BGH, Pressemitteilung Nr. 49/2012 - Anwendung des AGG auf GmbH - Geschäftsführer aufgrund Benachteiligung wegen Alters
Der II.
Zivilsenat des BGH hat mit dieser Entscheidung erstmals das AGG einen GmbH - Fremdgeschäftsführer angewandt, der für eine bestimmte Dauer als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung bestellt und nach Ablauf seines Vertrages nicht als
Geschäftsführer weiterbeschäftigt wurde, weil die GmbH den Dienstvertrag aus Altersgründen und damit unter Benachteiligung aus Altersgründen nicht mehr verlängert hatte, was in den Schutzbereich des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fällt.
Sachverhalt:
"Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Amtszeit am
31.08.2009 der medizinische Geschäftsführer der beklagten Kliniken der
Stadt Köln, einer GmbH. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von
der Stadt Köln gehalten. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat über den
Abschluss, die Aufhebung und die Änderung des Dienstvertrags der
Geschäftsführer zu entscheiden. In dem mit einer Laufzeit von fünf
Jahren abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers war vereinbart, dass
die Vertragsparteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitteilten,
ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit waren.
Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss im Oktober 2008, das
Anstellungsverhältnis mit dem im Zeitpunkt der (regulären)
Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht über den 31.08.2009
hinaus fortzusetzen. Die Stelle des medizinischen Geschäftsführers wurde
vielmehr mit einem 41-jährigen Mitbewerber besetzt. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm der
Neuabschluss seines Dienstvertrags sowie die weitere Bestellung als
Geschäftsführer nur aus Altersgründen versagt worden seien und dass
diese Entscheidung gegen das Altersdiskriminierungsverbot des am
18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
verstoße. Er hat mit dieser Begründung Ersatz seines materiellen und
immateriellen Schadens verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben, statt des
beantragten Ersatzes des immateriellen Schadens in Höhe von 110.000 Euro
jedoch nur 36.600 Euro zugesprochen. Gegen dieses Urteil haben beide
Parteien Revision eingelegt."
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des
Berufungsgerichts, der Kläger sei in unzulässiger Weise wegen seines
Alters benachteiligt worden, dem Grunde nach bestätigt. Aufgrund der Rückverweisung ist die Höhe über die seitens des Berufungsgerichts zugesprochenen 36.000 Euro hinaus aber noch offen.
§ 6 Abs. 3 AGG findet Anwendung auf Fremdgeschäftsführer einer GmbH, soweit es um den Zugang zu dem
Geschäftsführeramt und um den beruflichen Aufstieg geht. Mit einem Beschluss der GmbH - Gesellschafter einen Dienstvertrag nicht wieder zu verlängern - was grundsätzlich eine Frage der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ist - liegt eine Entscheidung über den Zugang zu diesem Amt. Der Dreh - und Angelpunkt des Falles scheint aber nach der Pressemitteilung des BGH bei der Beweislastregel des § 22 AGG zu liegen, die für die zukünftige Praxis in solchen Fällen eine herausragende Stellung entfalten wird.
Nach § 22 AGG muss der Bewerber nur Indizien darlegen und beweisen, aus denen
sich eine Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergibt. Das angegriffene Unternehmen muss sodann aufgrund einer Beweislastumkehr darlegen und beweisen,
dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen
unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist. Diese Entscheidung wird sich unter diesem Gesichtspunkt auf die Beschlusspraxis in der GmbH dahingehend auswirken, dass nunmehr juristisch beratene Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beschlussfassungen wählen werden, die eine Benachteiligung wegen Alters argumentativ weitgehend ausschließen, indem die Nichtwiederernennung auf Gründe gestützt wird, bei denen das Alter nur einen Aspekt unter anderem darstellt. Die gut gemeinte Entscheidung kann sich insoweit auch als Einfallstor für ein "Geschäftsführer - Mobbing" erweisen, dessen Nachweis unter Umständen schwer zu führen sein wird.
Im vorliegenden Fall hatte der
Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt, dass der Kläger
wegen seines Alters nicht weiterbeschäftigt worden sei, was als Indiz für § 22 AGG mehr als hinreicht und die Entschädigung rechtfertigt. Der Senat hat diese Tatsache überzeugend als hinreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Es dürfte für die Beklagte kaum möglich gewesen sein, einen Gegenbeweis gegen derartige Verlautbarungen in der Presse zu führen. Eine Rechtfertigung aus anderen Gründen war nicht erkennbar und dürfte in einem derartigen Fall auch nachträglich nicht mehr gelingen.
Der Kläger hat daher in einem solchen Fall Anspruch auf Ersatz seines
Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen
Schadens. Über die Höhe wird das OLG Köln noch zu entscheiden haben.
BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10
LG Köln - Urteil vom 27.11.2009 - 87 O 71/09
OLG Köln - Urteil vom 29. Juli 2010 - 18 U 196/09
Karlsruhe, den 23. April 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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