Freitag, 10. April 2015

Haftung auf Unterlassung des Dienstebetreibers eines Microblogs

Die Entscheidung des 4. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Dresden hat für viel Wirbel gesorgt, enthält aber in der Sache wenige Überraschungen. 

Mit seiner am 1. April 2015 verkündeten Entscheidung hat das OLG Dresden die Beklagte, die als Hostprovider einen Mikrobloggingdienst betreibt, verpflichtet, es zu unterlassen, im Urteil einzelnen näher beschriebene, die Klägerseite diskreditierende Äußerungen über ihr Internetportal im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Die Entscheidung lässt sich ohne nähere Kenntnis des Urteilstextes und der Verletzungshandlungen kaum analysieren, da es konkret auf die Verletzungshandlung ankommt. Jedenfalls gibt es kein Privileg für Microblogs bei rechtswidrigen Handlungen anders behandelt zu werden als andere Dienste in den Medien des Internets mit vergleichbaren Rechtsrisiken, wobei die Details jedenfalls auch technologieabhängig sind. 

Unter Mikroblogging wird eine Form des Bloggens verstanden, bei der die - meist registrierten - Nutzer kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten veröffentlichen können, wie etwa bei Twitter. Die Länge dieser Nachrichten beträgt in der Regel weniger als 200 Zeichen und lässt vertiefte inhaltliche Auseinandersetzungen kaum zu. Microbloggingfunktionen können aber in Plattformen integriert werden, wie etwa bei Linkedin, Facebook oder Tumblr. Die einzelnen Postings können entweder privat oder öffentlich zugänglich sein und unter Umständen auch Elemente eines Videobloggings erfassen. Jedenfalls werden sie wie in einem Blog chronologisch dargestellt und lassen aufgrund der technischen Neutralität der Nutzungsmöglichkeiten selbstredend auch Verletzungshandlungen in Form von Äußerungsdelikten zu. Üblicherweise ist die anonyme Nutzung jedenfalls der Sache nach zulässig, je nach den Nutzungsbedingungen. 

Gegenstand des Streits waren mehrere Postings eines anonymen Nutzers des sozialen Netzwerkes, mit denen die Geschäftspraktiken der Klägerseite scharf kritisiert wurden. Kläger waren das Unternehmen, das Dienstleistungen im Internet anbietet, und dessen Gesellschafter. Grds. müssen sich Unternehmen einer auch scharfen Kritik stellen, wenn die Grenzen der Meinungsfreiheit im Sinne einer "Schmähkritik" nicht überschritten oder falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Dazu gibt die Pressemitteilung im Detail nichts her. Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen waren bereits Gegenstand zweier jüngerer BGH - Entscheidungen und zwar zum einen des Urteils des BGH vom 25. Oktober 2011, Az: VI ZR 93/10 und des Urteils vom 27.März 2012, Az: VI ZR 144/11,  die beide auf einem differenzierten Modell der Mitstörerhaftung beruhen, dem das OLG Dresden ausdrücklich folgt. 

Der Senat hat den Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts allerdings bejaht und dabei die Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung als verantwortlich angesehen. Nach diesem Konzept sind Äußerungen zu entfernen, wenn in der erforderlichen Abwägung das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit hinter dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes der Klägerseite zurücktreten muss, was inzwischen allgemeiner Rechtsauffassung entsprechen dürfte. 

Das OLG Dresden wendet die Grundsätze nunmehr auf Microblogs an, die der BGH zu Informationsportalen entwickelt hat und ist der Auffassung, dass der Betreiber, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt der eingestellten Nachricht hinweist, verpflichtet sein kann, zukünftige derartige Verletzungen proaktiv zu verhindern, etwa durch den Einsatz von Filterungstechnologie oder einer Sperrung des Accounts. Dies kommt letztlich aber nur bei einer erheblichen Intensität der Beeinträchtigung in Betracht. 

Tatsächlich ist nach der neueren BGH - Rechtsprechung ein Tätigwerden des Hostproviders aber postaktiv nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst sei, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden könne, was einem Evidenzkriterium entspricht. 

Der Hostprovider muss daher nach der überzeugenden Auffassung des OLG Dresden nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen, sondern bei entsprechend sorgfältig abgefasster Beanstandung, ob möglicherweise Persönlichkeitsrechte Dritter durch die betreffenden Äußerungen verletzt werden. Ähnlich wie der Haftung von Arztbewertungsportalen wird insoweit der betreffende Nutzer einbezogen, indem nach Sperrung des Contents ein Verfahren eingeleitet wird, in dessen Rahmen dem Nutzer die Gelegenheit gegeben wird, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Datenschutzrechtlich besteht kein Auskunftsanspruch des Verletzers gegen den Provider auf Mitteilung der personenbezogenen Registrierungsdaten, die ohnehin falsch sein können. 

Wie in vielen Fällen dieser Art, hatte sich der anonyme Nutzer nicht geäußert, was nach zahlreichen Nutzungsbedingungen von Bewertungsportalen zur Löschung führt.

Der Senat hat erfreulicherweise die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. 

OLG Dresden, Urteil vom 1. April 2015, Az: 4 U 1296/14

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