Der Bundesgerichtshof hat nach der Mitteilung der Pressestelle
Nr. 049/2016 vom 01.03.2016 in dem Urteil "Jameda II" zum AZ: VI ZR 34/15 die Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals konkretisiert und schließt damit an das Urteil "Jameda I" aus dem Jahr 2014 unmittelbar an, bei dem es allerdings um andere Aspekte ging. Das Geschäftsmodell "Ärzte - Bashing" ist ohnehin erheblich in Kritik geraten.
Der Kläger in diesem Rechtsstreit ist Zahnarzt, während die Beklagte unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung betreibt, das von Patienten intensiv genutzt wird. Für Ärzte ist nicht sehr erfreulich dort unberechtigt Kritiken zu erfahren, die oftmals weit überzogen sind. Zu trennen ist insoweit zwischen (falschen) Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen bis hin zur Schmähkritik, sowie Mischformen, bei denen jemals das eine oder das andere Element überwiegt. Hierzu gibt es eine gefestigte Rechtsprechung des BVerfG und des BGH.
Bei diesem Bewertungsportal können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen und sich über den Arzt und seine Praxis informieren. Aufgenommen wird jeder Arzt in diese Datenbank, auch ohne seinen Willen, was nach der Entscheidung "Jameda I" des BGH rechtlich zulässig ist. Angeboten werden für Ärzte mehrere Formen der Mitgliedschaft zu unterschiedlichen Preisen. Registrierten Nutzern auf Patientenseite bietet das Portal die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten und zwar mit Noten und individuellen Bewertungen, die oftmals wenig objektiv sind und stark subjektive Züge tragen. Die Nutzer können diese Bewertungen anonym ohne Angabe eines "Klarnamens" abgeben und sind grundsätzlich datenschutzrechtlich geschützt.
Die Bewertungen folgen einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich "Behandlung", "Aufklärung", "Vertrauensverhältnis", "genommene Zeit" und "Freundlichkeit" sowie "Entertainment". In einem Freitextfeld besteht die Möglichkeit zu individuellen Kommentaren, die durchaus drastisch sein können. Das Problem sind Wahrheitsgehalt und Objektivität.
Gegenstand der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, die besagt, der Kläger sei als Zahnarzt nicht zu empfehlen. Die Gesamtnote betrug 4,8 und setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note "6" für "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis". Oftmals ist unklar und bedarf intensiver Recherchen in der Arztpraxis um festzustellen, ob der Patient auch tatsächlich behandelt worden ist. In Fällen einer klaren Identifikation, kann auch gegen den Patienten selbst vorgegangen werden, etwa wenn dieser auf Nachfrage einräumt, die Bewertung verfasst zu haben, wobei allerdings berufsrechtliche Grenzen einzuhalten sind, Angesichts des harten Konkurrenzkampfes unter Ärzten können solche Bewertungen auch in unmittelbarer Schädigungsabsicht abgegeben worden sein.
Im vorliegenden Fall bestreitet der Kläger, dass er den Bewertenden behandelt hat.
Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung wurde unverändert im Portal vorgehalten, wie dies oftmals der Fall ist.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.
Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, so dass der Fall noch nicht beendet ist. Der BGH gibt in solchen Fällen Hinweise zur Rechtslage.
Die beanstandete Bewertung ist nach diesem Urteil des BGH keine eigene "Behauptung" der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat, was auch mit den Nutzungsbestimmungen des Portals übereinstimmt. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung als Mitstörer daher nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Diese Prüfpflichten werden deutlich konkretisiert, wie der BGH ausführt:
"Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen". Insoweit bewegt sich die Entscheidung auf dem Boden der gefestigten Rechtsprechung.
Neu ist aber die Auffassung des BGH, dass die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Weiter ist der BGH jetzt der Auffassung, dass der Portalbetreiber den Bewertenden hätte auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen.Im Ergebnis läuft dies im Streitfall auf die Verpflichtung des Providers hinaus, den Behandlungsverlauf auf Plausibilität zu prüfen, was angeblich bereits eine Software leistet, zu der der Provider keine näheren Angaben macht. Möglicherweise bietet die Zurückverweisung die Möglichkeit diese Software von einem IT - Sachverständigen untersuchen zu lassen.
Der BGH geht noch einen Schritt weiter, indem er dem Portal abverlangt, diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, an den Kläger weiterzuleiten.
Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.
In einer vorläufigen Bewertung wird dies in entsprechenden Fällen nunmehr darauf hinauslaufen, dass der betroffene Arzt entsprechende Nachweise verlangen kann, wobei Art und Umfang angesichts des § 12 TMG wahrscheinlich in Streit geraten werden. Insoweit ist der Volltext des Urteils abzuwarten.
Den betroffenen Ärzten bietet diese Entscheidung jedoch eine gewisse Erleichterung, die möglicherweise eine größere Objektivität bei den Bewertungen zur Folge hat.
Vorinstanzen:
LG Köln - 28 O 516/13 – Entscheidung vom 09. Juli 2014;
OLG Köln - 15 U 141/14 Entscheidung vom 16. Dezember 2014
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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