Montag, 10. Dezember 2012

Verkauf einer im Staatseigentum stehenden Pipeline an WINGAS - Verstoß gegen beihilferechtliches Durchführungsverbot?

Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 202/2012 

Urteil vom 5.Dezember 2012 - I ZR 92/11 - CEPS-Teilstück 


Verkauf einer im Staatseigentum stehenden Pipeline an WINGAS - Verstoß gegen beihilferechtliches Durchführungsverbot? 

Das sehr interessante Urteil betrifft die Sanktionierung bestimmter Formen der "Unterverbriefung" aus der Sicht des EU - Suvnetionsrechts. Im Bereich der Vermarkung von Pipelines finden sich zahlreiche Public - Private - Partnerships und die an einer Vermarktung der Pipelines von Staats wegen interessierten, beteiligten Staaten haben hier allem Anschein nach ein Teilstück der CEPS -Pipeline unterhalb der Marktswerts verkauft, was auch landläufig als "Unterverbriefung" bezeichnet werden kann. Eine Verhaltensweise vor der sich ein Steuerbürger in EU - Europa inzwischen sehr hüten sollte, um sich nicht erheblichen Sanktionen ausgesetzt zu sehen. 

Der BGH ist zwar bereit seine beihilferechtliche Grundlinie angesichts der EuGH - Rechtsprechung zu überdenken, macht aber aus seiner Distanz zum Ansatz der EuGH deutlich und gelangt auch hier zu einer Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Kaufpreis erheblich unter dem Marktwert liegt. Der BGH macht für solche Fälle deutlich, dass ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot nach Art. 108 AEUV auch in der Vereinbarung eines Kaufpreises liegen kann, der unter dem Marktwert liegt (sog. "Unterverbriefung"). In einer solchen Konstellation ist nach der Auffassung des BGH weiterhin grundsätzlich von der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages auszugehen. 

Grundsätzlich könnte dies dazu führen, die betreffende Transaktionspraxis politisch näher zu untersuchen, was aber angesichts der Praxis wenig wahrscheinlich ist. Interessant ist die Klarstellung des BGH zur Bewertung des Marktwertes, der für einen etwaigen Neuabschluss des Vertrages hinsichtlich der Kaufpreisfestsetzung deutliche Auswirkungen hat.

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Im Mai 2005 erwarb die WINGAS von der beklagten Bundesrepublik ein Teilstück des vormals militärisch genutzten Central Europe Pipeline Systems (CEPS). Die Klägerin ist eine Wettbewerberin von WINGAS; sie macht geltend, der Kaufpreis unterschreite den Marktwert und stelle daher eine Beihilfe nach Art.107 Abs.1 AEUV dar. Sie hat beantragt, die Nichtigkeit des Kaufvertrags festzustellen, weil er von der EU-Kommission nicht notifiziert und ohne deren Genehmigung unter Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot (Art.108 Abs.3 Satz 3 AEUV) durchgeführt worden sei. 

Das Landgericht Bonn hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

Das Berufungsgericht durfte den Marktwert des Pipeline-Teilstücks zwar auf der Grundlage eines Gutachtens feststellen. Es hätte aber die Methode des Gutachters beanstanden müssen, den Marktwert allein auf der Basis von Netznutzungsentgelten, also des erzielbaren Umsatzes, und der Kosten der Nutzung des vorgelagerten Netzes zu bestimmen. Denn dabei blieben die weiteren Kosten des Gasnetzbetreibers zu Unrecht unberücksichtigt. 

Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur korrekten Ermittlung des Marktwertes hätte es allerdings nicht bedurft, wenn auch dann keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages eintreten würde, wenn sich der Kaufpreis als zu niedrig erweist und damit von einer nicht notifizierten staatlichen Beihilfe ausgegangen werden müsste. 

Nach der Rechtsprechung des EuGH führt ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot zur Unwirksamkeit der betreffenden Beihilfemaßnahme. Der Bundesgerichtshof hat bislang in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass ein Vertrag, durch den unter Verletzung des Durchführungsverbots eine Beihilfe gewährt worden ist, nach § 134 BGB in vollem Umfang nichtig ist. 

Allerdings hat der EuGH mittlerweile klargestellt, dass der Zweck des Durchführungsverbots nicht unbedingt die Gesamtnichtigkeit von Kaufverträgen gebietet, die Beihilfen enthalten. Vielmehr reicht es europarechtlich aus, wenn der Beihilfeempfänger die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem höheren, beihilfefreien Preis zuzüglich des Zinsvorteils nachzahlen muss. 

Auch wenn danach die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot stets zur Gesamtnichtigkeit des die Beihilfe gewährenden Vertrages führt, überdacht werden muss, kommt doch im Streitfall eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht. Nichtig wäre in jedem Fall die Kaufpreisabrede. Fällt jedoch die Vereinbarung über den Kaufpreis weg, fehlt ein wesentlicher Bestandteil des Vertrages. 

Hier kann auch die von den Vertragsparteien vereinbarte salvatorische Klausel nicht helfen, nach der sich die Parteien im Falle der Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung verpflichten, "eine dem Sinn und Zweck der unwirksamen Regelung wirtschaftlich entsprechende ergänzende Vereinbarung zu treffen". Aufgrund dieser Klausel kann nicht angenommen werden, dass die Käuferin sich für den Fall der Unwirksamkeit der Kaufpreisabrede verpflichten wollte, den - möglicherweise wesentlich höheren - beihilfefreien Kaufpreis zu zahlen. 

Urteil vom 5.Dezember 2012 - I ZR 92/11 - CEPS-Teilstück 
OLG Köln - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 51/10 
LG Bonn - Urteil vom 26.März 2010 - 1 O 510/05 Karlsruhe, den 10. Dezember 2012 
Quelle Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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