Samstag, 14. Juli 2012

BGH: Entlastung eines Aufsichtsrates scheitert nicht an Beratungshonoror




Die seitens des BGH zun entscheidende Frage ist gesellschaftsrechtlich sehr interessant, weil es nicht selten ist, dass Aufsichtsratsmitglieder einer AG der Gesellschaft oder Vorstandsmitgliedern beratend zur Seite stehen. In Kenntnis des § 114 AktG i.d.g.F. ist ein solches Vorgehen unter Umständen als riskant zu bewerten. 

Im vorliegenden Fall hatte der II. Zivilsenat des BGH darüber zu entscheiden, ob ein Aktionär die Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats wirksam anfechten kann, weil der Vorstand ein Beratungshonorar zugunsten eines Aufsichtsratsmitglieds gezahlt hat, bevor der Aufsichtsrat dem zugrundeliegenden Vertrag zugestimmt hat. 

Es liegt auf der Hand, dass sich insoweit ein Interessenkonflikt wenigstens ergeben kann, was in § 120 AktG zum Ausdruck kommt. Die Entscheidung ist über das Aktiengesellschaftsrecht auch für eine GmbH mit Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat interessant.  

§ 120 AktG bestimmt, dass ein Beschluss über die Entlastung der Verwaltungsmitglieder einer Aktiengesellschaft unter anderem dann anfechtbar ist, wenn damit ein Verhalten gebilligt wird, das einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß darstellt, was nicht ohne weiteres der Fall ist, wenn die Voraussetzungen des § 114 AktG eingehalten worden sind, der bestimmt, dass der Aufsichtsrat einem solchen Dienstvertrag vor Ausführung der Zahlung mit den nötigen Mehrheitserfordernissen zugestimmt hat. 

Sachverhalt: 

Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Fresenius SE. Sie hat eine Anfechtungsklage gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 8. Mai 2009 gefassten Entlastungsbeschlüsse für das Geschäftsjahr 2008 erhoben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Von der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft sind Beratungsverträge mit einer Anwaltssozietät geschlossen worden. Partner dieser Sozietät ist der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten. Die von Anfang Januar bis Ende September 2008 geschlossenen Anwaltsverträge sind in der Aufsichtsratssitzung vom 4. Dezember 2008 genehmigt worden. Der Vorstand hatte die Vergütungen schon zuvor ausgezahlt.

Die Wirksamkeit eines Beratungsvertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied oder seiner Sozietät hängt nach § 114 AktG von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. Die Klägerin hat mit ihrer Anfechtungsklage unter anderem geltend gemacht, ein Vorstand, der Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines Vertrages leiste, dem der Aufsichtsrat noch nicht zugestimmt habe, verhalte sich rechtswidrig und dürfe daher nicht entlastet werden. Das Gleiche gelte für das Aufsichtsratsmitglied, das diese Zahlungen entgegennehme. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe: 

Der BGH hat vorliegend entschieden, dass der betreffende Beschluss nicht anfechtbar ist. Zwar teilt der BGH die Auffassung, dass die Zahlung eines Anwaltshonorars an ein Mitglied des Aufsichtsrats oder dessen Sozietät vor Zustimmung des Aufsichtsrats grundsätzlich rechtswidrig ist. Eine Zahlung lässt sich auch nicht später genehmigen. Die Wirksamkeit der Anfechtung wird aber damit begründet, dass der Gesetzverstoß vorliegend nicht eindeutig und nicht schwerwiegend war, da über die Rechtswirksamkeit im Jahr 2008 noch Unklarheit herschte. Es ist anzunehmen, dass der Volltext der Entscheidung hierzu nähere Ausführungen enthält. 

Die Beklagte hatte darüber hinaus noch geltend gemacht, dass das Verhalten des Vorstands schon deshalb nicht rechtswidrig gewesen wäre, weil bei der Beklagten eine - seitens der der Klägerin bestrittene - Übung dahingehend bestand, dass der Aufsichtsrat am Anfang des Jahres jeweils eine Obergrenze für Aufträge an Aufsichtsratsmitglieder festlege und am Ende des Jahres jeweils über die Zustimmung zu den zwischenzeitlich erteilten Mandaten entscheide. Ob ein solches Vorgehen noch die Anforderungen des § 114 Abs.1 AktG einhält, ist umstritten. Der BGH hat diese interessante Frage offen gelassen, weil es auch insoweit an einem eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß mangelt. 

Die Entscheidung lässt erkennen, dass der BGH § 114 Abs.1 AktG restriktiv handhaben will, so dass Beratungen bei Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich zulässig sind, solche sie keinen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß beinhalten.  

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil noch weitere Anfechtungsgründe geprüft werden müssen.

§ 120 AktG lautet:
(1) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich … über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und … des Aufsichtsrats. …
(2) Durch die Entlastung billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. …

§ 114 AktG lautet:
(1) Verpflichtet sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag, durch den ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. (2) Gewährt die Gesellschaft auf Grund eines solchen Vertrags dem Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung, ohne dass der Aufsichtsrat dem Vertrag zugestimmt hat, so hat das Aufsichtsratsmitglied die Vergütung zurückzugewähren, es sei denn, dass der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. …

BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - II ZR 48/11
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. Februar 2010 - 3-5 O 178/09
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 15. Februar 2011 - 5 U 30/10
ZIP 2011, 425
Karlsruhe, den 11. Juli 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

BGH zu Schadensersatz- und Erfüllungsansprüchen gegen Clerical Medical

Die Lebensversicherungen von Clerical Medical waren über Jahre hinweg ein "Renner" am Anlagemarkt. Inzwischen beschäftigen diese fondsgebundenen Lebensversicherungen den BGH in mehreren Verfahren, nachdem enttäuschte Versicherungsnehmer die Versicherungsgesellschaft auf Schadensersatz, wenigstens aber auf Erfüllung in Anspruch genommen haben.  Vorliegend geht es um das Anlagemodell  "Wealthmaster Noble". Anders als die Vorinstanzen sieht der BGH hier nicht Erfüllungsansprüche, sondern sieht dem Grunde nach auch Schadensersatzansprüche als rechtlich möglich an, konnte aber in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die Vorinstanzen entsprechende Beweis nicht erhoben und hinreichende Feststellungen dazu nicht getroffen hatten. Die aus der Pressemitteilung folgende Begründung ist sehr interessant und stellt glasklar fest, dass den Versicherungsnehmern und Anlagen bei Vertragsabschluss Tatsachen vorenthalten wurden, was die Rentabilitätsprognose anging:

Den Verfahren IV ZR 151/11 und 164/11 lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei diesen anteilsgebundenen Lebensversicherungen haben die Kläger gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs", dem "Euro-Pool 2000EINS" erworben. Die Verträge, die die Kläger jeweils aufgrund einer Werbung durch "Untervermittler" geschlossen haben, sind eingebettet in ein Anlagemodell "Europlan"; dieses sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung verwendet werden soll, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte die Beklagte unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

Die Kläger verfolgen in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen; sie berufen sich u.a. darauf, dass die Beklagte mit unrealistischen Renditeerwartungen geworben habe bzw. durch ihre Untervermittler habe werben lassen, und verlangen Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen. Hilfsweise begehren sie die Erfüllung des Auszahlungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.
In der Vorinstanz hat das OLG Stuttgart in beiden Verfahren die Beklagte jeweils zur Erfüllung des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans verurteilt. Die primär geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfüllungsansprüche abgewiesen.
Auf die Revisionen der Parteien hat der Bundesgerichtshof die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hierfür waren im Wesentlichen folgende Gründe maßgebend:

Auf Grundlage der schriftlichen Vertragsunterlagen ist anzunehmen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der in den Versicherungsscheinen vorgesehenen Auszahlungspläne nicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Kapitaldeckung steht. Die objektive Auslegung der in die Verträge einbezogenen Policenbedingungen der Beklagten ergibt keine wirksame Einschränkung dieser Verpflichtung.
Die vom OLG Stuttgart insoweit ausgesprochenen Verurteilungen konnten nur deshalb nicht bestehen bleiben, weil dieses dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, dass die Parteien den fraglichen Klauseln aufgrund entsprechender Erläuterungen des Vermittlers beim Vertragsabschluss übereinstimmend ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis beigelegt hätten, nicht nachgegangen war. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen.

Weiter hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht allein wegen des Bestehens der vorstehend genannten Auszahlungsansprüche abgewiesen werden durften. Insoweit ist es für einen Schaden ausreichend, dass der abgeschlossene Vertrag sich für die Kläger auch ungeachtet bestehender Erfüllungsansprüche als wirtschaftlich nachteilig darstellt, weil er sie – u.a. aufgrund der eingegangenen Darlehensverpflichtungen – in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und ihren Anlagezielen nicht entspricht. Zu den Schadensersatzansprüchen hat der Senat ferner ausgeführt:

Der Abschluss der Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in erster Linie als ein Anlagegeschäft dar, weshalb die Beklagte wie bei sonstigen Anlagegeschäften auch verpflichtet war, die Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren.
In diesem Rahmen muss die Beklagte sich nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da sie im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs die mit dem Vertrieb der Lebensversicherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.

Die bestehenden Aufklärungspflichten hat die Beklagte nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt vor allem dadurch verletzt, dass sie den Klägern ein unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat. Den Klägern wurden Musterberechnungen übergeben, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl die Beklagte selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch angesehen hat, was in den Hinweisen zu den Musterberechnungen nicht ausreichend deutlich kenntlich gemacht ist.

Des Weiteren war die Beklagte zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet, dass sie im Rahmen des von ihr praktizierten Glättungsverfahrens ("smoothing") nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielte Rendite an die Versicherungsnehmer weitergeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Sie musste ferner darüber aufklären, dass die mit den Beiträgen der Kläger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können (Problem der Quersubventionierung).

Die in den Policenbedingungen enthaltenen Regelungen zur "Marktpreisanpassung" hat der Senat für unwirksam erachtet, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.
In drei weiteren ähnlich gelagerten Fällen hat der Senat die Berufungsurteile ebenfalls mit entsprechenden Begründungen aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

BGH, Urteile vom 11. Juli 2012
IV ZR 122/11
Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 280/09
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 12. Mai 2011 – 7 U 144/10
und
IV ZR 151/11
Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 284/09
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Juli 2011 – 7 U 146/10
und
IV ZR 164/11
Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 222/09
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 25. Juli 2011– 7 U 152/10
und
IV ZR 271/10
Landgericht Freiburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 5 O 354/07
Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 18. November 2010 – 4 U 130/09
und
IV ZR 286/10
Landgericht Konstanz – Urteil vom 10. Juni 2009 – 4 O 89/08
Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 30. November 2010 – 9 U 75/09
Karlsruhe, den 11. Juli 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

Freitag, 13. Juli 2012

BGH zur Haftung von File-Hosting-Diensten für Urheberrechtsverletzungen

BGH, Pressemitteilung Nr. 114/2012
- Zur Haftung von File-Hosting-Diensten für Urheberrechtsverletzungen

Die Entscheidung des BGH wird in Kreisen der File - Hoster nicht auf Begeisterung stoßen, aber sie war in dieser Form zu erwarten oder - je nach Perspeketive - zu befürchten. Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine neueres Konzept der (Mit - ) Störerhaftung bei Rechtsverletzungen in Internetmedien weiter ausgebaut und konkretisiert. Im Grundsatz können File-Hosting-Dienste für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer erst in Anspruch genommen werden, wenn sie auf eine klare gleichartige Rechtsverletzung hingewiesen worden sind, etwa auf Grund einer Abmahnung des Rechteinhabers oder Rechtsververwerters.

Diese BGH - Entscheidung ist das - bis auf weiteres - entscheidende Element in einer Kette von Gerichtsentscheidungen zur Haftung von Filehostern, die durchaus nicht einheitlich war und insbesondere die Vorinstanz (OLG Düsseldorf) hatte die Klage mit bemerkenswerter Begründung abgewiesen, nachdem das Landgericht Düsseldorf der Klage in erster Instanz stattgegeben hatte. Der BGH hat nicht in der Sache entschieden, sondern die Sache an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen, aber deutlich zur Haftungssituation Stellung genommen.

Der Sachverhalt ist für Fälle dieser Art exemplarisch:

"Die Klägerin, Atari Europe, vertreibt das erfolgreiche Computerspiel "Alone in the dark". Die Beklagte stellt unter der Internetadresse www.rapidshare.com Speicherplatz im Internet zur Verfügung (File-Hosting-Dienst). Die Nutzer des Dienstes können eigene Dateien auf der Internetseite der Beklagten hochladen, die dann auf deren Servern abgespeichert werden. Dem Nutzer wird ein Link übermittelt, mit dem die abgelegte Datei aufgerufen werden kann. Die Beklagte kennt weder den Inhalt der hochgeladenen Dateien, noch hält sie ein Inhaltsverzeichnis der Dateien vor. Gewisse Suchmaschinen (sog. "Link-Sammlungen") gestatten aber, nach bestimmten Dateien auf den Servern der Beklagten zu suchen.  Das Computerspiel "Alone in the dark" wurde auf Servern der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht und konnte heruntergeladen werden. Die Klägerin sieht darin eine Urheberrechtsverletzung und verlangt von der Beklagten Unterlassung."

Der entscheidende Begründungsansatz des BGH ist überaus interessant. Der BGH geht völlig überzeugend davon aus, das die Nutzer des Dienstes die Dateien im Zeitpunkt des Uploads ohne vorherige Kenntnis der Beklagten hochladen, so dass die Beklagte bei dabei begangenen Urheberrechtsverletzungen zum fraglichen Zeitpunkt weder Täter noch Gehilfe ist und folgt insoweit dem OLG Düsseldorf. Insofern wird eine proaktive Haftung nebst Überwachungspflicht abgelehnt, ein Punkt auf dem die Verwerter immer wieder insistieren.

Allerdings kann ein Filehoster nach dem Begründungsansatz des BGH als Störer auf Unterlassung haften, wenn er Prüfpflichten verletzt hat. Eben die Art und Reichweite dieser Prüfpflichten steht seit Jahren im Zentrum dieser Rechtsstreitigkeiten, so dass hier die zentrale Frage des Haftungskonzeptes liegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf war in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass diese Prüfpflichten nicht überspannt werden dürfen, auch hinsichtlich der rechtlichen Verpflichtung zur Installation von Wortfiltern. Eben wegen dieser "Überreizung" der Prüfpflichten hatte das Oberlandesgericht eine Mitstörerhaftung abgelehnt.

Der BGH geht völlig überzeugend davon aus, das ein Diensteanbieter im Sinne des TMG die bei ihr gespeicherten Informationen nicht allgemein auf Rechtsverletzungen überprüfen muss, was letztlich auch zu einem unzumutbaren Prüfaufwand führen würde, es sei denn man sieht das Geschäftsmodell an sich bereits als rechtswidrig an, was seitens der Verwerter immer wieder vorgetragen wird. Das Modell "an sich" ist aber rechtsverletztungsneutral, da es auch zu völlig legalen Zwecken genutzt werden kann und auch wird.

Infolgedessen geht der BGH auch davon aus, dass eine solche umfassende Prüfungspflicht nicht etwa deswegen geboten wäre, weil der Dienst der Beklagten für Urheberrechtsverletzungen besonders anfällig wäre. Denn legale Nutzungsmöglichkeiten dieses Dienstes, für die ein beträchtliches Bedürfnis besteht, sind in großer Zahl vorhanden und üblich. Auch insoweit folgt der BGH dem OLG Düsseldorf.

Die Prüfungspflicht der Beklagten im Hinblick auf das Computerspiel "Alone in the Dark" entsteht daher erst, wenn die Beklagte auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf dieses Spiel hingewiesen worden ist. Ein solcher Hinweis setzt eindeutig ein unverzügliches Prüfungserfordernis in Gang in dessen Rahmen der Filehoster die Rechtswidrigkeit prüfen muss. Im Ergebnis führt eine positive Prüfung zur Annahme einer sofortigen Löschungspflicht des rechtswidrigen Kontents, mit der Folge der Verpflichtung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Andernfalls muss ein gerichtliches Prüfverfahren riskiert werden.

Der BGH zieht die Prüfpflicht indessen wesentlich weiter als das OLG Düsseldorf und bezieht sie nicht nur auf den einzelnen Vorfall, sondern bezieht gleich- oder ähnlich gelagerte Rechtsverstöße mit ein und fordert die Installation einer konkreten Filtertechnologie und folgt damit grds. dem typischen Unterlassungsbegehren in solchen Fällen, dass sich i.d.R. auf alle auffindbaren, kerngleichen Rechtsverstöße richtet:

"Die Klägerin hatte der Beklagten am 19. August 2008 einen entsprechenden Hinweis auf das Spiel "Alone in the Dark" gegeben, das bei Rapidshare heruntergeladen werden konnte. Die Beklagte hatte daraufhin die konkrete Datei mit dem fraglichen Spiel gelöscht, es aber versäumt zu prüfen, ob das Spiel "Alone in the Dark" von anderen Nutzern ebenfalls auf ihren Servern gespeichert worden war und dort nach wie vor abgerufen werden konnte. Im Streitfall war es - so der Bundesgerichtshof - grundsätzlich nicht ausreichend, dass die Beklagte die ihr konkret benannte rechtsverletzende Datei gesperrt hatte. Vielmehr musste sie auch das technisch und wirtschaftlich Zumutbare tun, um - ohne Gefährdung ihres Geschäftsmodells - zu verhindern, dass das Spiel von anderen Nutzern erneut über ihre Server Dritten angeboten wurde. Diese Pflicht hat die Beklagte möglicherweise verletzt, weil sie keinen Wortfilter für den zusammenhängenden Begriff "Alone in the Dark" zur Überprüfung der bei ihr gespeicherten Dateinamen eingesetzt hatte."

Darüber hinaus hatte der BGH Gelegenheit sich erneut zur Haftung für Hyperlinks zu äußern, da der zweite Unterlassungsantrag sich darauf richtete, der Beklagten zu verbieten, verbieten, Hyperlinks von bestimmten Link-Sammlungen auf bei ihr gespeicherte Dateien mit dem Computerspiel "Alone in the Dark" zuzulassen. Der BGH geht davon aus, dass die Prüfungspflichten der Filehoster sich grundsätzlich auch auf solche Verstöße erstrecken können, wenn solche Hyperlinks im für die Linksammlung üblichen Suchvorgang bei Eingabe des Spielnamens angezeigt werden und die Trefferliste Dateien auf Servern der Beklagten enthält, die dort nicht schon durch einen Wortfilter nach Dateinamen mit der Wortfolge "Alone in the Dark" gefunden werden können. Die Haftung beruht darauf, dass der Betreiber zwar nicht Autor dieser Link-Sammlungen ist, aber aufgrund der technischen Verfügung über die Server in der Lage eine Löschung vorzunehmen, zumal eine Prüfung solcher Link - Sammlungen auf bestimmt bezeichnete Inhalte zu überprüfen als zumutbar zu betrachten ist.

Da das Oberlandesgericht Düsseldorf nach Auffassung des BGH nicht alle zur Zumutbarkeit von Überprüfungsmaßnahmen getroffenen Feststellungen vorgenommen hat, erfolgte eine Zurückverweisung. DEr BGH machte aber deutlich, dass die Klägerin im Rahmen der Zurückverweisung Gelegenheit haben wird, ihre Anträge der allein in Betracht kommenden Störerhaftung der Beklagten anzupassen, die für den BGH damit entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf allem Anschein nach feststeht, was den Spielraum des OLG Düsseldorf möglicherweise einengt. Die nunmehr allein zentrale Frage ist, welche Prüfpflichten konkret zu fordern ist und welche Filtertechnologien technisch und wirtschaftlich zumutbar sind, was möglicherweise die Einholung von Sachverständigengutachten erfordern wird.


Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11 – Alone in the dark
LG Düsseldorf – 12 O 40/09 – Entscheidung vom 24. März 2010
OLG Düsseldorf - I-20 U 59/10 – Entscheidung vom Urteil vom 21. Dezember 2010
Karlsruhe, den, 13. Juli 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs