Freitag, 17. April 2015

BGH: Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit der Übernahme von kurzen Musiksequenzen als Hintergrund-Loops für Rap-Stücke

"Samplings", "Loops" und vergleichbare Snippets beschäftigen immer wieder die Gerichte. Die Fälle sind sich meist recht ähnlich.

Im vorliegenden Fall handelte es sich bei den Klägern um Mitglieder der französischen Gothic-Band "Dark S.", die in den Jahren 1999 bis 2004 mehrere Musikalben veröffentlicht hat. Der Beklagte tritt als Rapper unter dem Künstlernamen "B." auf. Die Kläger behaupten, der Beklagte habe bei 13 der von ihm veröffentlichen Rapstücke Musikabschnitte von durchschnittlich zehn Sekunden verwendet, die aus den Originalaufnahmen der Gruppe "Dark S." ohne Verwendung des jeweiligen Textes elektronisch kopiert ("gesampelt") worden seien. Diese Abschnitte habe der Beklagte jeweils als sich ständig wiederholende Tonschleife ("Loop") verwendet, mit einem Schlagzeug-Beat verbunden und darüber seinen Sprechgesang (Rap) aufgenommen. Die Kläger sehen darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte. Der Kläger zu 1 macht insoweit Rechte als Komponist, die übrigen Kläger jeweils Rechte als Textdichter geltend. Bei dieser Klage spielt es im Detail eine entscheidende Rolle, dass die Vorinstanzen sich nicht hinreichend mit den  angebotenen Beweisen des Komponisten hinsichtlich des Urheberrechts an den Musikwerken beschäftigt hatten. 

Soweit so gut, die Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit derartiger "Zitatpraktiken" hatte der BGH bereits mehrfach zu beurteilen und zeigte sich auf den ersten Blick in diesem Fall recht großzügig im Gegensatz zu den Hamburger Gerichten, aber nur scheinbar. 

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ein Urteil des Oberlandesgericht Hamburg aufgehoben, mit dem das Verbot der Verbreitung von Aufnahmen des Rappers "Bushido." wegen der Verwendung von Musikstücken einer französischen Musikgruppe bestätigt worden war. 

Die Kläger haben den Beklagten unter anderem auf Unterlassung und Zahlung einer Entschädigung für einen erlittenen immateriellen Schaden in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten überwiegend zurückgewiesen. Es hat aufgrund des eigenen Höreindrucks und unter teilweiser Heranziehung des Inhalts von Sachverständigengutachten der Streitparteien die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Musikpassagen bejaht und angenommen, dass durch eine Verwendung dieser Ausschnitte in Musiktiteln des Beklagten in die Urheberrechte der Kläger eingegriffen worden sei. Dies entspricht der bislang "herkömmlichen Auffassung" in vergleichbaren Fällen, die sich mit der neueren Musikentwicklung - insbesondere der elektronischen Musik - nicht vertraut macht, jedenfalls aber eine entwicklungshemmende Funktion einnehmen kann, die aber letztlich eine Frage eines Urheberrechts de lege ferenda ist. 

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben. Die von den Mitgliedern der Gruppe "Dark S." erhobene Klage, die sich allein auf ihre Urheberrechte als Textdichter gestützt haben, hat der BGH mit überzeugender Begründung abgewiesen. 

Der Beklagte hat vorliegend nur Teile der Musik, nicht aber auch den Text von Stücken der Gruppe übernommen, so dass insoweit kein urheberrechtlich relevanter Eingriff vor liegt. Der BGH vertritt insoweit auch die Auffassung, dass die ursprüngliche Verbindung zwischen Text und Musik urheberrechtlich nicht geschützt ist, zumal ein in Anspruch genommener Urheberschutz für die Musikwerke nicht hinreichend dargestellt worden war. 

Daher war die Rechtssache nur hinsichtlich der Klage des Komponisten der Gruppe zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück zu verweisen. Hierzu hatte das Oberlandesgericht bislang keine hinreichenden Feststellungen getroffen, so dass die Ausführungen in dem Berufungsurteil nicht die Annahme tragen, dass die nach dem Vortrag des Klägers zu 1 vom Beklagten übernommenen Teile der von ihm komponierten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind. Der BGH hat inzwischen mehrfach deutlich gemacht, dass angebotene Beweise bei substantiierten Sachvortrag auzsgeschöpft werden müssen, sofern dies erforderlich ist. 

Nach der Entscheidung des BGH ist nicht ersichtlich, durch welche objektiven Merkmale die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit der übernommenen Sequenzen aus den vom Kläger komponierten Musikstücken bestimmt wird. Das Oberlandesgericht hätte nach der Auffassung des BGH nicht ohne Hilfe eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen annehmen dürfen, dass die kurzen Musiksequenzen über ein routinemäßiges Schaffen hinausgehen und die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes erfüllen. Es geht also weiter mit Bushido, wobei die Beurteilung seines musikalischen Schaffens nicht Gegenstand einer rechtlichen Beurteilung ist. 


BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 225/12 - Goldrapper 
LG Hamburg – Urteil vom 23.3.2010 – 308 O 175/08 
OLG Hamburg – Urteil vom 31.10.2012 – 5 U 37/10 
Karlsruhe, den 16. April 2015 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 063/2015 vom 16.04.2015






BGH: Keine Schadensersatzansprüche wegen der Untersagung der Sportwettenvermittlung

Die Praxis der Genehmigung von Gewerbeerlaubnissen für den Betrieb der Vermittlung von Sportwetten ist seit Jahren sehr restriktiv und abhängig von der jeweils anwendbaren Fassung des Lotteriestaatsvertrages vom 22.06.2004, der ab 2008 durch den Glückspielstaatsvertrag ersetzt wurde. Bei den betreffenden Rechtsnormen bestanden Bedenken, ob sie gegen europäisches Recht verstießen. Gleichwohl wurden bereits 2006 Verbote gegen bestimmte Gewerbetreibende erlassen, die das Thema der Staatshaftung aufgeworfen haben. 

Der unter anderem für Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr - wenig überraschend - die Abweisung der Klagen von zwei Gewerbetreibenden bestätigt, denen in den Jahren 2006 und 2007 auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Lotteriestaatsvertrags die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden war. 

Die Beklagte in diesem Rechtsstreit waren zwei nordrhein-westfälische Städte, die entsprechende Verbote ausgesprochen hatten, und das Land Nordrhein-Westfalen, dessen Innenministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 mit einem an die Bezirksregierungen gerichteten Erlass vom 31. März 2006 um die konsequente Durchsetzung des seinerzeitigen staatlichen Sportwettenmonopols ersucht hatte.

Die Kläger machten die Ersatzansprüche mit der Begründung geltend, das Monopol in der seinerzeitigen rechtlichen Ausgestaltung habe gegen europäisches Recht verstoßen, so dass die Untersagungsverfügungen rechtswidrig gewesen seien. Dem ist der III. Senat des BGH mit einer interessanten Begründung nicht gefolgt.

Der Senat geht zwar davon aus, dass sich die Verfügungen als rechtswidrig herausgestellt haben, weil das Sportwettenmonopol gegen das Recht der Europäischen Union verstieß. Jedoch war die Rechtslage bis zu den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. September 2010 unklar. Erst aus diesen Entscheidungen ergab die Unzulässigkeit des deutschen staatlichen Sportwettenmonopols in der damals geltenden Fassung zweifelsfrei. Aufgrund dieser rechtlichen Zweifel in dem fraglichen Zeritraum bis zum Jahre 2010 fiel den entscheidenden Behörden daher weder ein für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch notwendiger qualifizierter Rechtsverstoß noch ein für einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. BGB, Art. 34 Satz 1 GG notwendiges Verschulden zur Last. 

Der Senat äußerst sich allerdings für den Zeitraum nach dem Jahr 2010. Auch für die Zeit danach hat der Senat einen Ersatzanspruch verneint, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für ihr Gewerbe erfüllt hätten. Die Genehmigungspraxis nach den beiden Fassungen des Glücksspielstaatsvertrages kann durchaus als sehr restriktiv bezeichnet werden. Dies gilt umso mehr als auch nach den Entscheidungen des EuGH weiterhin zulässig ist, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter einen Erlaubnisvorbehalt zu stellen von dem dert Glücksspielstaatsvertrag auch Gebrauch macht. 

Der Senat hat auch einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch aus § 39 Abs. 1 Buchst. b des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verneint. Diese Vorschrift erfasst nach gefestigter Rechtsprechung nicht Schäden, die durch mit der Verfassung unvereinbare Gesetze und deren Vollzug verursacht werden (legislatives Unrecht). Dies gilt, wie der Senat in seinen heutigen Entscheidungen ausgeführt hat, gleichermaßen, wenn nationale Gesetze (hier die Bestimmungen über das Sportwettenmonopol) gegen Unionsrecht verstoßen. Auch das Unionsrecht fordert keine verschuldensunabhängige Haftung für legislatives Unrecht. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass auch in diesen Fällen eine Haftung nur unter den – hier nicht erfüllten – Voraussetzungen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen EU-Recht geboten ist. 

BGH, Urteile vom 16. April 2015 III ZR 204/13
LG Bochum - 5 O 5/11 – Entscheidung vom 9. September 2011
OLG Hamm - I-11 U 88/11 – Entscheidung vom 3. Mai 2013
und, BGH, III ZR 333/13
LG Bochum - 5 O 156/10 – Entscheidung vom 9. September 2011
OLG Hamm - I-11 U 89/11 – Entscheidung vom 14. Juni 2013
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Mitteilung der Pressestelle Nr. 065/2015 vom 16.04.2015


Freitag, 10. April 2015

Haftung auf Unterlassung des Dienstebetreibers eines Microblogs

Die Entscheidung des 4. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Dresden hat für viel Wirbel gesorgt, enthält aber in der Sache wenige Überraschungen. 

Mit seiner am 1. April 2015 verkündeten Entscheidung hat das OLG Dresden die Beklagte, die als Hostprovider einen Mikrobloggingdienst betreibt, verpflichtet, es zu unterlassen, im Urteil einzelnen näher beschriebene, die Klägerseite diskreditierende Äußerungen über ihr Internetportal im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Die Entscheidung lässt sich ohne nähere Kenntnis des Urteilstextes und der Verletzungshandlungen kaum analysieren, da es konkret auf die Verletzungshandlung ankommt. Jedenfalls gibt es kein Privileg für Microblogs bei rechtswidrigen Handlungen anders behandelt zu werden als andere Dienste in den Medien des Internets mit vergleichbaren Rechtsrisiken, wobei die Details jedenfalls auch technologieabhängig sind. 

Unter Mikroblogging wird eine Form des Bloggens verstanden, bei der die - meist registrierten - Nutzer kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten veröffentlichen können, wie etwa bei Twitter. Die Länge dieser Nachrichten beträgt in der Regel weniger als 200 Zeichen und lässt vertiefte inhaltliche Auseinandersetzungen kaum zu. Microbloggingfunktionen können aber in Plattformen integriert werden, wie etwa bei Linkedin, Facebook oder Tumblr. Die einzelnen Postings können entweder privat oder öffentlich zugänglich sein und unter Umständen auch Elemente eines Videobloggings erfassen. Jedenfalls werden sie wie in einem Blog chronologisch dargestellt und lassen aufgrund der technischen Neutralität der Nutzungsmöglichkeiten selbstredend auch Verletzungshandlungen in Form von Äußerungsdelikten zu. Üblicherweise ist die anonyme Nutzung jedenfalls der Sache nach zulässig, je nach den Nutzungsbedingungen. 

Gegenstand des Streits waren mehrere Postings eines anonymen Nutzers des sozialen Netzwerkes, mit denen die Geschäftspraktiken der Klägerseite scharf kritisiert wurden. Kläger waren das Unternehmen, das Dienstleistungen im Internet anbietet, und dessen Gesellschafter. Grds. müssen sich Unternehmen einer auch scharfen Kritik stellen, wenn die Grenzen der Meinungsfreiheit im Sinne einer "Schmähkritik" nicht überschritten oder falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Dazu gibt die Pressemitteilung im Detail nichts her. Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen waren bereits Gegenstand zweier jüngerer BGH - Entscheidungen und zwar zum einen des Urteils des BGH vom 25. Oktober 2011, Az: VI ZR 93/10 und des Urteils vom 27.März 2012, Az: VI ZR 144/11,  die beide auf einem differenzierten Modell der Mitstörerhaftung beruhen, dem das OLG Dresden ausdrücklich folgt. 

Der Senat hat den Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts allerdings bejaht und dabei die Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung als verantwortlich angesehen. Nach diesem Konzept sind Äußerungen zu entfernen, wenn in der erforderlichen Abwägung das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit hinter dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes der Klägerseite zurücktreten muss, was inzwischen allgemeiner Rechtsauffassung entsprechen dürfte. 

Das OLG Dresden wendet die Grundsätze nunmehr auf Microblogs an, die der BGH zu Informationsportalen entwickelt hat und ist der Auffassung, dass der Betreiber, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt der eingestellten Nachricht hinweist, verpflichtet sein kann, zukünftige derartige Verletzungen proaktiv zu verhindern, etwa durch den Einsatz von Filterungstechnologie oder einer Sperrung des Accounts. Dies kommt letztlich aber nur bei einer erheblichen Intensität der Beeinträchtigung in Betracht. 

Tatsächlich ist nach der neueren BGH - Rechtsprechung ein Tätigwerden des Hostproviders aber postaktiv nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst sei, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden könne, was einem Evidenzkriterium entspricht. 

Der Hostprovider muss daher nach der überzeugenden Auffassung des OLG Dresden nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen, sondern bei entsprechend sorgfältig abgefasster Beanstandung, ob möglicherweise Persönlichkeitsrechte Dritter durch die betreffenden Äußerungen verletzt werden. Ähnlich wie der Haftung von Arztbewertungsportalen wird insoweit der betreffende Nutzer einbezogen, indem nach Sperrung des Contents ein Verfahren eingeleitet wird, in dessen Rahmen dem Nutzer die Gelegenheit gegeben wird, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Datenschutzrechtlich besteht kein Auskunftsanspruch des Verletzers gegen den Provider auf Mitteilung der personenbezogenen Registrierungsdaten, die ohnehin falsch sein können. 

Wie in vielen Fällen dieser Art, hatte sich der anonyme Nutzer nicht geäußert, was nach zahlreichen Nutzungsbedingungen von Bewertungsportalen zur Löschung führt.

Der Senat hat erfreulicherweise die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. 

OLG Dresden, Urteil vom 1. April 2015, Az: 4 U 1296/14

Donnerstag, 9. April 2015

Erneut: Kein "Pfand" für SIM -Karten

Das OLG Schleswig hat erneut zu Klauseln in Mobilfunkverträgen  entschieden und zwar erneut zum Thema  "Pfand" für die SIM-Karte und der Nichtnutzung von "SMS". 

Zu diesem Thema bei gleichen Anbieter hatte das OLG Schleswig bereits im Jahr 2012 eine Grundsatzentscheidung gefällt, die der betreffende Anbieter bei der Überarbeitung der AGB geflissentlich ignoriert hat. Ein solches Vorgehen ist nicht nur dem Aspekt der Inhaltskontrolle von AGB gefährlich, sondern kann bei entsprechendem lauterkeitsrechtlichen Vorgehen auch zu einer Gewinnabschöpfung hinsichtlich der in den AGB enthaltenen Nichtnutzergebühr nach § 10 UWG führen, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung liegt auf der Linie eines einschlägigen BGH - Urteils.

Es gibt Anbieter von Mobilfunkleistungen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Klauseln enthalten, denen zufolge nach Beendigung des Mobilfunkvertrags ein "Pfand" in Rechnung gestellt werden darf, wenn der Kunde die deaktivierte und wirtschaftlich wertlose SIM-Karte nicht zurückschickt. 

Hinsichtlich der Verwendung einer solchen Klauseln untersagte der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts einem Mobilfunkanbieter mit Sitz in Schleswig-Holstein (Büdelsdorf)  erneut das Erheben einer "Pfandgebühr" in Höhe von 9,97 Euro. Der Sache handelt es sich dabei um kein Pfand im Rechtssinne des § 1204 BGB, sondern letztlich um eine Art pauschalen Aufwendungsersatz.

Diese Entscheidung zeigt jetzt aber zugleich die Gefahren der Verwendung von Klauseln, die bereits für rechtswidrig erklärt worden oder aber deren Modifikation ohne Beachtung der zugrundeliegenden rechtlichen Wertungen. Der 2. Zivilsenat sah jedenfalls bei dem betreffenden Anbieter von Mobilfunkdienstleistunmgen die Voraussetzungen für die Abschöpfung von Gewinnen nach § 10 UWG als gegeben an. Der Mobilfunkanbieter hatte mit der betreffenden Klauseln Gewinn erzielt, indem er in seinen AGB Zusatzgebühren verlangte, wenn der Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Anrufe getätigt und auch keine SMS versandt hatte (Nichtnutzergebühr). Dabei handelt es sich angesichts der Vorgeschichte um die vorsätzliche Verwendung von Klauseln im Sinne einer unzulässigen geschäftlichen Handlung. 

Der Entscheidung liegt eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zugrunde. Bereits mit Urteil vom 03.07.2012 hatte das Gericht dem Mobilfunkanbieter untersagt, zwei Klauseln in seinen AGB für Verträge über Mobilfunkleistungen zu verwenden, weil diese die Kunden unangemessen benachteiligten. Die eine Klausel sah vor, dass die zu Verfügung gestellte SIM-Karte Eigentum des Mobilfunkanbieters verbleibt und hierfür eine "Pfandgebühr" von 9,97 Euro fällig wird, wenn der Kunde die SIM-Karte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des Mobilfunkvertrages zurücksendet. Die zweite Klausel sah vor, dass dem Kunden eine "Nichtnutzergebühr" in Höhe von 4,95 Euro in Rechnung gestellt wird, wenn in drei aufeinanderfolgenden Monaten kein Anruf getätigt beziehungsweise keine SMS versandt wird. 

Nach dem Erlass des Urteils aus dem Jahr 2012 änderte der Mobilfunkanbieter seine AGB dahingehend, dass er nach Beendigung des Mobilfunkvertrags zwar weiterhin ein "Pfand" für eine nicht zurückgeschickte SIM-Karte erhob, der Kunde jedoch die Gebühr erstattet erhielt, wenn er innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsbeendigung die Karte zurückschickte. Für die Zeit ab 01.08.2012 erhob der Mobilfunkanbieter keine "Nichtnutzergebühr" mehr. 

Der klagende Verbraucherschutzverein fordert den Mobilfunkanbieter auf, auch die AGB-Klausel zum "Pfand" in der geänderten Fassung zu unterlassen und die Gewinne an den Bundeshaushalt zu zahlen (Abschöpfung), die der Mobilfunkanbieter durch die Verwendung der unwirksamen Klausel zur "Nichtnutzergebühr" erzielt hatte. Dieser Aufforderung ist der Anbieter nicht gefolgt. 

Die Klausel über das "Pfand" für die SIM-Karte ist auch in der modifizierten Version der Klausel  unwirksam, weil sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der beklagte Mobilfunkanbieter hat ersichtlich kein wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der Rückerlangung einer gebrauchten SIM-Karten. Diese darf danach nicht mehr verwendet werden, sondern wird in der Regel vernichtet. Der Mobilfunkanbieter lässt die zurückgesandten SIM-Karten denn auch fachgerecht vernichten und entsorgen, und zwar nach eigenem Vortrag unmittelbar nach Eingang. Mithilfe der gebrauchten Karten können Einnahmen nicht mehr erzielt werden, vielmehr entstehenden Entsorgungskosten, die aber vom Anbieter zu tragen sind, der die Nutzer über dieses Modell augenscheinlich an deren Finanzierung "beteiligen" wollte. 

Ein berechtigtes Interesse an der Rückerlangung der Karten kann der beklagte Mobilfunkanbieter aber auch nicht wegen einer Verhinderung des Missbrauches deaktivierter SIM-Karten herleiten. Die Beklagte hatte im Verfahren eingeräumt, dass ihr selbst kein Fall bekannt sei, in dem bisher aufgrund einer missbräuchlichen Verwendung einer deaktivierten SIM-Karte ein Schaden entstanden sei. Der Senat ging daher davon aus, dass durch das SIM-Kartenpfand eine zusätzliche Zahlung der Kunden ohne zusätzliche Leistung des Mobilfunkanbieters erreicht werden sollte. Dem liegt die realistische Erwartung zu Grunde, dass Kunden sich in einer Vielzahl von Fällen nicht wegen eines Betrages von 9,97 Euro die Mühe machen, die Vertragsbedingungen herauszusuchen, ihre Rechte in Bezug auf das Pfand nachzulesen und sich um die Rücksendung der SIM-Karte per Post zu kümmern. 

Überaus interessant ist, dass das Gericht einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu Gunsten des Bundeshaushaltes für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 31.07.2012 nach § 10 UWG als gegeben ansieht. Von dieser Norm wurde bislang eher zurückhaltend Gebrauch gemacht, wie etwa eine neuere Entscheidung des bay. Verfassungsgerichtshofes zeigt.  

Der Senat betont, dass der Mobilfunkanbieter mit der Verwendung der unwirksamen Klausel über die Erhebung einer "Nichtnutzergebühr" vorsätzlich eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen und hierdurch zulasten einer Vielzahl von Kunden Gewinne erzielt hat. Das vorsätzliche Handeln (bedingter Vorsatz) ergibt sich nach diesen Ausführungen daraus, dass der Mobilfunkanbieter nach der Abmahnung durch den Verbraucherschutzverein die Klausel weiter verwendet hat, obwohl die Klausel über die "Nichtnutzergebühr" evident unwirksam ist. Interessant ist dabei dass bereits eine Abmahnung ausreicht, wenn der Verstoss evident ist, was die Hürde für die Anwendung dieser Norm erheblich absenkt. 

Danach musste es sich dem Mobilfunkanbieter geradezu aufdrängen, dass er von dem Kunden keine zusätzliche Zahlung abverlangen durfte, ohne dass er selbst irgendeine zusätzliche Leistung erbrachte oder der Kunde seinerseits gegen Vertragspflichten verstieß. Dass der Kunde durch den Abschluss eines Mobilfunkvertrages und die Zahlung einer monatlichen Grundgebühr nur das Recht zum Telefonieren erwirbt, nicht aber dazu verpflichtet wird, bedurfte angesichts der Evidenz des Rechtsverstosses keiner weiteren Ausführungen. 

Über den Anlass hinaus zeigt die Entscheidung, dass die Verwendung rechtsmissbräuchlicher AGB - Klausel bei vorsätzlichem Einsatz zusätzliche Risken bergen kann, wenn ein Mitbewerber, ein Verbraucherschutzverband oder eine sonst aktiv legitimierte Institution bei entsprechender Gestaltung und Historie dagegen vorsieht. Indirekt ist dies auch eine Aufforderung AGB - Klauseln sorgfältiger zu gestalten. 

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.03.2015, AZ: 2 U 6/14; 
zu dem vorangegangenen Urteil vom 03.07.2012, AZ: 2 U 12/11, 
siehe auch die Pressemitteilung 14/2012 vom 18. Juli 2012
Quelle: Pressemitteilung 3/2015 Erscheinungsdatum: 31.03.2015 

Freitag, 3. April 2015

Parodien und Markenrecht

Markenrecht ist in aller Regel eine humorlose Angelegenheit und zwar auch und gerade dann, wenn sich eine "Parodie" auf eine bekannte Marke erstreckt und diese selbst als Marke angemeldet wurde. 

Die sehr interessante, zum deutschen Markenrecht ergangene, Entscheidung des BGH zeigt, dass ein Markenanmelder bereits in der Branding - Phase eine rechtliche Folgenabschätzung vornehmen sollte, sich aber jedenfalls der Kollisionsrisiken bewusst sein sollte. Die Folgenabschätzung wird allerdings angesichts der steigenden Anzahl von Marken immer schwieriger, ist aber zweifelsohne erforderlich und durchführbar. 

Die Entscheidung ist insbesondere deshalb interessant, weil sich der BGH hier einerseits zum Verhältnis von Meinungsfreiheit und Markenschutz äußert und zum anderen zur "Schmarotzerfunktion" einer nicht unmittelbar verwechselungsfähigen, aber ähnlichen Marke. 

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sache "Puma" vs. "Pudel" entschieden, dass der Inhaber einer bekannten Marke die Löschung einer Marke verlangen kann, die sich in ihrem Gesamterscheinungsbild in Form einer Parodie an seine Marke anlehnt und deren Bekanntheitsgrad ausnutzen will. 

Die Klägerin ist eine führende Herstellerin von Sportartikeln. Sie ist Inhaberin der bekannten deutschen Wort-Bild-Marke mit dem Schriftzug "PUMA" und dem Umriss einer springenden Raubkatze. Das Zeichen wird auf Sportbekleidung verwendet. Der Beklagte ist Inhaber einer prioritätsjüngeren deutschen Wort-Bild-Marke, die aus dem Schriftzug "PUDEL" und dem Umriss eines springenden Pudels besteht und seit Anfang 2006 unter anderem für Bekleidungsstücke sowie T-Shirts registriert ist. Die Klägerin sieht in der Eintragung dieser Marke eine Verletzung ihres Markenrechts. 

Das Landgericht hat den Beklagten zur Einwilligung in die Löschung seiner Marke verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt. 

Der BGH hat angenommen, dass die beiden Zeichen trotz der unübersehbaren Unterschiede im Sinne des Markenrechts einander ähnlich sind. Zwar ist die Ähnlichkeit der Zeichen nicht so groß, dass dadurch eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. 

Entscheidend war im vorliegenden Fall aber, dass der Beklagte nach diesen Entscheidungsgründen mit seinem Zeichen die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der bekannten Marke der Klägerin im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ausnutzt, was zur Bejahung des Löschungsanspruches führte. 

Der BGH begründet die Bejahung des Löschungsanspruches damit, dass der Beklagte von der Ähnlichkeit der beiden Marken profitiert, sich letztlich an die bekannte Marke "anlehnt" und dadurch eine Aufmerksamkeit in den angesprochenen Verkeehrskreisen erhält, die er für seine mit der Marke gekennzeichneten Produkte ansonsten nicht erhalten würde. Infolgedessen kann der Inhaber einer bekannten Marke die Löschung einer Marke auch dann verlangen, wenn keine Verwechslungsgefahr vorliegt, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken jedoch so groß ist, dass die beteiligten Verkehrskreise sie gedanklich miteinander verknüpfen. 

Gegenüber dem Recht aus der bekannten Marke kann sich der Beklagte nach dieser Entscheidung des BGH zur Rechtfertigung nicht mit Erfolg auf die Grundrechte auf freie künstlerische Betätigung oder auf freie Meinungsäußerung berufen, weil seine Rechte gegenüber dem ebenfalls durch die Verfassung geschützten Markenrecht der Klägerin jedenfalls dann zurücktreten müssen, wenn der Grundrechtsschutz dem Beklagten nicht die Möglichkeit einräumt, ein eigenes Markenrecht für identische oder ähnliche Waren eintragen zu lassen. 

BGH, Urteil vom 2. April 2015 - I ZR 59/13 - Springender Pudel 
LG Hamburg - Urteil vom 10. Februar 2009 - 312 O 394/08 BeckRS 2010, 02140 
OLG Hamburg - Urteil vom 7. März 2013 - 5 U 39/09 BeckRS 2015, 01706 
Karlsruhe, den 2. April 2015 
Quelle: Mitteilung der Pressestelle