Mittwoch, 25. April 2012

BGH: Anwendung des AGG auf GmbH - Geschäftsführer


BGH, Pressemitteilung Nr. 49/2012 - Anwendung des AGG auf GmbH - Geschäftsführer aufgrund Benachteiligung wegen Alters




Der II. Zivilsenat des BGH hat mit dieser Entscheidung erstmals das AGG einen GmbH - Fremdgeschäftsführer angewandt, der für eine bestimmte Dauer als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestellt und nach Ablauf seines Vertrages nicht als Geschäftsführer weiterbeschäftigt wurde, weil die GmbH den Dienstvertrag aus Altersgründen und damit unter Benachteiligung aus Altersgründen nicht mehr verlängert hatte, was in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fällt.

Sachverhalt: 

"Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Amtszeit am 31.08.2009 der medizinische Geschäftsführer der beklagten Kliniken der Stadt Köln, einer GmbH. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von der Stadt Köln gehalten. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat über den Abschluss, die Aufhebung und die Änderung des Dienstvertrags der Geschäftsführer zu entscheiden. In dem mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers war vereinbart, dass die Vertragsparteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitteilten, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit waren. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss im Oktober 2008, das Anstellungsverhältnis mit dem im Zeitpunkt der (regulären) Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht über den 31.08.2009 hinaus fortzusetzen. Die Stelle des medizinischen Geschäftsführers wurde vielmehr mit einem 41-jährigen Mitbewerber besetzt. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm der Neuabschluss seines Dienstvertrags sowie die weitere Bestellung als Geschäftsführer nur aus Altersgründen versagt worden seien und dass diese Entscheidung gegen das Altersdiskriminierungsverbot des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoße. Er hat mit dieser Begründung Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben, statt des beantragten Ersatzes des immateriellen Schadens in Höhe von 110.000 Euro jedoch nur 36.600 Euro zugesprochen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt."

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt worden, dem Grunde nach bestätigt. Aufgrund der Rückverweisung ist die Höhe über die seitens des Berufungsgerichts zugesprochenen 36.000 Euro hinaus aber noch offen.

§ 6 Abs. 3 AGG findet Anwendung auf  Fremdgeschäftsführer einer GmbH, soweit es um den Zugang zu dem Geschäftsführeramt und um den beruflichen Aufstieg geht. Mit einem Beschluss der GmbH - Gesellschafter einen Dienstvertrag nicht wieder zu verlängern - was grundsätzlich eine Frage der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ist - liegt eine Entscheidung über den Zugang zu diesem Amt. Der Dreh - und Angelpunkt des Falles scheint aber nach der Pressemitteilung des BGH bei der Beweislastregel des § 22 AGG zu liegen, die für die zukünftige Praxis in solchen Fällen eine herausragende Stellung entfalten wird. 

Nach § 22 AGG muss der Bewerber nur Indizien darlegen und beweisen, aus denen sich eine Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergibt. Das angegriffene Unternehmen muss sodann aufgrund einer Beweislastumkehr darlegen und beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist. Diese Entscheidung wird sich unter diesem Gesichtspunkt auf die Beschlusspraxis in der GmbH dahingehend auswirken, dass nunmehr juristisch beratene Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beschlussfassungen wählen werden, die eine Benachteiligung wegen Alters argumentativ weitgehend ausschließen, indem die Nichtwiederernennung auf Gründe gestützt wird, bei denen das Alter nur einen Aspekt unter anderem darstellt. Die gut gemeinte Entscheidung kann sich insoweit auch als Einfallstor für ein "Geschäftsführer - Mobbing" erweisen, dessen Nachweis unter Umständen schwer zu führen sein wird. 

Im vorliegenden Fall hatte der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt, dass der Kläger wegen seines Alters nicht weiterbeschäftigt worden sei, was als Indiz für § 22 AGG mehr als hinreicht und die Entschädigung rechtfertigt. Der Senat hat diese Tatsache überzeugend als hinreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Es dürfte für die Beklagte kaum möglich gewesen sein, einen Gegenbeweis gegen derartige Verlautbarungen in der Presse zu führen. Eine Rechtfertigung aus anderen Gründen war nicht erkennbar und dürfte in einem derartigen Fall auch nachträglich nicht mehr gelingen. 

Der Kläger hat daher in einem solchen Fall Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen Schadens. Über die Höhe wird das OLG Köln noch zu entscheiden haben. 

BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10
LG Köln - Urteil vom 27.11.2009 - 87 O 71/09
OLG Köln - Urteil vom 29. Juli 2010 - 18 U 196/09
Karlsruhe, den 23. April 2012
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 

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