Sonntag, 28. Juni 2015

Die EU - Erbrechtsverordnung tritt am 17.08.2015 in Kraft

1. Übersicht

Die EU - Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO 650/2012) tritt am 17.08.2015 in 25 Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Groß - Britannien, Irland und Dänemark in Kraft. Nachfolgend werden die wesentlichen Prinzipien kurz erörtert. Die EU-ErbVO gilt nur für grenzüberschreitende Sachverhalte, nicht für rein nationale Nachlassangelegenheiten. Die nachfolgede Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.  

Viele Erörterungen zeigen, dass die Folgen nach wie vor nicht allgemein bekannt sind. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass Großbritannien, Irland und Dänemark die Verordnung nicht für ihr Staatsterritorium übernommen haben. Jedoch ist nach dieser EU-ErbVO das nach der Verordnung maßgebliche Recht auch dann anzuwenden, wenn es sich um das Recht eines Drittstaates handelt. Die Europäische Erbrechtsverordnung beansprucht insoweit universelle Geltung, so dass die erklärten Vorbehalte nur eine beschränkte Wirkung haben. 

Unverändert bleiben das nationale materielle Erbrecht; das nationale Erbschaftsteuerrecht (unter Beachtung vorhandener DBA); das nationale materielle Güterrecht; die kollisionsrechtlichen Regelungen zum Güterrecht (EU-Verordnungen zum Güterkollisionsrecht sind in Vorbereitung) und das Prinzip der Nachlasseinheit (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Tritt ein Erbfall vor dem 17.8.15 ein, verbleibt es bei der Anwendung des Erbstatuts, das sich aus den jeweiligen nationalen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten ergibt.

Rechtsgeschäfte unter Lebenden wird von Art. 1 Abs. 2g EU-ErbVO grundsätzlich vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen. Art. 23 Abs.2i EU-ErbVO lässt jedoch eine Berücksichtigung derartiger Zuwendungen im Rahmen der Anrechnungs- und Ausgleichungsregeln des jeweils anwendbaren Erbstatuts ausdrücklich zu. Davon betroffen sind insbesondere Lebensversicherungsverträge sowie andere Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, wie Spar-, Konten-, Depotverträge.

Die damit verbundenen Rechtsänderungen betreffen insbesondere Deutsche (oder vergleichbar Angehörige anderer Mitgliedsstaaten), die dauerhaft im Ausland leben, was heute keine Seltenheit mehr ist. Soweit nachfolgende Beispiele genannt werden, sind sie dem spanischen Recht entnommen (s. zum spanischen Erbrecht, Frank, Internationales Erbrecht Spanien, 2. Aufl., C.H.Beck, 2014; Löber/Huzel, Länderteil Spanien, in, Süß, Hrsg., Erbrechtin Europa, 2. Aufl., 2008, S. 1409 - 1482).. 


Nach Art. 75 Abs. 1 Abs. 1 und Abs. 2 EU-ErbVO bleiben die erbrechtlichen Staatsverträge zwischen Mitglied- und Drittstaaten von der EU - ErbVO unberührt. Vorrangig zu beachtende Staatsverträge, wie etwa zwischen Deutschland und der Türkei, dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, bleioben daher in Kraft.


2. Der Systemwechsel: Staatsangehörigkeit vs. Domicile 

An die Stelle der Staatsangehörigkeit des Erblassers tritt bei allen grenzüberschreitenden Sachverhalten das Recht des gewöhnlichen Wohnsitzes, Art. 21 Abs.1 EU-ErbVO. Dieses Rechtsprinzip besagt, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen an den gewöhnlichen Aufenthalt die Rechtsordnung des betreffenden Staates Anwendung findet, was einen gesetzlichen gewollten Statutenwechsel herbeiführt, der erhebliche Auswirkungen haben kann.

Bedauerlicherweise enthält die EU-ErbVO keine Legaldefinition für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes, der sich aus dem Begriff des "Domicile of Choice" des anglo - amerikanischen Rechtskreises ableitet, der allerdings die Anforderungen teilweise so hoch schraubt, dass es letztlich auf das "Domicile of Origin" ankommt (s. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl., S. 383 ff). Streit wie dieses Begriff zu qualifizieren ist, ist vorprogrammiert und wird je nach Rechtsordnung in Details möglicherweise anders konturiert werden. 

Es liegt allerdings nahe sich insoweit an den OECD - Musterabkommen für die Doppelbesteuerung zu orientieren, wonach es für natürliche Personen darauf ankommt, ob sie sich während eines Kalenderjahres länger als 183 Tage auf dem betreffenden Hoheitsgebiet eines Staates aufgehalten haben oder aber in dem betreffenden Land ihren wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt haben (so etwa § 9 des span EStG als Beispiel), etwa wenn dort Familie vorhanden ist, ein Geschäftsbetrieb oder eine regionale soziale Verwurzelung, wobei auch Sprachkenntnis und Aufenthaltsdauer maßgeblich sein können. Letzterem Anknüpfungsmerkmal dürfte der Vorzug zu geben sein, während das erstere Kriterium hier nach den Erwägungsgründen der EU-ErbVO keine Relevanz besitzt. Wie aus den Erwägungsgründen der EU-ErbVO folgt, soll die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen einer Analyse aller relevanten Tatsachen erfolgen, so dass es sich letztlich um eine Einzelfallbetrachtung handelt, die auf einer Gesamtschau aller relevanten Aspekte beruht.  

3. Systemwechsel und Rechtswahl: der Günstigkeitsvergleich

Wenn beispielsweise in Deutscher an seinem letzten gewöhnlichen Wohnsitz in Spanien verstirbt, findet spanisches Erbrecht Anwendung, wenn keine testamentarischen Vorkehrungen mit der zulässigen Wahl des Staatsangehörigkeitsrechts getroffen werden. In einem solchen Fall kann ein Systemwechsel für den Nachlass und die Erben zu erheblichen Schwierigkeiten führen, etwa aufgrund der erheblichen Unterschiede des spanischen Erbrechts zum deutschen Erbrecht und der Anwendung des spanischen Erbschaftssteuerrechts (s. hierzu, Löber/Hutzel, Erben und Vererben in Spanien, 5. Aufl., 2015). Ähnlich ist es, wenn dies in einem anderen Land der Europäischen Union geschieht.

Dieser Systemwechsel führt auch zu erheblichen Veränderungen bei der Testamentsgestaltung, weil in vielen Fällen ein Günstigkeitsvergleich zwischen den potentiell anwendbaren Rechtsordnungen nebst den wahrscheinlichen steuerrechtlichen Folgen durchgeführt werden sollte. Bei der steuerrechtliche Bewertung ist immer zu bedenken, dass sich die Rechtslage zwischen der Errichtung und dem Todesfall ändern kann. Eine Anpassung kann daher erforderlich werden. Nach diesem Günstigkeitsvergleich kann die Anwendung des Rechts des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes im Einzelfall auch günstiger sein. 

Dabei ist ein "Forum - Shopping" nicht zulässig, da die Rechtsordnung nicht frei bestimmt werden kann. Ein Deutscher, der beispielsweise in Spanien lebt, hat die Wahl es ggf. bei spanischen Recht zu belassen oder deutsches Recht zur Anwendung zu bringen. Die Wahl einer Rechtsordnung beispielweise mit günstigeren Erbschaftssteuersätzen ist in der EU nicht zulässig. Die Rechtswahl hat etwa auch Einfluss darauf, ob ein Einzeltestament, eine Ehegattentestament oder ein Erbvertrag (den es nicht in allen Rechtsordnungen Europas gibt) gewählt werden sollten. Art. 83 Abs.4 EU-ErbVO enthält für bestimmte Fälle eine Fiktion der Rechtswahl: für vor dem 15.07.2015 errichtete Testamente gilt das Recht der jeweiligen Staatsangehörigkeit, was letztlich bereits schon aus Art. 17 Abs.2 ErbVO folgt.

Hinsichtlich des Günstigkeitsvergleichs für Spanien ist zudem nicht zu übersehen, dass Spanien erbrechtlich ein Mehrrechtsstaat ist. Es kommt daher konkret darauf an, welches der möglichen Erbrechts Spaniens zur Anwendung kommen kann. Art. 32 EU-ErbVO geht insoweit vom Grundsatz der Gebietsverweisung aus, der besagt, das die Regelung Anwendung findet die zum Erblasser die engste Verbindung aufweist, wobei das Foralrecht unter Umständen Einflüsse aufweisen kann. Dies gilt im Übrigen auch für das inzwischen  Erbschaftssteuerrecht

Die EU - ErbVO ist steuerrechtlich neutral, so dass insbesondere Doppelbesteuerungssituationen nicht beseitigt werden. In den angesprochenen Günstigkeitsvergleich sind steuerliche Aspekte immer einzubeziehen. Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Spanien gilt nicht für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer. Allerdings lassen sich Doppelbesteuerungsszenarien oftmals im Vorfeld durch zulässige Gestaltungen reduzieren. 

Der erbenlose Nachlass steht jetzt nach Art. 33 EU-ErbVO dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes das Recht der Aneignung der belegenen Sache zu, wenn keine Verfügung von Todes wegen vorhanden ist.  


4. Europäisches Nachlasszeugnis

Zwar führt die EU - ErbVO verfahrensrechtlich möglicherweise zu einer Vereinfachung bei der Anknüpfung grenzüberschreitender Nachlässe insbesondere mit Blick auf das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) in Art. 62 - 73 EU - ErbVO, doch sollten die möglichen Probleme nicht unterbewertet werden. Dieses Europäische Nachlasszeugnis - als Vereinheitlichung der Erbscheinsverfahren in Europa - erzeugt Rechtswirkung in der gesamten EU unter Einschluss angeschlossener Enklaven. Es tritt alternativ neben den deutschen Erbschein und das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis. Das ENZ führt ggf. auch Vermächtnisnehmer und einzelne Nachlassgegenstände auf. Die Wirkung ist zwar regelmäßig auf 6 Monate befristet. Diese Wirkung ist aber auf Antrag verlängerbar. Im Gegensatz zu einem deutschen Erbschein kann es bei Unrichtigkeit nicht eingezogen werden, so dass es kein Einziehungsverfahren gibt. Das ENZ lässt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausstellung nationaler Zeugnisse auch bei internationalen Sachverhalten unberührt, Art. 62 Abs. 3 S. 1 EU-ErbVO. Deutsche Nachlassgerichte können daher weiterhin sogenannte Fremdrechtserbscheine ausstellen, Art. 39 Abs. 1 EU-ErbVO.

Wie der deutsche Erbschein stellt es eine Erburkunde mit Gutglaubensschutz dar, Art. 69 EU-ErbVO. Es ist auch -  neben weiteren Dokumenten - Eintragungstitel für öffentliche Register wie dem Grundbuchamt. Allerdings fordert das spanische Registro de Propriedad zusätzlich für die Vornahme einer solchen Eintragung  nach Art. 80 RH die Vorlage einer Erbschaftsannahmeerklärung oder einer Teilungserklärung nebst Nachweis der Steuernummer und der Zahlung der Steuern (s. hierzu, Dezcallar/Farré/Kaminski/Ramallo, Die Besteuerung von Immobilien in Spanien, 2014, S. 175 ff). Die Vorlage einer Escritura de Aceptación y Adjudicación de herencia (noteriell beurkundete Erbschaftsannahmeerklärung) bleibt davon unberührt und ist weiter erforderlich. Das Europäische Nachlasszeugnis ist hingegen kein Vollstreckungstitel. 


Für die Erteilung zuständig ist die Behörde des EU - Mitgliedsstaates in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser verstorben ist, sofern diese sich nicht für unzuständig erklären. Die Gerichte des EU-Lands, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes hatte, können sich allerdings hinsichtlich der Regelung des Nachlasses dann für unzuständig erklären, wenn nach Ihrem Ermessen die Gerichte des EU-Lands des gewählten Rechts in der Erbsache unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles besser entscheiden können. Diese recht unbestimmte Regelung kann zu einer erheblichen Verweisungspraxis führen, die derzeit noch nicht eingeschätzt werden kann. Anders liegt der Fall, wenn das Recht der Staatsangehörigkeit gewählt wird, Art. 6 und 7 EU-ErbVO. 

5. Gerichtszuständigkeit


Für Entscheidungen in Erbrechtsangelegenheiten mit Bezug auf den gesamten Nachlass sind die Gerichte oder sonstigen staatliche Stellen (z.B. Notare) im letzten gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Erblassers ausschließlich zuständig (Art. 4 EU-ErbVO). Liegt eine Rechtswahl vor, gelten Ausnahmen (Art. 5 bis 7 und Art. 23 Abs. 2 EU-ErbVO), im Falle einer rügelosen Einlassung (Art. 9 EU-ErbVO), bei gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat (Art. 10 EU-ErbVO), für die Entgegennahme erbrechtlicher Erklärungen (z.B. Ausschlagung oder Erbschaftsannahme nach Art. 13 EU-ErbVO) und bei Fehlen eines anderweitigen Gerichtsstands (Art. 11 Art. 23 Abs. 2 EU-ErbVO).

Fehlt eine Verfügung von Todes wegen mit einer hinreichenden Rechtswahl ist das für den letzten gewöhnlichen Wohnsitz maßgebliche Gericht zuständig.

Gerichtliche Entscheidungen eines anderen EU - Staates sind nach Art. 39 EU-ErbVO ohne Nachprüfung anzuerkennen, es sei denn, es läge ein Verstoss gegen den ordre public oder ein schwerwiegender Verstoß gegen materielle und prozessuale Rechte vor, die zur Versagung einer Anerkennung führen könnten. 

6. Verfügungen von Todes wegen

Aufgrund der Regelungen der Art. 24 EU-ErbVO bzw. Art. 25 EU-ErbVO sind gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge künftig zur Nachfolgeregelung von Auslandsvermögen innerhalb der EU geeignet, auch wenn der Wohnsitzstaat diese Rechtsinstitute nicht kennt. In Spanen sind Erbverträge nach Art. 1271 CC zwar verboten, aber nach den Foralrechten von Ibiza, Formentera, Mallorca, Katalonien, Aragon, Galizien, Navarra, Biskaya und Gipuzkoa erlaubt, s. Stadler, Das interregionale Recht in Spanien, 2008, S. 167 ff). 

Die Anknüpfung des jeweils anwendbaren Rechts erfolgt nach Art. 24,25 EuErbVO. Ein gemeinschaftliches Testament sollte unbedingt eine ausdrückliche Rechtswahl enthalten, die keine Interpretationsspielräume eröffnet, auch wenn eine konkrete Bezeichnung rechtlich nicht gefordert wird. Überdies sollten die für den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Errichtung relevanten Umstände dokumentiert werden, um einem Streit hinsichtlich der objektiven Anknüpfung vorzubeugen. Eine nur teilweise Rechtswahl (deutsches Recht für Immobilien, spanisches Recht für Bankkonten als Beispiel) ist nicht zulässig. Etwaige Klauseln in handschriftlichen Testamenten sind unwirksam und können den gewollten Regelungszusammenhang gefährden.

Für grundsätzlich Pflichtteilsberechtigte kann der Wegzug eines späteren Erblassers in einen Staat ohne Pflichtteilsregelung negative Folgen haben, wenn der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts Pflichtsteilsreglungen nicht kennt oder aber vergleichbare Regelungen eine mindere Qualität aufweisen. Art. 19 EU-ErbVO lässt dies ausdrücklich zu. 

Im romanischen Rechtskreis findet sich statt des deutschen Pflichtteilsrechts ein Noterbenrecht, das den Teil des Vermögens betrifft, über das der Erblasser nicht frei verfügen kann. Es bei der Rechtsordnung des letzten Wohnsitzstaates zu belassen, bedeutet nicht, dass nicht nach dem Recht dieses Staates eine letztwillige Verfügung getroffen wird, die entsprechende Regelungen enthält, zumal lebzeitige Schenkungen grds. anzurechnen sind, Art. 763 ff CC. Insoweit bestehen weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten. In bestimmten Fällen lässt sich auch ein Wechsel der Staatsangehörigkeit erwägen. 

7. Vorrang des Gesellschaftsrechtstatutes

Gerade im Verhältnis zu Spanien sind Vermögenswerte oftmals in einer - in vielen Fällen lediglich vermögenshaltenden - Kapitalgesellschaft (s. nur Fauteck/Fitzner/Strunk/Plattes, Immobilienkauf mit einer Sociedad Limitada, 2014), meist in einer Sociedad Limitada (S.L.) konzentriert, die im Übrigen auch selbst Erbe sein kann (s. näher, Löber/Lozano/Steinmetz, Die spanische GmbH, 4. Aufl., 2012). Vererbt werden in solchen Fällen Gesellschaftsanteile. Allerdings können Gesellschaftsverträge insoweit Restriktionen enthalten, die letztlich für jeden Gesellschaftsvertrag individuell gestaltet werden können (sog. Problem des aufgedrängten Gesellschafters aufgrund Erbschaft). 

Art. 1 Abs. 2h EU-ErbVO räumt hinsichtlich der Abgrenzung von Erb- und Gesellschaftsstatut dem Gesellschaftsstatut den Vorrang ein, soweit dieses spezifische Regeln für die Vererbung von Gesellschaftsanteilen enthält. Derartige Sonderregeln über die Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften (Fortsetzungs-, Eintritts-, Nachfolgeklauseln usw.) gehen danach dem erbrechtlichen Gesamtstatut grundsätzlich vor. 

In Spanien sind Personengesellschaften weitgehend ungebräuchlich. Das Recht der Sociedad Limitada beispielsweise sieht beispielsweise nach Art. 110.2 LSC vor, dass Bezugsrechte für die überlebenden Gesellschafter gegen Abfindung des Erben vorgesehen werden können (Fortsetzungsklausel). Für die Abfindung ist vom tatsächlichen Wert auszugehen, den die Steuerbehörden ohnehin schätzen dürfen. wovon bei gegebenen Anlässen auch rege Gebrauch gemacht wird. 

Ein solches Sondererwerbsrecht muss binnen drei Monaten nach Mitteilung des Erbfalles an die Gesellschaft ausgeübt werden. Die Vererbung eines Anteils verleiht allerdings dem Erben für diesen Zeitraum unbeschadet des Sondererwerbsrechts die Gesellschafterstellung. Die Vererbung von Anteilen an Kapitalgesellschaften richtet sich in der Regel nach dem Erbstatut. Erbschaftssteuerrechtlich gelten bei Vererbungen von Gesellschaftsanteilen bei Familienbeträgen sehr hohe Freibeträge, die unter Umständen günstiger sein können, als die zu erwartende deutsche Regelung. 

8. Deutscher Erblasser im Ausland

Das Thema Tod ist nicht sonderlich beliebt. Man verdrängt es, soweit man kann. Allerdings sollte man zum passenden Zeitpunkt die Initiative ergreifen, um zu regeln, was geregelt werden sollte, damit Nachteile für Erben und Vermächtsnisnehmer nicht entstehen. Die Gefahr, dass durch Nichthandeln solche Nachteile entstehen können, wird mit Inkrafttreten der EU-ErbVO wahrscheinlich steigen. 





Donnerstag, 25. Juni 2015

Poststreik und Haftung der Deutsche Post AG

1. Unübersichtliches

Der Poststreik legt hat inzwschen auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation deutliche Auswirkungen. Zwar ist es heute möglich, weitgehend elektronisch zu kommunizieren, jedoch nutzen etwa Gerichte und Behörden diese Möglichkeiten mangels Zertifikaten nur in geringen Ausmaße. In Düsseldorf sind in gut 14 Tagen gerade drei Briefe eingegangen. Dies wird zu zahlreichen Wiedereinsetzungsanträgen und anderen Maßnahmen führen müssen.

Es darf bezweifelt werden, dass die Information der Deutsche Post AG stimmen, dass nur 25 % der Briefsendungen nicht befördert werden. Jedenfalls sind aus München, Frankfurt am Main, Köln, Hamburg und Berlin ähnliche Ausfallzahlen wie in Düsseldorf bekannt. Die aktuellen Meldungen gibt es etwa hier. Ver.di bezeichnet dies noch als Warnstreiks im Sinne der "Neuen Beweglichkeit". Die arbeitskampfrechtliche Beurteilung anhand der Kriterien des BAG für Warnstreiks als Kurzstreiks (BAG AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) kann hier dahinstehen, unbeschadet der nachvollziehbaren Kampfziele.

2. Aspekte der Haftung der Post

Es kommen immer wieder Fragen von Mandanten nach einer Haftung der Post. Die Post ist allerdings für alle Bereiche rechtlich sehr gut abgesichert. Zu unterscheiden ist aber zwischen Verzögerungsschäden und Postverlusten.

a) Das PostG als Aufsichtsgesetz (in Umsetzung der Postdienste-Richtlinie 97/67/EG v. 15. 12. 1997, ABl. EG 1998 L 15/14 m. Änd.) enthält keine Regelungen mehr zur Haftung, sondern überlässt dies der Vertragsgestaltung, die über AGB gesteuert werden. Letztlich richtet sich die Haftung für Verlust, Beschädigung und Verzögerung beim Erbringen eines Postdienstes nach den allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften.  Dazu hat die Deutsche Post AG Klauseln entwickelt, die - bei Bedarf - regelmäßig optimiert werden, etwa nach Urteilen zur AGB - Inhaltskontrolle, die aber in diesem Bereich eher spärlich vorhanden sind. Zu trennen ist weiter zwischen "international" und "national" aufgrund anderer Regelungsregime. In beiden Fällen greifen jedoch nahezu identische Haftungaussschlüsse bei "Höherer Gewalt": 


"(2) Die Deutsche Post haftet im Übrigen für Verlust, Beschädigung und die nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Verpfl ichtungen nur, wenn für bedingungsgerechte und  nicht ausgeschlossene Sendungen die in Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 genannten  Zusatzleistungen vereinbart wurden. Der Haftungsumfang ist auf den unmittelbaren  vertragstypischen Schaden bis zu den Höchstbeträgen gemäß Absatz 3 begrenzt. Der Ersatz mittelbarer Schäden (u. a. entgangener Gewinn, entgangene Zinsen) ist  ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Deutsche Post vor oder nach der  Annahme der Sendung auf das Risiko eines solchen Schadens hingewiesen wurde. Schadenersatzleistungen sind auf eine Forderung pro Sendung begrenzt, wobei  deren Begleichung die vollständige und abschließende Regelung aller Schäden in diesem Zusammenhang darstellt, es sei denn, es handelt sich um Schäden im Sinne  des Absatzes 1. Die Deutsche Post ist auch von dieser Haftung befreit, soweit der  Schaden auf Umständen beruht, die sie auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte (z. B. Streik, höhere Gewalt). Die in
§§ 425 Abs. 2 und 427 HGB genannten Fälle der Schadensteilung und besonderen  Haftungsausschlussgründe bleiben ebenso unberührt wie andere gesetzliche Haftungsbegrenzungen oder Haftungsausschlüsse.
(3) Die Haftung der Deutschen Post gem. Absatz 2 ist auf folgende Höchstbeträge  begrenzt: Bei Brief- und briefähnlichen Sendungen mit der Zusatzleistung  1. Einschreiben 25,00 EUR  2. Einschreiben Einwurf 20,00 EUR 3. Nachnahme – nur für Fehler bei der Einziehung oder Übermittlung des Betrages nach Ablieferung der Sendung Nachnahmebetrag 4. Rückschein, Eigenhändig und Anschriftenprüfung/ -mitteilung/Premiumadress Zusatzentgelt 5. Wert National im Falle der Beförderung von Geld oder anderen Zahlungsmitteln 100,00 EUR  im Falle der (ausschließlichen) Beförderung anderer Güter 500,00 EUR  Die Haftung der Deutschen Post für die Überschreitung der Lieferfrist oder wegen einer sonstigen Abweichung von einem vereinbarten Ablieferungstermin für Sendungen, für die die Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist bzw. eines bestimmten Ablieferungstermins geschuldet ist, ist auf den einfachen Betrag der Fracht (Erstattung des Entgelts) begrenzt.
(4) Eine Sendung gilt als verloren, wenn sie nicht innerhalb von 20 Tagen nach Einlieferung an den Empfänger abgeliefert ist und ihr Verbleib nicht ermittelt werden kann. Abweichend von § 424 Abs. 3 HGB kann auch die Deutsche Post eine Erstattung ihrer nach den Absätzen 1 und 2 geleisteten Entschädigung verlangen".

3. Aus dem gerichtsfesten Abs.2 zum Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt (Streik) folgt daher, dass die Post nicht haftet und zwar für einfache Briefsendungen generell nicht und für Einschreiben und Wertsendungen nur begrenzt in der vorstehend genannten Höhe. Davon zu trennen sind verlorengegangene Briefsendungen für die im Rahmen der AGB gehaftet wird, da der Streik kein Grund ist, aufgegebene Sendungen nicht nach Ende des Streiks auszuliefern. Bei Einschreiben und Wertsendungen sollte daher nach dem Streik ein Verbleib geprüft werden.

3. Pakete/Päckchen DHL

Die DHL hat ein ganzes System von AGB, die aber im Kern übereinstimmen, jedenfalls für den hier relevanten Bereich: 

a) 6 Haftung "national" Paket

"(2) DHL haftet im Übrigen für Verlust und Beschädigung von bedingungsgerechten Sendungen sowie für die schuldhaft nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Pflichten nur im Umfang des unmittelbaren vertragstypischen Schadens bis zu den gesetzlichen Haftungsgrenzen. Der Ersatz aller darüber hinausgehenden Schäden ist ausgeschlossen (u.a. entgangener Gewinn, entgangene Zinsen); §§ 430, 432 HGB bleiben unberührt. Dies gilt unabhängig davon, ob DHL vor oder nach der Annahme der Sendung auf das Risiko eines solchen Schadens hingewiesen wurde, da besondere Risiken vom Absender versichert werden können. DHL ist von der Haftung befreit, soweit der Schaden auf Umständen beruht, die sie auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte (z. B. Streik, höhere Gewalt). Die in den §§ 425 Abs. 2 und 427 HGB genannten Fälle der Schadensteilung und besonderen Haftungsausschlussgründe bleiben ebenso unberührt wie andere gesetzliche Haftungsbegrenzungen  oder Haftungsausschlüsse.
(3) DHL beruft sich im Falle des Verlustes, der Beschädigung oder der schuldhaften Verletzung sonstiger Pflichten bei bedingungsgerechten und nicht als Verbotsgut ausgeschlossenen Sendungen nicht auf die gesetzlichen Haftungsgrenzen, soweit der Schaden nicht mehr als 500,- EURO beträgt. Soweit die Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist oder eines bestimmten Ablieferungstermins geschuldet ist, ist die Haftung von DHL für die Überschreitung dieser Lieferfrist bzw. die Abweichung von diesem Termin auf den dreifachen Betrag der Fracht (dreifaches Entgelt) begrenzt. Die Haftung der DHL für den Service „Nachnahme“ ist bei Fehlern bei der Einziehung oder Übermittlung des Betrages auf den Nachnahmebetrag begrenzt. Die Haftung der DHL für die Services „Rückschein“ und „Eigenhändig“ ist auf das Zusatzentgelt
beschränkt. 
(4) Eine Sendung gilt als verloren, wenn sie nicht innerhalb von 20 Kalendertagen nach Einlieferung an den Empfänger abgeliefert ist und ihr Verbleib nicht ermittelt werden kann. Abweichend von § 424 Abs. 3 HGB kann auch die DHL eine Erstattung ihrer nach den Absätzen 1 und 2 geleisteten Entschädigung verlangen".

Auch insoweit sind zwei Bereiche zu trennen: der Verzögerungsschaden, der nicht ersetzt wird und ein ggf. eintretender Schaden für Sendungsverluste. Die Haftung für verspätete Zustellungen wegen Streik ist gerichtsfest ausgeschlossen. Haftung für verlorengegangene Pakete ist möglich bis zu 500 Euro, wobei Besonderheiten für die Nachnahme gelten. Grundsätzlich wird für Päckchen nicht gehaftet, aber das hat das AG München 2013 einmal anders gesehen.

Das Amtsgericht München (Urteil vom 23.4.13, AZ 262 C 22888/12) war der interessanten Auffassung, dass sich das Unternehmen nicht auf einen Haftungsausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen konnte, da diese nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden seien. So war in der von der Kundin aufgesuchten Filiale nur ein Aushang angebracht worden, der unter anderem Produkte und Preise auflistete und in dem es kleingedruckt hieß: "Näheres regeln unsere AGB sowie eine Übersicht, die Sie in den Postfilialen einsehen können". Diese Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen sei klein gedruckt und in einem Aushang über Produkte und Preise versteckt, so dass sie für die Kundin überraschend gewesen sei. Das wiederum habe zur Folge, dass eine wirksame Einbeziehung nicht vorliege, selbst wenn die Geschäftsbedingungen bei der Filiale vorrätig gewesen wären. Damit wurde der Haftungsausschluss erst gar nicht wirksam, der Dienstleister muss der Kundin den Schaden ersetzen (Quelle: Heise.de.). 

Sich darauf zu verlassen, dass andere Gerichte dies ähnlich sehen, könnte indessen trügerisch sein.

7, Haftung von Verdi

Es lässt sich zwar in Erwägung ziehen, eine Haftung der beiden beteiligten Gewerkschaften nach § 823 Abs.1 BGB  wegen Eingriffs in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb in Betracht zu ziehen. Dieser Anspruch scheitert aber an dem Kriterium der "Betriebsbezogenheit" eines schon nicht gegebenen Eingriffs, zumal der Gewerkschaft das Streikrecht aus Art. 9 III GG als Rechtfertigungsgrund zusteht.

Infolgedessen wird man die Folgen ertragen müssen, sofern Sendungen nicht tatsächlich am Ende verlustig geraten. Die Post indessen könnte ihr Unternehmenskonzept überdenken. 

Dienstag, 23. Juni 2015

Entgelte für die Einspeisung von öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radioprogrammen in Kabelnetze

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat sich mit Urteilen vom 16. Juni 2015 – KZR 83/13 und KZR 3/14 zu sehr schwierigen telekommunikationsrechtlichen Fragestellungen aus kartelrechtlicher Sicht geäußert. Für Kabelnetzbetreiber ist das Urteil allerdings sehr interessant. Es geht dabei um die für den wirtschaftlichen Betrieb von Kabelnetzen sehr zentrale Frage, ob für die Einspeisung von öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radioprogrammen in Kabelnetze Entgelte verlangt werden dürfen oder die öffentlich- rechtlichen Fernsehsender insoweit medienrechtlich privilegiert sind, was man auch rechtspolitisch angesichts der Veräünderungen des relevanten Marktes durchaus in Frage stellen könnte.

Der Bundesgerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten an Kabelnetzbetreiber für die Einspeisung ihrer Fernseh- und Radioprogramme in das Kabelnetz ein Entgelt zu zahlen haben. Die Entscheidung betrifft nur das Digitalfernsehen bei dem die herkömmlichen (analogen) Bild- und Tonsignale in digitale Datenströme (Binärcodes) verwandelt werden. Die Fragen des Belegungsregimes haben bereits zu einer Reihe verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen geführt. Jedenfalls sind aber die öffentlich-rechtlichen Sender beim Digitalfernsehen immer einzuspeisen, was nichts über die Vergütungspflicht besagt. Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen sind sehr umstritten und das BGH - Urteil hat insoweit nur bedingt Klärung geschaffen, wobei in derartigen Fällen schon Unsicherheiten über die Rechtswegzuständigkeit bestehen. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte am 29. April 2015 im Verfahren des Kabelnetzbetreibers Unitymedia gegen NDR und ARD über die Zahlung von Einspeiseentgelten entschieden (Az: 17 K 1672/13). Zwar hatte der Hauptantrag von Unity -Media auf Abschluss eines Einspeisevertrages keinen Erfolg, doch hat das VG Hamburg auf den Hilfsantrag erkannt, demzufolge Unitymedia grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die öffentlich-rechtlichen Must-Carry-Programme unentgeltlich zu verbreiten.

Die Klägerin betreibt insbesondere in Rheinland-Pfalz und in Bayern Breitbandkabelnetze für Rundfunksignale. Sie streitet mit den jeweils beklagten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten (im Verfahren KZR 83/13 der Südwestrundrundfunk, im Verfahren KZR 3/14 der Bayerische Rundfunk) um die Bezahlung eines solchen Entgelts. Die Kabelnetzbelegung richtet sich nach §§ 2 Abs.2 Nr.13, 52, 52 a, 52 RStV. § 52 b RStV entwickelt ein dreistufiges Belegungskonzept. Nach § 52 b Abs.1 Nr.1 RStV treffen den Kabelnetzbetreiber im Sinne eines "must - carry" bestimmte Belegungsvorgaben, während in anderen Bereichen eine gewisse Belegungsfreiheit besteht, die hier dahinstehen kann, da die Programme der Beklagten zu den sogenannten Must-carry-Programmen im Sinn des § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 RStV gehören. 

Die Klägerin hat nach dieser Vorschrift bis zu einem Drittel ihrer für die digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität für die bundesweite Verbreitung dieser Programme zur Verfügung zu stellen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Länder, das ZDF, Deutschlandradio und ARTE zahlten der Klägerin bisher auf der Grundlage eines 2008 abgeschlossenen Einspeisevertrags ein jährliches Entgelt in Höhe von 27 Mio. € für die digitale und analoge Einspeisung ihrer Programme. Im Juni 2012 erklärten die Beklagten, ebenso wie die anderen am Vertrag beteiligten Rundfunkveranstalter, die Kündigung des Einspeisevertrags zum 31. Dezember 2012. Infolgedessen stellten sie ihre Zahlungen ein.  

Die Klägerin speist die Rundfunksignale, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihr nach wie vor zur Verfügung stellen, weiterhin in ihre Netze ein, um der gesetzlichen Verpflichtung auch ohne Vertrag zu genügen. Die Nutzung kann überdies auch ohne Vertrag nach Bereicherungsrecht zu vergüten sein. Die Beklagten leisten dafür aber kein Entgelt mehr. 

Die Klägerin hält die Kündigungen für rechtswidrig, weil die Beklagten zum Abschluss eines entgeltlichen Einspeisevertrags verpflichtet seien. Die Klägerin sieht in der Kündigung einen verbotenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten (§ 19 GWB). Zudem macht die Klägerin eine mit § 1 GWB unvereinbare Abstimmung der Kündigung des Einspeisevertrags zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern geltend. Die Klägerin begehrt jeweils die Feststellung, dass der Einspeisevertrag fortbesteht, hilfsweise insbesondere die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines neuen Einspeisevertrags und Schadensersatz oder (nur im Verfahren KZR 83/13) Bereicherungsausgleich und Aufwendungsersatz für die vertragslose Einspeisung. Dieser kartellrechtliche Lösungsansatz ist geeignet, die Marktmacht der betreffenden Fernsehanstalten näher zu analysieren. 

Die Vorinstanzen haben die Klagen jeweils abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Urteile der Vorinstanzen jeweils aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Fortsetzung des Einspeisevertrages oder auf Neuabschluss eines solchen Vertrages zu unveränderten Bedingungen zusteht. Eine solche Kontrahierungspflicht lässt sich den Regelungen des Rundfunkrechts nicht entnehmen. Dies hatten bereits mehrere Verwaltungsrichte ähnlich gesehen. 

Danach sind zwar einerseits die Beklagten entsprechend dem ihnen obliegenden Grundversorgungsauftrag verpflichtet, der Klägerin die Programmsignale zur Verfügung zu stellen. Andererseits ist die Klägerin gem. § 52b RStV verpflichtet, die Programmsignale der Beklagten einzuspeisen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines bestimmten Entgelts als Gegenleistung für die Einspeisung der Programmsignale ergibt sich aus den rundfunkrechtlichen Regelungen dagegen nicht, weil diese Frage gesetzlich nicht geregelt ist.  

Eine Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Einspeisevertrages zu unveränderten Bedingungen ist auch nicht durch unionsrechtliche oder verfassungsrechtliche Bestimmungen geboten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin unzumutbar belastet würde, wenn sie die gesetzliche Pflicht zur Übertragung der Programme der Beklagten erfüllen müsste, ohne dafür das von diesen bislang gezahlte Entgelt verlangen zu können. Der BGH berücksichtigt in diesem Zusammenhang, dass die Programmsignale, die für die Klägerin zur Vermarktung ihrer Kabelanschlussprodukte an Endkunden von erheblichem wirtschaftlichem Wert sind und seitens der Beklagten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. 

Eine Pflicht zur Fortsetzung der Vertragsbeziehung zu den bisherigen Bedingungen kann auch nicht aus kartellrechtlichen Bestimmungen hergeleitet werden. Die Beklagten unterliegen zwar als auch wirtschaftlich tätige Unternehmen den Regelungen des Kartellrechts. Ihre Weigerung, den Einspeisevertrag mit der Klägerin fortzusetzen, stellt jedoch nach Auffassung des BGH keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 GWB dar. Den Beklagten kommt auf dem relevanten Markt danach zwar eine marktbeherrschende Stellung zu. Maßgeblich hierfür ist, dass sich die Beklagten im Hinblick auf die gesetzliche Übertragungspflicht (§ 52b RStV) bei der Nachfrage nach Übertragungsleistungen hinsichtlich der für ihre Programme reservierten Kapazitäten nicht dem Wettbewerb solcher Unternehmen stellen müssen, deren Programme nicht unter die Übertragungspflicht fallen. Sie sind auch keinem Wettbewerb der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgesetzt, weil die nach § 52b RStV vorzuhaltenden Kapazitäten ausreichen, um sämtliche gebührenfinanzierten Programme zu übertragen. 

Es kann jedoch nach der Auffassung des BGH vorliegend nicht von einem missbräuchlichen Verhalten der Beklagten im Sinne von § 19 Abs. 2 GWB ausgegangen werden, der einen Kontrahierungszwang auslösen könnte. 

Der Umstand, dass die Klägerin von privaten Fernsehsendern ein (nicht näher konkretisiertes) Entgelt erhält, begründet keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Fortsetzung des Einspeisevertrages zu unveränderten Bedingungen. Soweit die Beklagten Anbietern anderer Übertragungstechniken (per Satellit oder terrestrisch), ein Einspeiseentgelt bezahlen, liegt darin keine unzulässige Diskriminierung, weil diese sich, anders als die Klägerin, auf die reine Übertragungsleistung beschränken. 

Es fehlt jedoch an ausreichenden Feststellungen dazu, ob die Beklagten zusammen mit den anderen am Einspeisevertrag beteiligten Rundfunkveranstaltern unter Verstoß gegen § 1 GWB die Beendigung dieses Vertrages vereinbart und die Kündigung in Umsetzung einer solchen Vereinbarung erklärt haben. Dies läuft letztlich auf die Prüfung des Vorwurfes einer Kartellbildung hinaus, der sich damit auch derartige Fernsehsender stellen müssen. 

Sollten die Kündigungen nicht auf einer selbständigen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, sondern auf einer solchen verbotenen Absprache beruhen, wären die Kündigungen nichtig. Dann würde der Vergütungsanspruch aus Vertrag fortbestehen.  

Sollten die Berufungsgerichte dagegen zu dem Ergebnis kommen, dass die Kündigungen wirksam sind, werden sie zu prüfen haben, welches die angemessenen Bedingungen für die Pflichteinspeisung und –übertragung der öffentlich-rechtlichen Programme über das Kabelnetz der Klägerin sind. 

Je nach Ergebnis der Feststellungen kann sich eine Zahlungsverpflichtung der Rundfunkanstalten oder eine Pflicht zur unentgeltlichen Einspeisung ergeben. Im Hinblick auf die hierzu erforderlichen Feststellungen hat der Bundesgerichtshof die Urteile aufgehoben und die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen. 

Der Streit wird daher weitergehen, sofern sich keine politische Lösung im Sinne einer Ergänzung des RStV ergeben sollte, die nicht in Sicht ist. 

Vorinstanzen: 
KZR 83/13 LG Stuttgart - Urteil vom 20. März 2013 - 11 O 215/12 WuW/E DE-R 3952 
OLG Stuttgart - Urteil vom 21. November 2013 - 2 U 46/13 ZUM 2015, 63 
und KZR 3/14 
LG München I - Urteil vom 25. April 2013 - 17 HK O 16920/12 ZUM-RD 2014, 119 
OLG München Urteil vom 28. November 2013 - U 2094/13 Kart, WuW/E DE-R 4180 
Karlsruhe, den 16. Juni 2015
Quelle: Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle Nr. 096/2015 vom 16.06.2015

Folgen des Missbrauchs eines Mahnverfahrens

Es ist eine Trivialität, dass das Mahnverfahren missbraucht werden kann. Allerdings sind die Problemkonstallation nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich über einen derartigen Missbrauch zu entscheiden und hat für derartige Fälle eine praktikable Lösung entwickelt, die aber im vorliegenden Fall für die betroffenen Antragsteller - und möglicherweise auch deren Rechtsanwälte - missliche Auswirkungen hat.

Mit Urteil vom 23. Juni 2015 – AZ: XI ZR 536/14 hat der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Antragsteller in einem Mahnverfahren sich dann nicht auf die  Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids berufen kann, wenn er im Mahnverfahren bewusst und entgegen den gesetzlichen Anforderungen falsche Angaben macht. Die Problematik des Missbrauches eines Mahnverfahren kann unbeschadet des vorliegenden Sachverhaltes unter dem Aspekt des Betrugs nach § 263 StGB durchaus auch eine strafrechtliche Relevanz aufweisen. Sie ist abzugrenzen von der Problematik der Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungsbescheides, wenn ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB besteht, da hier kein Vollstreckungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ist.

Es ging um einen Fall aus dem Bereich aus dem Bereich des Anlegerschutzes im Bereich "Schrott - Immobilien". Um die Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche zu verhindern, hatten etliche Anleger insbesondere zum Jahreswechsel 2011/12 statt einer Schadensersatzklage das Mahnverfahren gewählt, weil auch die Zustellung eines Mahnbescheides nach § 204 Abs.1 Nr.3 BGB die Hemmung der Verjährung aufgrund Rechtsverfolgung auslöst, wobei auch § 167 ZPO grds. zur Anwendung kommen kann. 

2002 war die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche mit § 199 Abs.3 BGB von 30 auf zehn Jahre verkürzt worden und endete daher am 2. Januar 2012. Um hier kostengünstig eine Lösung zu schaffen, ohne auf die demächstige Zustellung einer Klage zurück zu greifen (die fast immer Risiken birgt), kreuzten die beauftragten Anwälte in den betreffenden Mahnbescheidsanträgen an, dass der Zahlungsanspruch nicht von einer "Gegenleistung" abhängen würde, obwohl dies gegen § 688 Abs.2 Nr.2 ZPO verstößt. Die Folgen eines solchen Vorgehens waren bislang nicht höchsterrichterlich geklärt, jetzt sind sie es. Da die betreffenden Anleger die gekauften Eigentumswohnungen wieder an die Bank zurückgeben müssen. war die Gegenleistung noch nicht erbracht. Die Frage ist, wie sich ein solches Vorgehen auf die  "verjährungshemmende Wirkung" eines Mahnbescheides auswirkt. 

Der Kläger im Ausgangsverfahren hatte die Commerzbank AG auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil diese ihn beim Kauf einer Eigentumswohnung im Jahr 1992 vermeintlich oder tatsächlich beraten hatte. Den Kauf hatte er über einen Kredit dieser Bank finanziert. Spätestens im Jahr 2005 erfuhr der Kläger von möglichen Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung unter dem Aspekt der Culpa in Contrahendo. Am 30. Dezember 2008 stellte er über seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, mit dem er in der Hauptsache Zahlung von "großem" Schadensersatz geltend gemacht hatte. Mit diesem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat er erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge, obwohl der für ihn handelnde Prozessbevollmächtigte wusste, dass die Beklagte "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums schuldete. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden und hat nach § 167 ZPO die Wirkung einer Zustellung "demnächst" mit der Folge der grds. Hemmung der Verjährung. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet. Nach der Auffassung des BGH kann er sich auf die Hemmung der Verjährungsfrist nicht berufen. 

Die Klage auf Leistung von "großem" Schadensersatz war bereits in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen. 

Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt.  Wer den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, muss nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Gibt der Antragsteller im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung ab, weil er "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen einen im Zusammenhang mit der Schädigung erlangten Vorteil – hier die Eigentumswohnung – verlangen kann, im Antrag aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig, wird die Verjährung zwar zunächst nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. 

Die Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes stellt in diesem Fall nach der neuen Rechtsprechung des BGH einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der mangels gesetzlicher Spezialvorschriften über die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben korrigiert wird. Ein solcher Missbrauch verwehrt es dem Antragsteller nach § 242 BGB unter dem Aspekt des widersprüchlichen Verhaltens grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids erfolgreich zu berufen. Daher ist es ihm unter solchen Umständen auch im Regefall versagt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Die Art des Schadensersatzanspruches macht insoweit keinen Unterschied. 

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH muss sich daher ein Kläger, nachdem die Verjährungsfrist ohne Zustellung des Mahnbescheids abgelaufen wäre, so behandeln lassen, als sei sein Anspruch verjährt. Der Anspruchsgegner kann sich in solchen Fällen daher erfolgreich auf die Einrede der Verjährung aus § 214 BGB berufen. 

Die Entscheidung hat erhebliche praktische Auswirkungen, weil die Möglichkeit des Einsatzes eines Mahnbescheides bei Ansprüchen, bei denen die Gegenleistung noch nicht erbracht ist, nunmehr damit sanktioniert wird, dass der Antragsgegner sich erfolgreich auf die Einrede der Verjährung beruhen kann, wenn ein "Institutsmissbrauch" erfolgt. 

OLG Karlsruhe - Urteil vom 10. Dezember 2014 - 13 U 203/12 
LG Freiburg - Urteil vom 5. Oktober 2012 - 5 O 15/11 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs Mitteilung der Pressestelle Nr. 105/2015 vom 23.06.2015

Montag, 15. Juni 2015

Entgelt für Schwarzarbeit wird auch bei Mängeln nicht zurückgezahlt

Der Bundesgerichtshof  hat mit Urteil vom 11. Juni 2015 in Sachen VII ZR 216/14 seine Rechtsprechung zur rechtlichen Bewertung von Schwarzarbeit erneut perfektioniert. 

Die umsatzsteuerrechtlichen und strafrechtlichen Risiken sind kein zentrales Thema dieses zivilrechtlichen Urteils, aber ungeachtet dessen real vorhanden. Die Fälle sind einander ähnlich: meist werden Handwerkerleistung rein netto berechnet, ohne Umsatzsteuerausweis und ohne Rechnung. Im vorliegenden Falle hatte der Werkunternehmer dem Auftraggeber eine Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis gestellt, so dass entgegen § 14 UStG ohnehin keine ordnungsgemäße Rechnung gestellt war. 

Der Bundesgerichtshof hatte bereits in Vorjahren entschieden, dass in solchen Fällen weder Mängelansprüche des Bestellers noch Zahlungsansprüche des Werkunternehmers bestehen (BGH, Urteile vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13 und vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, vgl. Pressemitteilungen vom 1. August 2013 und vom 10. April 2014). An diese Rechtsprechung knüpft die neue Entscheidung unmittelbar an. 

Der VII. Zivilsenat des BGH hat am 11. Juni 2015 entschieden, dass ein gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßénder Werkvertrag nach § 134 BGB nichtig ist. Hat ein Besteller dem Werkunternehmer bereits Werklohn gezahlt, besteht gegen den Unternehmer auch dann kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs.1 S.1 Alt.1 BGB, wenn die Werkleistung mangelhaft ist. Schwarzarbeit schließt daher nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH Mängelgewährleistungsansprüche aus. Da hilft auch keine anderslautende bauvertragliche Regelung. 

In dem vorliegenden Sachverhalt beauftragte der Kläger den Beklagten 2007 mit der Ausführung von Dachausbauarbeiten. Vereinbart wurde ein pauschaler Werklohn von 10.000 € ohne Umsatzsteuer. Der Beklagte führte die Arbeiten aus und stellte eine Rechnung ohne Steuerausweis, was bei derartigen Sachverhalten extrem selten ist. Der Kläger zahlte zwar den geforderten Betrag, forderte aber wegen baulicher Mängel bei der Ausführung der Werkleistung Rückzahlung von 8.300 €. Das Oberlandesgericht hatte der Klage insoweit stattgegeben. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung des Oberlandesgerichts allerdings - nicht unerwartet - abgeändert und die entscheidungsreife Klage nach § 563 Abs.3 ZPO abgewiesen. 

Nach der Auffassung des BGH hat der Beklagte bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, weil er mit dem Kläger, der dies ebenfalls zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, vereinbart, dass für den Werklohn keine Rechnung mit Steuerausweis gestellt und keine Umsatzsteuer gezahlt werden sollte. Strafrechtlich bewegt sich dies im Bereich der Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Dem Kläger (Besteller) steht nach der inzwischen sehr gefestigten BGH - Rechtsprechung auch kein Anspruch auf Ausgleich der Bereicherung des Beklagten (Unternehmers) zu, weil er für eine mangelhafte Leistung zu viel bezahlt hat. Ein Besteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht hat, kann von einem Unternehmer grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen nach Breicherungsrecht verlangen. Dies gilt jedoch gem. § 817 Satz 2 BGB dann nicht, wenn der Besteller bereits mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat, was hier eindeutig der Fall ist. 

Der BGH stellt insoweit auf den Gesetzesuweck des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes ab, der darin besteht Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung zu verhindern. Danach verstößt nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch bereits die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistung unter Einschluss der Zahlung des Bestellers. Der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB stehen die Grundsätze von Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht entgegen. Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift. 

Der erkennende Senat weicht insoweit von seiner Rechtsprechung ab, die noch zum Bereicherungsanspruch nach der alten Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ergangen war und inzwischen "overrult" ist  (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 – VII ZR 336/89). 

Schwarzarbeit ist heute vielfältigen rechtlichen Risiken ausgesetzt, die eine Rechtstreue erforderlich machen. 

LG Verden – Urteil vom 14. März 2014 – 8 O 3/11 
OLG Celle – Urteil vom 28. August 2014 – 6 U 49/14 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Mitteilung der Pressestelle Nr. 095/2015 vom 15.06.2015

Sonntag, 7. Juni 2015

EuGH: Beweislastverteilung beim Verbrauchsgüterkauf

Der EuGH, hat mit dem Urteil in der Rechtssache C-497/13 vom 04.06.2015, Froukje Faber / Autobedrijf Hazet Ochten BV, grundsätzliche Fragen des EU - Verbraucherkaufrechtes geklärt, die nicht nur Relevanz für die Niederlande haben werden. Das Urteil wird erhebliche Auswirkungen auch auf die AGB Praxis in Europa haben. 

Der Gerichtshof hat mit diesem Urteil die Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter geklärt und entwickelt insoweit auf der Basis der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12) ein nahezu gänzlich anderes Verständnis als die deutsche Umsetzung des einschlägigen Bereichs der Richtlinie und der BGH.  


Die Thematik ist nicht neu, da es sich um einen Gebrauchtwagenkauf handelte, bei dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens am 27. Mai 2008 bei einem Autohaus einen Gebrauchtwagen kaufte, der am 26. September 2008 während einer Fahrt Feuer fing und völlig ausbrannte. Es wurde sodann von einem Abschleppunternehmen zu dem Autohaus, das es verkauft hatte gebracht, und dann auf dessen Bitte zu einem Verschrottungsunternehmen gebracht, um dort gelagert zu werden. Die Klägerin macht geltend, dass sich die Parteien bei dieser Gelegenheit über den Brand und eine etwaige Haftung des Autohauses unterhalten hätten, was das Autohaus bestreitet. Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 forderte die Klägerin Schadensersatz von dem Autohaus. Eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands konnte nicht durchgeführt werden, da das Fahrzeug inzwischen verschrottet worden war. 


Nach dem deutschen Verständnis der europäischen Rechtsregeln in Anwendung des § 476 BGB als Umsetzungsnorm, hätte die Klägerin den Sachmangel nicht beweisen können, mag er auch binnen sechs Monaten nach seiner Entstehung angezeigt worden sein (BGH, NJW 2004, 2209; 2006, 436). Unabhängig von dieser Vermutungswirkung trägt der Käufer die volle Beweislast nach § 292 ZPO, soweit keine schuldhafte Beweisvereitelung des Verkäufers vorliegt 


Wesentlich problematischer als der BGH sah dies allerdings das Berufungsgericht in den Niederlanden,  Der mit dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren befasste Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden, Niederlande, hat
beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.



- Die Frage, ob das nationale Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Klägerin als Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 anzusehen ist, wenn sie sich nicht auf diese Eigenschaft berufen hat, was der EuGH konsequent bejaht hat. Ob der Verbraucher anwaltlich vertreten ist oder nicht, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Der BGH geht demgegenüber davon aus, dass ein Verbraucher sich auf diese Eigenschaft berufen muss und dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, NJW 2007, 2621). 



- Gleichzeitig bestätigt der Gerichtshof, dass das nationale Gericht im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie von Amts wegen prüfen kann. Diese Bestimmung sieht vor, dass bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich vermutet wird, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden. 



- Das vorlegende Gericht hat weiter die Frage gestellt, ob der Grundsatz der Effektivität einer nationalen Bestimmung entgegensteht, derzufolge der Verbraucher nachzuweisen hat, dass er den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichtet hat. Nach niederländischen Recht obliegt es bei Bestreiten des Verkäufers grundsätzlich dem Käufer, den Beweis zu erbringen, dass er den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes unterrichtet hat, und zwar binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Feststellung der Vertragswidrigkeit. Eine vergleichbare Regelung enthält das deutsche Recht nicht. 



Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 1999/442 vorsehen dürfen, dass der Verbraucher zur Inanspruchnahme seiner Rechte den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er sie festgestellt hat, unterrichten muss. Nach den Vorarbeiten für die Richtlinie trägt diese Möglichkeit dem Anliegen Rechnung, die Rechtssicherheit zu stärken, indem der Käufer zu einer „gewissen Sorgfalt unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers“ gezwungen wird, „ohne dass damit dem Verbraucher eine zwingende Verpflichtung auferlegt würde, die betreffende Sache genauestens zu prüfen“. Der EuGH damit darauf ab, dass diese Norm nicht als Rügeobliegenheit mit Untersuchungspflicht zu verstehen ist. 


Der Gerichtshof führt vielmehr aus, dass sich die dem Verbraucher obliegende Pflicht ausschließlich darauf beschränkt, den Verkäufer über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Der Verbraucher ist nach Auffassung des EuGH in diesem Stadium weder verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass eine Vertragswidrigkeit das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt, noch, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben. Den EuGH kann man insoweit so verstehen, als ob hierzu der Hinweis auf die wahrscheinliche Möglichkeit des Vorliegens eines Sachmangels ausreicht, wenn hinreichende Angaben enthalten sind, die die eine Prüfung des Sachverhaltes ermöglichen, die aber zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich sein werden. Damit wird letztlich für den Verkäufer eine Prüfpflicht auf Hinweis des Käufers statuiert, die der Richtlinie letztlich auch von der Konzeption her zugrundeliegt.  


- Entscheidend ist die Frage des vorlegenden Gerichts nach der Beweislastverteilung und insbesondere danach, welche Umstände der Verbraucher beweisen muss und welche Umstände der Unternehmer beweisen muss. Der Gerichtshof führt dazu aus, dass die Richtlinie, falls die Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird, die dem Verbraucher obliegende Beweislast erleichtert, indem vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. 



Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch das Vorliegen bestimmter Tatsachen nachweisen:



Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, weil es zum Beispiel nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur die Vertragswidrigkeit beweisen. Er muss weder ihren Grund noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Dies führt letztlich zu einem "Splitten" des Beweises hinsichtlich der Vertragswidrigkeit und des Grundes der Vertragswidrigkeit, die schwer zu trennen sind. 



Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Dafür reicht letztlich ein einfaches Anspruchsschreiben mit Zugangsnachweis im Bestreitensfall. 



Sind diese Tatsachen erwiesen, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten der Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat.



Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, gegebenenfalls den Beweis zu erbringen, dass die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes noch nicht vorlag, indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat. Der EuGH statuiert hier eine echte Beweislastumkehr, die der BGH so nicht anerkannt hat. 


Wie der BGH auf dieses neue EuGH - Urteil bei passender Gelegenheit reagieren wird, ist offen. ES liegt auf der Hand, dass diese Entscheidung nicht nur für den Gebrauchtwagenhandel von Relevanz sein wird. Offen ist auch, ob dieses Urteil zum Anlass genommen wird, § 476 BGB zu präzisieren. Jedenfalls aber wird dieses Urteil Änderungen der Rechtspraxis erzwingen, da sich Käufer bei einem Verbrauchsgüterkauf darauf berufen werden und diese Entscheidung somit ab sofort eine Rolle spielen wird. 


Quelle: Pressemitteilung des EuGH

Samstag, 6. Juni 2015

BGH: Kündigung einer atypischen stillen Gesellschaft aus wichtigem Grund

Der BGH hat mit erst kürzlich veröffentlichen Entscheidungsgründen in Sachen BGH, Urt. v. 03.02.2015, AZ: II ZR 335/13, eine interessante Entscheidung für die Folgen der Kündigung einer stillen Gesellschaft aus wichtigem Grund und deren Folgen für die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung getroffen. 

Der gesetzliche Grundtypus der stillen Gesellschaft ist in §§ 230 ff HGB für die typische stille Gesellschaft geregelt, die aber in der Praxis eher selten ist, weil maßgeblich atypische Gestaltungen vorherrschen (vornehmlich aus steuerlichen Gründen mit Blick auf die Mitunmternehmerschaft), bei denen es auf einen möglichst detaillierten Gesellschaftsvertrag ankommt. 

Stille Gesellschaften kommen häufig - nicht zuletzt in Verbindung mit Treuhandkonstruktionen - zur Anwendung, um Kredite abzusichern und/oder um Kontrollmöglichkeiten bei mittelbaren Beteiligungen zu schaffen. Sehr verbreitet ist etwa die "GmbH & Still", bei der die maßgeblichen Entscheidungen in den Beschlussorganen der stillen Gesellschaft getroffen werden, weil der Stille schuldrechtlich am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, ohne im Handelsregister in der Gesellschaftliste - etwa aus Diskretionsgründen - zu erscheinen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass im Rahmen der kommenden Vierten EU - Geldwäscherichtlinie ein Register für mittelbare Beteiligungen geschaffen werden soll, wobei der Beratungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Im Zentrum steht fast immer eine Beteiligung, die in der Regel auch zur Beteiligung an Gewinn - und Verlust im Sinne einer echten Mitunternehmerschaft führt. 

Wie der BGH deutlich macht, führen - wegen § 723 Abs.1 BGB vertraglich unabdingbare - Kündigungen von stillen Gesellschaften aus wichtigem Grund zu deren Auflösung und zur Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der stillen Gesellschaft unter Einschluss der Beteiligung an dem betreffenden Handelsgeschäft. 
Die wechselseitigen Ansprüche werden dabei - wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - grundsätzlich zu unselbstständigen Rechnungsposten im Rahmen einer Gesamtabrechnung. Vor Beendigung der Auseinandersetzung können sie nur ausnahmsweise geltend gemacht werden. Dies gilt etwa in Fällen, wenn  durch eine solche Geltundmachung vor Abschluss der Auseinandersetzung das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ganz oder teilweise in zulässiger Weise vorweggenommen wird. Verboten sind Hin- und Herzahlungen. 

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger sich mit einer Einlage von 165.000 € an einem vom Beklagten geführten Fitnessstudio zu 27,5 atypisch beteiligt, so dass eine Beteiligung an Gewinn und Verlust in Abweichung von § 230 Abs.2 HGB vereinbart war. Der Kläger arbeitete dort auch persönlich und betrieb unter der gleichen Anschrift in getrennten Räumlichkeiten eine Praxis für Physiotherapie mit Angestellten, die unter anderem auch Kurse in dem betreffenden Fitnessstudio durchführten. Das Fitnessstudio wurde auch für Zwecke der Physiotherapiepraxis genutzt. Derartige Konstruktionen sollten klar geregelt werden, wobei Dienstleistungen grds. einlagefähig sind, aber über die Bewertung oft Streit entsteht.  

Der betreffende Gesellschaftsvertrag der Parteien aus dem Jahr 2005 sieht vor, dass die Gewinnermittlung nach dem jährlich gemäß den Gewinnvorschriften des EStG aufzustellenden Jahresabschlusses erfolgen sollte, wobei Kläger und Beklagter jährlich Anspruch auf eine monatliche Vorabgewinnzuweisung i.H.v. 3.100 € hatten im Sinne eines Entnahmerechtes. Wie oftmals üblich sah der Gesellschaftsvertrag ein "Drei-Konten-Modell" vor: Einlagen- und Verlustkonto sowie eine (zu verzinsenden) Privatkonto, auf das der Gewinnanteil des Klägers zu buchen war. Stichtag für den Beginn der Gesellschaft war der Juli 2005. Der Gesellschaftsvertrag für die Stille Gesellschaft war unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung auf zehn Jahre geschlossen. In solchen Fällen bleibt zwecks vorzeitiger Auflösung nur die außerordentliche  Kündigung aus wichtigem Grund, in Orientierung an §§ 133 HGB, 723 BGB.  

Zwischen den Parteien kam es zu einem Streit, weil - scheinbar aufgrund mangelnder vertraglicher Regelungen des notariell hier nicht formbedürftigen Gesellschaftsvertrages - keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte, wie die durch Angestellte der Physiotherapiepraxis in dem Fitnessstudio erbrachten Arbeitsleistungen bei der Gewinnermittlung für die Jahre 2005 bis 2009 zu berücksichtigen und zu bewerten waren. Sehr viele gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen kreisen um Bewertungsfragen. 

Im Verlauf des Streites kündigte der Kläger den Vertrag über die stille Gesellschaft im Juni 2010 kündigte aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos. Als wichtigen Grund sah er an, dass er den Beklagten zuvor erfolglos auf Zahlung des von ihm errechneten Gewinnanteils für die vergangenen Jahre in Anspruch genommen hatte. Ein solcher wichtiger Grund setzt unter Einbeziehung der persönlichen Vertrauensbeziehungen zwischen den Parteien nach umfassender Interessenabwägung voraus, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den kündigenden Teil unzumutbar ist (BGH, BB 1980, 958).

Das LG gab der Klage zu einem Teil der Forderung statt und das OLG gab der Klage im Wesentlichen statt (109.533 € statt der zuletzt eingeklagten 127.366 €). Allerdings hat der BGH das Berufungsurteil bereits deshalb aufgehoben, weil beide Gerichte sich mit dem Bestehen oder Nichtbestehen eines wichtigen Grundes nicht näher auseinandergesetzt hatten, was verwunderlich ist. Daraus resultierte eine Zurückverweisung aufgrund eines schwerwiegenden Begründungsmangels als Rechtsfehler.  

Den Ausführungen des OLG konnte nicht entnommen werden, dass es ein wichtiger Grund für die Kündigung unproblematisch bestand. Gegen einen wichtigen Grund sprach aus der Sicht des BGH, dass es für den Beklagten auf die Berücksichtigung eines möglicherweise überschießenden Betrages von Leistungen der Praxis für Physiotherapie ankam, der zu einer Verringerung des Gewinnanteils des Klägers führen könnte, so dass auch die Auseinandersetzung fehlerhaft durchgeführt worden war. DEr BGH hielt es für offen, ob und in welcher Höhe sich unter Berücksichtigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und der Einlage auf der Grundlage der noch zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz ein Auseinandersetzungsguthaben in welcher Höhe ergeben würde. Unklar blieb, wie die wechselseitig erbrachten Leistungen zu bewerten waren, deren Bewertung aber die Grundlage des wichtigen Grundes für die Kündigung bildete. Letztlich wurde hier bereits die Auseinandersetzung in den Kündigungsgrund "gezogen". Die entsprechenden Forderungen müssen in die Auseinandersetzungsrechnung als unselbstständige Rechnungsposten richtig bewertet eingestellt werden, was hier unterblieben ist.

Die völlig nachvollziehbare Entscheidung beleuchtet einen wichtigen Bereich des Rechts der atypischen stillen Gesellschaft, deren Verträge sorgfältig bedacht werden sollten, um Streitigkeiten dieser Art möglichst im Vorfeld vermeidbar zu machen. 

Quelle: http://www.bundesgerichtshof.de/cln_136/DE/Entscheidungen/entscheidungen_node.html