Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle
Nr. 24/2012
Nachdem eine Parallelsache kürzlich nicht zur Entscheidung gelangte, weil sich die Parteien vor dem Termin geeinigt hatten, musste der BGH in dieser Sache über die Schadensersatzhaftung wegen nicht zureichender Aufklärung entscheiden. Allerdings lässt sich die Reichweite dieser Entscheidung erst nach eingehender Lektüre des Volltextes abschätzen.
Es geht hier unter anderem um den Einfluss englischen Gesellschaftsrechts auf deutsche Lebensversicherungsverträge, mögen sie auch mit einem englischen Anbieter geschlossen worden sein. Ob Lebensversicherungen heute noch eine angemessene Anlageform darstellen, kann hier zwar dahinstehen, aber im konkreten Fall berief sich der Kläger darauf, dass er die Versicherung bei eingehender Information über die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht abgeschlossen hätte.
Mit guten Gründen verneint der BGH einen Einfluss des englischen Vergleichsplan auf den deutschen Lebensversicherungsvertrag und verneint die Anwendung des § 12 Abs.1 VVG a.F. auf diese Konstellation, so dass die Verjährung differenziert betrachtet wird. Da die Sache an das OLG zurückverwiesen wurde, lässt sich erst nach Abschluss dieses Verfahrens wirklich von einer Klärung sprechen.
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Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht
zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine
Entscheidung zur gerichtlichen Geltendmachung und Verjährung von
Schadensersatzansprüchen wegen unzureichender Aufklärung vor Abschluss
einer englischen Lebensversicherung getroffen.
Der Kläger schloss zu Beginn des Jahres 1999 bei dem
beklagten englischen Lebensversicherer eine
"Investment-Lebensversicherung" ab, nachdem dieser mit jährlichen
Überschüssen deutlich über denen seiner deutschen Mitbewerber geworben
hatte. Seit 2003 stagniert der Vertragswert. Bei der Beklagten war es zu
Problemen mit der finanziellen Belastung aus den Ansprüchen britischer
Bestandskunden gekommen, die 2002 in der Genehmigung eines
Vergleichsplans nach englischem Gesellschaftsrecht ("Scheme of
Arrangement") durch das dort zuständige Gericht mündeten. Dieser führte
zur Abfindung einzelner Ansprüche der Versicherungsnehmer gegen
einmalige Erhöhung des Versicherungswertes.
Der Kläger hat geltend
gemacht, dass er über die aus seiner Sicht nicht ordnungsgemäße
Geschäftspolitik der Beklagten u.a. durch überhöhte Zuteilung von
Überschüssen, unzureichende Bildung von Deckungskapital und Verwendung
veralteter Sterbetafeln nicht aufgeklärt worden sei und den Vertrag bei
zutreffender Information nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte hat
sich auf die Sperrwirkung ihres englischen Vergleichsplans, die
Verjährung der geltend gemachten Ansprüche und das Fehlen von
Aufklärungspflichten berufen.
Das Berufungsgericht hat die Klage wegen
Verjährung abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner heutigen Entscheidung ausgeführt, dass der Anerkennung eines gerichtlich genehmigten Vergleichsplans nach englischem Gesellschaftsrecht ("Scheme of Arrangement"), der eine Lebensversicherung betrifft, jedenfalls die Vorschriften über die Zuständigkeit in Versicherungssachen gemäß Art. 8, 12 Abs. 1, 35 EuGVVO* entgegenstehen. Mithin hindert der Vergleichsplan Versicherungsnehmer in Deutschland nicht, Ansprüche geltend zu machen.
Weiterhin hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt, wonach für die Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus vorvertraglichem Verschulden, mit dem der Versicherungsnehmer so gestellt werden will, wie wenn er den Vertrag nicht geschlossen hätte, nicht § 12 Abs. 1 VVG a.F.** einschlägig ist, sondern die allgemeinen Bestimmungen der §§ 195, 199 BGB*** gelten. Danach sind nur einige der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche verjährt.
Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das noch Feststellungen zu den nicht verjährten Schadensersatzansprüchen zu treffen hat.
*Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)
Artikel 12
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 11
Absatz 3 kann der Versicherer nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats
klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ohne
Rücksicht darauf, ob dieser Versicherungsnehmer, Versicherter oder
Begünstigter ist.
…
**Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung
§ 12
(1) Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren
in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren. Die
Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung
verlangt werden kann.
…
***Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit
nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des
Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen müsste.
…
IV ZR 194/09 – Urteil vom 15. Februar 2012
LG Verden - Urteil vom 21. Januar 2009 - 8 O 544/07
OLG Celle - Urteil vom 8. September 2009 - 8 U 46/09
Karlsruhe, den 15. Februar 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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