Dienstag, 21. August 2012

BGH: Keine Ausgleichszahlung bei Flugverspätungen aufgrund Pilotenstreik

BGH, PM Nr. 133/2012 - Keine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung für Flugannullierung wegen von der Vereinigung Cockpit angekündigten Pilotenstreiks 

Der BGH hat in zwei parallelen Urteilen entschieden, dass die Deutsche Lufthansa als beklagte Fluggesellschaft in beiden Fällen eine pauschale Ausgleichszahlung von je 600 Euro nach der FluggastrechteVO der EU nicht zahlen muss, wenn ein Interkontinentalflug berechtigt annulliert wird. Dies ist nach Art. 5 III EU-FluggastrechteVO dann der Fall, wenn die Annullierung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die unter Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen praktisch unvermeidbar waren. Ob hierzu auch ein Pilotenstreik zält war umstritten, zumal die beiden Gerichte erster Instanz die Ausgleichszahlung zugebilligt hatten. 

Unter den gegebenen Umständen könnte man auf den Gedanken kommen, dass es maßgeblich darauf ankommt, welche konkreten Maßnahmen der Fluggesellschaft zur Streikverhinderung für erforderlich gehalten werden (etwa die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens). Damit scheint sich der BGH aber nicht näher auseinanderzusetzen, da er bereits den zulässigen Streikaufruf der Gewerkschaft als hinreichend ansieht. Auch hätte es hier nahegelegen, die Sache dem EuGH vorzulegen, um eine verbindliche Auslegung für die EU herbeizuführen. Der BGH umgeht dies, indem er einen Streikaufruf einem technischen Defekt gleichstellt. Der BGH stellt vielmehr entscheidend darauf ab, ob ein Sonderflugplan eingerichtet wird. Da dies im zweiten Verfahren nicht hinreichend feststand, erfolgte eine Zurückverweisung. Das Urteil ist für die Fluggesellschaften überaus günstig. 

Sachverhalt

Die Kläger der beiden Verfahren verlangen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c, Art. 5 Abs. 1c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004* (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung), weil ihre für Februar 2010 vorgesehenen Flüge von Miami nach Deutschland von der beklagten Lufthansa AG wegen eines Streikaufrufs der Vereinigung Cockpit annulliert worden waren. In der Sache X ZR 138/11 wurde der für den 22. Februar 2010 vorgesehene Rückflug nach Düsseldorf annulliert und die Reisenden wurden auf einen anderen Rückflug umgebucht, mit dem sie am 25. Februar 2010 in Düsseldorf eintrafen. In der Sache X ZR 146/11 wurde der für den 23. Februar 2010 vorgesehene Rückflug nach Frankfurt am Main annulliert die Reisenden wurden auf einen Flug am 1. März 2010 umgebucht. In beiden Fällen geht es nicht um die Unterstützungsleistungen (Mahlzeiten, Hotelunterbringung), die das Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Flugs anbieten muss, sondern – jedenfalls in der Revisionsinstanz – ausschließlich um die Frage, ob Lufthansa auch die pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 600 Euro je Fluggast zu zahlen hat, die die Fluggastrechteverordnung grundsätzlich vorsieht, wenn ein Interkontinentalflug annulliert wird. 

Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung entfällt diese Verpflichtung, wenn eine Annullierung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Lufthansa hat geltend gemacht, von der Pflicht zu Ausgleichszahlungen nach der Verordnung befreit zu sein, weil es sich bei dem Streik ihrer Piloten um ein außergewöhnliches und für sie unabwendbares Ereignis gehandelt habe und sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Reduzierung der Zahl der annullierten Flüge ergriffen habe. Die in erster Instanz zuständigen Amtsgerichte haben Lufthansa in beiden Fällen zur Leistung der Ausgleichszahlungen verurteilt. 

Entscheidungsgründe

Im Verfahren X ZR 138/11 hat das Landgericht Köln die Berufung zurückgewiesen, weil ein Streik eigener Mitarbeiter des ausführenden Luftfahrtunternehmens kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung darstelle. Dagegen hat im Verfahren X ZR 146/11 das Landgericht Frankfurt am Main auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Ein Streik, auch derjenige des eigenen Personals des Luftverkehrsunternehmens stelle ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung dar. Die Lufthansa habe die Annullierung des Rückfluges auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeiden können. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet gewesen, andere Piloten zur Aushilfe anzustellen. Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat nunmehr entschieden, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzunehmen sein können, wenn der Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens infolge eines Streiks ganz oder zu wesentlichen Teilen nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Zweck des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung und steht im Einklang mit der Auslegung dieser Vorschrift durch die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). 

Die vom EuGH für technische Defekte entwickelten Maßstäbe sind auch für andere als Ursache außergewöhnlicher Umstände in Betracht kommende Vorkommnisse, wie etwa die in Erwägungsgrund 14 der Fluggastrechteverordnung genannten, heranzuziehen. Auch insoweit ist maßgeblich, ob die Annullierung auf ungewöhnliche, außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegende und von ihm nicht zu beherrschende Gegebenheiten zurückgeht. Dabei spielt es bei einem Streik, der in Erwägungsgrund 14 ausdrücklich als Ursache außergewöhnlicher Umstände genannt ist, grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb des Unternehmens durch eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten (z.B. beim Flughafenbetreiber oder einem mit der Sicherheitskontrolle betrauten Unternehmen) oder dadurch beeinträchtigt wird, dass eigene Mitarbeiter des Luftverkehrsunternehmens in den Ausstand treten. Ein Streikaufruf einer Gewerkschaft wirkt – auch soweit er zu einem Ausstand der eigenen Beschäftigten führt – "von außen" auf das Luftverkehrsunternehmen ein und ist nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, die durch den Streik als Arbeitskampfmittel gerade gezielt beeinträchtigt oder gar lahm gelegt werden soll. 

Eine solche Situation ist in aller Regel von dem betroffenen Luftverkehrsunternehmen auch nicht beherrschbar, da die Entscheidung zu streiken, von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie und damit außerhalb des Betriebs des ausführenden Luftverkehrsunternehmens getroffen wird. In den entschiedenen Fällen war dementsprechend die Streikankündigung der Vereinigung Cockpit geeignet, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung herbeizuführen. Lufthansa hatte, nachdem zu erwarten war, dass die überwiegende Zahl der angesprochenen Mitarbeiter dem Streikaufruf nachkommen und somit keine zur Einhaltung des gesamten Flugplans ausreichende Anzahl von Piloten zur Verfügung stehen würde, Anlass, den Flugplan so zu reorganisieren, dass zum einen die Beeinträchtigungen der Fluggäste durch den Streik so gering wie unter den gegebenen Umständen möglich ausfallen würden und sie zum anderen in der Lage sein würde, nach Beendigung des Streiks sobald wie möglich zum Normalbetrieb zurückzukehren. 

Schöpft ein Luftverkehrsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang aus, kann die Nichtdurchführung eines einzelnen Flugs in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können. Danach hat der Bundesgerichtshof im Verfahren X ZR 146/11 die Revision der Kläger zurückgewiesen, weil das Landgericht Frankfurt festgestellt hat, dass Lufthansa mit einem Sonderflugplan geeignete und zumutbare Maßnahmen ergriffen hatte, um Annullierungen infolge des Streiks auf das unvermeidbare Maß zu beschränken, und daher rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Absage des Fluges der Kläger nicht zu vermeiden war. Im Verfahren X ZR 138/11 konnte der Bundesgerichtshof dagegen nicht abschließend über die geltend gemachten Ausgleichsansprüche entscheiden, da vom Landgericht Köln Feststellungen zu den von Lufthansa ergriffenen Maßnahmen noch zu treffen sind. 

Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 138/11
AG Köln - Urteil vom 25. Oktober 2010 – 142 C 153/10
LG Köln - Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 S 282/10
Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 146/11
AG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. März 2011 – 32 C 2262/10-41
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. November 2011 – 2-24 S 80/11
Karlsruhe, den 21. Aug. 2012
Quelle: Pressemitteilung des BGH

Rechtsquellen: 

Art. 7 der Verordnung: "Ausgleichsanspruch"
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Art. 5 der Verordnung: "Annullierung"
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen …
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Erwägungsgrund 14 der Verordnung:
Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Mittwoch, 15. August 2012

BGH zur Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung aus 2006

BGH - PM Nr. 128/2012 vom 15.08.2012

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer interessanten Entscheidung mit der Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung nach dem Muster der BGB-Informationspflichten-Verordnung aus dem Jahr 2006 befasst. Diese Widerrufsbelehrung ist nicht mehr aktuell, so dass dieser Teil der Entscheidung weniger interessant ist. 

Interessant ist aber der Umstand, dass der BGH ausführt, dass ein Verwender sich auf den Text der Musterbelehrung nach der früher in Geltung befindlichen BGB-InfVO aufgrund der Gesetzlichkeitsfiktion in § 14 a.F. auch dann verlassen konnte, wenn diese selbst inhaltlich unrichtig war. Nichts anders gilt für etwaige Fehler vergleichbarer Art in verbindlichen Mustern, die Gesetzeskraft aufweisen. 


Sachverhalt: 

Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, und die Beklagte schlossen im November 2006 für die Dauer von 54 Monaten einen Leasingvertrag über einen Pkw Audi A6 Avant. Nachdem ab Juni 2009 die vereinbarten Leasingraten von monatlich 640 € ausgeblieben waren, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2009 den Leasingvertrag fristlos und verwertete das Fahrzeug in der Folgezeit für 10.555 €. Die Beklagte widerrief am 22. Februar 2010 ihre Vertragserklärung. Der Leasingvertrag enthält auf einer gesonderten Seite eine von der Beklagten unterzeichnete Widerrufsbelehrung, die dem Text der Musterbelehrung der BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bei Vertragsschluss gültigen Fassung entspricht und auszugsweise wie folgt lautet: "(…) Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. (…)" 

Die Klägerin hatte mit ihrer Klage auf Zahlung von insgesamt 19.341,37 € nebst Zinsen für rückständige Leasingraten, einen Restwertausgleich sowie Sicherstellungskosten in den Vorinstanzen Erfolg. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden. 

Der unter anderem für das Leasingrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist spätestens mit dem Vollzug des Leasingvertrages im Jahr 2006 in Lauf gesetzt hat und der Widerruf der Beklagten daher verspätet war. 

Entscheidungsgründe: 

Die Widerrufsbelehrung genügt zwar den Anforderungen des in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF geregelten Deutlichkeitsgebots nicht, weil die Verwendung des Wortes "frühestens" es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Beginn der Widerrufsfrist ohne weiteres zu erkennen. Die Klägerin kann sich für die Wirksamkeit der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung jedoch darauf berufen, dass diese dem Muster der BGB-Informationspflichten-Verordnung entspricht und somit gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-Informationspflichten-Verordnung aF als ordnungsgemäß gilt (Gesetzlichkeitsfiktion). 

Die in § 14 der BGB-Informationspflichten-Verordnung geregelte Gesetzlichkeitsfiktion wird von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF gedeckt und ist wirksam. Denn mit dieser Ermächtigung verfolgte der Gesetzgeber vorrangig den Zweck, die Geschäftspraxis der Unternehmer zu vereinfachen und Rechtssicherheit zu schaffen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn sich der Unternehmer auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung nicht berufen könnte. 


BGH, Urteil vom 15.08.12 VIII ZR 378/11 
LG Konstanz, Urteil vom 22. Februar 2011 – 4 O 248/10 
OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. Dezember 2011 – 9 U 52/11 
Karlsruhe, den 15.08.12 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Mittwoch, 8. August 2012

Controlling - Verpflichtungen eines GmbH - Geschäftsführers

BGH, Urt. v. 19.06.2012, AZ: II ZR 243/11 

Vielen Geschäftsführern einer GmbH sind die rechtlichen Risiken ihrer Tätigkeit oftmals nicht hinreichend vertraut. Dies gilt durchaus auch für vergleichbare Rechtsformen in Europa, wobei die Pflichtenkreise und die damit verbundenen Haftungsrisiken durchaus unterschiedlich sind. Diese Risiken schließen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen auch die persönliche Haftung ein. 

So ist ein GmbH - Geschäftsführer nach § 64 S.1 GmbHG der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Vergleichbare Haftungsrisiken bestehen im Recht der englischen "Limited" bei "Wrongful Trading" (Sec. 214 Insolvency Act 1986), aber auch bei einer spanischen S.L. nach Art. 172 L.C., wenn auch etwas schwächer ausgestaltet. Die zivilrechtlichen Risiken werden regelmäßig auch von erheblichen strafrechtlichen Risiken "flankiert". Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss jedenfalls für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Über-sicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit er-möglicht

Diese Pflichten führen dazu, dass den oder Geschäftsführer - unbeschadet etwaiger Geschäftsfführerordnungen - die Verpflichtung trifft die Geschäfte ständig zu beobachten, was letztlich in die Verpflichtung der Implementation effektiver Controlling - Instrumente einmündet. Werden nach Eintritt der Voraussetzungen des § 64 S.1 GmbH Zahlungen erbracht, die nicht mit der Verpflichtung eines ordentlichen Kaufmannes in Einklang zu bringen sind und erfolgt eine Insolvenz, wird der Insolvenzverwalter regelmäßig in Höhe der von ihm für unberechtigt gehaltenenen Zahlungen Schadensersatz verlangen. 

Im Zentrúm solcher Fälle steht meist die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH seine diesbezüglichen Beobachtungspflichten in einer Weise wahrgenommen hat, die es ihm erlaubt hat, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu erkennen. Der BGH beurteilt dies im Rahmen einer "Gesamtschau" aller für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände, soweit sie dem Geschäftsführer bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Das letztere Erfordernis führt zu erheblichen Controllingverpflichtungen, die unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten ohnehin bestehen. 

Im vorliegenden Fall war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen auf seinen Antrag hin im November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter verlangte als Kläger aufgrund der Tatsache, dass die GmbH bereits seit Ende 2003 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen war, von dem Beklagten gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen i.H.v. insgesamt rund 523.722 € als Schadensersatz ersetzt. Es handelte sich dabei um Zahlungen, die zwischen Januar und Oktober 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens auf Veranlassung des Geschäfftsührers geleistet worden waren und die der Insolvenzverwalter als unberechtigt angesehen hat. 

Ungeachtet dessen dass das LG der Klage stattgab, wies das Kammergericht die Klage ab, was zeigt, dass in solchen Fällen durchaus Abwehrstrategien möglich sind, die aber extrem vom Einzelfall und von bestehenden Ausnahmesituationen abhängig sind. Der BGH hat in der Sache nicht selbst entschieden, sondern die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das KG zurückverwiesen. 

Die Entscheidung ist sehr interessant, weil sie bemerkenswerte Ausführungen zum Verschuldensmaßstab enthält, die die Anforderungen verschärfen. Das Kammergericht hatte für den Zeitraum bis Anfang Mai 2004 ein Verschulden des Beklagten ausgeschlossen. Der BGH sieht die betreffenden Ausführungen als rechtsfehlerhaft an. 

Die Haftung eines GmbH - Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. setzt Verschulden voraus, wobei einfache Fahrlässigkeit genügt. Allerdings stellt § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. (jetzt § 64 S.2 GmbHG) einen strengen Maßstab auf, indem auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns abgestellt wird, so dass es auf subjektiv - individuelle Aspekte nicht ankommt. Diese Norm begründet eine gesetzliche Vermutung eines Verschuldens, die der Geschäftsführer widerlegen muss, aber praktisch ohne Nachweis eines effektiven Controlling kaum noch widerlegen kann, wenn nicht bestimmte, besondere Konstellationen vorlegen haben. 

Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob es nachvollziehbare Gründe ab, eine Insolvenzreife der Gesellschaft nicht binnen drei Wochen ab Eintritt der Situation zu erkennen. Der BGH verschärft die Voraussetzungen gegenüber dem Kammergericht, indem er eine Analyse der betriebswirtschaftlichen Auswertunge nicht als hinreichend ansieht, weil weil dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, sofern diese überhaupt möglich waren. Jedenfalls trifft den Beklagten in einem solchen Verfahren die Pflicht, ab dem Zeitpunkt der behaupteten Insolvenzreife darzulegen, aus welchen objektiven Gründen, eine Insolvenzreife trotz Analyse der betriebswirtschaftlichen Auswertung nicht erkennbar war. Grundsätzlich läuft dies darauf hinaus, dass eine Exculpation fast nur noch bei überraschend einegetretenen Situationen möglich ist, für die Rückstellungen zulässigerweise nicht gebildet werden konnten. Die Haftungsdiskussion verlagert sich damit immer mehr in das Bilanzrecht. 


Dienstag, 7. August 2012

BGH zu überraschenden Entgeltklauseln bei Verträgen über Branchenverzeichnisse im Internet

Der Bundesgerichtshof hat eine interessante Entscheidung zu der Frage getroffen, unter welchen Voraussetzungen Entgeltklauseln in einem Antragsformular für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet nach dem Erscheinungsbild des Formulars überraschenden Charakter haben und daher nicht Vertragsbestandteil werden. 

Diese sehr zu begrüßenden Entscheidungen sollten aber über zweierlei nicht hinwegtäuschen. Zum einen sind nur bestimmte Gestaltungen betroffen, so dass sich die Erwägungen nicht ohne weiteres generalisieren lassen. Zum anderen werden die betreffenden Klauselanbieter - so sie nicht ohnehin in den "Offshore - Bereich" (mit interessanten Rechtswahlklauseln in den Vertragstexten) ausweichen - ihre Fantasie dahin gehend spielen lassen, neue Gestaltungen zu entwerfen, um Betroffenen weiterhin überwiegend völlig sinnlose Dienstleistungen anzubieten, denen eine wirkliche Gegenleistung oftmals nicht entgegensteht. Immerhin ist diese Entscheidung ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. 

Sachverhalt: 

Die Klägerin unterhält ein Branchenverzeichnis im Internet. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…" bezeichnet. In der linken Spalte befinden sich mehrere Zeilen für Unternehmensdaten. Nach einer Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten "X" hervorgehoben ist, heißt es in vergrößerter Schrift: "Rücksendung umgehend erbeten" und (unterstrichen) "zentrales Fax". Es folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin. Die rechte Seite des Formulars besteht aus einer umrahmten Längsspalte mit der Überschrift "Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz)". In dem sich anschließenden mehrzeiligen Fließtext ist unter anderem folgender Satz enthalten: "…Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr…." Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das Verzeichnis ein und stellte dafür 773,50 € brutto in Rechnung. Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. 

Entscheidungsgründe: 

Mit Rücksicht darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß §  305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. 

Im vorliegenden Fall machte bereits die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank" nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelte. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wurde durch Hervorhebung im Fettdruck und Formulargestaltung zudem auf die linke Spalte gelenkt. Die in der rechten Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht war demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten war. Die Zahlungsklage ist daher zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. 


Urteil vom 26. Juli 2012 - VII ZR 262/11
AG Recklinghausen - Urteil vom 24. Mai 2011 - 13 C 91/11
LG Bochum - Urteil vom 15. November 2011 - 11 S 100/11
Karlsruhe, den 26. Juli 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

News on Spanish Property: IVA - Taxes (VAT) on new homes will rise from 4pc to 10pc from next year on


1. New Homes 

On 13 July 2012 the Spanish Parliament decided that the VAT on the purchase of a newly built property from a property developer increases from January 2013 (recipient) from 4 percent to 10 percent. This means that anyone who buys up to 31.12.2012, has an advantage of 6 percent ​​compared to a purchase until 2013. Of course, no good news for the spanish property market, but it might be an argument to buy a new house in the last months of 2012. The prices are currently at a lower level. 

There is another change in the applicable tax from the beginning of 2013. At the moment the purchase by the developer of a newly built property (whether house or condominium) is based on the purchase price to be paid Value Added Tax (VAT) instead of the current 8 percent, reduced to only 4 percent. The aim of the Spanish legislature was to facilitate the sale of tax of completed real estate, but nearly noone believed in it's deeper sense. This - once again - very short - lived - regulation ends in the end of 2012. In addition to this reduced tax, however, there is a stamp tax of one percent to be paid. 

Such short - living - regulations are showing that the legal frame is in a move at the moment, so that any legal advantages should be used in the last months of 2012. This regulation will have the effect that in 2012 the costs of buying new homes in Spain will increasing because of the raise of IVA (VAT) from 4 percent to 10 percent. It will add thousands of Euros to the average new home purchase in 2013 and beyond. 

2. Resales 

If one wants to buy a Resale Property instead of IVA (VAT) there is a Transfer Tax (Impuesto sobre Transmisiones Patrimoniales – ITP) to be paid. The general rule is ITP at 7 percent, but a number of autonomous regions raised it to 8 percent and it is to be expected that it will raise up to 10 percent in the near future. A the moment it's level varies by autonomous regions and property value. There have been lots of rate changes since 2011 in the autonomous regions. For example in Andalucía you had to pay a 7% Tax on the purchase price in 2011. As of the 1st January 2012, the Tax on the purchase of resale properties at the value level of 400.000 Euro has risen up to 8 percent. On the amount above 400.000 Euro ITP rises to 9 percent and for over 700.000 Euro it's now 10 percent. It's exactly the same with Islas Baleares (Mallorca, Ibiza). 

3. Remodeling 

The IVA (VAT) rate for the remodeling and for home repairs in real estate is located from 01 September 2012 at 10 percent, if the needed building materials exceed the percentage of 40 percent (previously 33 percent) of the total amount for the work and not the following conditions are met: 

- That the recipient either a homeowners association or a natural person who is not acting as a contractor and uses the apartment for their own use. 

- That the completion of the property, referred to by the work is completed at least two years. 

In this regard, the Council of Ministers has announced the following that the remodeling and home repairs, up to 01 September 2012 at a reduced rate of 8 percent are subject to the end of 2013 taxed at a rate of 10 percxent. From 01 January 2014 on it will at 21 percent. If the conditions mentioned before are not fullfiled IVA will be at 21 percent from 01. September 2012 on. 



4. Strategies 

At the moment it's not clear if we might see a - surely not legal - comeback in under-the-table cash payments, better known as “B money”, which had declines in the last years. Nearly no one in Spain wouldn’t be surprised if they raise less tax as a consequence as they expected under pressure of the European Union. . But we don't think that this is a serious strategy for buyers. In addition to that buyers should know that the spanish tax authorities checked the prices very often recently. Such checks take place also regarding to bequests and donations, not only with purchases and sales. The spanish Tax Office is authorized to calculate the taxes on transfers of real property of any kind to their actual market value and not according to the agreed price. This can lead to significant back taxesThe purpose of this practice is to prevent any attempts by lower securitization ("B - Money"). Is an appeal brought against the relevant tax assessment by the tax office, the payment for this period of the tax dispute is exposed.


It might be a even more an effective solution in a singular case to purchase the property into - for example - an UK Private Limited Company by Shares or a spanish Sociedad Limitada (S.L.). In such cases the purchaser's would own properties as Shareholders. Once the property has been invested into such a Company such properties can on one hand be sold independently by the Company.Just to mention it: Offshore companies as owners of spanish properties would be charged with an annual Tax by Spain of 3 percent, so this is no real solution at the moment for buyers of spanish properties.  On the other hand the shares of such a Company can be sold to the purchaser with interesting effects, which will be described in the near future. 


Every purchase of a property is an individual situation and it needs an individual solution, planed by professionells in this Business. Therefor it is always necessary to consider every case on an individual basis.