Dienstag, 29. November 2011

Bundesgerichtshof entscheidet Streit über Nachlass des Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld

BGH - Mitteilung der Pressestelle Nr. 188/2011  

Siegfried Unseld war ein Verleger, der die Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland während seines Lebens nachhaltig geprägt hat. Im Hause Suhrkamp erschienen - und erscheinen - Bände, die u.a. maßgebliche Zustandsbeschreibungen dieser Welt enthalten. Nach dem Tod von Siegfried Unseld entstand Streit um sein Erbe. In Erbstreitigkeiten geht es - insbesondere bei Pflichtteilsansprüchen - oftmals um die Frage, was überhaupt in den Nachlass fällt und wie die Nachlassbestandteile zu bewerten sind. Die Entscheidung des BGH berührt das Spannungsverhältnis von Stiftungsrecht und Pflichtteilsrecht, wobei oftmals auch und gerade Pflichtteilsergänzungsansprüche eine Rolle spielen. Hier ging es darum, ob und inwieweit der Stiftung Suhrkamp seitens des Erblassers via Schenkung eingeräumte Unterbeteiligungen an Gesellschaften der Suhrkamp - Verlagsgruppe in den Nachlass fallen oder nicht, wobei hier noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts "zwischengeschaltet" war. Im vorliegenden Falle war die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung Alleinerbin geworden, während der Siegfried Unseld Stiftung  unentgeltlich Unterbeteiligungen an Tochtergesellschaften eingeräumt worden waren. Nach der Kollisionsregel des § 2301 BGB geht der BGH davon aus, dass diese Schenkungen bereits im Jahre 2001 unter Lebenden vollzogen worden sind, so dass die Unterbeteiligungen nicht in den Nachlass gefallen sind und bei der Pflichteilsberechnung nicht zu berücksichtigen sind. Diese Entscheidung wird die gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Gestaltungspraxis intensiv beschäftigen.

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Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die der Siegfried Unseld-Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen an Gesellschaften der Suhrkamp-Verlagsgruppe nicht in den Nachlass des im Oktober 2002 verstorbenen Verlegers Siegfried Unseld gefallen und daher bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs seines Sohnes Joachim Unseld nicht zu berücksichtigen sind.

Siegfried Unseld hatte im Oktober 2001 die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung als seine Alleinerbin eingesetzt und einer weiteren Stiftung, der Siegfried Unseld-Stiftung, unentgeltlich Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30% u.a. an der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG und der Insel Verlag GmbH & Co. KG aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt seines Todes eingeräumt. Nach seinem Tode entstand über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs des Sohnes Joachim aus erster Ehe des Erblassers Streit zwischen diesem und der von der Ehefrau Ulla Unseld-Berkéwicz vertretenen Alleinerbin. Die Parteien stritten u.a. darüber, ob die Unterbeteiligungen an den Verlagsgesellschaften bereits zu Lebzeiten von Siegfried Unseld der Siegfried Unseld-Stiftung mit Abschluss der darauf gerichteten Verträge im Oktober 2001 rechtswirksam geschenkt worden und damit bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht zu berücksichtigen waren.

Der auf die entsprechende Feststellung gerichteten Klage der Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung haben die Vorinstanzen stattgegeben. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Schenkung der Unterbeteiligungen an die Siegfried Unseld-Stiftung mit dem Abschluss der Verträge im Oktober 2001 bereits vollzogen wurde und damit die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung finden. Nach den im Oktober 2001 getroffenen Vereinbarungen stehen der Siegfried Unseld-Stiftung nicht nur Ansprüche als Unterbeteiligte auf Beteiligung am Gewinn der Erbin als Hauptbeteiligte in den Verlagsgesellschaften zu. Der Unterbeteiligten sind vielmehr darüber hinaus Mitwirkungsrechte in der zwischen ihr und der Hauptbeteiligten begründeten Innengesellschaft bürgerlichen Rechts eingeräumt worden. Jedenfalls bei einer solchen Ausgestaltung der Rechte des Unterbeteiligten innerhalb der Innengesellschaft ist die Schenkung der Unterbeteiligung als bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen anzusehen. Das hat zur Folge, dass die Unterbeteiligungen nicht in den Nachlass des im Oktober 2002 verstorbenen Erblassers gefallen sind.

Urteil vom 29. November 2011 II ZR 306/09
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 9. Mai 2007
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 13. November 2008
Karlsruhe, den 29. November 2011
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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