Freitag, 23. Dezember 2011

Bundesgerichtshof zur "Neuwagen"-Eigenschaft eines Vorführwagens

Bundesgerichtshof 
Mitteilung der Pressestelle - Nr. 207/2011 vom 23.12.2011 

KfZ - Händler gehen mit den werberechtlichen Anforderungen an ihre werblichen Angebote im Internet mitunter etwas "lax" um. Die Pkw - EnVkV  (Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung) ist in der Branche immer noch nicht so recht bekannt, obwohl sie zwingend Beachtung finden sollte. Der BGH hat sich jetzt auf den Standpunkt gestellt, dass diese VO unter dem Aspekt des Rechtsbruchs nach § 4. Nr. 11 UWG auch wettbewerbsrechtlich relevant ist, so dass bei Nichtbeachtung dieser Anforderungen sich erhebliche Abmahnrisiken ergeben, wie dieses Urteil zeigt. Die europarechtlich geprägte Auslegung dieser VO führt zu erheblichen Abweichungen hinsichtlich der überkommenen kaufrechtlichen Terminologie.

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verpflichtung, in der Werbung für Neuwagen Angaben zum Kraftstoffverbrauch des angebotenen Fahrzeugs zu machen, auch für Vorführwagen gelten kann. 

Die Beklagte bot am 20. April 2009 auf einer Internet-Verkaufsplattform ein Fahrzeug an, das u.a. wie folgt beschrieben war: "Vorführfahrzeug …, EZ 3/2009, 500 km". Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen, wie sie § 1 der (Pkw-EnVKV) für die Werbung für "neue Personenkraftwagen" vorsieht, enthielt die Anzeige nicht. 

Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, sieht hierin einen Verstoß gegen die in § 1 Pkw-EnVKV geregelte Informationspflicht und gleichzeitig einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Er hat die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht Mainz hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht Koblenz hat dieses Urteil auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen. Bei dem angebotenen Fahrzeug habe es sich nicht um einen Neuwagen gehandelt, weil es bereits als Vorführwagen im Straßenverkehr genutzt worden sei und auch schon eine Laufleistung von 500 km aufgewiesen habe. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Klägers das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Ob die neuen Kriterien des BGH - der insoweit eine 1.000 hm - Grenze zieht - für die Abgrenzung zwischen einer Zwischennutzungsabsicht und einer Weiterverkaufsabsicht wirklich für die Praxis tragfähig sind, ist allerdings angesichts der Starre des Kriteriums gewissen Zweifeln ausgesetzt.

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Die in Rede stehende Verordnung, mit der eine Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt worden ist, enthält in § 2 eine eigenständige Definition des Begriffs des neuen Personenkraftwagens und fasst darunter alle "Kraftfahrzeuge …, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden". Aus diesem Grund kann nicht auf den im nationalen Recht entwickelten Begriff des Neuwagens zurückgegriffen werden, den der Bundesgerichtshof im Kaufrecht bei der Frage der zugesicherten Eigenschaft oder im Wettbewerbsrecht bei der Frage der Irreführung zugrunde legt. 

Die gesetzliche Definition stellt an sich auf die Motivlage bei der Anschaffung des Fahrzeugs ab. Dabei kommt es indessen - so der Bundesgerichtshof - nicht auf die konkreten Vorstellungen an, die sich der Händler beim Erwerb des Fahrzeugs macht und die ohnehin kaum ermittelt werden könnten. Entscheidend sind vielmehr objektivierbare Umstände, aus denen sich ergibt, dass das betreffende Fahrzeug alsbald verkauft werden soll, ohne dass damit eine kurzfristige Zwischennutzung im Betrieb des Händlers - etwa als Vorführwagen - ausgeschlossen wäre. Als objektiven Umstand hat der Bundesgerichtshof auf die Kilometerleistung abgestellt: Bietet ein Händler ein Fahrzeug mit einer geringen Kilometerleistung (bis 1000 km) an, ist davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeugs zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben hat. Liegt die Kilometerleistung des angebotenen Fahrzeugs darüber, spricht dies dafür, dass der Händler das Fahrzeug (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs - nämlich für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung - erworben hat. 

Urteil vom 21. Dezember 2011 I ZR 190/10 
 LG Mainz - Urteil vom 30. März 2010 - 10 HKO 80/09 
OLG Koblenz - Urteil vom 13. Oktober 2010 - 9 U 518/10 
Karlsruhe, den 23. Dezember 2011 
 Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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