Mittwoch, 8. August 2012

Controlling - Verpflichtungen eines GmbH - Geschäftsführers

BGH, Urt. v. 19.06.2012, AZ: II ZR 243/11 

Vielen Geschäftsführern einer GmbH sind die rechtlichen Risiken ihrer Tätigkeit oftmals nicht hinreichend vertraut. Dies gilt durchaus auch für vergleichbare Rechtsformen in Europa, wobei die Pflichtenkreise und die damit verbundenen Haftungsrisiken durchaus unterschiedlich sind. Diese Risiken schließen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen auch die persönliche Haftung ein. 

So ist ein GmbH - Geschäftsführer nach § 64 S.1 GmbHG der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Vergleichbare Haftungsrisiken bestehen im Recht der englischen "Limited" bei "Wrongful Trading" (Sec. 214 Insolvency Act 1986), aber auch bei einer spanischen S.L. nach Art. 172 L.C., wenn auch etwas schwächer ausgestaltet. Die zivilrechtlichen Risiken werden regelmäßig auch von erheblichen strafrechtlichen Risiken "flankiert". Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss jedenfalls für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Über-sicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit er-möglicht

Diese Pflichten führen dazu, dass den oder Geschäftsführer - unbeschadet etwaiger Geschäftsfführerordnungen - die Verpflichtung trifft die Geschäfte ständig zu beobachten, was letztlich in die Verpflichtung der Implementation effektiver Controlling - Instrumente einmündet. Werden nach Eintritt der Voraussetzungen des § 64 S.1 GmbH Zahlungen erbracht, die nicht mit der Verpflichtung eines ordentlichen Kaufmannes in Einklang zu bringen sind und erfolgt eine Insolvenz, wird der Insolvenzverwalter regelmäßig in Höhe der von ihm für unberechtigt gehaltenenen Zahlungen Schadensersatz verlangen. 

Im Zentrúm solcher Fälle steht meist die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH seine diesbezüglichen Beobachtungspflichten in einer Weise wahrgenommen hat, die es ihm erlaubt hat, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu erkennen. Der BGH beurteilt dies im Rahmen einer "Gesamtschau" aller für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände, soweit sie dem Geschäftsführer bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Das letztere Erfordernis führt zu erheblichen Controllingverpflichtungen, die unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten ohnehin bestehen. 

Im vorliegenden Fall war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen auf seinen Antrag hin im November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter verlangte als Kläger aufgrund der Tatsache, dass die GmbH bereits seit Ende 2003 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen war, von dem Beklagten gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen i.H.v. insgesamt rund 523.722 € als Schadensersatz ersetzt. Es handelte sich dabei um Zahlungen, die zwischen Januar und Oktober 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens auf Veranlassung des Geschäfftsührers geleistet worden waren und die der Insolvenzverwalter als unberechtigt angesehen hat. 

Ungeachtet dessen dass das LG der Klage stattgab, wies das Kammergericht die Klage ab, was zeigt, dass in solchen Fällen durchaus Abwehrstrategien möglich sind, die aber extrem vom Einzelfall und von bestehenden Ausnahmesituationen abhängig sind. Der BGH hat in der Sache nicht selbst entschieden, sondern die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das KG zurückverwiesen. 

Die Entscheidung ist sehr interessant, weil sie bemerkenswerte Ausführungen zum Verschuldensmaßstab enthält, die die Anforderungen verschärfen. Das Kammergericht hatte für den Zeitraum bis Anfang Mai 2004 ein Verschulden des Beklagten ausgeschlossen. Der BGH sieht die betreffenden Ausführungen als rechtsfehlerhaft an. 

Die Haftung eines GmbH - Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. setzt Verschulden voraus, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt. Allerdings stellt § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. (jetzt § 64 S.2 GmbHG) einen strengen Maßstab auf, indem auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns abgestellt wird, so dass es auf subjektiv - individuelle Aspekte nicht ankommt. Diese Norm begründet eine gesetzliche Vermutung eines Verschuldens, die der Geschäftsführer widerlegen muss, aber praktisch ohne Nachweis eines effektiven Controlling kaum noch widerlegen kann, wenn nicht bestimmte, besondere Konstellationen vorlegen haben. 

Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob es nachvollziehbare Gründe ab, eine Insolvenzreife der Gesellschaft nicht binnen drei Wochen ab Eintritt der Situation zu erkennen. Der BGH verschärft die Voraussetzungen gegenüber dem Kammergericht, indem er eine Analyse der betriebswirtschaftlichen Auswertunge nicht als hinreichend ansieht, weil weil dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, sofern diese überhaupt möglich waren. Jedenfalls trifft den Beklagten in einem solchen Verfahren die Pflicht, ab dem Zeitpunkt der behaupteten Insolvenzreife darzulegen, aus welchen objektiven Gründen, eine Insolvenzreife trotz Analyse der betriebswirtschaftlichen Auswertung nicht erkennbar war. Grundsätzlich läuft dies darauf hinaus, dass eine Exculpation fast nur noch bei überraschend einegetretenen Situationen möglich ist, für die Rückstellungen zulässigerweise nicht gebildet werden konnten. Die Haftungsdiskussion verlagert sich damit immer mehr in das Bilanzrecht. 


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