Das OLG Schleswig hat erneut zu Klauseln in Mobilfunkverträgen entschieden und zwar erneut zum Thema "Pfand" für die SIM-Karte und der Nichtnutzung von "SMS".
Zu diesem Thema bei gleichen Anbieter hatte das OLG Schleswig bereits im Jahr 2012 eine Grundsatzentscheidung gefällt, die der betreffende Anbieter bei der Überarbeitung der AGB geflissentlich ignoriert hat. Ein solches Vorgehen ist nicht nur dem Aspekt der Inhaltskontrolle von AGB gefährlich, sondern kann bei entsprechendem lauterkeitsrechtlichen Vorgehen auch zu einer Gewinnabschöpfung hinsichtlich der in den AGB enthaltenen Nichtnutzergebühr nach § 10 UWG führen, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung liegt auf der Linie eines einschlägigen BGH - Urteils.
Es gibt Anbieter von Mobilfunkleistungen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Klauseln enthalten, denen zufolge nach Beendigung des Mobilfunkvertrags ein "Pfand" in Rechnung gestellt werden darf, wenn der Kunde die deaktivierte und wirtschaftlich wertlose SIM-Karte nicht zurückschickt.
Hinsichtlich der Verwendung einer solchen Klauseln untersagte der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts einem Mobilfunkanbieter mit Sitz in Schleswig-Holstein (Büdelsdorf) erneut das Erheben einer "Pfandgebühr" in Höhe von 9,97 Euro. Der Sache handelt es sich dabei um kein Pfand im Rechtssinne des § 1204 BGB, sondern letztlich um eine Art pauschalen Aufwendungsersatz.
Diese Entscheidung zeigt jetzt aber zugleich die Gefahren der Verwendung von Klauseln, die bereits für rechtswidrig erklärt worden oder aber deren Modifikation ohne Beachtung der zugrundeliegenden rechtlichen Wertungen. Der 2. Zivilsenat sah jedenfalls bei dem betreffenden Anbieter von Mobilfunkdienstleistunmgen die Voraussetzungen für die Abschöpfung von Gewinnen nach § 10 UWG als gegeben an. Der Mobilfunkanbieter hatte mit der betreffenden Klauseln Gewinn erzielt, indem er in seinen AGB Zusatzgebühren verlangte, wenn der Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Anrufe getätigt und auch keine SMS versandt hatte (Nichtnutzergebühr). Dabei handelt es sich angesichts der Vorgeschichte um die vorsätzliche Verwendung von Klauseln im Sinne einer unzulässigen geschäftlichen Handlung.
Der Entscheidung liegt eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zugrunde. Bereits mit Urteil vom 03.07.2012 hatte das Gericht dem Mobilfunkanbieter untersagt, zwei Klauseln in seinen AGB für Verträge über Mobilfunkleistungen zu verwenden, weil diese die Kunden unangemessen benachteiligten. Die eine Klausel sah vor, dass die zu Verfügung gestellte SIM-Karte Eigentum des Mobilfunkanbieters verbleibt und hierfür eine "Pfandgebühr" von 9,97 Euro fällig wird, wenn der Kunde die SIM-Karte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des Mobilfunkvertrages zurücksendet. Die zweite Klausel sah vor, dass dem Kunden eine "Nichtnutzergebühr" in Höhe von 4,95 Euro in Rechnung gestellt wird, wenn in drei aufeinanderfolgenden Monaten kein Anruf getätigt beziehungsweise keine SMS versandt wird.
Nach dem Erlass des Urteils aus dem Jahr 2012 änderte der Mobilfunkanbieter seine AGB dahingehend, dass er nach Beendigung des Mobilfunkvertrags zwar weiterhin ein "Pfand" für eine nicht zurückgeschickte SIM-Karte erhob, der Kunde jedoch die Gebühr erstattet erhielt, wenn er innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsbeendigung die Karte zurückschickte. Für die Zeit ab 01.08.2012 erhob der Mobilfunkanbieter keine "Nichtnutzergebühr" mehr.
Der klagende Verbraucherschutzverein fordert den Mobilfunkanbieter auf, auch die AGB-Klausel zum "Pfand" in der geänderten Fassung zu unterlassen und die Gewinne an den Bundeshaushalt zu zahlen (Abschöpfung), die der Mobilfunkanbieter durch die Verwendung der unwirksamen Klausel zur "Nichtnutzergebühr" erzielt hatte. Dieser Aufforderung ist der Anbieter nicht gefolgt.
Die Klausel über das "Pfand" für die SIM-Karte ist auch in der modifizierten Version der Klausel unwirksam, weil sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der beklagte Mobilfunkanbieter hat ersichtlich kein wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der Rückerlangung einer gebrauchten SIM-Karten. Diese darf danach nicht mehr verwendet werden, sondern wird in der Regel vernichtet. Der Mobilfunkanbieter lässt die zurückgesandten SIM-Karten denn auch fachgerecht vernichten und entsorgen, und zwar nach eigenem Vortrag unmittelbar nach Eingang. Mithilfe der gebrauchten Karten können Einnahmen nicht mehr erzielt werden, vielmehr entstehenden Entsorgungskosten, die aber vom Anbieter zu tragen sind, der die Nutzer über dieses Modell augenscheinlich an deren Finanzierung "beteiligen" wollte.
Ein berechtigtes Interesse an der Rückerlangung der Karten kann der beklagte Mobilfunkanbieter aber auch nicht wegen einer Verhinderung des Missbrauches deaktivierter SIM-Karten herleiten. Die Beklagte hatte im Verfahren eingeräumt, dass ihr selbst kein Fall bekannt sei, in dem bisher aufgrund einer missbräuchlichen Verwendung einer deaktivierten SIM-Karte ein Schaden entstanden sei. Der Senat ging daher davon aus, dass durch das SIM-Kartenpfand eine zusätzliche Zahlung der Kunden ohne zusätzliche Leistung des Mobilfunkanbieters erreicht werden sollte. Dem liegt die realistische Erwartung zu Grunde, dass Kunden sich in einer Vielzahl von Fällen nicht wegen eines Betrages von 9,97 Euro die Mühe machen, die Vertragsbedingungen herauszusuchen, ihre Rechte in Bezug auf das Pfand nachzulesen und sich um die Rücksendung der SIM-Karte per Post zu kümmern.
Überaus interessant ist, dass das Gericht einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu Gunsten des Bundeshaushaltes für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 31.07.2012 nach § 10 UWG als gegeben ansieht. Von dieser Norm wurde bislang eher zurückhaltend Gebrauch gemacht, wie etwa eine neuere Entscheidung des bay. Verfassungsgerichtshofes zeigt.
Der Senat betont, dass der Mobilfunkanbieter mit der Verwendung der unwirksamen Klausel über die Erhebung einer "Nichtnutzergebühr" vorsätzlich eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen und hierdurch zulasten einer Vielzahl von Kunden Gewinne erzielt hat. Das vorsätzliche Handeln (bedingter Vorsatz) ergibt sich nach diesen Ausführungen daraus, dass der Mobilfunkanbieter nach der Abmahnung durch den Verbraucherschutzverein die Klausel weiter verwendet hat, obwohl die Klausel über die "Nichtnutzergebühr" evident unwirksam ist. Interessant ist dabei dass bereits eine Abmahnung ausreicht, wenn der Verstoss evident ist, was die Hürde für die Anwendung dieser Norm erheblich absenkt.
Danach musste es sich dem Mobilfunkanbieter geradezu aufdrängen, dass er von dem Kunden keine zusätzliche Zahlung abverlangen durfte, ohne dass er selbst irgendeine zusätzliche Leistung erbrachte oder der Kunde seinerseits gegen Vertragspflichten verstieß. Dass der Kunde durch den Abschluss eines Mobilfunkvertrages und die Zahlung einer monatlichen Grundgebühr nur das Recht zum Telefonieren erwirbt, nicht aber dazu verpflichtet wird, bedurfte angesichts der Evidenz des Rechtsverstosses keiner weiteren Ausführungen.
Über den Anlass hinaus zeigt die Entscheidung, dass die Verwendung rechtsmissbräuchlicher AGB - Klausel bei vorsätzlichem Einsatz zusätzliche Risken bergen kann, wenn ein Mitbewerber, ein Verbraucherschutzverband oder eine sonst aktiv legitimierte Institution bei entsprechender Gestaltung und Historie dagegen vorsieht. Indirekt ist dies auch eine Aufforderung AGB - Klauseln sorgfältiger zu gestalten.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.03.2015, AZ: 2 U 6/14;
zu dem vorangegangenen Urteil vom 03.07.2012, AZ: 2 U 12/11,
siehe auch die Pressemitteilung 14/2012 vom 18. Juli 2012
Quelle: Pressemitteilung 3/2015
Erscheinungsdatum:
31.03.2015
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