BGH, AZ: I ZR 34/12, Versäumnisurteil vom 17.07.2013 (Fantasierollenspiel)
Nachdem sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht als Vorinstanzen der Auffassung waren, dass mit dem Slogan "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‘Etwas`" legal geworben werden darf, vertritt jetzt der BGH in einem ersten Versäumnisurteil in der Revisionsinstanz eine gegenteilige Auffassung, die nicht so überraschend ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wenn man die Debatten der letzten drei Jahre verfolgt hat. Das Versäumnisurteil hat folgenden Inhalt:
"Versäumnisurteil:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. Januar 2012 aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2010 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen im Rahmen des Online-Spiels "Runes of Magic" mit der Aufforderung "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‘Etwas‘ " für den kostenpflichtigen Erwerb von Spielgegenständen zu werben oder werben zu lassen;
2. an den Kläger 100 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar."
Diesem Versäumnisurteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte betreibt im Internet ein Fantasierollenspiel. Die für die Spielteilnahme erforderliche Software steht zum kostenlosen Download bereit. Bei fast allen Browsergames ist die Basisversion kostenfrei erwerbbar und spielbar. Die Ausstattung der Spielcharaktere kann aber durch virtuelle Gegenstände - sog. Items - erweitert werden, die entgeltlich erworben und unter anderem per Kreditkarte auf Guthabenbasis oder per SMS bezahlt werden können. Dies schafft einen Anreiz die Spieltechniken auszuprobieren, die nicht kostenfrei zur Verfügung stehen. Die Beklagte warb für die Produkte unter anderem mit der Aussage „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘“.
Ein solcher Slogan ist in diesem Bereich weder ungewöhnlich noch sonderlich aufällig, führte aber im Herbst 2010 zu einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung des Bundesverbandes der Verbraucherschutzzentralen, nachdem etwa zeitgleich eine Debatte über das Thema "Games und Jugendschutz" zunehmend intensiver geführt wurde. Infolgedessen ist diese Abmahnung nicht völlig überraschend gewesen. Im Rahmen dieser Werbung waren die unterstrichenen Wörter „Deinen Charakter aufzuwerten“ angegeben, die mittels eines elektronischen Verweises mit einer Internetseite verlinkt waren, auf der die Beklagte im Einzelnen dargestellte „Zubehörartikel“ zu herabgesetzten Preisen zum Kauf anbot.
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, hat dies als wettbewerbswidrig beanstandet, weil die Werbung eine unzulässige direkte Aufforderung zum Kauf bestimmter Waren enthalte und Kinder anspreche. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung durch Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Die Werbung der Beklagten stelle lediglich eine mittelbare, nicht unter den Tatbestand der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG fallende Kaufaufforderung dar. Die angegriffene Aussage „Schnapp Dir…“ erfülle auch in Verbindung mit den verlinkten Produktangaben nicht die Voraussetzungen einer unmittelbaren Aufforderung an Kinder zum Erwerb einer beworbenen Ware. Die Werbung der Beklagten verstoße auch nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG, weil der Kaufappell nicht unmittelbar in die Werbung integriert worden war.
Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass mit der Spielteilnahme der Spieltrieb von Kindern angesprochen werde, qualifiziere die Werbung nicht schon als unangemessen unsachlich beeinflussend, selbst wenn sie den Eindruck erwecke, dass der Erwerb der angepriesenen Ausrüstungsgegenstände für das Spiel entweder erforderlich oder aber nützlich sei. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter und wird in der Sache voraussichtlich obsiegen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Entscheidungen eine Aufwertung von Jugendschutzgesichtspunkten unter lauterkeitsrechtlichen Vorzeichen zugrunde liegt, die einem deutlichen Trend der letzten Jahre entspricht.
Der BGH hat hier auf die Revision des Klägers den Beschluss des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. Januar 2012 aufgehoben (KG Berlin – Urteil vom 31. Januar 2012 – 24 U 139/10), das wiederum durch Zurückweisungsbeschluss das Urteil des LG Berlin in dieser Sache bestätigt hatte ( LG Berlin – Urteil vom 29. Juni 2010 – 16 O 438/09).
Das der BGH nach Einspruch gegen ein solches Versäumnisurteil seine Auffassung noch einmal ändern würde, ist eher unwahrscheinlich. Das Urteil trifft die Werbepraxis einer ganzen Branche und dürfte auch Auswirkungen auf die Werbung im mobilen Bereich für Apps haben.
Allerdings muss man hier deutlich abschichten, ob dieses Verdikt generell bei Verwendung einer "Du - Adressierung" gilt oder aber es in einem werblichen Kontext geschehen muss, der sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche richtet. Der vorliegende Sachverhalt beruht wohl aufgrund des beworbenen Spieles auf einer direkt an Kinder adressierten Werbung, so dass der Tenor auch nur auf einen solchen Sachverhalt bezogen werden kann und nicht ohne weiteres generalisiert werden darf. Es geht daher um unmittelbare Kaufaufforderungen an Kinder und Jugendliche. Dies führt für die Werbepraxis unter Umständen zu schwierigen Anpassungen.
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