Sonntag, 7. Juni 2015

EuGH: Beweislastverteilung beim Verbrauchsgüterkauf

Der EuGH, hat mit dem Urteil in der Rechtssache C-497/13 vom 04.06.2015, Froukje Faber / Autobedrijf Hazet Ochten BV, grundsätzliche Fragen des EU - Verbraucherkaufrechtes geklärt, die nicht nur Relevanz für die Niederlande haben werden. Das Urteil wird erhebliche Auswirkungen auch auf die AGB Praxis in Europa haben. 

Der Gerichtshof hat mit diesem Urteil die Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter geklärt und entwickelt insoweit auf der Basis der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171, S. 12) ein nahezu gänzlich anderes Verständnis als die deutsche Umsetzung des einschlägigen Bereichs der Richtlinie und der BGH.  


Die Thematik ist nicht neu, da es sich um einen Gebrauchtwagenkauf handelte, bei dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens am 27. Mai 2008 bei einem Autohaus einen Gebrauchtwagen kaufte, der am 26. September 2008 während einer Fahrt Feuer fing und völlig ausbrannte. Es wurde sodann von einem Abschleppunternehmen zu dem Autohaus, das es verkauft hatte gebracht, und dann auf dessen Bitte zu einem Verschrottungsunternehmen gebracht, um dort gelagert zu werden. Die Klägerin macht geltend, dass sich die Parteien bei dieser Gelegenheit über den Brand und eine etwaige Haftung des Autohauses unterhalten hätten, was das Autohaus bestreitet. Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 forderte die Klägerin Schadensersatz von dem Autohaus. Eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands konnte nicht durchgeführt werden, da das Fahrzeug inzwischen verschrottet worden war. 


Nach dem deutschen Verständnis der europäischen Rechtsregeln in Anwendung des § 476 BGB als Umsetzungsnorm, hätte die Klägerin den Sachmangel nicht beweisen können, mag er auch binnen sechs Monaten nach seiner Entstehung angezeigt worden sein (BGH, NJW 2004, 2209; 2006, 436). Unabhängig von dieser Vermutungswirkung trägt der Käufer die volle Beweislast nach § 292 ZPO, soweit keine schuldhafte Beweisvereitelung des Verkäufers vorliegt 


Wesentlich problematischer als der BGH sah dies allerdings das Berufungsgericht in den Niederlanden,  Der mit dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren befasste Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden, Niederlande, hat
beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.



- Die Frage, ob das nationale Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Klägerin als Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 anzusehen ist, wenn sie sich nicht auf diese Eigenschaft berufen hat, was der EuGH konsequent bejaht hat. Ob der Verbraucher anwaltlich vertreten ist oder nicht, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Der BGH geht demgegenüber davon aus, dass ein Verbraucher sich auf diese Eigenschaft berufen muss und dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, NJW 2007, 2621). 



- Gleichzeitig bestätigt der Gerichtshof, dass das nationale Gericht im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie von Amts wegen prüfen kann. Diese Bestimmung sieht vor, dass bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich vermutet wird, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden. 



- Das vorlegende Gericht hat weiter die Frage gestellt, ob der Grundsatz der Effektivität einer nationalen Bestimmung entgegensteht, derzufolge der Verbraucher nachzuweisen hat, dass er den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichtet hat. Nach niederländischen Recht obliegt es bei Bestreiten des Verkäufers grundsätzlich dem Käufer, den Beweis zu erbringen, dass er den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes unterrichtet hat, und zwar binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Feststellung der Vertragswidrigkeit. Eine vergleichbare Regelung enthält das deutsche Recht nicht. 



Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 1999/442 vorsehen dürfen, dass der Verbraucher zur Inanspruchnahme seiner Rechte den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er sie festgestellt hat, unterrichten muss. Nach den Vorarbeiten für die Richtlinie trägt diese Möglichkeit dem Anliegen Rechnung, die Rechtssicherheit zu stärken, indem der Käufer zu einer „gewissen Sorgfalt unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers“ gezwungen wird, „ohne dass damit dem Verbraucher eine zwingende Verpflichtung auferlegt würde, die betreffende Sache genauestens zu prüfen“. Der EuGH damit darauf ab, dass diese Norm nicht als Rügeobliegenheit mit Untersuchungspflicht zu verstehen ist. 


Der Gerichtshof führt vielmehr aus, dass sich die dem Verbraucher obliegende Pflicht ausschließlich darauf beschränkt, den Verkäufer über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Der Verbraucher ist nach Auffassung des EuGH in diesem Stadium weder verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass eine Vertragswidrigkeit das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt, noch, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben. Den EuGH kann man insoweit so verstehen, als ob hierzu der Hinweis auf die wahrscheinliche Möglichkeit des Vorliegens eines Sachmangels ausreicht, wenn hinreichende Angaben enthalten sind, die die eine Prüfung des Sachverhaltes ermöglichen, die aber zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich sein werden. Damit wird letztlich für den Verkäufer eine Prüfpflicht auf Hinweis des Käufers statuiert, die der Richtlinie letztlich auch von der Konzeption her zugrundeliegt.  


- Entscheidend ist die Frage des vorlegenden Gerichts nach der Beweislastverteilung und insbesondere danach, welche Umstände der Verbraucher beweisen muss und welche Umstände der Unternehmer beweisen muss. Der Gerichtshof führt dazu aus, dass die Richtlinie, falls die Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird, die dem Verbraucher obliegende Beweislast erleichtert, indem vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. 



Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch das Vorliegen bestimmter Tatsachen nachweisen:



Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, weil es zum Beispiel nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur die Vertragswidrigkeit beweisen. Er muss weder ihren Grund noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Dies führt letztlich zu einem "Splitten" des Beweises hinsichtlich der Vertragswidrigkeit und des Grundes der Vertragswidrigkeit, die schwer zu trennen sind. 



Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Dafür reicht letztlich ein einfaches Anspruchsschreiben mit Zugangsnachweis im Bestreitensfall. 



Sind diese Tatsachen erwiesen, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten der Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat.



Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, gegebenenfalls den Beweis zu erbringen, dass die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes noch nicht vorlag, indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat. Der EuGH statuiert hier eine echte Beweislastumkehr, die der BGH so nicht anerkannt hat. 


Wie der BGH auf dieses neue EuGH - Urteil bei passender Gelegenheit reagieren wird, ist offen. ES liegt auf der Hand, dass diese Entscheidung nicht nur für den Gebrauchtwagenhandel von Relevanz sein wird. Offen ist auch, ob dieses Urteil zum Anlass genommen wird, § 476 BGB zu präzisieren. Jedenfalls aber wird dieses Urteil Änderungen der Rechtspraxis erzwingen, da sich Käufer bei einem Verbrauchsgüterkauf darauf berufen werden und diese Entscheidung somit ab sofort eine Rolle spielen wird. 


Quelle: Pressemitteilung des EuGH

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