Samstag, 14. Juli 2012

BGH: Entlastung eines Aufsichtsrates scheitert nicht an Beratungshonoror




Die seitens des BGH zun entscheidende Frage ist gesellschaftsrechtlich sehr interessant, weil es nicht selten ist, dass Aufsichtsratsmitglieder einer AG der Gesellschaft oder Vorstandsmitgliedern beratend zur Seite stehen. In Kenntnis des § 114 AktG i.d.g.F. ist ein solches Vorgehen unter Umständen als riskant zu bewerten. 

Im vorliegenden Fall hatte der II. Zivilsenat des BGH darüber zu entscheiden, ob ein Aktionär die Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats wirksam anfechten kann, weil der Vorstand ein Beratungshonorar zugunsten eines Aufsichtsratsmitglieds gezahlt hat, bevor der Aufsichtsrat dem zugrundeliegenden Vertrag zugestimmt hat. 

Es liegt auf der Hand, dass sich insoweit ein Interessenkonflikt wenigstens ergeben kann, was in § 120 AktG zum Ausdruck kommt. Die Entscheidung ist über das Aktiengesellschaftsrecht auch für eine GmbH mit Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat interessant.  

§ 120 AktG bestimmt, dass ein Beschluss über die Entlastung der Verwaltungsmitglieder einer Aktiengesellschaft unter anderem dann anfechtbar ist, wenn damit ein Verhalten gebilligt wird, das einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß darstellt, was nicht ohne weiteres der Fall ist, wenn die Voraussetzungen des § 114 AktG eingehalten worden sind, der bestimmt, dass der Aufsichtsrat einem solchen Dienstvertrag vor Ausführung der Zahlung mit den nötigen Mehrheitserfordernissen zugestimmt hat. 

Sachverhalt: 

Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Fresenius SE. Sie hat eine Anfechtungsklage gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 8. Mai 2009 gefassten Entlastungsbeschlüsse für das Geschäftsjahr 2008 erhoben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Von der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft sind Beratungsverträge mit einer Anwaltssozietät geschlossen worden. Partner dieser Sozietät ist der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten. Die von Anfang Januar bis Ende September 2008 geschlossenen Anwaltsverträge sind in der Aufsichtsratssitzung vom 4. Dezember 2008 genehmigt worden. Der Vorstand hatte die Vergütungen schon zuvor ausgezahlt.

Die Wirksamkeit eines Beratungsvertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied oder seiner Sozietät hängt nach § 114 AktG von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Die Klägerin hat mit ihrer Anfechtungsklage unter anderem geltend gemacht, ein Vorstand, der Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines Vertrages leiste, dem der Aufsichtsrat noch nicht zugestimmt habe, verhalte sich rechtswidrig und dürfe daher nicht entlastet werden. Das Gleiche gelte für das Aufsichtsratsmitglied, das diese Zahlungen entgegennehme. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe: 

Der BGH hat vorliegend entschieden, dass der betreffende Beschluss nicht anfechtbar ist. Zwar teilt der BGH die Auffassung, dass die Zahlung eines Anwaltshonorars an ein Mitglied des Aufsichtsrats oder dessen Sozietät vor Zustimmung des Aufsichtsrats grundsätzlich rechtswidrig ist. Eine Zahlung lässt sich auch nicht später genehmigen. Die Wirksamkeit der Anfechtung wird aber damit begründet, dass der Gesetzverstoß vorliegend nicht eindeutig und nicht schwerwiegend war, da über die Rechtswirksamkeit im Jahr 2008 noch Unklarheit herschte. Es ist anzunehmen, dass der Volltext der Entscheidung hierzu nähere Ausführungen enthält. 

Die Beklagte hatte darüber hinaus noch geltend gemacht, dass das Verhalten des Vorstands schon deshalb nicht rechtswidrig gewesen wäre, weil bei der Beklagten eine - seitens der der Klägerin bestrittene - Übung dahingehend bestand, dass der Aufsichtsrat am Anfang des Jahres jeweils eine Obergrenze für Aufträge an Aufsichtsratsmitglieder festlege und am Ende des Jahres jeweils über die Zustimmung zu den zwischenzeitlich erteilten Mandaten entscheide. Ob ein solches Vorgehen noch die Anforderungen des § 114 Abs.1 AktG einhält, ist umstritten. Der BGH hat diese interessante Frage offen gelassen, weil es auch insoweit an einem eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß mangelt. 

Die Entscheidung lässt erkennen, dass der BGH § 114 Abs.1 AktG restriktiv handhaben will, so dass Beratungen bei Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich zulässig sind, solche sie keinen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß beinhalten.  

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil noch weitere Anfechtungsgründe geprüft werden müssen.

§ 120 AktG lautet:
(1) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich … über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und … des Aufsichtsrats. …
(2) Durch die Entlastung billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. …

§ 114 AktG lautet:
(1) Verpflichtet sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag, durch den ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. (2) Gewährt die Gesellschaft auf Grund eines solchen Vertrags dem Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung, ohne dass der Aufsichtsrat dem Vertrag zugestimmt hat, so hat das Aufsichtsratsmitglied die Vergütung zurückzugewähren, es sei denn, dass der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. …

BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - II ZR 48/11
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. Februar 2010 - 3-5 O 178/09
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 15. Februar 2011 - 5 U 30/10
ZIP 2011, 425
Karlsruhe, den 11. Juli 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

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