Montag, 21. März 2022

Der BGH und Entschädigungsansprüche wegen betriebsbedingter Schließung aufgrund "Corona"

I. Übersicht

Noch im Jahr 2021 war in der Literatur unklar - Gerichts - Entscheidungen hierzu waren zuvor kaum ergangen -, ob Entschädigungsregelungen nach dem IfSG - § 56 Abs.1 IfSG - unter Berücksichtigung der COVID19-Maßnahmen bei Betriebschließungen zur Anwendung kommen würden (s. nur Quarsch/Geissler/Potteck, Staatshaftung in der Coronakrise, 2021, Nomos, S. 109 ff). Weiter stellte sich die Frage, ob daneben die allgemeinen Regelungen des Staatshaftungsrechts zur Anwendung kommen würden (ebd, S. 141 ff). Die Rechtsprobleme hat der BGH nunmehr geklärt.  

Bereits damals überwog eine gewisse Skepsis, weil die Anspruchsgrundlage in § 56 Abs.1 IfSG sehr restriktiv gefasst war (wobei man die jeweiligen Fassungen abgrenzen muss) und die anderen Anspruchsgrundlagen aus diesem Bereich bei Betriebsschließungen keine Rolle spielen, so insbesondere nicht § 65 IfSG. 

Bereits das LG Heilbronn hatte mit Urteil vom 29.04.2020 (AZ: I 4 O 82/20) in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung auf die enge Gesetzfassung hingewiesen, den Verfügungsanspruch zurückgewiesen und eine Lückenschließung durch Rechtsfortbildung als hier contra legem abgelehnt. Diese Entscheidung hat die weitere Entwicklung durchaus geprägt. 

Dreh - und Angelpunkte dieser Anspruchsgrundlage sind ein behördliches Tätigkeitsverbot mit einem (Teil-) Verbot der Erwerbstätigkeit durch Verwaltungsakt, Allgemeinverfügung oder einer Landes- und/oder BundesVO mit klarer Adressierung an den Betroffenen als Störer ggf. unter Anordnung von Quarantäne mit eingetretenem Verdienstausfall. Derartige Ansprüche sahen bereits § 28 RSeuchenG und § 49 BSeuchenG ohne größere konzeptionelle Änderungen vor (Kümper, in, Kießling, IfSG, 2. Auf., 2021, § 56, Rn. 2). Die Norm ist zwar seit dem 01.03.2020 bis zum 19.03.2022 elf Mal geändert worden, aber ohne konzeptionelle Änderungen in der hier interessierenden Hinsicht. 

In der Literatur wird die Frage der planwidrigen Lücke sehr kontrovers gesehen (Rechtsstand bei, Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage, 2021, § 56, Rn. 47 m.w.N.). Die Befürworter gehen davon aus, dass der Gesetzgeber bei Verabschiedung des ersten IfSG im Jahr 2001 das Problem gar nicht gesehen habe, so dass im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses eine anloge Anwendung bei Betriebschließungen erfolgen müsste. Die Gegenauffassung verneint in Orientierung an der Rechtsprechung des BGH zur analogen Anwendung von Gesetzen eine planwidrige Regelungslücke als Basis für eine Analogie auch mit Blick auf die Gesetzesmaterialien, zumal die Aufzählung in § 56 Abs.1 IfSG abschließend konzipiert sei. 

Nach wohl h.M. derzeit ist angesichts der aktuellen - sehr zahlreichen - Aktivitäten des Gesetzgebers davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Regelungslücke zwar erkannt hat, sie aber bewusst nicht geschlossen hat, was möglicherweise verfassungsrechtliche Folgeprobleme sehr komplexer Art und Weise nach sich ziehen könnte, die hier aber offen bleiben sollen.  

Daneben trat die Frage, ob wenigstens ein Versicherungsschutz bestehen würde, wenn ein von Betriebsschließungen betroffener Unternehmer, einen solchen Anspruch nachweisen konnten. Die Betriebsschließungsversicherungen haben einen solchen Anspruch überwiegend abgelehnt (s. nur Rixeker, in, COVID19 - Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl., 2021, S. 341 ff, Rdnr. 56 ff), was zu mehreren Klagen geführt hat. Der BGH hat in der Folge die Ansprüche in beiderlei Hinsichten zurückgewiesen. 

II. Ansprüche gegen Betriebsschließungsversicherungen

Maßgeblich für die Beurteilung der Ersatzansprüche sind unbeschadet etwaig abweichender Policen die AVB BSV mit Stand vom 01.01.2019, aber es finden auch noch ältere Fassungen Anwendung. Wenig verwunderlich schließt § 1 dieser AVB sich eng an den § 56 Abs.1 IfSG an, so dass die Verneinung der Anwendung der letztgenannten Norm die Wahrscheinlichkeit der Ablehnung des Versicherungsschutzes nach sich zieht. Diese Policen sind überdies angesichts des engen Anwendungsbereiches nicht besonders gängig. 

Mit Urteil des BGH vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21 - wurde ein solcher Anspruch abgelehnt, weil einem Versicherungsnehmer auf der Grundlage der  vereinbarten Versicherungsbedingungen keine Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen einer im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgten Schließung der von ihm betriebenen Gaststätte in Schleswig-Holstein zustehen.

Dem Versicherungsvertrag lagen in diesem Fall die "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08)" zugrunde. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Falle einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den Ertragsausfallschaden bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen. Die ZBSV 08 lauten auszugsweise:

"§ 2 Versicherte Gefahren

Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2), den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt. Dies gilt, soweit die anwendbaren Versicherungsbedingungen, die auslösenden, meldepflichtigen Infektionserkrankung konkret benennen, unbeschadet der Ausschlüsse. 

In § 2 Nr. 2 Buchst. a und b ZBSV 08 werden allerdings weder die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) aufgeführt. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ordnete mit der am 18. März 2020 in Kraft getretenen Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung - SARS-CoV-2-BekämpfV) vom 17. März 2020 unter anderem die Schließung von sämtlichen Gaststätten an, wobei Leistungen im Rahmen eines Außerhausverkaufs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig waren. Der Kläger schloss daraufhin seine Gaststätte und bot einen Lieferdienst an, wie viele andere auch. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. 

"Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt der Eintritt des Versicherungsfalls zwar nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sogenannten intrinsischen, Infektionsgefahr voraus. Zu Recht hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte keine Ansprüche zustehen, weil eine Betriebsschließung zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 1 ZBSV 08 besteht Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem Katalog in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, der nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich zunächst am Wortlaut orientieren und in § 2 Nr. 1 ZBSV 08 dem Klammerzusatz "(siehe Nr. 2)" hinter den Worten "meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger" entnehmen, dass die vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 näher bestimmt werden. Sodann wird er diese Klausel in den Blick nehmen und an der Überschrift "2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger" und der anschließenden Formulierung "Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind …" erkennen, dass insoweit eine eigenständige Definition in den Bedingungen erfolgt. Die anschließende umfangreiche Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern wird er als abschließend erachten". Damit kommt es nach dem BGH auf die abschließende Nennung der Erkrankungen in den Versicherungsbedingungen als entscheidendes Kriterium an. 

Der BGH orientiert sich an seiner Rechtsprechung zur Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen und kommt zum Schluß, dass der erkennbare Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel für die Abgeschlossenheit des Katalogs spricht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird zwar einerseits ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versicherungsschutz haben, andererseits aber nicht davon ausgehen können, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will, die - wie hier COVID-19/SARS-CoV-2 gerade zeigt - u.U. erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich ist. Damit sind die für Versicherungsnehmer diese Policen in der abgeschlossenen Form praktisch wertlos. 

Der BGH äußert sich hier auch zur AGB - Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB. "§ 2 Nr. 2 ZBSV 08 verstößt insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt - wie dargestellt - dem klaren Wortlaut der Bedingungen, dass in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger abschließend definiert werden. Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei. Offenbleiben konnte, ob die hier in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 genannten Krankheiten und Krankheitserreger identisch mit den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserregern sind. Auch im Falle fehlender Deckungsgleichheit ergibt sich hieraus keine Intransparenz. Schließlich benachteiligt die Klausel den Versicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unangemessen". Ebenso haben die Vorinstanzen entschieden (Landgericht Lübeck - Urteil vom 8. Januar 2021 – 4 O 164/20; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 10. Mai 2021 – 16 U 25/21). 

Der BGH hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Versicherungsnehmer angesichts der eingetretenen Veränderungen wegen der Erschütterung der Geschäftsgrundlage einen Anpassungsanspruch gegen den Versicherer für die Zukunft hat, weil es für die Entscheidung des Falles darauf nicht ankam. Diesem Anspruch ist mit Skepsis zu begegnen, aber die Frage ist als offen zu bezeichnen. 

III. Ansprüche aus § 56 Abs.1 IfSG wegen Betriebsschließungen?

In einer sehr interessanten Entscheidung vom 17.03.2022 hat der BGH (III ZR 79/21) entschieden, dass weder Entschädigungs- noch Schadensersatzansprüche für coronabedingte flächendeckende Betriebsschließungen im Frühjahr 2020 bestehen. 
Erneut kam der Kläger aus dem Bereich der Gastronomie und betreibt ein Hotel mit Restaurant in Brandenburg.  Am 22. März 2020 erließ das beklagte Land Brandenburg eine Corona-Eindämmungsverordnung, wonach Gaststätten für den Publikumsverkehr zu schließen waren und den Betreibern von Beherbergungsstätten untersagt wurde, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen.

Der Betrieb des Klägers war in dem Zeitraum vom 23. März bis zum 7. April 2020 für den Publikumsverkehr geschlossen, ohne dass die COVID-19-Krankheit zuvor dort aufgetreten war. Der Kläger erkrankte auch nicht. Während der Zeit der Schließung seiner Gaststätte bot er Speisen und Getränke im Außerhausverkauf an. Im Rahmen eines staatlichen Soforthilfeprogramms zahlte die Investitionsbank Brandenburg 60.000 € als Corona-Soforthilfe an ihn aus. Der Kläger hat geltend gemacht, es sei verfassungsrechtlich geboten, ihn und andere Unternehmer für die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen zu entschädigen. Dieses Ziel ist angesichts der Situation der Gastronomie bei der im Jahr 2022 ca. 30% Betriebsschließungen mit oder ohne Insolvenz und StaRUG wahrscheinlich sind, wirtschaftlich sehr nachvollziehbar. 

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 27.017,28 € (Verdienstausfall, nicht gedeckte Betriebskosten, Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung) nebst Prozesszinsen sowie auf Feststellung der Ersatzplicht des Beklagten für alle weiteren entstandenen Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Der III. Zivilsenat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen und die Vorinstanzen bestätigt.

"Die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gewähren Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung einen Anspruch auf Entschädigung. § 56 Abs. 1 IfSG ist von vornherein nicht einschlägig, weil die hier im Verordnungswege nach § 32 IfSG angeordneten Verbote gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ergangen sind und der Kläger nicht gezielt personenbezogen als infektionsschutzrechtlicher Störer in Anspruch genommen wurde". Damit folgt der BGH im Vorfeld geäußerten Bedenken der Literatur (Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 6. Aufl., 2021, § 56, Rn. 3a). 

Überzeugend führt der BGH aus, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung sich auch nicht aus § 65 Abs. 1 IfSG ergibt, weil nach dem eindeutigen Wortlaut, diese Vorschrift nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig ist. Im vorliegenden Fall dienten die Corona-Eindämmungsverordnung vom 22. März 2020 sowie die Folgeverordnungen vom 17. April 2020 und 24. April 2020 jedoch der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit. Diese hatte sich bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung vom 22. März 2020 deutschlandweit ausgebreitet. § 65 Abs. 1 IfSG kann auch nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass der Anwendungsbereich der Norm auf Bekämpfungsmaßnahmen, die zugleich eine die Ausbreitung der Krankheit verhütende Wirkung haben, erstreckt wird. Damit lehnt der BGH auch die mehrfach geforderte analoge Anwendung dieser Norm ab. 

Unter dem Aspekt des Verfassungsrechts wendet sich der BGH gegen eine Auslegung contra legem: "Eine verfassungskonforme Auslegung der beiden Regeln dahingehend, dass auch in der vorliegenden Fallgestaltung eine Entschädigung zu gewähren ist, wie es in einem gestern veröffentlichten Beschluss einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 1073/21) kursorisch in Erwägung gezogen wurde, scheidet aus. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm setzt voraus, dass mehrere Deutungen möglich sind. Sie findet ihre Grenze an dem klaren Wortlaut der Bestimmung und darf nicht im Widerspruch zu dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzes stehen. Der Wortlaut von § 56 und § 65 IfSchG ist klar und lässt eine ausdehnende Auslegung nicht zu. Zudem würde der eindeutige Wille des Gesetzgebers konterkariert, nur ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit eine Entschädigung für Störer im infektionsschutzrechtlichen Sinn vorzusehen".

Der BGh spricht hier sehr klar, dass Problem an, dass kein Gericht eine Gesetzeskorrektur contra legem vornehmen darf, wenn der Wortlaut eindeutig ist und keine Auslegungsspielräume bestehen. Er lehnt aber auch eine analoge Anwendung ab:

"Der Kläger kann den geltend gemachten Entschädigungsanspruch auch nicht auf eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 oder § 65 Abs. 1 IfSG stützen. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungstatbeständen liegt, was sich insbesondere aus ihrer Entstehungsgeschichte und der Gesetzgebungstätigkeit während der Corona-Pandemie ergibt, die abschließende gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, Entschädigungen auf wenige Fälle punktuell zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen ("Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung"). Darüber hinaus fehlt es auch an der Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen den Entschädigungsregelungen nach §§ 56, 65 IfSG und flächendeckenden Betriebsschließungen, die auf gegenüber der Allgemeinheit getroffenen Schutzmaßnahmen beruhen".

Der BGH setzt sich auch mit einer etwaigen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlage auseinander, die in der Literatur teilweise vertreten wurde und lehnt dies ab: "Ansprüche aus dem richterrechtlich entwickelten Haftungsinstitut des enteignenden Eingriffs scheitern daran, dass das den §§ 56, 65 IfSG zugrundeliegende und gesetzgeberisch als abschließend gedachte Konzept einer punktuellen Entschädigung im Bereich der Eigentumseingriffe nicht durch die Gewährung richterrechtlicher Ansprüche unterlaufen werden darf. Unabhängig davon ist der Anwendungsbereich des Rechtinstituts des enteignenden Eingriffs nicht eröffnet, wenn es darum geht, im Rahmen einer Pandemie durch flächendeckende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen, die als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen sind, verursachte Schäden auszugleichen. Es stünde – wie der Senat wertungsmäßig vergleichbar bereits in dem Waldschädenurteil vom 10. Dezember 1987 (III ZR 220/86, BGHZ 102, 350, 361 ff) ausgesprochen hat – in einem offenen Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung, wenn die Gerichte – gestützt auf das richterrechtliche Institut des enteignenden Eingriffs – im Zusammenhang mit einer Pandemiebekämpfung im Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG massenhafte und großvolumige Entschädigungen zuerkennen würden. Ebenso wenig kann dem Kläger unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Entschädigung zuerkannt werden. Es erscheint dem Senat bereits sehr zweifelhaft, ob dieses Rechtsinstitut, das bislang vor allem auf Härtefälle bei unzumutbaren Belastungen einzelner Eigentümer angewandt worden ist, geeignet ist, auf Pandemielagen sachgerecht im Sinne einer gerechten Lastenverteilung zu reagieren. Jedenfalls wäre es im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung nicht zulässig, dem Kläger vorliegend einen Ausgleichsanspruch kraft Richterrechts unter dem Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung zu gewähren".

Dem BGH ist völlig klar, dass mit diesen Auffassung den Betroffenen nicht geholfen ist und geht auch auf das Thema "Folgenabschätzung" ein. 

"Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Hieraus folgt zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist. Erst eine solche gesetzliche Regelung kann konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen. Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung kann der Staat zum Beispiel dadurch nachkommen, dass er – wie im Fall der COVID-19-Pandemie geschehen – haushaltsrechtlich durch die Parlamente abgesicherte Ad-hoc-Hilfsprogramme auflegt ("Corona-Hilfen"), die die gebotene Beweglichkeit aufweisen und eine lageangemessene Reaktion zum Beispiel durch kurzfristige existenzsichernde Unterstützungszahlungen an betroffene Unternehmen erlauben". Damit verweist der BGH auf die umfangreichen, aber nicht hinreichenden Beihilfenprogramme, die aber den tatsächlichen Verlust nicht abdecken. 

Der BGH lässt keine denkbare Anspruchsgrundlage aus: "Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und enteignungsgleichem Eingriff sowie nach § 1 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes des Landes Bandenburg hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt. Die Corona-Eindämmungsverordnung vom 22. März 2020 und die Folgeverordnungen vom 17. und 24. April 2020 waren als solche rechtmäßig. Die getroffenen Schutzmaßnahmen, insbesondere die angeordneten Betriebsschließungen, waren erforderlich, um die weitere Ausbreitung der COVID-19-Krankheit zu verhindern. Dies wurde von der Revision auch nicht in Frage gestellt".

Der BGH ist auch hier in vollem Umfang den Vorinstanzen gefolgt (Landgericht Potsdam - Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 O 146/20; Brandenburgisches Oberlandesgericht - Urteil vom 1. Juni 2021 – 2 U 13/21). 

IV. Ausblick 

Es ist angesichts der neueren Rechtsprechung des BGH klargeworden, dass der Weg über das Entschädigungsrecht ebenso "verbaut" ist wie über etwaige Versicherungsleistungen aus Betriebsschließungsversicherungen. Die Entscheidung kam nicht unerwartet. 

Ob gegen die entschädigungsrechtliche Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt werden wird, ist offen. 

Als sicher gelten kann, dass die Gerichte sich in etlichen anhängigen ähnlichen Verfahren an dieser Entscheidung orientieren werden, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Hinweisbeschlüssen führen wird, mit der Frage, ob die Klage nicht zurück genommen werden sollte, mit Blick auf die Kosten und die Entscheidung des BGH. 

Offen bleibt die wirtschaftspolitische Frage, ob eine derart hohe Anzahl von erwartbaren Insolvenzen nicht durch eine gesetzliche Regelung jenseits des IfSG abgefedert werden sollten oder ob dem Markt eine "Selbstbereingung" zugemutet werden sollte, mit entsprechenden Folgen. Der Ruf nach dem Gesetzgeber verhallt aber meistens dann, wenn er am dringendsten gebraucht wird. 




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