Mittwoch, 15. Februar 2012

Neue Geschichten von Herrn K.: Grenzen der Prozessberichterstattung

Oberlandesgericht Köln: Berichterstattung aus öffentlicher Gerichtsverhandlung ist nicht uneingeschränkt zulässig 

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln sind seit geraumer Zeit immer wieder mit neuen Geschichten von Herrn K. beschäftigt. Seinen Namen muss man nicht nennen, weil fast jeder ihn kennt. Aber unabhängig davon stellt sich die Frage nach den Grenzen der Prozessberichterstattung über Gerichtsverfahren zu denen die Öffentlichkeit zugelassen ist. 

Im Kern geht es hier darum, wieviel Informationen Presseberichter über den Verlauf derartiger Verhandlungen geben dürfen, wenn diese die Intimsphäre eines Angeklagten - der wie hier geschehen, später freigesprochen wurde - berühren. Grundsätzlich ist es angesichts der Pressefreiheit, dass über Kommunikationen in einer öffentlichen Verhandlung auch berichtet werden darf. Gerichtliche Entscheidungen über die Grenzen einer derartigen Berichterstattung sind eher rar. Es ist allerdings nicht gerade neu, dass die Presse - heute sollte man eher von Medienberichterstattung sprechen - jene Grenzen zu beachten hat, die der Pressefreiheit aus dem mit gleichen Rang verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und Wahrung seiner Ehre erwachsen wie dem altehrwürdigen Urteil BGHZ 57, 326/330 bereits entnommen werden kann. 

Ziffer 8 des Pressekodex trägt dem Rechnung (früher gab es spezielle Regelungen für die Gerichtsberichterstattung). Ungeachtet dessen das die Berichterstattung selbstredend sachlich sein muss, ist auf die Person des Betroffenen Rücksicht zu nehmen (BGH, AfP 1979, 307, 310 - Exdirektor). Lässt sich eine objektive Darstellung nicht erreichen, muss nach dieser Entscheidung sogar ganz von einer Berichterstattung abgesehen werden. Rechtswidrigkeit und Rechtmäßigkeit der Berichterstattung trennen in solchen Fällen oftmals nur eine "dünne rote Linie". 

Das OLG Köln hat hat hier zugunsten des Beklagten entschieden, weil über seine vermeintlichen oder tatsächlichen sexuellen Vorlieben und andere intime Dinge berichtet worden war. Ungeachtet dessen, dass Informationen, die einmal in den Medien gelandet sind, schwer gänzlich zu vernichten sind, zieht das OLG Köln hier die Grenze bei der detaillierten Schilderung von Sexualpraktiken und hat wegen der besonderen Bedeutung dieser Rechtsfrage die Revision zum BGH zugelassen, da diese Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich entschieden wurde. Die Intimsphäre als Grenze der Medienberichterstattung kann aber keine absolute Grenze darstellen, sondern der Schutz sollte sich auf die Darlegung konkreter Details beschränken, jedenfalls lässt sich auch das OLG Köln so verstehen, denn auch ein Angeklagter hat ein Recht auf Menschenwürde. 

Pressemitteilung: 

Das Oberlandesgericht Köln hat mit drei am 14. Februar 2012 verkündeten Urteilen entschieden, dass die Medien Umstände aus dem privaten Lebensbereich eines Angeklagten auch dann nicht ohne weiteres verbreiten dürfen, wenn diese in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden sind.
Geklagt hatte in allen drei Verfahren ein wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer Ex-Freundin angeklagter, im Strafverfahren freigesprochener Fernsehmoderator. Das Ermittlungs- und Strafverfahren war in den Medien, u.a. seitens der Beklagten, mit großer Aufmerksamkeit und ausführlicher Berichterstattung begleitet worden.

Der Kläger hatte während der Ermittlungen in einer richterlichen Vernehmung im Detail den zwischen ihm und der Anzeigenerstatterin üblichen (einvernehmlichen) Sexualverkehr geschildert. Die Beklagten hatten sodann Einzelheiten der Schilderung in ihre Presseveröffentlichungen eingestellt. 

Nach Ansicht des zuständigen 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln lag hierin ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Das Berichterstattungsinteresse der Beklagten habe hinter dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Intimsphäre zurückzustehen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die berichteten Umstände später Gegenstand einer öffentlichen Gerichtsverhandlung gewesen seien, in welcher das Vernehmungsprotokoll im Wortlaut verlesen worden war. Die Öffentlichkeit eines Gerichtssaales sei nicht mit der Wirkung zu vergleichen, die von einer Veröffentlichung in den Medien, erst recht bei einer Veröffentlichung im Internet ausgehe. Die veröffentlichten Details hätten in keinem Zusammenhang mit dem konkreten Tatvorwurf gestanden und seien von den Beklagten auch in der Berichterstattung nicht in einen solchen Zusammenhang gerückt worden. 

Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht strafrechtlich verurteilt worden sei. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens und bis zu einer gerichtlichen Verurteilung gelte zu Gunsten des Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Dementsprechend zurückhaltend und ausgewogen müsse über den Tatvorwurf und den auf dem Angeklagten lastenden Verdacht berichtet werden (15 U 123/11, 15 U 125/11 und 15 U 126/11). 

Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Frage, in welchem Umfang auch über private, das Persönlichkeitsrecht berührende Umstände berichtet werden dürfe, die in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung erörtert worden seien, sei bisher nicht höchstrichterlich entschieden.

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