Freitag, 5. Dezember 2014

Unterlassungsansprüche in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Bundesgerichtshof : Zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen Ausübung der Prostitution in einer Wohneinheit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft 

Nach § 14 WEG muss ein anderer Wohnungseigentümer einen Nachteil dann nicht hinnehmen, wenn dieser bei einem geordneten Zusammenleben über das unvermeidliche Maß hinausgeht. In diesem Rahmen sind widerstreitende Interessen aus Art. 14 GG gegeneinander abzuwägen, um zu einem pragmatischen Ausgleich zu gelangen. Dies gilt auch bei Störungen im Rahmen der §§ 823, 1004 BGB. Aus § 15 Abs.3 i.V.m. § 43 WEG folgt ein Anspruch des betroffenen Wohnungseigentümers auf Unterlassung der betreffenden Störung. 

Das Gesetz regelt aber nicht ausdrücklich, ob ein solcher Anspruch dem einzelner Wohnungseigentümer gegen den Störer zusteht oder ob dieser Ansprüch über die Eigentümergemeinschaft geltend zu machen ist (arg. § 10 WEG). Etwa indem ein Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung an den Verwalter gestellt werden kann, mit einem entsprechenden Vorschlag zur Tagesordnung, der nur aus wichtigem Grund abgelehnt werden darf, wenn eine nicht unerhebliche Störung wegen unzulässigen Gebrauchs im Raum steht. Ein solches Vorgehen stellt einen recht sicheren Weg dar, um zu einer Klärung zu gelangen. 

Der Anspruch steht zwar dem einzelnen Wohnungseigentümer zu, allerdings kann sich der Verband nach der bisherigen herrschenden - wenn auch umstrittenen - Linie der Rechtsprechung durch Mehrheitsbeschluss zur Geltendmachung des Anspruchs ermächtigen, was aus § 10 WEG gefolgert wird und zu einer besonderen Form des Prozesstandschaft führt (so etwa schon BayObLG v. 30.05.1996 - AZ; 2 Z BR 9/96; BayObLG v. 15.01.2004 - AZ: 2 Z BR 225/03). 

Lehnt die Eigentümergemeinschaft eine solche Rechtsverfolgung ab, besteht nach herrschender Auffassung kein Rechtsschutzdürfnis für eine Erzwingung eines solchen Beschlusses, sondern in einem solchen Falle kann der einzelne Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch ohne die Gemeinschaft verfolgen. Wird ein Beschluss gefasst, aber nicht umgesetzt, kann sich im Innenverhältnis ein Anspruch der Eigentümer auf Umsetzung ergeben.

Über einen solchen Fall hatte nunmehr der BGH zu entscheiden, der sich eingehend mit der bislang umstrittenen Frage befasst hat, unter welchen Voraussetzungen einzelne Wohnungseigentümer vor Gericht verlangen können, dass Störungen des gemeinschaftlichen Eigentum unterbleiben, wenn keine unmittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums besteht.

Der BGH hat jetzt im Sinne einer kollektivrechtlichen Betrachtungsweise entschieden, dass eine individuelle Rechtsverfolgung nicht mehr möglich ist, wenn die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen haben, dass ihre Ansprüche gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen und folgt insoweit dem Lösungsansatz des BayObLG (das nicht mehr existiert). 

Im Ausgangsfall sind beide Parteien Mitglieder derselben Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger sieht sich nach § 14 WEG dadurch in Rechten gestört, dass in der Wohnung des Beklagten Prostitution gewerblich ausgeübt wird.  Am 14. Mai 2011 fassten die Eigentümer mehrheitlich den folgenden Beschluss:

 "Die Wohnungseigentümer beschliessen, dass die ihnen aus ihrem Eigentum zustehenden Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wegen der gewerbsmäßigen Prostitution im Objekt xyz, gemeinschaftlich durch den Verband geltend gemacht werden sollen. Die Verwaltung wird beauftragt, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zu den üblichen Rechtsanwaltsgebühren zu beauftragen." 

Der Kläger wollte ungeachtet dessen mit seiner Klage erreichen, dass der Beklagte es nach § 1004 BGB unterlassen muss, seine Wohnung zur Ausübung der Prostitution zu nutzen, und sie Dritten nicht für solche Zwecke zu überlassen. Allerdings war die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Verfahrens noch nicht gegen den Beklagten vorgegangen und hatte den mehrheitlich nach § 25 WEG gefassten Beschluss daher noch nicht umgesetzt. 

Amtsgericht und Landgericht haben die Klage in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung als unzulüssig angesehen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidungen bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen und für solche Fälle jetzt Rechtsklarheit geschaffen. 

Der BGH begründet diess damit, dass, wenn die Substanz oder die Nutzung des Gemeinschaftseigentums beeinträchtigt werden, darauf bezogene Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Grundsatz zwar den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen und von ihnen vor Gericht geltend gemacht werden können. Dennoch sind diese Ansprüche gleichzeitig auch gemeinschaftsbezogen. Daher haben die  Wohnungseigentümer über die Eigentümerversammlung die rechtliche Kompetenz zu beschließen, dass derartige Ansprüche gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen, was letztlich auch sinnvoll ist. Ist dies der Fall, wird hierdurch eine alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet. Die Begründung einer solchen Kompetenz schließt im Umfang der Beschlussfassung die einzelnen Wohnungseigentümer von der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs aus. Dies führt in der Praxis dazu, dass solche Beschlüsse hinsichtlich des konkreten Inhaltes genau geprüft werden müssen, die überdies unter Umständen auch der Anfechtung unterliegen können. 

Der BGH sieht den entscheidender Gesichtspunkt darin, dass die Ausübungsbefugnis des Verbands dem Willen der Mehrheit entspricht, wobei es allerdings auch auf den Inhalt der Beschlussfassung ankommen kann. Unterlassungsansprüche können auf unterschiedliche Weise durchgesetzt werden, etwa indem sie “ als milderes Mittel"  nur die Einhaltung bestimmter Auflagen verlangen. Dies wiederum kann im Einzelfall zu wenig sein.

Dem Verband obliegt es von der Beschlussfassung an, die mehrheitlich gewollte Lösung konsequent durchzusetzen. Dies schützt auch den Schuldner vor einer mehrfachen Inanspruchnahme mit möglicherweise unterschiedlicher Zielsetzung. Setzt die Wohnungseigentümergemeinschaft den gefassten Beschluss nicht um, kann ein einzelner Wohnungseigentümer im Innenverhältnis verlangen, dass sie Klage einreicht, was völlig sachgerecht ist, zumal der Verwalter verpflichtet ist, solche Beschlüsse umzusetzen (§ 27 Abs.1 Nr.1 WEG) und sich insoweit auch Haftungsansprüchen bei schuldhafter Nichtausführung aussetzt. 

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH kann ein einzelner Wohnungseigentümer in derartigen Fällen nur noch dann selbst Klage erheben, wenn die betreffende Störung sein Sondereigentum unmittelbar beeinträchtigt oder aber die Eigentümergemeinschaft ein solches Vorgehen rechtmäßig ablehnt. Offen bleibt die Frage, ob in solchen Fällen nunmehr bei Untätigkeit nicht doch ein Anspruch auf das Tätigwerden der Eigentümergesellschaft besteht, was dass Urteil des BGH nahelegen könnte. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14. Mai 2011 hat daher die alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet. 

Der BGH hat vorliegend eine unmittelbare Beeinträchtigung des Klägers abgelehnt. Der Kläger stützte seine Klage ausschließlich auf Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch den bordellartigen Betrieb in Gestalt von Lärmbelästigungen und Verschmutzungen des Treppenhauses und der Fluren, die lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung darstellen. Der BGH ist überdies der Auffassung, dass das Sondereigentum des Klägers durch negative Auswirkungen auf den Verkehrswert und die Vermietbarkeit nur indirekt betroffen werden, so dass ein etwaiger Wertverlust - der ohnehin das Objekt als Ganzes betreffen würde - hier keine unmittelbare Beeinträchtigung darstellt. Auch eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung der Rechtsverfolgung durch den Verband hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei unter Hinweis darauf verneint, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits mehrere Verfahren (gegen andere Wohnungseigentümer) zur Unterbindung der Prostitution in der Anlage eingeleitet habe. Alles in allem führt dies zu einer Unzulässigkeit der Klage, so dass nicht zur Sache verhandelt werden muss und auch eine Zurückverweisung nicht in Betracht kam, weil die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft die Unterlassung der Prostitution berechtigt verlangen kann, nicht Gegenstand dieses Verfahrens war. 

BGH, Urteil vom 5. Dezember 2014, Az.  V ZR 5/14 
AG NÜrnberg-Fürth; Urteil vom 10. Juli 2013, AZ 4 C 1152/12 
 LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 19. Dezember 2013, AZ: 14 S 5795/13 WEG 
 Karlsruhe, den 5. Dezember 2014 
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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