Mit einer Entscheidung vom 15.11.2017 hat der Bundesgerichtshof (Grenz-) Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf dem Europäischen
Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 15. November 2017 - VIII ZR 194/16):
Der Sachverhalt ist erneut eine Standardsituation:
Der Kläger bestellte im Jahr 2014 über die Internetseite der Beklagten, einer Onlinehändlerin, eine "Dormiente Natural Basic" Matratze zum Preis vom 1.094,52 €. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kläger nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per Email mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma. Die entscheidende Streitfrage besteht hier daran, ob hier ein Ausnahmetatbestand zum Widerrufsrecht bei einem Kauf mittels elektronischer Kommunikation nach § 312 Abs.2 Nr.3 BGB vorliegt.
Der bisheriger Prozessverlauf: Die Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten (insgesamt 1.190,11 €) hat in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt, weil die Anwendung des § 312 Abs.2 Nr.3 BGB verneint wurde.
Die Vorinstanzen haben dabei angenommen, dass das dem Kläger im Fernabsatzhandel grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht bei dem Kauf einer Matratze nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil er die bei deren Anlieferung vorhandene Schutzfolie entfernt habe. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Der Bundesgerichtshof tendiert zwar auch zu dieser Lösung, hat aber Zweifel:
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren durch Beschluss ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung über die Auslegung zweier Vorschriften des europäischen Rechts vorgelegt.
Die hier maßgebliche Norm des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Ausschluss des Widerrufsrechts in den Fällen, in denen versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde (§ 312 g Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 BGB), geht zurück auf eine inhaltsgleiche Vorschrift des europäischen Rechts, Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie, die praktisch inhaltsgleich ist.
Ob diese Vorschrift – wozu der VIII. Zivilsenat angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift tendiert – dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete
(Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers – wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann – wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können (Frage 1), ist nicht eindeutig zu beantworten. So wird in dem zwar nicht verbindlichen, aber unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten sowie unter Mitwirkung von Wirtschaftsvertretern und Verbraucherverbänden erstellten Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission (Stand: Juni 2013) als Beispiel für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes gemäß Art. 16 Buchst. e - neben Kosmetika - die Auflegematratze genannt. Letztlich wird hier wieder einmal den Verfassern von Rechtstexten eine ungenaue Vorgehensweise bei der Abfassung attestiert.
Falls die Frage 1 bejaht werden sollte, stellt sich ferner die Frage, wie eine Verpackung beschaffen sein muss, um als "Versiegelung" zu gelten und welchen Inhalt der nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1 EGBGB; Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbraucherrechterichtlinie) zu erteilende Hinweis über die Umstände des Erlöschens des Widerrufsrechts haben muss (Frage 2). Auch bezüglich dieser Frage hat der Bundesgerichtshof die Sache zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.
Greift man sich einen der gängigen Kommentare zum BGB heraus findet man zur Frage der Versiegelung folgende Informationen: Dem Verbraucher muss die Versiegelung eindeutig erkennbar sein. Ist dies der Fall werden Klebeband und Klarsichtfolien mit guten Gründen nicht als Versiegelung angesehen. Bei Schutzfolien besteht ein Grenzfall. Eine Versiegelung soll vorliegen, wenn es sich um Waren handelt, die aus Gründen des Hygieneschutzes und/oder des Gesundheitsschutzes nicht zu einer Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung nach dem Erwerb und der Lieferung entfernt wurde. Dazu werden gezählt: freiverkäufliche Arzneimittel, Fertiggerichte, Hygiene - und Kosmetikartikel, nicht aber Artikel, deren Verkehrsfähigkeit durch bloße Reinigung wieder hergestellt werden kann (sinngemäß zusammengefasst nach Ring, in, NOMOSKommentar, BGB, Bd. 2/1, 3. Aufl., 2016, § 312 g, Rn. 19 m.w.N.). Letzteres ist vorliegend ein Problem.
Der EuGH wird die Lösung finden müssen und letztlich auf der Basis der Auslegung des Art. 16 lit e) der Verbrauchterrechterichtlinie. Mit dieser Auslegung wird auch entscheidend über Kostenfaktoren entschieden.
Vorinstanzen:
Amtsgericht Mainz - Urteil vom 26. November 2015 - 86 C 234/15
Landgericht Mainz - Urteil vom 10. August 2016 - 3 S 191/15
BGH: Beschluss vom 15. November 2017 - VIII ZR 194/16
Quelle: Pressemitteilung des BGB v. 15.11.2017
Vorinstanzen:
VGH Mannheim, 6 S 1426/14 - Urteil vom 08. September 2015 -
VG Karlsruhe, 3 K 386/10 - Urteil vom 03. November 2011 -
Die Aufhebung der Untersagungen durch den Verwaltungsgerichtshof stellt sich auch nicht als im Ergebnis richtig dar. Mit Ausnahme von Sportwetten und Lotterien ist das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichem Glücksspiel im Internet verboten und dementsprechend zu untersagen. Dieses Internetverbot verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit. Das haben der Gerichtshof der Europäischen Union und das Bundesverwaltungsgericht bezogen auf das vormalige generelle Internetverbot wegen der besonderen Gefährlichkeit des Glücksspiels im Internet gegenüber dem herkömmlichen Glücksspiel (u.a. unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots, Bequemlichkeit, fehlender Jugendschutz) bereits festgestellt. Dass der Glücksspielstaatsvertrag nunmehr ein streng reguliertes Angebot von Sportwetten und Lotterien im Internet vorsieht, gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu ändern. Durch diese begrenzte Legalisierung soll der Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt und der Schwarzmarkt für Glücksspiele im Internet bekämpft werden.
Die darüber hinaus im Verfahren BVerwG 8 C 18.16 angegriffene Untersagung von Online-Sportwetten ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin nicht über die erforderliche Konzession verfügt und diese auch nicht beantragt hatte. Dies kann ihr entgegengehalten werden, weil das Erfordernis einer Konzession mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist. Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags über die Erteilung von Konzessionen für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten bewirken keine Diskriminierung von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern. Sie sind hinreichend klar, genau und eindeutig formuliert und setzen dem Auswahlermessen in ausreichendem Umfang Grenzen.
BVerwG 8 C 14.16 - Urteil vom 26. Oktober 2017
Vorinstanzen:
VGH Mannheim, 6 S 1406/14 - Urteil vom 27. Mai 2016 -
VG Karlsruhe, 3 K 576/10 - Urteil vom 03. November 2011 -
BVerwG 8 C 18.16 - Urteil vom 26. Oktober 2017
Vorinstanzen:
VGH Mannheim, 6 S 1426/14 - Urteil vom 08. September 2015 -
VG Karlsruhe, 3 K 386/10 - Urteil vom 03. November 2011 -
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