Dienstag, 1. Juni 2010

Mediation als alternatives Streitschlichtungsmodell

Eine Rezension zu: 

Klaus J. Hopt/Felix Steffek

Mediation

Rechtstatsachen - Rechtsvergleich - Regelungen

Erstauflage

Tübingen: Mohr - Siebeck, 2009, 1175 S

ISBN 978-3-16-149797-1


Mediation ist inzwischen weltweit als Alternative einerseits zu staatlichen gerichtlichen Verfahren als auch zu zu Schiedsgerichten anerkannt. Inzwischen wird auch versucht, Mediationsverfahren in Gerichtsverfahren zu integrieren.  In den USA werden etwa 50 % aller Konflikte durch Mediationen beigelegt, was aber natürlich einen Einigungswillen der Parteien voraussetzt, der leider oftmals fehlt.Auch in Europa ist die Mediation auf dem Vormarsch, möglicherweise auch als Ausdruck eines gestiegenen Willens zur Streitvermeidung und alternativen Konfliktbewältigung jenseits staatlicher Institutionen.

Die in Österreich, aber noch nicht in Deutschland umgesetzte Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelsssachen vom 21.05.2008 ist Ausdruck der gestiegenen Bedeutung derartiger Streitschlichtungsmöglichkeiten, die eine positive Privatisierung der Konfliktbewältung beeinhalten. Ein ausführliches Gesetz über Mediation fehlt in Deutschland, sieht man von Ansätzen im Rechtsdienstleistungsgesetz und dem anwaltlichen Berufsrecht einmal ab. Die Frage ist aber auch, ob man ein derart flexibles und vielfältiges Modell überhaupt inhaltlich gesetzlich regeln sollte und nicht eher nur flankieren sollte. Die besagte Richtlinie betrifft keine rein nationalen Sachverhalte, sondern regelt nach Art. 1 Abs.2, 2 ausschließlich grenzüberschreitende Mediationen für bestimmte Rechtsbereiche. Die Richtlinie ist vergleichsweise kurz und enthält kaum inhaltliche Steuerungen, sieht aber sinnvollerweise vor, dass sicher zu stellen ist, dass die ggf. erzielten Gütevereinbarungen vollstreckbar gemacht werden. Den Mitgliedsstaaten wird hinsichtlich der Umsetzung ein größtenteils breiter Gestaltungsspielraum gelassen, der zu sehr unterschiedlichen nationalen Gestaltungen führen kann.

Ein Gesetz über Mediationsverfahren ist auch für Deutschland geplant. Zur Vorbereitung dieses Gesetzes und der Umsetzung der Richtlinie hatte die Bundesregierung 2007 beim Max - Planck - Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ein rechtvergleichendes Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis nebst Materialien in diesem ungemein interessanten Band dokumentiert sind.

Im Teil I werden Grundlagenfragen behandelt, also etwa geklärt, was eine Mediation ist, welche Regelungsmodelle existieren und welche Grundsatzprobleme sich ergeben. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich Mediationen keineswegs nur auf den juristischen Bereich beschränken, sondern generell als durchaus unterschiedlich ansetzende Modelle der Konfliktbewältigung entwickelt wurden, deren Zusammenhang mit der Psychologie und anderen Disziplinen auf der Hand liegt.

Hopt fasst den Begriff überzeugend wie folgt: “Mediation ist ein auf Freiwilligkeit der Parteien beruhendes Verfahren, bei dem ein Vermittler ohne Entscheidungsgewalt die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen”. Mediation hat insoweit auch viel mit der Wiederherstellung sytematisch verzerrter Verständigungsverhältnisse zu tun und kann einem Mediator erhebliches “diplomatisches” Geschick abverlangen. Ohnehin ist es international sehr umstritten - und es wird uneinheitlich gehandhabt -, ob ein Mediator überhaupt eine rechtliche Stellungnahme abgeben soll und darf. Ähnlich unterschiedlich wird die Rolle des Mediators gesehen, deren Bandbreite von einer Nichtregulation bis zum “Zulassungsmodell” reicht. Zwischen einem Verständnis des Mediators als “Coach” und einem souveränen Streitschlichter finden sich eine Unzahl von Modellen mit zahlreichen Varianten.

Der Teil II stellt den Rechtsrahmen für Mediationen in einigen ausgewählten EU - Staaten vor und zwar je für Österreich, Frankreich, England und den Niederlanden. Die Darstellung über Österreich macht deutlich, dass dort die strikteste Regulation der Mediation in Europa besteht, zumal eine enge Einbindung in gerichtliche Verfahren erfolgt. Auf der Basis anderer Regelungen ist dies der Situation in Frankreich mit gewissen Abstrichen vergleichbar. Weniger stark reguliert, aber deutllich nachgefragt wird die Mediation in den Niederlanden. Generell zeigt sich, dass der Siegeszug der Mediation im Familienrecht begann und möglicherweise die Schiedsgerichtsbarkeit auch in Materien wie dem internationalen Handelsrecht verdrängen könnte.

Teil III geht auf die Situation in Japan und den USA eingehend ein, wobei man sich darüber klar sein muss, dass jedes rechtliche Verständnis von Mediation auf eine Rezipierung der US - amerikanischen Vorbilder beruht, die hier einem interessanten Überblick dargestellt werden.

Teil IV enthält Übersichten über die Situation der Mediation in Australien, Bulgarien, China, Irland, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Schweiz, Spanien und Ungarn. 

Sieht man sich den Beitrag zu Spanien exemplarisch an, zeigt sich die gesamte Bandbreite der Streitig rund um das Verständnis der Mediation. Nach spanischem Rechtsverständnis überwiegt die Einschätzung, dass ein Mediator in keinem Falle einen eigenen Lösungsvorschlag vorlegen darf, sondern die Parteien letztlich dazu “coachen” soll, eine eigenständige Lösung zu finden, auch wenn der Zusammenhang zwischen Coaching und Mediation derzeit noch zu wenig gesehen wird. Es handelt sich dabei um die unter Umständen sehr komplexe Analyse und Moderation eines Kommunikationsprozesses, der in verschiedenen Phasen abläuft und selbstredend auch in einer Nichteinigung enden kann, die dazu führt, dass der Mediator als Anwalt, die einseitige Interessen der Teilnahmer danach nicht vertreten darf. Eine “transacción” als “Win-Win-Lösung” ist etwa im Erbrecht allemal sinnvoller als ein jahrelanger Prozess mit ungewissem Ausgang, gerade wenn internationalprivatrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Richtig ist etwa, dass während einer Mediation offenbarte Tatsachen in einem nachfolgenden Prozess, einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Auch in Spanien deutet das Interesse an Mediation auf eine deutliche Besinnung auf privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Gerede von einer "Privatisierung der Justiz" trifft nicht den grundsätzlichen Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, die jeder richterlichen Entscheidung letztlich zu eigen ist. Dieses Thema wird aus der Perspektive von “Law and Economics” im letzten Beitrag des Bandes diskutiert, der die Bedeutung der Privatautonomie auch unter dem Aspekt der “sozialen Kosten” einer gelungenen Privatisierung thematisiert. Ohnehin kann kein Verfahrensrecht etwaige Schwächen des materiellen Rechtsvöllig kompensieren, was auch für die Mediation gilt. Der Anhang enthält eine breite Dokumentation der internationalen Rechtsgrundlagen.

Dieser Band dürfte das Umfassendste sein, was aus primär juristischer Sicht in deutscher Sprache über die Mediation in internationalen Kontexten je veröffentlicht worden ist und ist eine Informationsquelle ersten Ranges, die der Gesetzgeber bei den Vorbereitungen des Mediationsgesetzes für Deutschland hoffentlich angemessen berücksichtigt.

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