Im Jahr 2013 hatte die Bezirksregierung Düsseldorf einen Luftreinhalteplan für Düsseldorf verabschiedet. Aufgrund der hohen Luftbelastung mit Feinstaub und Stickstoffdioxid hat die Bezirksregierung Düsseldorf einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Er wurde im Januar 2013 rechtskräftig. Die Stadt Düsseldorf arbeitet seither an der Umsetzung der Maßnahmen. Jedoch ist die Stickoxid-Belastung nach wie vor gerade an verkehrlich hochbelasteten schluchtartig bebauten Straßen zu hoch. An einem neuen Luftreinhalteplan wird unter Federführung der Bezirksregierung aktuell gearbeitet. Ziel ist es, Maßnahmen zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung festzuschreiben und zu ergreifen. Ähnlich verhielt es sich in Stuttgart, wo ein solcher Plan erstmals 2006 verabschiedet und in den Jahren 2010 und 2014 erneuert wurde. Diese Pläne sollten fortgeschrieben und optimiert werden.
Die Pläne wurden allerdings von mehreren Umweltverbänden für unzureichend gehalten, die Klagen gegen die jeweiligen Bundesländer erhoben.
Mit einem am 13. September 2016 verkündeten Urteil hatte die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf der Klage der Deutschen Umwelthilfe stattgegeben (Az: 3 K 7695/15). Die Bezirksregierung Düsseldorf wurde mit diesem Urteil verpflichtet den seit Anfang 2013 geltenden Luftreinhalteplan Düsseldorf so ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid in Düsseldorf enthält.
Zur Urteilsbegründung hat das VG Düsseldorf im Wesentlichen ausgeführt: Bereits seit 2010 gelte für Stickstoffdioxid der über ein Jahr gemittelte Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dieser Wert werde in Düsseldorf insbesondere an dem Messpunkt Corneliusstraße seit Jahren überschritten (um das als Anwohner zu wissen, muss man kein Sachverständiger sein). Trotz zahlreicher Maßnahmen in den Luftreinhalteplänen 2008 und 2013 wie beispielsweise der "Grünen Umweltzone" habe er 2015 immer noch bei 59 Mikrogramm pro Kubikmeter gelegen. Die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit fordere jedoch eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes. Dem werde der aktuelle Luftreinhalteplan angesichts des großen Verursachungsanteils von Dieselfahrzeugen nicht mehr gerecht: Er müsse daher binnen eines Jahres fortgeschrieben werden. In diesem Rahmen müssten insbesondere auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ernstlich geprüft und abgewogen werden. Der Einführung der "Blauen Plakette" auf Bundesebene bedürfe es hierfür nicht zwingend. Vielmehr enthalte das geltende Immissionsschutz- und Straßenverkehrsrecht bereits heute schon entsprechende Grundlagen. Die Kammer hat gegen das Urteil sowohl die Berufung zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. 6
Die 13. Kammer des VG Stuttgart sah dies ähnlich wie das VG Düsseldorf und entschied aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2017, dass der Klage der Deutschen Umwelthilfe e.V. gegen das Land Baden-Württemberg stattgegeben wurde, nachdem ein anderer Fall verglichen worden war. Die Deutsche Umwelthilfe hat danach als Umweltschutzverband einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum VGH Baden-Württemberg in Mannheim und die Sprungrevision zum BVerwG in Leipzig zugelassen. .
Gegen diese Urteile wandten sich die seinerzeitige rot - grüne Landesregierung in NRW und die seinerzeit ebenfalls bei Klageerhebung grün - rote Landesregierung als Beklagte mit der Sprungrevision, deren Nachfolgeregierungen die Sprungrevisionen übernommen hatten. Das BVerwG hatte in der mündlichen Verhandlung zwar eine Vorlage an den EuGH erwogen, hat dann aber doch in der Sache selbst entschieden. Tatsächlich finden sich hier kommunalrechtliche, landesrechtliche, bundesrechtliche und europarechtliche Vorschriften, die kaum miteinander abgestimmt sind, etwa was die Durchsetzung der europarechtlichen Grenzwerte auf Landes- und Kommunalebene angeht.
Mit zwei Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute die Sprungrevisionen der Länder Nordrhein-Westfalen (BVerwG 7 C 26.16) und Baden-Württemberg (BVerwG 7 C 30.17) gegen erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurückgewiesen und hatte sich zu einem schwierigen Urteil entschieden, das in der Sache umweltrechtlich zu begrüssen ist.
Das BVerwG hat angeordnet, dass bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge gerichtliche Maßgaben insbesondere zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beachten sind, um den Interessen auch der KfZ - Führer Rechnung zu tragen. Die Ergebnisse der ersten Instanzen werden in der Pressemitteilung kurz zusammen gefasst (der Volltext ist noch nicht veröffentlicht).
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf verpflichtete das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Der Beklagte sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftreinhalteplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart verpflichtete das Land Baden-Württemberg, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Der Beklagte habe ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.
Die verwaltungsgerichtlichen Urteile sind vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NOso kurz wie möglich zu halten.
Entgegen der Annahmen der Verwaltungsgerichte lässt das Bundesrecht zonen- wie streckenbezogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kraftfahrzeuge jedoch nicht zu. Insoweit weicht das BVerwG in seiner Bewertung von den Erstinstanzen deutlich ab. Das Urteil legt die "Disharmonie" der betreffenden Rechtslage schonungslos offen.
Nach der bundesrechtlichen Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung („Plakettenregelung“) ist der Erlass von Verkehrsverboten, die an das Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen anknüpfen, bei der Luftreinhalteplanung vielmehr nur nach deren Maßgaben möglich (rote, gelbe und grüne Plakette).
Mit Blick auf die unionsrechtliche Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der NO2-Grenzwerte ergibt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass nationales Recht, dessen unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, unangewendet bleiben muss, wenn dies für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist.
Deshalb bleiben die „Plakettenregelung“ sowie die StVO, soweit diese der Verpflichtung zur Grenzwerteinhaltung entgegenstehen, unangewendet, wenn ein Verkehrsverbot für Diesel-Kraftfahrzeuge sich als die einzig geeignete Maßnahme erweist, den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO2-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Über das Europarecht wird hier quasi eine bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen, die von Ländern und Kommunen umgesetzt werden muss, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Hinsichtlich des Luftreinhalteplans Stuttgart hat das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass lediglich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme darstellt.
Bei Erlass dieser Maßnahme wird jedoch - wie bei allen in einen Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen - sicherzustellen sein, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
Insoweit ist hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 (mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
Hinsichtlich des Luftreinhalteplans Düsseldorf hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass Maßnahmen zur Begrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen nicht ernsthaft in den Blick genommen worden sind. Dieser Plan wurde damit für völlig unzureichend gehalten. Dies wird der Beklagte nachzuholen haben.
Ergibt sich bei der Prüfung, dass sich Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte darstellen, sind diese - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - in Betracht zu ziehen.
Die StVO ermöglicht die Beschilderung sowohl zonaler als auch streckenbezogener Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge. Der Vollzug solcher Verbote ist zwar gegenüber einer „Plakettenregelung“ deutlich erschwert. Dies führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit der Regelung.
Bundes- und Landesgesetzgeber sollten diese Entscheidung zum Anlass, klare und praktikable Regelungen zu schaffen.
BVerwG 7 C 26.16 - Urteil vom 27. Februar 2018
Vorinstanz:
VG Düsseldorf, 3 K 7695/15 - Urteil vom 13. September 2016
BVerwG 7 C 30.17 Urteil vom 27. Februar 2018
Vorinstanz:
VG Stuttgart, 13 K 5412/15 - Urteil vom 26. Juli 2017 -
Quelle: Pressemitteilung Nr. 9/2018 vom 27.02.2018