Donnerstag, 26. November 2015

BGH: Haftung von Access-Providern und Netzsperren

Mit den Urteilen vom 26. November 2015 - AZ: I ZR 3/14 und I ZR 174/14 - hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in zwei Verfahren über die Haftung von Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider), für Urheberrechtsverletzungen Dritter entschieden. Access-Provider ermöglichen Nutzern den Zugang zum Internet, etwa in Form eines Festnetzanschlusses mit DSL oder über mobile Telekommunikation. Ein Access-Provider ist nach § 8 Abs.1 TMG (entsprechend Art.12 Abs.1 und 2 der E-Commerce-RL) für fremde Inhalte, die ein Diensteanbieter übermittelt oder zu denen er den Zugang vermittelt, nicht verantwortlich, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst hat, er den Adressaten der übermittelten Botschaft nicht ausgewählt hat und er die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Über die Haftung der Access - Provider wird seit Jahren zwischen den Rechteverwerten im Musik- und Filmbereich und den Telekommunikationsunternehmen heftig gestritten. Nunmehr hat der BGH hierzu in zwei Verfahren Grundsatzurteile gefällt. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 3/14 ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt für Komponisten, Textdichter und Musikverleger urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu einer bestimmten Webseite über die nach Darstellung der Klägerin auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden konnte, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die zuvor bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden waren. 

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte. Sie macht geltend, die Beklagte habe derartige Rechtsverletzungen als Access - Provider zu unterbinden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen. 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. 

Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 174/14 sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to". Nach Darstellung der Klägerinnen konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gemäß § 85 UrhG. 

Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen in beiden Verfahren zwar zurückgewiesen, aber Hinweise gegeben unter welchen Voraussetzungen eine Haftung von Access - Providern auf Unterlassung in Betracht kommt und zwar mit Netzsperren als letztem Mittel. Damit wird eine Debatte über den Sinn und Unsinn von - sicherlich umgehbaren - Netzsperren wieder belebt, die seit gut 15 Jahren geführt wurde, aber in den letzten Jahren etwas leiser geworden war. Hierzu hat die Süddeutsche Zeitung eine interessante erste Stellungnahme veröffentlicht.  

Letztlich kann nur auf der Basis der Urteilsgründe eine Auseinandersetzung darüber geführt werden, ob diese Entscheidungen die gesetzlichen Privilegien der Access - Provider nicht zumindest in bedenklicher Art und Weise einschränken. Jedenfalls lässt sich der Pressemitteilung entnehmen, dass 
Telekommunikationsunternehmen, die Dritten den Zugang zum Internet bereitstellen, von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer darauf in Anspruch genommen werden können, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Damit entfernt sich der BGH erheblich von der Gesetzeslage. Im Ergebnis führt dies dazu, dass dem Zugangsvermittler die Haftung für Inhalte auferlegt wird, auf deren Gestaltung er zu keinem Zeitpunkt je Einfluss nehmen konnte. Im Ergebnis kann dies auf eine proaktive Filterung von Inhalten hinauslaufen, die eine privatrechtlich angeordnete Zensur zur Folge haben. Bereits an der Mitstörereigenschaft der Access - Provider bestehen hinsichtlich einer irgendwie kausalen Mitwirkung an den Gestaltungen deutliche Zweifel. Im Wortlaut:

"Als Störer haftet bei der Verletzung absoluter Rechte (etwa des Urheberrechts oder eines Leistungsschutzrechts) auf Unterlassung, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. 

Das deutsche Recht ist vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft richtlinienkonform auszulegen und muss deshalb eine Möglichkeit vorsehen, gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen. In der Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten liegt ein adäquat-kausaler Tatbeitrag der Telekommunikationsunternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to". In die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung sind die betroffenen unionsrechtlichen und nationalen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer einzubeziehen. 

Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internet bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren. 

Eine Störerhaftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. 

Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. 

An dieser Voraussetzung fehlt es in beiden heute entschiedenen Fällen. Im Verfahren I ZR 3/14 hat die Klägerin gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" eine einstweilige Verfügung erwirkt, die unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwies. Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, durfte sich die Klägerin nicht zufriedengeben, sondern hätte weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen. 

Im Verfahren I ZR 174/14 ist die Klage abgewiesen worden, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung "goldesel" vorgegangen sind. Dessen Inanspruchnahme ist unterblieben, weil dem Vortrag der Klägerinnen zufolge dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht entnommen werden konnte. Die Klägerinnen haben nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen zu haben". 

Die Entscheidungen ermöglichen zwar letztlich einen Unterlassungsanspruch gegen die Access-Provider, bürden den Anspruchstellern aber erhebliche Dokumentationslasten hinsichtlich unternommener Anstrengungen der Täteridentifikation auf, deren Art und Umfang die nächste Entwicklungsstufe dieser Auseinandersetzungen darstellen werden, unbeschadet der Rechtsfrage, ob die Haftung der Access - Provider hier nicht überdehnt wird, wofür gute Gründe sprechen.  


LG Hamburg - Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08
OLG Hamburg - Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10
BGH, I ZR 174/14Haftung des Accessproviders
LG Köln - Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10
OLG Köln - Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11
BGH, I ZR 3/14
Quelle: Pressemitteilung des BGH
Karlsruhe, den 26. November 2015

Mittwoch, 25. November 2015

BGH zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur

Die Romanfigur "Pippi Langstrumpf" hat die deutschen Gerichte bereits öfter beschäftigt. Bereits mit Urteil vom 17.03.2013 hatte der BGH in der Entscheidung "Pippi - Langstrumpf - Kostüm I" einen auf eine Urheberrechtsverletzung gestützten Schadensersatzanspruch aus § 97 UrhG wegen einer Verwendung einer der Romanfigur möglicherweise ähnlichen Figur zu Werbezwecken in einer bekannten Supermarktkette aus Köln am Rhein für Karnevalskostüme abgelehnt. 

Die Entscheidung ist bereits deshalb interessant, weil der BGH in dieser Entscheidung dezidiert zu den internationalprivatrechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Nutzungsrechtsüberlassungsvertrag Stellung nimmt, dessen Voraussetzungen hier nach schwedischem Recht bejaht worden war, so dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Darüber hinaus nimmt der BGH einen grundsätzlichen isolierten Schutz dieser Romanfigur in urheberrechtlicher Hinsicht an, wobei die Reichweite aber problematisch werden könnte: 

"Dieser Schutz einer fiktiven Person kann auch unabhängig vom konkreten Beziehungsgeflecht und dem Handlungsrahmen bestehen, wie sie in der Fabel des Romans ihren Ausdruck gefunden haben. Zwar gewinnen die in einer Erzählung handelnden Personen ihr charakteristisches Gepräge zumeist erst durch ihre Handlungen und Interaktion mit anderen dargestellten Personen. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass sich die darin zum Ausdruck gelangende Persönlichkeit verselbständigt, wenn ihre typischen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen in variierenden Handlungs- und Beziehungszusammenhängen – insbesondere bei Fortsetzungsgeschichten – regelmäßig wiederkehren.Voraussetzung für den isolierten Schutz eines fiktiven Charakters ist es demnach, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Allein die Beschreibung der äußeren Gestalt einer handelnden Figur oder ihres Erscheinungsbildes wird dafür in aller Regel nicht genügen".

In der ersten Entscheidung lehnte der BGH aber einen Schadensersatzanspruch wegen einer - im Ergebnis - freien Bearbeitung ab, weil der Abstand zwischen der Romanfigur und der Werbefigur letztlich zu groß war und die Übereinstimmungen zu gering waren. 

Nachdem dieser Versuch gescheitert war, versuchte es die Klägerin unter dem Aspekt des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes vor dem OLG Köln erneut, nachdem der BGH den revionsrechtlichen Hinweis erteil hatte, dass das OLG Köln den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz nicht geprüft hatte und die Sache daher an das OLG zurückverwiesen hatte. 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in der Entscheidung "Pippi-Langstrump-Kostüm II" über die interessante Frage zu entscheiden, ob eine bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm nach §§ 4 Nr.9, 3 UWG geschützt ist. Es handelt sich um den gleichen Rechtsstreit wie in dem erstgenannten revisionsrechtlichen Verfahren, da gegen das zweite Urteil des OLG Köln wiederum Revision eingelegt worden war. 

Es handelte sich um die gleiche Beklagte wie im erstgenannten Rechtsstreit. Diese Beklagte hatte um für ihre Karnevalskostüme zu werben in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren, verwendet. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die nach dem ersten Urteil des BGH in dieser Sache berechtigt für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte zwar antragsgemäß verurteilt, jedoch blieb die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten erfolglos. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2013).

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG ergebe.

Zwar geht der BGH nunmehr auch lauterkeitsrechtlich davon aus, dass die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren darstellt. Hierzu müssen allerdings besondere Umstände hinzutreten, die ein solches Verhalten unlauter erscheinen lassen. Das Vorliegen dieser Einschränkung hat der BGH verneint. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf, so dass ein Anspruch aus 4 Nr. 9 UWG ausscheidet. 

Zwar geht der BGH jetzt davon aus, dass auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen kann. Er verneint indessen eine Nachahmung, an die strenge Anforderungen gestellt werden: "An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt".

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt.

Sodann gibt der BGH der Klägerin noch einige interessante Hinweise auf Weg, wobei die Situation im Markenregister allerdings etwas kompliziert erscheint: "Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen".

Beide Urteile sind insbesondere für Gestaltungen in der Werbebranche von Interesse, da insoweit Spielräume eröffnet werden, die aber jeweils eine Art "Gratwanderung" darstellen.


Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 10. August 2011 - 28 O 117/11
OLG Köln - Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 U 176/11
BGH - Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I
OLG Köln - Urteil vom 20. Juni 2014 - 6 U 176/11
Urteil vom 19.November 2015 - I ZR 149/14 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II 

Quelle: Pressemitteilung des BGH
Karlsruhe, den 19. November 2015

Dienstag, 10. November 2015

EuGH zu audiovisuellen Mediendiensten

Das interessante Urteil in der Rechtssache C-347/14 New Media Online GmbH / Bundeskommunikationssenat betrifft eine aufsichtsrechtliche Fallgestaltung, die aber für Mediendienste von europaweiter Bedeutung ist und zwar mit Blick auf bestehende Anzeigepflichten bei der Medienaufsicht und deren Reichweite. . 

Die New Media Online, eine Gesellschaft mit Sitz in Innsbruck (Österreich), betreibt die lesenswerte Online-Zeitung „Tiroler Tageszeitung Online“ (www.tt.com). Diese Website enthält hauptsächlich Presseartikel. Allerdings sollte in Zeiten der Medienkonvergenz auch gesehen werden, dass im Internet vorgehaltene Presseartikel ideal mit Videocontents ergänzt werden können, wobei es sich durchaus auch umgekehrt verhalten kann. Im maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2012  führte ein Link mit der Bezeichnung „Video“ auf eine Subdomain der Tiroler Tageszeitung Online, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos angesehen werden konnten.

Die betreffenden Videos wiesen durchaus unterschiedliche Längen auf (30 Sekunden bis mehrere Minuten) und betrafen unterschiedliche Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern  im Sinne von User - Generated - Content. Nur wenige Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Zeitung. Ferner wurde ein Teil der Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, produziert und war auch auf dessen Website zugänglich. Der eine oder andere Leser wird sich jetzt fragen, wo das medienaufsichtsrechtliche Problem liegt. Dazu ist ein kurzer Blick auf das Medienaufsichtsrecht in Österreich zu werfen. 

Die für die Medienaufsicht zuständige Behörde ist die Kommunikationsbehörde Austria (kurz: KommAustria). Sie wurde im Jahr 2001 gegründet und ist die Rechtsaufsichtsbehörde über den Österreichischen Rundfunk. Die operativen Aufgaben werden überwiegend von der Geschäftsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) als einem beliehenen Unternehmen wahrgenommen. Diese Geschäftsstelle teilt sich die KommAustria mit der für die Regulierung der Telekommunikationsnetze und -dienste zuständigen Telekom-Control-Kommission (TKK) sowie der für die Postregulierung zuständigen Post-Control-Kommission (PCK). Das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (früher Privatfernsehgesetz) setzt die Audiovisuelle Mediendiensterichtlinie (EU-AVMD-RL) um und erweitert die Inhaltskontrolle über Rundfunkprogramme auf audiovisuelle Mediendienste im Internet, für deren Aufsicht die KommAustria zuständig ist. Mediendienste auf Abruf unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht nach § 9 des Gesetzes, die von der einschlägigen EU-Richtlinie nicht vollständig harmonisiert worden sind. 

Nach Ansicht der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) stellt die fragliche Subdomain „Video“ einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf dar, der in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen einer Anzeigepflicht unterliegt. Eine solche Anzeige war hier nicht erfolgt. Der Bundeskommunikationssenat (die zuständige österreichische Behörde für Berufungen gegen Entscheidungen der KommAustria) bestätigte diese Beurteilung. New Media Online wandte sich daraufhin an den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die u. a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen. In der Richtlinie sind Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen. Der Begriff des audiovisuellen Mediendienstes war bislang nicht vollständig geklärt. 

Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt. Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen Dies ist der Fall, wenn dieses Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist und dahinter in seiner Bedeutung zusteht. Daran kann man angesichts einer Subdomain deutlich zweifeln, aber der EuGH sah das anders.   

Mit der eingangs genannten Entscheidung vertritt der Gerichtshof erstens, dass der Begriff „Sendung“ im inne der Richtlinie die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst. Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, "dass die Dauer der Videos unerheblich ist und sich die Art und Weise, wie die in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, nicht von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. Zudem treten Videos wie die in Rede stehenden in  Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten sowie zu Musikkanälen, Sportkanälen und Unterhaltungssendungen. Die Richtlinie zielt aber gerade darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf wie die fragliche Videosammlung dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können".  

Der Gerichtshof antwortet zweitens, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des Verwaltungsgerichtshofs und kann vom EuGH nicht vorgenommen werden. Der EuGH gibt dem Gerichtshof aber deutliche Hinweise, wie er sich die Rechtslage auch insoweit vorstellt. 



Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die elektronische Ausgabe einer Zeitung trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten ist, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen. Im umgekehrten Fall handelt es sich sicher um einen audiovisuellen Abrufdienst. 

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass ein audiovisueller Dienst nicht immer und schon dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. 

"Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird. Im vorliegenden Fall scheinen nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt gewesen zu sein. Auch ist offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit von New Media Online eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von New Media Online angebotenen Diensten unterscheidet. Diese Beurteilung ist jedoch Sache des Verwaltungsgerichtshofs". 

In diesem Bereich operierende Dienste - auch über mobile Telekommunikation werden diese Anzeigepflicht intensiver zu berücksichtigen haben. Letztlich werden damit die Anzeigepflichten ausgeweitet.  


Sonntag, 8. November 2015

Werbung für den Erwerb von Werken ohne urheberrechtliche Zustimmung

Mit den drei Urteilen vom 5. November 2015 zu den Aktenzeichen I ZR 91/11, I ZR 76/11, I ZR 88/13 hat I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof erneut entschieden, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten. 

Der Senat setzt damit seine langjährige Rechtsprechung zu einem weiten Verständnis des "Anbietens" im Rahmen des Verbreitungsrechts nach § 17 UrhG fort. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung beginnt die Verbreitung mit den Vorbereitungshandlungen, mit welchen das Werkoriginal in Prospekten, Rundschreibe und Werbeanzeigen oder sonstigen Werbemittel angeboten wird (BGH, GRUR 1981, 360, 362 - Erscheinen von Tonträgern; BGH, GRUR 1991, 316 - Einzelangebot; KG, GRUR 1983, 174 - Videoraubkassetten), wobei das bloße Angebot hinreichend ist (Übersicht bei Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., 2015, § 17 Rn. 11).. 

Das Anbieten ist eine eigenständige Verbreitungshandlung, die im Inland auch dann realisiert wird, wenn dort das Angebot nur beworben wird, um den Gegenstand im Ausland erwerben zu können. Der BGH hatte bereits in der Entscheidung BGH, GRUR 2007, 871 - Wagenfeld - Leuchte I entschieden, das die Werbung für eine nach § 2 Abs.1 Nr.4 UrhG in Deutschland geschützte Wagenfeld - Lampe rechtswidrig ist, wenn diese Lampe als Nachbau ohne Autorisierung der Rechteinhaber in Italien nach dortigem Recht zulässigerweise hergestellt wird. Danach ist jedes Angebot im Inland nach dem dortigen Recht zu beurteilen (OLG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2006, 43,45). 

Sofern ein solcher Vertrieb im Ausland rechtmäßig erfolgen kann, müsste daher die Werbung entsprechend auf dieses Territorium beschränkt werden, was in Zeiten des weltweiten Werbeabrufes durch Internetmedien nicht ganz einfach ist. Infolgedessen waren solche Werbeaktion bereits zuvor kritisch zu beurteilen. Die beiden ersten der entschiedenen Fälle betrafen eine solche Konstellation. Das Verlangen nach Unterlassung in derartigen Fällen hat selbstverständlich eine faktische Vertriebsbeschränkung, wenn nicht gar ein faktisches Vertriebsverbot wirtschaftlich zum Ziel. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt). Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. 

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit ihrer Werbung das Recht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 

Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. 

Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten greife in das Recht des Urhebers zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. 

Etwas anders gelagert ist der dritte Fall, der das Musikvertriebsrecht für "Bootlegs" - insbesondere nach § 96 UrhG - betrifft und zeigt, wie ein ausübender Künstler in diesem Bereich selbst aktiv werden kann. Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30. November 2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war von dem ausführenden Künstler Al Di Meola - einem weltweit bekannten Jazzvirtuosen -  nicht autorisiert worden (sog. Schwarzpressung). Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers aus abgetretenem Recht wegen Verletzung der Rechte aus §§ 73 ff UrhG ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG. Die Beklagte entfernte zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 

Der Bundesgerichtshof hat - wenig erstaunlich - die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Rechtssache EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13 - Dimensione und Labianca/Knoll auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gilt für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten. 

Danach verletzt die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handelt es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte.

Desgleichen stellt im Verfahren I ZR 88/13 das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar. 

Sämtliche drei Urteile bestätigen die bisherigen Entwicklungslinien in diesem Bereich.

Entscheidungen:

BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel II 
EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13 - Dimensione und Labianca/Knoll 
BGH, Beschluss vom 1. April 2013 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel I 
OLG Hamburg - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 26/09 
LG Hamburg - Urteil vom 2. Januar 2009 - 308 O 255/07 I ZR 76/11 
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 76/11 - Wagenfeld-Leuchte II 
OLG Hamburg, Urteil vom 30. März 2011 - 5 U 207/08 
LG Hamburg, Urteil vom 12. September 2008 - 308 O 506/05 I ZR 88/13 
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 88/13 - Al Di Meola 
LG Hamburg, Urteil vom 26. April 2013 - 308 S 11/12 
AG Hamburg, Urteil vom 13. September 2012 - 35a C 159/12 
Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 05. November 2015