Dienstag, 23. September 2014

Keine Löschung der Daten eines Arztes aus Arztbewertungsportal

Bundesgerichtshof - PM Nr. 132/2014 vom 23.09.2014

Angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung zu Bewertungsportalen für freie Berufe in den letzten Jahren hat der Bundesgerichtshof wenig überraschend den Anspruch eines Arztes auf Löschung seiner Daten aus einem Ärztebewertungsportal nebst allen Bewertungen abgelehnt. Damit ist aber nicht ausgedrückt, dass Ärzte gegen solche Bewertungen in Arztbewertungsportalen völlig rechtlos sind, wie der BGH selbst betont. 

Der Kläger im Ausgangsfall ist niedergelassener Gynäkologe. Die Beklagte betreibt in München ein Portal zur Arztsuche und Arztbewertung. Internetnutzer können dort kostenfrei der Beklagten vorliegende Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe abrufen. Zu den abrufbaren Daten zählen unter anderem Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten und Sprechzeiten sowie Bewertungen des Arztes durch Portalnutzer. 

Die Abgabe einer Bewertung erfordert eine vorherige Registrierung. Hierzu hat der bewertungswillige Nutzer lediglich eine E-Mail-Adresse anzugeben, die im Laufe des Registrierungsvorgangs verifiziert wird. Infolgedessen ist eine anonyme Nutzung eines Portals für entsprechend kundige Internetnutzer möglich. 

Der Kläger ist in dem genannten Portal mit seinem akademischen Grad, seinem Namen, seiner Fachrichtung und der Anschrift seiner Praxis verzeichnet. Nutzer haben ihn im Portal mehrfach bewertet. Gestützt auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, die ihn betreffenden Daten – also "Basisdaten" und Bewertungen – auf der genannten Internetseite zu veröffentlichen, und sein Profil vollständig zu löschen. 

Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. 

Das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht. Die Beklagte ist deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. 

Der BGH führt dazu aus: "Zwar wird ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen können – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen hat. Auch besteht eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals. Auf der anderen Seite war im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten "Sozialsphäre", also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht. Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. (...) Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung ist dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes [TMG])". 

Missbrauchsgefahren ist ein betroffenener Arzt aber nicht schutzlos ausgeliefert, da er von einem Portalbetreiber die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann. Allerdings sind die hier vorzunehmenden Bewertung oftmals schwierig und bewegen sich in einer für den Arzt riskanten "Grauzone", gerade bei Annahme einer Schmähkritik. Kritik von "Internettrollen" sollte aber nicht ohne weiteres hingenommen werden. Hinzu kommt, dass zumindest die berufsbedingten Angaben zu Ärzten, die sich nicht selbst eingetragen haben, wenigstens sachlich zutreffend sein müssen und das ärztliche Berufsrecht eingehalten werden muss. Berechtigter Kritik können sich Ärzte indessen nicht mehr entziehen. Die meisten Anbieter haben indessen längst ein Kontrollsystem eingeführt, das mehr oder weniger effektiv funktioniert.  

Wie man das BGH - Urteil auch sieht, es hat Klarheit in einem Bereich geschaffen, der lange von Unsicherheit geprägt war. 


Urteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13
AG München - 158 C 13912/12 – Entscheidung vom 12. Oktober 2012
LG München I - 30 S 24145/12 – Entscheidung vom 19. Juli 2013

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 
76125 Karlsruhe