Donnerstag, 25. Juni 2015

Poststreik und Haftung der Deutsche Post AG

1. Unübersichtliches

Der Poststreik legt hat inzwschen auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation deutliche Auswirkungen. Zwar ist es heute möglich, weitgehend elektronisch zu kommunizieren, jedoch nutzen etwa Gerichte und Behörden diese Möglichkeiten mangels Zertifikaten nur in geringen Ausmaße. In Düsseldorf sind in gut 14 Tagen gerade drei Briefe eingegangen. Dies wird zu zahlreichen Wiedereinsetzungsanträgen und anderen Maßnahmen führen müssen.

Es darf bezweifelt werden, dass die Information der Deutsche Post AG stimmen, dass nur 25 % der Briefsendungen nicht befördert werden. Jedenfalls sind aus München, Frankfurt am Main, Köln, Hamburg und Berlin ähnliche Ausfallzahlen wie in Düsseldorf bekannt. Die aktuellen Meldungen gibt es etwa hier. Ver.di bezeichnet dies noch als Warnstreiks im Sinne der "Neuen Beweglichkeit". Die arbeitskampfrechtliche Beurteilung anhand der Kriterien des BAG für Warnstreiks als Kurzstreiks (BAG AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) kann hier dahinstehen, unbeschadet der nachvollziehbaren Kampfziele.

2. Aspekte der Haftung der Post

Es kommen immer wieder Fragen von Mandanten nach einer Haftung der Post. Die Post ist allerdings für alle Bereiche rechtlich sehr gut abgesichert. Zu unterscheiden ist aber zwischen Verzögerungsschäden und Postverlusten.

a) Das PostG als Aufsichtsgesetz (in Umsetzung der Postdienste-Richtlinie 97/67/EG v. 15. 12. 1997, ABl. EG 1998 L 15/14 m. Änd.) enthält keine Regelungen mehr zur Haftung, sondern überlässt dies der Vertragsgestaltung, die über AGB gesteuert werden. Letztlich richtet sich die Haftung für Verlust, Beschädigung und Verzögerung beim Erbringen eines Postdienstes nach den allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften.  Dazu hat die Deutsche Post AG Klauseln entwickelt, die - bei Bedarf - regelmäßig optimiert werden, etwa nach Urteilen zur AGB - Inhaltskontrolle, die aber in diesem Bereich eher spärlich vorhanden sind. Zu trennen ist weiter zwischen "international" und "national" aufgrund anderer Regelungsregime. In beiden Fällen greifen jedoch nahezu identische Haftungaussschlüsse bei "Höherer Gewalt": 


"(2) Die Deutsche Post haftet im Übrigen für Verlust, Beschädigung und die nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Verpfl ichtungen nur, wenn für bedingungsgerechte und  nicht ausgeschlossene Sendungen die in Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 genannten  Zusatzleistungen vereinbart wurden. Der Haftungsumfang ist auf den unmittelbaren  vertragstypischen Schaden bis zu den Höchstbeträgen gemäß Absatz 3 begrenzt. Der Ersatz mittelbarer Schäden (u. a. entgangener Gewinn, entgangene Zinsen) ist  ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Deutsche Post vor oder nach der  Annahme der Sendung auf das Risiko eines solchen Schadens hingewiesen wurde. Schadenersatzleistungen sind auf eine Forderung pro Sendung begrenzt, wobei  deren Begleichung die vollständige und abschließende Regelung aller Schäden in diesem Zusammenhang darstellt, es sei denn, es handelt sich um Schäden im Sinne  des Absatzes 1. Die Deutsche Post ist auch von dieser Haftung befreit, soweit der  Schaden auf Umständen beruht, die sie auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte (z. B. Streik, höhere Gewalt). Die in
§§ 425 Abs. 2 und 427 HGB genannten Fälle der Schadensteilung und besonderen  Haftungsausschlussgründe bleiben ebenso unberührt wie andere gesetzliche Haftungsbegrenzungen oder Haftungsausschlüsse.
(3) Die Haftung der Deutschen Post gem. Absatz 2 ist auf folgende Höchstbeträge  begrenzt: Bei Brief- und briefähnlichen Sendungen mit der Zusatzleistung  1. Einschreiben 25,00 EUR  2. Einschreiben Einwurf 20,00 EUR 3. Nachnahme – nur für Fehler bei der Einziehung oder Übermittlung des Betrages nach Ablieferung der Sendung Nachnahmebetrag 4. Rückschein, Eigenhändig und Anschriftenprüfung/ -mitteilung/Premiumadress Zusatzentgelt 5. Wert National im Falle der Beförderung von Geld oder anderen Zahlungsmitteln 100,00 EUR  im Falle der (ausschließlichen) Beförderung anderer Güter 500,00 EUR  Die Haftung der Deutschen Post für die Überschreitung der Lieferfrist oder wegen einer sonstigen Abweichung von einem vereinbarten Ablieferungstermin für Sendungen, für die die Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist bzw. eines bestimmten Ablieferungstermins geschuldet ist, ist auf den einfachen Betrag der Fracht (Erstattung des Entgelts) begrenzt.
(4) Eine Sendung gilt als verloren, wenn sie nicht innerhalb von 20 Tagen nach Einlieferung an den Empfänger abgeliefert ist und ihr Verbleib nicht ermittelt werden kann. Abweichend von § 424 Abs. 3 HGB kann auch die Deutsche Post eine Erstattung ihrer nach den Absätzen 1 und 2 geleisteten Entschädigung verlangen".

3. Aus dem gerichtsfesten Abs.2 zum Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt (Streik) folgt daher, dass die Post nicht haftet und zwar für einfache Briefsendungen generell nicht und für Einschreiben und Wertsendungen nur begrenzt in der vorstehend genannten Höhe. Davon zu trennen sind verlorengegangene Briefsendungen für die im Rahmen der AGB gehaftet wird, da der Streik kein Grund ist, aufgegebene Sendungen nicht nach Ende des Streiks auszuliefern. Bei Einschreiben und Wertsendungen sollte daher nach dem Streik ein Verbleib geprüft werden.

3. Pakete/Päckchen DHL

Die DHL hat ein ganzes System von AGB, die aber im Kern übereinstimmen, jedenfalls für den hier relevanten Bereich: 

a) 6 Haftung "national" Paket

"(2) DHL haftet im Übrigen für Verlust und Beschädigung von bedingungsgerechten Sendungen sowie für die schuldhaft nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Pflichten nur im Umfang des unmittelbaren vertragstypischen Schadens bis zu den gesetzlichen Haftungsgrenzen. Der Ersatz aller darüber hinausgehenden Schäden ist ausgeschlossen (u.a. entgangener Gewinn, entgangene Zinsen); §§ 430, 432 HGB bleiben unberührt. Dies gilt unabhängig davon, ob DHL vor oder nach der Annahme der Sendung auf das Risiko eines solchen Schadens hingewiesen wurde, da besondere Risiken vom Absender versichert werden können. DHL ist von der Haftung befreit, soweit der Schaden auf Umständen beruht, die sie auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte (z. B. Streik, höhere Gewalt). Die in den §§ 425 Abs. 2 und 427 HGB genannten Fälle der Schadensteilung und besonderen Haftungsausschlussgründe bleiben ebenso unberührt wie andere gesetzliche Haftungsbegrenzungen  oder Haftungsausschlüsse.
(3) DHL beruft sich im Falle des Verlustes, der Beschädigung oder der schuldhaften Verletzung sonstiger Pflichten bei bedingungsgerechten und nicht als Verbotsgut ausgeschlossenen Sendungen nicht auf die gesetzlichen Haftungsgrenzen, soweit der Schaden nicht mehr als 500,- EURO beträgt. Soweit die Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist oder eines bestimmten Ablieferungstermins geschuldet ist, ist die Haftung von DHL für die Überschreitung dieser Lieferfrist bzw. die Abweichung von diesem Termin auf den dreifachen Betrag der Fracht (dreifaches Entgelt) begrenzt. Die Haftung der DHL für den Service „Nachnahme“ ist bei Fehlern bei der Einziehung oder Übermittlung des Betrages auf den Nachnahmebetrag begrenzt. Die Haftung der DHL für die Services „Rückschein“ und „Eigenhändig“ ist auf das Zusatzentgelt
beschränkt. 
(4) Eine Sendung gilt als verloren, wenn sie nicht innerhalb von 20 Kalendertagen nach Einlieferung an den Empfänger abgeliefert ist und ihr Verbleib nicht ermittelt werden kann. Abweichend von § 424 Abs. 3 HGB kann auch die DHL eine Erstattung ihrer nach den Absätzen 1 und 2 geleisteten Entschädigung verlangen".

Auch insoweit sind zwei Bereiche zu trennen: der Verzögerungsschaden, der nicht ersetzt wird und ein ggf. eintretender Schaden für Sendungsverluste. Die Haftung für verspätete Zustellungen wegen Streik ist gerichtsfest ausgeschlossen. Haftung für verlorengegangene Pakete ist möglich bis zu 500 Euro, wobei Besonderheiten für die Nachnahme gelten. Grundsätzlich wird für Päckchen nicht gehaftet, aber das hat das AG München 2013 einmal anders gesehen.

Das Amtsgericht München (Urteil vom 23.4.13, AZ 262 C 22888/12) war der interessanten Auffassung, dass sich das Unternehmen nicht auf einen Haftungsausschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen konnte, da diese nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden seien. So war in der von der Kundin aufgesuchten Filiale nur ein Aushang angebracht worden, der unter anderem Produkte und Preise auflistete und in dem es kleingedruckt hieß: "Näheres regeln unsere AGB sowie eine Übersicht, die Sie in den Postfilialen einsehen können". Diese Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen sei klein gedruckt und in einem Aushang über Produkte und Preise versteckt, so dass sie für die Kundin überraschend gewesen sei. Das wiederum habe zur Folge, dass eine wirksame Einbeziehung nicht vorliege, selbst wenn die Geschäftsbedingungen bei der Filiale vorrätig gewesen wären. Damit wurde der Haftungsausschluss erst gar nicht wirksam, der Dienstleister muss der Kundin den Schaden ersetzen (Quelle: Heise.de.). 

Sich darauf zu verlassen, dass andere Gerichte dies ähnlich sehen, könnte indessen trügerisch sein.

7, Haftung von Verdi

Es lässt sich zwar in Erwägung ziehen, eine Haftung der beiden beteiligten Gewerkschaften nach § 823 Abs.1 BGB  wegen Eingriffs in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb in Betracht zu ziehen. Dieser Anspruch scheitert aber an dem Kriterium der "Betriebsbezogenheit" eines schon nicht gegebenen Eingriffs, zumal der Gewerkschaft das Streikrecht aus Art. 9 III GG als Rechtfertigungsgrund zusteht.

Infolgedessen wird man die Folgen ertragen müssen, sofern Sendungen nicht tatsächlich am Ende verlustig geraten. Die Post indessen könnte ihr Unternehmenskonzept überdenken. 

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