Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 202/2012
Urteil vom 5.Dezember 2012 - I ZR 92/11 - CEPS-Teilstück
Verkauf einer im Staatseigentum stehenden Pipeline an WINGAS - Verstoß gegen beihilferechtliches Durchführungsverbot?
Das sehr interessante Urteil betrifft die Sanktionierung bestimmter Formen der "Unterverbriefung" aus der Sicht des EU - Suvnetionsrechts. Im Bereich der Vermarkung von Pipelines finden sich zahlreiche Public - Private - Partnerships und die an einer Vermarktung der Pipelines von Staats wegen interessierten, beteiligten Staaten haben hier allem Anschein nach ein Teilstück der CEPS -Pipeline unterhalb der Marktswerts verkauft, was auch landläufig als "Unterverbriefung" bezeichnet werden kann. Eine Verhaltensweise vor der sich ein Steuerbürger in EU - Europa inzwischen sehr hüten sollte, um sich nicht erheblichen Sanktionen ausgesetzt zu sehen.
Der BGH ist zwar bereit seine beihilferechtliche Grundlinie angesichts der EuGH - Rechtsprechung zu überdenken, macht aber aus seiner Distanz zum Ansatz der EuGH deutlich und gelangt auch hier zu einer Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Kaufpreis erheblich unter dem Marktwert liegt. Der BGH macht für solche Fälle deutlich, dass ein Verstoß gegen das beihilferechtliche
Durchführungsverbot nach Art. 108 AEUV auch in der Vereinbarung eines Kaufpreises
liegen kann, der unter dem Marktwert liegt (sog. "Unterverbriefung"). In einer solchen Konstellation
ist nach der Auffassung des BGH weiterhin grundsätzlich von der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages
auszugehen.
Grundsätzlich könnte dies dazu führen, die betreffende Transaktionspraxis politisch näher zu untersuchen, was aber angesichts der Praxis wenig wahrscheinlich ist. Interessant ist die Klarstellung des BGH zur Bewertung des Marktwertes, der für einen etwaigen Neuabschluss des Vertrages hinsichtlich der Kaufpreisfestsetzung deutliche Auswirkungen hat.
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Im Mai 2005 erwarb die WINGAS von der beklagten
Bundesrepublik ein Teilstück des vormals militärisch genutzten Central
Europe Pipeline Systems (CEPS). Die Klägerin ist eine Wettbewerberin von
WINGAS; sie macht geltend, der Kaufpreis unterschreite den Marktwert
und stelle daher eine Beihilfe nach Art.107 Abs.1 AEUV dar.
Sie hat
beantragt, die Nichtigkeit des Kaufvertrags festzustellen, weil er von der
EU-Kommission nicht notifiziert und ohne deren Genehmigung unter Verstoß
gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot (Art.108 Abs.3
Satz 3 AEUV) durchgeführt worden sei.
Das Landgericht Bonn hat der Klage stattgegeben. Die
Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht durfte den Marktwert des
Pipeline-Teilstücks zwar auf der Grundlage eines Gutachtens feststellen.
Es hätte aber die Methode des Gutachters beanstanden müssen, den
Marktwert allein auf der Basis von Netznutzungsentgelten, also des
erzielbaren Umsatzes, und der Kosten der Nutzung des vorgelagerten
Netzes zu bestimmen. Denn dabei blieben die weiteren Kosten des
Gasnetzbetreibers zu Unrecht unberücksichtigt.
Einer Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht zur korrekten Ermittlung des Marktwertes hätte es
allerdings nicht bedurft, wenn auch dann keine Gesamtnichtigkeit des
Vertrages eintreten würde, wenn sich der Kaufpreis als zu niedrig
erweist und damit von einer nicht notifizierten staatlichen Beihilfe
ausgegangen werden müsste.
Nach der Rechtsprechung des EuGH führt ein
Verstoß gegen das Durchführungsverbot zur Unwirksamkeit der betreffenden
Beihilfemaßnahme. Der Bundesgerichtshof hat bislang in ständiger
Rechtsprechung angenommen, dass ein Vertrag, durch den unter Verletzung
des Durchführungsverbots eine Beihilfe gewährt worden ist, nach § 134
BGB in vollem Umfang nichtig ist.
Allerdings hat der EuGH mittlerweile
klargestellt, dass der Zweck des Durchführungsverbots nicht unbedingt
die Gesamtnichtigkeit von Kaufverträgen gebietet, die Beihilfen
enthalten. Vielmehr reicht es europarechtlich aus, wenn der
Beihilfeempfänger die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem
höheren, beihilfefreien Preis zuzüglich des Zinsvorteils nachzahlen
muss.
Auch wenn danach die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach ein
Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot stets zur
Gesamtnichtigkeit des die Beihilfe gewährenden Vertrages führt,
überdacht werden muss, kommt doch im Streitfall eine Teilnichtigkeit
nicht in Betracht. Nichtig wäre in jedem Fall die Kaufpreisabrede.
Fällt
jedoch die Vereinbarung über den Kaufpreis weg, fehlt ein wesentlicher
Bestandteil des Vertrages.
Hier kann auch die von den Vertragsparteien
vereinbarte salvatorische Klausel nicht helfen, nach der sich die
Parteien im Falle der Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung
verpflichten, "eine dem Sinn und Zweck der unwirksamen Regelung
wirtschaftlich entsprechende ergänzende Vereinbarung zu treffen".
Aufgrund dieser Klausel kann nicht angenommen werden, dass die Käuferin
sich für den Fall der Unwirksamkeit der Kaufpreisabrede verpflichten
wollte, den - möglicherweise wesentlich höheren - beihilfefreien
Kaufpreis zu zahlen.
Urteil vom 5.Dezember 2012 - I ZR 92/11 - CEPS-Teilstück
OLG Köln - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 51/10
LG Bonn - Urteil vom 26.März 2010 - 1 O 510/05
Karlsruhe, den 10. Dezember 2012
Quelle Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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