzen auch ohne Gutscheine realisieren.    

Der BGH sagt in aller Deutlichkeit, dass Geschenkgutscheine preisbindungsrechtlich zulässig sind, die Buchhandlungen verkaufen, und mit denen die Beschenkten neue Bücher erwerben können. In diesem Fall erhält der Buchhändler durch den Gutscheinverkauf und eine eventuelle Zuzahlung des Beschenkten insgesamt den gebundenen Verkaufspreis für das Buch. Dies lässt sich unmittelbar in eine entsprechende AGB - Klausel umsetzen, falls solche Modelle angeboten werden sollten. 

Ein Verstoß gegen die Buchpreisbindung liegt nach der Auffassung des BGH dagegen vor, wenn ein Händler beim An- oder Verkauf von Waren für den Kunden kostenlose Gutscheine ausgibt, die zum Erwerb preisgebundener Bücher benutzt werden können. Der Buchhändler erhält dann im Ergebnis für das Buch ein geringeres Entgelt als den gebundenen Preis. Unerheblich ist, dass Gutscheinausgabe und Buchverkauf zwei selbständige Rechtsgeschäfte darstellen und ein Bezug zwischen ihnen erst durch die Kaufentscheidung des Kunden hergestellt wird. Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen die Preisbindung ist danach, ob das Vermögen des Buchhändlers beim Verkauf neuer Bücher in Höhe des gebundenen Preises vermehrt wird. Daran fehlt es im Streitfall, was auch völlig zutreffend ist. 

Die Beklagte wird zwar durch den Kauf eines preisgebundenen Buches unter Anrechnung des Gutscheins von der Verpflichtung befreit, die sie gegenüber dem Kunden mit dem Gutschein beim Ankauf eines Buchs übernommen hat. Sie erhält aber für den Verkauf des preisgebundenen Buches insgesamt nicht den gebundenen Preis, wenn ihr für den Gutschein - wie im vorliegenden Fall - keine entsprechende Gegenleistung zugeflossen ist. 

Im Grundsatz ist das Urteil zu begrüßen, es wird aber nur einen Zwischenschritt darstellen, weil die großen Anbieter die betreffenden Systeme weiter entwickeln werden. Mit der Verteidigung der Buchpreisbindung allein, werden sich die bekannten Probleme des Sortimenthandels nicht lösen lassen. 

LG Wiesbaden - Urteil vom 16. August 2013 - 13 O 18/13 
OLG Frankfurt - Urteil vom 28. Januar 2014 - 11 U 93/13 
BGH, Karlsruhe, den 23. Juli 2015
Quelle: Mitteilung der Pressestelle Nr. 125/2015 vom 23.07.2015

Freitag, 10. Juli 2015

Zweckwidrige Nutzung eines Ladens als Gaststätte in einer Wohnungseigentumsanlage

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14 eine interessante immobilienrechtliche Frage geklärt, die öfter relevant wird. Es ging um die Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich gegen die nächtliche Nutzung einer lediglich in der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung als "Laden" ausgewiesenen Teileigentumseinheit als Gaststätte wendete. 

Grundsätzlich ist ein Unterlassungsanspruch bereits gegen eine solche einseitige "Umwidmung" gegeben, aber die Nutzung als Gaststätte war jahrelang geduldet worden, so dass dies auch nicht Gegenstand der Klage war. Allerdings hat der BGH Art und Reichweite dieser Duldung anders bewertet als die Vorinstanzen und eröffnet hier für vergleichbare Fälle gewisse "strategische Optionen". . 

Die beklagte Teileigentümerin erwarb 1995 ihre Einheit, die in der Teilungserklärung als "Ladenraum" bezeichnet wird. Darin betreibt ihr Neffe eine Gaststätte, die nach Freigabe der Öffnungszeiten jedenfalls seit dem Jahr 2007 bis in die frühen Morgenstunden geöffnet ist. In der Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2011 wurde ein inzwischen bestandskräftiger Beschluss gefasst, wonach "die derzeit vorhandenen Gaststätten und Restaurantbetriebe bis ein Uhr nachts geöffnet sein dürfen". Die Hausverwaltung wurde mit der gerichtlichen Durchsetzung des auf die nächtliche Nutzung beschränkten Unterlassungsanspruches beauftragt und bevollmächtigt. Die Klage, mit der erreicht werden soll, dass die Beklagte die Gaststätte nicht nach ein Uhr nachts betreiben und offen halten darf, hat das Amtsgericht unter dem Aspekt des Verwirkungseinwandes abgewiesen. Die Berufung war erfolglos. Auf die Revision der Klägerin hat der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Beklagte nunmehr dem Antrag entsprechend verurteilt. 

Anders als die Vorinstanzen war der Senat der Auffassung, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB in Gestalt der sogenannten Verwirkung dem auf die nächtlichen Öffnungszeiten beschränkten Unterlassungsanspruch der Kläger nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG nicht entgegensteht. Dabei hat der Senat die Frage dahinstehen lassen, ob ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung als Gaststätte vor ein Uhr nachts wegen der jahrzehntelangen Duldung verwirkt war, wovon grds. auszugehen ist. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass die Beklagte nicht so zu stellen ist, als diente ihre Teileigentumseinheit als Gaststätte. Maßstab der Beurteilung sind daher die Anforderungen an ein Ladenlokal. 

Die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit schützt deren Eigentümer danach nur davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern oder aufgeben muss. Es begründet aber nicht das Recht, neue nachteilige Veränderungen vorzunehmen. Die betreffende Erweiterung der Öffnungszeiten sieht der Senat als neue und qualitativ eigenständige Störungen an, weil die Gaststätte vor dem Jahr 2007 nicht in den Nachtstunden betrieben worden ist, so dass insoweit auch kein Bestandschutz eingreift. 

Dient eine Teileigentumseinheit nach der Teilungserklärung als Laden, darf sie grundsätzlich nicht als Gaststätte genutzt werden. Allerdings kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnanlage der Parteien im Saarland belegen ist und Läden dort – anders als Gaststätten – zur Nachtzeit geschlossen sein müssen. Da es eine ganze Reihe von Gaststätten gibt, die unter ähnlichen Voraussetzungen betrieben werden, dürfte dieses Urteil einen gewissen "Prüfungsaufwand" auslösen. 

Bundesgerichtshof Karlsruhe, den 10. Juli 2015 
Quelle: Mitteilung der Pressestelle Nr. 115/2015 vom 10.07.2015

Donnerstag, 9. Juli 2015

Keine Klarheit: Bundesgerichtshof zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des "Framing"

Mit einem Urteil vom 9. Juli 2015 - AZ: I ZR 46/12 - Die Realität II, hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite keine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des "Framing" in seine eigene Internetseite einbindet. Das Urteil betrifft allerdings eher den Fall, dass eine solche Einbindung ohne eine Zustimmung des Rechteinhabers erfolgt, soweit sich die Rechtekette für den Handelnden überhaupt klären lässt.

Die Bedeutung dieser Entscheidung geht weit über das Framing/Embedding bei Internetseiten hinaus, da von dieser Problematik auch das Einbinden etwa von Youtube - Videos in Blogs oder Social - Networks betroffen ist, wobei die Kernfragen aber noch offen sind. Das etwa bei Facebook so beliebte Teilen von Videos fällt auch darunter. Letztlich beruhen alle diese Techniken auf speziellen Modifikationen des Hyperlinking. Unter Frame wird ein Teilbereich einer HTML-Seite verstanden, der in eine andere HTML-Seite eingebunden werden kann, so dass im Browser seit dem Netscape Navigator 2.0 der Eindruck simuliert wird, es handele sich um diesselbe Internetseite, sofern auf die Adressierung nicht geachtet wird. Das W3C hat Framesets in den Versionen HTML 4.0 und XHTML 1.0 zwar standardisiert, allerdings hat HTML5 die Frame-Technik nicht übernommen. so dass Framing immer seltener wird. Es kann überdies via Java - Code unterbunden werden. Wesentlich relevanter sind die damit verbundenen Fragen heute für das Embedding, dass auf einer technisch ähnlichen Struktur beruht. Die Unterschiede treten in der Pressemitteilung aber nicht hervor. 

Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel "Die Realität" herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform "YouTube" abrufbar. Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des "Framing" abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform "YouTube" abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen ("Frame") abgespielt. Bei dieser Sacvhverhaltsgestaltung ist kaum anzunehmen, dass die Beklagten die Frage der Zustimmung näher geprüft haben.

Die entscheidende Frage des Falles kreist um die Auffassung der Klägerin, dass die Beklagten das Video unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht hätten, obwohl es aus einer Quelle (Youtube) stammte, auf die sie selbst keinen Einfluss hatten. Wegen dieser vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsverletzung hat die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Zunächst hatte das Landgericht die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € an die Klägerin verurteilt, sodann hat aber das Berufungsgericht die Klage auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen, so dass es zum gleichen Sachverhalt zwei völlig verschiedene rechtliche Beurteilungen gab. 

Jetzt ha der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, nachdem der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren zu wesentlichen Rechtsfragen Stellung genommen hatte. 

Der BGH ist der überzeugenden Auffassung, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des "Framing" kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Letztlich hätte er dies technisch unterbinden können. 

Eine solche Verknüpfung verletzt auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG grundsätzlich kein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. 

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ausgeführt, es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme. Letztlich enthält diese Auffassung bereits eine teleologische Reduktion des zu weit geratenen Art. 3 Abs.1, 2 der genannten Richtlinie, da bestimmte Nutzungshandlungen aus der Wiedergabe bei Annahme einer Nutzungshandlung "herausgenommen" werden.   

Der interessenteste Aspekt dieser neuen Entscheidung betrifft aber die vom BGH aufgeworfene und offen gelassene Rechtsfrage, ob in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Wird dies angenommen, hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" von einem - oftmals unbekannten - Dritten eingestellt worden war. 

Hier stellt sich schon die Frage, wie eine solche Zustimmung geprüft werden soll, wenn sie nicht aufgrund der Umstände evident oder nichtevident ist. Letztlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die Zustimmung wird aufgrund unzumutbarer Prüfpflichten auch angesichts der Filtertechnologie von Youtube unterstellt oder aber bei fehlender Zustimmung darf ein solcher Content generelll nicht verwendet werden. Im letzteren Fall geraten eine größere Anzahl von Praktiken in Social Networks in Gefahr. Für einen Nutzer lässt sich aber im Regelfall ohne unzumutbaren Prüfwand kaum klären, ob ein Content bei Youtube mit oder ohne Zustimmung vorgehalten wird. Die sich hier stellenden Fragen zeigen, dass das geltende Recht die aktuellen Handlungsprozesse nicht vollständig erfasst. 

Der BGH zieht sich darauf zurück, dass das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat, so dass eine Zurückverweisung erfolgt ist. Der Bundesgerichtshof hatte zwar in diesem Zusammenhang erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 7. April 2015 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Die betreffende Rechtsfrage wird daher voraussichtlich bald geklärt werden.  

Allerdings hat der BGH von einer Aussetzung bedauerlicherweise abgesehen, weil mit einer Entscheidung des EuGH in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen ist. 

Wie der BGH ausführt, kommt es auf die zu erwartende rechtliche Klärung dieser Frage durch den EuGH  im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Eine Tatsachenfeststellung, die in diesem Rechtsstreit noch nicht getroffen war. Es wäre nicht verwunderlich, wenn es in diesem Rechtsstreit zu einem erneuten Vorabentscheidungsverfahten kommt. 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 114/2015 vom 09.07.2015
Bundesgerichtshof

Mittwoch, 1. Juli 2015

In Sachen GEMA gegen Youtube/Google Inc.

Der Streit zwischen der GEMA und Google Inc. wegen ihres Dienstes YOUTUBE schwelt schon seit Jahren und eskaliert immer weiter. Mit zwei Berufungsurteilen in Urheberrechtsverfahren gegen YouTube und Google Inc. hat das Hanseatische Oberlandesgericht am 1. Juli 2015 (Az.: 5 U 87/12 und 5 U 175/10) zwei Entscheidungen gefällt, die in der Sache mit einem gestern vom Landgericht München I gefällten Urteil erster Instanz sachlich übereinstimmen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. 

Gegenstand der Verfahren vor dem 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgericht waren zwei  urheberrechtliche Verfahren, in denen die Betreiberin des Videoportals „YouTube“ und – in einem der Verfahren – auch deren Muttergesellschaft, die Google Inc., wegen des Vorwurfs von Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen wurden. 

Dies geschah vor dem Hintzergrund, dass die GEMA als Verwertungsgesellschaft und Youtube zwar zwischen 2007 und 2009 über einen Berechtigungsvertrag verbunden waren, der aber nicht verlängert wurde, weil die diesbezüglichen Verhandlungen gescheitert waren. Ganz im Gegensatz zu parallelen Verwertungsgesellschaften in Europa, wie der SGAE in Madrid. Mangels Folgevertrag geht die GEMA nach wie vor davon aus, dass die ihr angeschlossenen Urheber für die Nutzung der Contents kollektivrechtlich angemessen entschädigt werden müssen. Stattdessen werden die Contents weiter bei Youtube eingespeist, sind aber üblicherweise ohne weitere Hilfsmittel von Deutschland aus nicht abrufbar. 

Gegenstand der Verfahren sind seitens der GEMA ausgewählte Musiktitel, die durch Nutzer von YouTube im Rahmen von Videoclips hochgeladen und damit öffentlich zugänglich gemacht worden waren, obwohl sie an den Musiktiteln keine seitens der GEMA eingeräumten Rechte hatten. Daraufhin haben der Rechteinhaber bzw. die Verwertungsgesellschaft GEMA YouTube bzw. Google unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen.

In dem Verfahren 5 U 87/12 wollte die GEMA gegenüber YouTube u.a. ein Verbot der öffentlichen Zugänglichmachung in Bezug auf zwölf Musiktitel erreichen, an denen die GEMA die Rechte wahrnimmt. YouTube lehnte eine Unterlassungsverpflichtung ab, da sie für etwaige Urheberrechtsverletzungen nicht hafte, weil sie ihre Videoplattform den Nutzern lediglich zur Verfügung stellt und die fraglichen Videos weder selbst erstellt noch hochgeladen habe. Zum anderen habe sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um Urheberrechtsverletzungen soweit wie rechtlich möglich und zumutbar proaktiv und postaktiv zu unterbinden.

Das Landgericht Hamburg hatte in erster Instanz mit Urteil vom 20.04.2012 u.a. entschieden, dass YouTube zur Unterlassung in Bezug auf sieben der insgesamt zwölf betroffenen Musiktitel verpflichtet sei. Bei diesen sieben Titeln habe die Beklagte gegen die Pflicht verstoßen, die betroffenen Videoclips unverzüglich zu sperren, nachdem sie von der Klägerin über die Urheberrechtsverletzungen informiert worden war. Es handelt sich dabei um eine postaktive Unterlassungsverpflichtung, die nach der neueren BGH - Rechtsprechung die Kenntnisnahme erfordert. In Bezug auf die übrigen fünf Titel hatte das Landgericht eine Pflichtverletzung auf Seiten von YouTube verneint und die Klage abgewiesen. 

Sowohl die GEMA als auch YouTube hatten gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Beide Rechtsmittel hat der 5. Zivilsenat mit dem heute verkündeten Berufungsurteil mit interessanter, aber erwartbarer Begründung zurückgewiesen.

In dem Verfahren 5 U 175/10 geht es u.a. um die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß der Betreiber einer Videoplattform für Urheberrechtsverletzungen durch Videos haftet, die von Nutzern der Plattform als sog. user-generated-content hochgeladen werden. Die Begründung folgt dem aktuellen System des BGH,, das dogmatisch nicht völlig konsistent ist. was hier aber dahinstehen soll. 

Der Kläger in diesem Verfahren ist als Rechteinhaber in Bezug auf diverse Musikstücke gegen YouTube und die Google, Inc. als Muttergesellschaft vorgegangen und hat von beiden u.a. Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung verlangt. 

In beiden Berufungsverfahren hat der Senat in Bezug auf einzelne der jeweils betroffenen Musiktitel eine Haftung von YouTube bzw. Google aus dem Gesichtspunkt der sogenannten Störerhaftung bejaht. Die Betreiber von Internetangeboten wie YouTube als Hostprovider sind im Ausgangspunkt zwar nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten und gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Nutzertätigkeit hindeuten. Wird allerdings ein solcher Dienstanbieter auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt. Mit anderen Worten: es müssen entsprechende Filtertechnologien eingesetzt werden, die Youtube auch seit Jahren für Deutschland verwendet. 

Der Pflichtenkreis des Dienstanbieters bestimmt sich in diesem Rahmen danach, ob und wieweit er zur Sperrung und dann zur Prüfung und Überwachung der bei ihm hochgeladenen Inhalte verpflichtet ist. Dies hängt davon ab,  was dem Betreiber nach den Umständen des jeweiligen Falles zuzumuten ist. Der Senat hat eine Verletzung derartiger Pflichten in beiden Verfahren hinsichtlich einzelner Musiktitel bejaht und YouTube bzw. Google insofern zur Unterlassung verpflichtet angesehen, dies für andere Musiktitel hingegen verneint. Letztlich würde nur ein neuer Lizenzvertrag zu angemessenen Konditionen die Situation für alle Beteiligten klären.  


Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. In dem Verfahren 5 U 87/12 hat der Senat die Revision zugelassen, für die der Bundesgerichtshof zuständig wäre. In dem Verfahren 5 U 175/10 unterliegt die Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Der BGH wird daher in dieser Sache das letzte Wort haben.