Samstag, 6. Juni 2015

BGH: Kündigung einer atypischen stillen Gesellschaft aus wichtigem Grund

Der BGH hat mit erst kürzlich veröffentlichen Entscheidungsgründen in Sachen BGH, Urt. v. 03.02.2015, AZ: II ZR 335/13, eine interessante Entscheidung für die Folgen der Kündigung einer stillen Gesellschaft aus wichtigem Grund und deren Folgen für die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung getroffen. 

Der gesetzliche Grundtypus der stillen Gesellschaft ist in §§ 230 ff HGB für die typische stille Gesellschaft geregelt, die aber in der Praxis eher selten ist, weil maßgeblich atypische Gestaltungen vorherrschen (vornehmlich aus steuerlichen Gründen mit Blick auf die Mitunmternehmerschaft), bei denen es auf einen möglichst detaillierten Gesellschaftsvertrag ankommt. 

Stille Gesellschaften kommen häufig - nicht zuletzt in Verbindung mit Treuhandkonstruktionen - zur Anwendung, um Kredite abzusichern und/oder um Kontrollmöglichkeiten bei mittelbaren Beteiligungen zu schaffen. Sehr verbreitet ist etwa die "GmbH & Still", bei der die maßgeblichen Entscheidungen in den Beschlussorganen der stillen Gesellschaft getroffen werden, weil der Stille schuldrechtlich am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, ohne im Handelsregister in der Gesellschaftliste - etwa aus Diskretionsgründen - zu erscheinen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass im Rahmen der kommenden Vierten EU - Geldwäscherichtlinie ein Register für mittelbare Beteiligungen geschaffen werden soll, wobei der Beratungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Im Zentrum steht fast immer eine Beteiligung, die in der Regel auch zur Beteiligung an Gewinn - und Verlust im Sinne einer echten Mitunternehmerschaft führt. 

Wie der BGH deutlich macht, führen - wegen § 723 Abs.1 BGB vertraglich unabdingbare - Kündigungen von stillen Gesellschaften aus wichtigem Grund zu deren Auflösung und zur Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der stillen Gesellschaft unter Einschluss der Beteiligung an dem betreffenden Handelsgeschäft. 
Die wechselseitigen Ansprüche werden dabei - wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - grundsätzlich zu unselbstständigen Rechnungsposten im Rahmen einer Gesamtabrechnung. Vor Beendigung der Auseinandersetzung können sie nur ausnahmsweise geltend gemacht werden. Dies gilt etwa in Fällen, wenn  durch eine solche Geltundmachung vor Abschluss der Auseinandersetzung das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ganz oder teilweise in zulässiger Weise vorweggenommen wird. Verboten sind Hin- und Herzahlungen. 

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger sich mit einer Einlage von 165.000 € an einem vom Beklagten geführten Fitnessstudio zu 27,5 atypisch beteiligt, so dass eine Beteiligung an Gewinn und Verlust in Abweichung von § 230 Abs.2 HGB vereinbart war. Der Kläger arbeitete dort auch persönlich und betrieb unter der gleichen Anschrift in getrennten Räumlichkeiten eine Praxis für Physiotherapie mit Angestellten, die unter anderem auch Kurse in dem betreffenden Fitnessstudio durchführten. Das Fitnessstudio wurde auch für Zwecke der Physiotherapiepraxis genutzt. Derartige Konstruktionen sollten klar geregelt werden, wobei Dienstleistungen grds. einlagefähig sind, aber über die Bewertung oft Streit entsteht.  

Der betreffende Gesellschaftsvertrag der Parteien aus dem Jahr 2005 sieht vor, dass die Gewinnermittlung nach dem jährlich gemäß den Gewinnvorschriften des EStG aufzustellenden Jahresabschlusses erfolgen sollte, wobei Kläger und Beklagter jährlich Anspruch auf eine monatliche Vorabgewinnzuweisung i.H.v. 3.100 € hatten im Sinne eines Entnahmerechtes. Wie oftmals üblich sah der Gesellschaftsvertrag ein "Drei-Konten-Modell" vor: Einlagen- und Verlustkonto sowie eine (zu verzinsenden) Privatkonto, auf das der Gewinnanteil des Klägers zu buchen war. Stichtag für den Beginn der Gesellschaft war der Juli 2005. Der Gesellschaftsvertrag für die Stille Gesellschaft war unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung auf zehn Jahre geschlossen. In solchen Fällen bleibt zwecks vorzeitiger Auflösung nur die außerordentliche  Kündigung aus wichtigem Grund, in Orientierung an §§ 133 HGB, 723 BGB.  

Zwischen den Parteien kam es zu einem Streit, weil - scheinbar aufgrund mangelnder vertraglicher Regelungen des notariell hier nicht formbedürftigen Gesellschaftsvertrages - keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte, wie die durch Angestellte der Physiotherapiepraxis in dem Fitnessstudio erbrachten Arbeitsleistungen bei der Gewinnermittlung für die Jahre 2005 bis 2009 zu berücksichtigen und zu bewerten waren. Sehr viele gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen kreisen um Bewertungsfragen. 

Im Verlauf des Streites kündigte der Kläger den Vertrag über die stille Gesellschaft im Juni 2010 kündigte aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos. Als wichtigen Grund sah er an, dass er den Beklagten zuvor erfolglos auf Zahlung des von ihm errechneten Gewinnanteils für die vergangenen Jahre in Anspruch genommen hatte. Ein solcher wichtiger Grund setzt unter Einbeziehung der persönlichen Vertrauensbeziehungen zwischen den Parteien nach umfassender Interessenabwägung voraus, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den kündigenden Teil unzumutbar ist (BGH, BB 1980, 958).

Das LG gab der Klage zu einem Teil der Forderung statt und das OLG gab der Klage im Wesentlichen statt (109.533 € statt der zuletzt eingeklagten 127.366 €). Allerdings hat der BGH das Berufungsurteil bereits deshalb aufgehoben, weil beide Gerichte sich mit dem Bestehen oder Nichtbestehen eines wichtigen Grundes nicht näher auseinandergesetzt hatten, was verwunderlich ist. Daraus resultierte eine Zurückverweisung aufgrund eines schwerwiegenden Begründungsmangels als Rechtsfehler.  

Den Ausführungen des OLG konnte nicht entnommen werden, dass es ein wichtiger Grund für die Kündigung unproblematisch bestand. Gegen einen wichtigen Grund sprach aus der Sicht des BGH, dass es für den Beklagten auf die Berücksichtigung eines möglicherweise überschießenden Betrages von Leistungen der Praxis für Physiotherapie ankam, der zu einer Verringerung des Gewinnanteils des Klägers führen könnte, so dass auch die Auseinandersetzung fehlerhaft durchgeführt worden war. DEr BGH hielt es für offen, ob und in welcher Höhe sich unter Berücksichtigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und der Einlage auf der Grundlage der noch zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz ein Auseinandersetzungsguthaben in welcher Höhe ergeben würde. Unklar blieb, wie die wechselseitig erbrachten Leistungen zu bewerten waren, deren Bewertung aber die Grundlage des wichtigen Grundes für die Kündigung bildete. Letztlich wurde hier bereits die Auseinandersetzung in den Kündigungsgrund "gezogen". Die entsprechenden Forderungen müssen in die Auseinandersetzungsrechnung als unselbstständige Rechnungsposten richtig bewertet eingestellt werden, was hier unterblieben ist.

Die völlig nachvollziehbare Entscheidung beleuchtet einen wichtigen Bereich des Rechts der atypischen stillen Gesellschaft, deren Verträge sorgfältig bedacht werden sollten, um Streitigkeiten dieser Art möglichst im Vorfeld vermeidbar zu machen. 

Quelle: http://www.bundesgerichtshof.de/cln_136/DE/Entscheidungen/entscheidungen_node.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen